Geld fürs Surfen – money for nothing?

Den Surfer für das Betrachten der eigenen Werbung Geld bezahlen. Ist diese Marketingform die letzte Möglichkeit die Aufmerksamkeit des Internet-Nutzers zu gewinnen oder nur eine Vermarktungsstrategie ohne Zukunft?

Im Internet-Werbemarkt geht es mittlerweile um beachtliche Summen. So geht eine von „The Meyers Group“ veröffentlichte Studie davon aus, dass im Jahr 2005 alleine 32 Milliarden US-$ in die amerikanische Online-Werbung fließen werden. Wenn es nach Firmen wie Alladvantage.com geht, wird ein Großteil dann auf personalisierte Online-Werbung entfallen.

Die Probleme der herkömmlichen Internet-Werbung
Im Internet weiß niemand, dass Du ein Hund bist. Dieses Sprichwort verdeutlicht das Problem der herkömmlichen Internet-Werbung. Niemand kann verläßlich kontrollieren, wer auf die Werbeangebote eines Anbieters zugreift. Zwar existiert die Möglichkeit, Bannerwerbung bei Suchmaschinen an bestimmte Suchbegriffe zu koppeln, doch weiß man letztendlich nicht wen die Werbung erreicht. Die Anonymität im Internet ist für die Werbungtreibenden des größte Problem. Die Interessen eines Besuchers lassen sich nur vage aus den besuchten Websites ableiten. Die Streuverluste in der Werbung sind dementsprechend hoch. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Click-Through Rate bei Bannern nur bei 1-2% liegt. Abhilfe soll nun eine neue Vermarktungsstrategie der Internet-Werbung liefern.

Werbung on demand
Werbung funktioniert nach einem einfachen Grundprinzip: Jeder schaut sich am liebsten das an, was ihn am meisten interessiert. Anbieter von „Geld fürs Surfen“- Systemen versprechen eine einzigartige „win-win-Situation“, sowohl für Internet-Nutzer als auch Werbungtreibende. Der entscheidende Vorteil dieser Systeme soll in der zielgenauen Ansprache der Nutzer liegen. Der Werbungtreibende bestimmt dafür ein Zielprofil, also seine Vorstellung eines Konsumenten, den er mit seinem Produkt erreichen möchte. Dieses Profil besteht aus soziodemographischen Daten und Produktinteressen. Der Nutzer wiederum selektiert aus den gleichen Produktkategorien seine persönlichen Interessen. Mit diesem Profiling bestimmt der Nutzer seine bevorzugten Werbeinhalte.

Die Funktionsweise von „Geld fürs Surfen“
Das Funktionsprinzip der Werbeanbieter stellt sich als relativ einfach dar. Der Online-Nutzer meldet sich bei einem oder mehreren der Anbieter mit seinen demographischen Daten an. Daneben werden von vielen Anbietern auch die persönlichen Interessensgebiete nachgefragt. Anschließend lädt der Nutzer eine Client-Software von Anbieter herunter und installiert diese auf seinem Rechner. Bei jeden Gang ins Internet öffnet sich fortan automatisch ein Werbefenster und es werden dort – in bestimmten zeitlichen Abständen – Werbebanner eingeblendet. Dieses Werbefenster bleibt immer im Vordergrund geöffnet. Für jede Stunde, die der Nutzer das Werbefenster geöffnet hat, bekommt er einen Betrag (0,5 -1,5 DM) auf seinem Kundenkonto gutgeschrieben. Erreicht er einen gewissen Betrag (meist 20 DM), wird dieser ihm ausgezahlt. In einer ähnlichen Weise arbeitet das Angebot des Deutschen Jugendherbergswerk (DJH). Hier gibt es zwar nicht direkt Geld fürs Surfen, doch gewährt das DJH dem User – in Zusammenarbeit mit dem Provider Talkline – bis zu 10 Online-Studen gratis. Über den „Personal Ad Client“ der Firma Novaville bekommt der DJH-User in regelmäßigen Abständen Werbung auf seinem Bildschirm eingeblendet. Momentan ist das Angebot des DJH noch auf Mitglieder beschränkt, die seit mindestens 5 Jahre dem DJH angehören. Eine weitere Vergütungsmöglichkeit findet man bei den Angeboten von webmiles oder yoolia. Dort bekommt der Internet-Surfer für seine persönlichen Daten und für das Betrachten der Werbung „Webmiles“ oder „Credits“ gutgeschrieben. Mit diesen kann er dann wiederum bei verschiedenen Partnerunternehmen auf „Einkaufstour“ gehen. Wie Erfolgreich diese neuen Marketing-Konzepte sein können, zeigt das US-amerikanische Start-up-Unternehmen Alladvantage.com. Die im Februar 1999 gegründete Firma verfügt mittlerweile über einen Kundenstamm von mehr als 4 Millionen Mitgliedern. In der Rangliste (PC Data Online) der weltweit am häufigsten besuchten Websites rangierte Alladvantage.com im Dezember 1999 auf Platz 23; nur knapp hinter den Angeboten von Altavista und eBay. Der Pionier unter den Geld-fürs-Surfen-Anbietern zahlte in zwei Monaten über 10 Millionen US-$ an seine Mitglieder aus.

Die Möglichkeiten für den Werbekunden
Bei den meisten Geld-fürs-Surfen-Anbietern besitzt der Werbekunde die Möglichkeit, unterschiedliche Werbeplazierungen zu wählen. Der Werbungtreibende kann ein Zielprofil bestimmen, also seine Vorstellung eines Konsumenten, den er mit seinem Produkt erreichen möchte. Dieses Profil kann aus soziodemographischen Daten sowie Produktinteressen bestehen. Abhängig vom Verhalten des Surfers, sind dann verschiedene Werbeeinblendungen möglich. So besteht u.a. die Option, dass eigene Werbebanner dann einzublenden, wenn der User die Seite eines bestimmten (Konkurrenz-) Unternehmens anwählt. Auch komplementäre Werbung ist möglich (z.B. Werbung für ECIN beim Aufruf einer E-Commerce-Seite). Das Internet umspannt die gesamte Welt. Doch kann es nicht im Sinne eines regionalen Anbieters sein, die eigene Werbung in die ganze weite Internet-Welt hinauszuschicken. Personalisierte Online-Werbung bietet die Möglichkeit, die Ausstrahlung von Werbung auf einzelne Postleitzahlengebiete oder Regionen zu begrenzen. Personalisierte und gleichzeitig lokal fokussierbare Internetwerbung wird dadurch zur Realität. Die Software der Anbieter verspricht ferner auf das Surfverhalten der User zu reagieren und deren Präferenzen aufzuzeichnen. Durch die ständige Weiterentwicklung der Kundenprofile soll sichergestellt werden, dass die Werbung kontinuierlich die gewünschte Zielgruppe erreicht. Streuverluste bei der Nutzeransprache sollen laut Thomas Simmons, Geschäftsführer der Novaville AG, gegen null tendieren. Eine Werbeeffizienz von der die Branche träumt. Doch wie sieht die ganze Sache aus der Sicht des Kunden aus?

Geld fürs Surfen aus der Sicht des Kunden
Seit einigen Monaten schießen auch in Deutschland die Anbieter „bezahlender Werbung“ geradezu wie Pilze aus dem Boden. Marketingdaten sind heute mehr denn je gefragt. Der Kunde muss neben den persönlichen Daten oft auch andere sensible Informationen abliefern. Von der Höhe des Einkommens bis zu Fragen nach persönlichen Vorlieben werden vielfältige Auskünfte verlangt. Datenschützer raten bei der Weitergabe von persönlichen Daten jedoch zur Vorsicht. Viele Anbieter haben noch keine Auszahlungen vorgenommen und sammeln erst einmal fleißig Datenmaterial. Besonders gegenüber Anbietern mit Dienstsitz im Ausland ist Vorsicht geboten. Die strengen deutschen Datenschutzrichtlinien greifen dort nicht. Problematisch stellt sich auch das Werben weiterer Kunden dar. Für diese Kunden erhält der Anwerber – je nach Angebot und Ebene – zwischen 3 und 20 Pfennige pro gesurfter Stunde. Laut Bernd Ruschinzik, Jurist bei der Verbraucherzentrale Berlin, kann diese Art des Schneeballsystems unter Umständen strafbar sein. „Progressive Kundenwerbung“ verfolgt der Gesetzgeber in Deutschland mit bis zu zwei Jahren Haft. Generell sollte der User die Geschäftsbedingungen der Anbieter genau prüfen. So weisen einige Anbieter in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hin, dass eine Auszahlung nicht garantiert werden kann oder von den eigenen Einnahmen abhängt.

Wird sich Geld fürs Surfen durchsetzen?
Das Konzept der Gegenfinanzierung der eigenen Online-Kosten durch Werbeeinblendungen scheint aussichtsreich zu sein. In der Praxis müssen sich diese Angebote jedoch erst noch bewähren. Wie am Beispiel von Alladvantage.com zu sehen, sollte es an den Nutzerzahlen nicht scheitern. Jedoch ist erst einmal die Werbeindustrie zum Umdenken gezwungen. Nur wenn die Werbebranche bereit ist, Teile ihres Werbebugets auf die vorgestellten Formen der Online-Werbung zu verlagern, kann dieses Konzept erfolgreich sein.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
Nach oben scrollen