Mit der Bedeutung des Internets wuchsen in den vergangenen Jahren auch die Anforderungen an eine effektive Analyse des Nutzer- und Kundenverhaltens. Nicht zuletzt das Ende der „Dotcom“-Hysterie hat die Randbedingungen für Online-Aktivitäten seit Beginn der 90er Jahre drastisch geändert. Auf eine betriebswirtschaftlich verwertbare Erfolgskontrolle und Effizienzanalysen sämtlicher Online-Maßnahmen kann mittlerweile ernsthaft nicht mehr verzichtet werden: Eine genaue Analyse sämtlicher Aktivitäten im Internet ist notwendig.
Es ist offensichtlich, dass Aktivitäten oder Geschäftsmodelle, die auf der Internettechnologie basieren, nicht in der Lage sind betriebswirtschaftliche Grundsätze außer Kraft zusetzen. Gleichzeitig steigen die Ausgaben für Online-Werbung in den letzten Jahren stetig an. Aus diesem Bedarf entstand das Web-Controlling. Angefangen mit einfachen Besucherzählern oder der Betrachtung der Webserver Logfiles, entwickelten sich die Methoden und Instrumente in diesem Bereich rasant zu ausgefeilten Werkzeugen zur Steuerung sämtlicher Online-Aktivitäten.
Was ist Web-Controlling?
Entgegen gängiger Assoziationen ist der Begriff „Controlling“ nicht mit dem deutschen Wort „Kontrolle“ zu übersetzen. „Controlling“ ist hingegen die englische Bezeichnung für „Steuerung“. Die Aufgabe des Web-Controlling ist folglich, nicht ausschließlich die Messung der Auswirkung von Online-Aktivitäten, sondern die Unterstützung des gesamten Steuerungsprozesses.
In diesem Prozess werden zunächst anhand der Zielsetzung der Web-Präsenz Soll-Werte für die entsprechenden Kennzahlen festgelegt. Dieses können Vorgaben für die Anzahl an Besucher, Kontaktanfragen oder monetäre Kennzahlen sein. Zur Erreichung dieser Ziele werden entsprechende Online-Maßnahmen geplant. Die Durchsetzung und Auswirkungen dieser Handlungen werden durch die Erfassung der Ist-Werte überwacht und zeitnah analysiert Die Ergebnisse dieser Analyse liefern die Grundlage für Optimierungsschritte und -maßnahmen, um die definierten Ziele zu erreichen. Gegebenenfalls müssen auch die Ziele nach einer ersten Analyse überarbeitet und modifiziert werden. Es entsteht so ein stetiger Zyklus aus Planen, Analysieren und Steuern, durch den die Online-Aktivitäten permanent optimiert und den ständigen Veränderungsprozessen angepasst werden können. Das Web-Controlling liefert alle notwendigen Informationen zur Entscheidungsfindung und langfristigen strategischen Entwicklung von Online-Präsenzen.
„Web-Controlling“ ist nicht alleine die Analyse von Kennzahlen, sondern vielmehr eine Methode zur Erfolgskontrolle und -steuerung von Web-Auftritten durch die systematische Sammlung und Auswertung von Kunden- und Nutzungsdaten. Analog zum traditionellen Controlling ist auch hier eine intensive Integration der entsprechenden Instrumente in den laufenden Betriebsprozess erforderlich.
Techniken zur Kennzahlengewinnung
Die am weitesten verbreitete Methode zur Gewinnung von Kennzahlen für das Web-Controlling ist die Analyse von Logfiles. Jeder Zugriff auf einen Webserver erzeugt für jedes abgerufene Element (HTML-Seiten, Bilder, PDF etc.) einen Eintrag in dieser Logbuch-ähnlichen Datei. Je nach Format des Logfiles werden dabei unterschiedliche Daten gespeichert. Neben dem Zeitpunkt des Zugriffs, der IP-Adresse des Website-Besuchers und dem angefragten Element können zusätzlich der sog. Referrer, also die zuvor besuchte URL des Besuchers sowie Angaben über den verwendeten Browser und das Betriebssystem des Besuchers erfasst werden. Auf Logfiles basierende Web-Controlling-Instrumente erfassen zunächst die Rohdaten und werten diese dann monatlich oder auch täglich in einer Post-Betrachtung aus. Dass heißt, die Daten können erst dann gewonnen werden, wenn der Besucher die analysierte Website längst verlassen hat.
Technologisch zeichnet sich in den letzten Jahren ein neuer Trend zur Kennzahlengewinnung ab: die so genannte Zählpixel-Methode. Hier wird bei jedem Aufruf einer Webseite ein kleines, transparentes Bild von einem entsprechenden Analyseserver mitgeladen. Mit diesem Aufruf werden die für das Web-Controlling benötigten Daten für den Besucher unbemerkt übertragen. Neben den bei der Logfile-Analyse erhobenen Informationen, können mit dieser Technologie noch weitere Details über den Besucher gewonnen werden. Beispielsweise ist es möglich festzustellen, welche Bildschirmauflösung der Besucher eingestellt hat oder auch welche besonderen Techniken und Plugins der verwendete Browser unterstützt. Bei Systemen, die die Zählpixel-Methode verwenden, stehen im Gegensatz zur Logfile-Analyse die Ergebnisse in der Regel in Echtzeit zur Verfügung. Noch während sich der Besucher auf der Website befindet, ist so eine exakte Verhaltensanalyse möglich.
Exaktheit der gewonnenen Daten
Ein weiterer wesentlicher Unterschied der beiden genannten Methoden ist die Exaktheit der gewonnenen Daten. Viele Aufrufe einer Seite erreichen heute gar nicht direkt den angefragten Webserver. Besucht ein Benutzer häufiger eine bestimmte Website, so wird diese oft aus dem lokalen Zwischenspeicher, dem Cache des Browsers geladen. Ein Klick auf den Zurück-Button des Browsers, fragt den Webserver nicht erneut an, da die Seite zuvor besucht und im Cache gespeichert wurde. Dies hat zur Folge, dass dieser Zugriff auch gar nicht im Logfile erfasst wird und die Analyse fehlerhaft wird. Analog hierzu speichern die Internet-Provider hoch frequentierte Seiten zwischen und laden diese nur periodisch vom eigentlichen Webserver. Dieses Verfahren hat zum Ziel, Webseiten schneller auszuliefern und den Internetverkehr in der Infrastruktur des Providers zu halten, um so Kosten zu sparen. Die Pixeltechnologie stellt hingegen sicher, dass das Zählpixel auch bei Verwendung von Caches stets neu geladen wird, so dass tatsächlich jeder Aufruf und damit jede Besucherreaktion registriert wird. C.Pohle von der Humboldt Universität in Berlin hat eine Studie über die Quantität dieser Abweichungen verfasst. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Logfile-Analyse beispielsweise die gemessene Anzahl der Besuche einer Website um mehr als 30 Prozent vom tatsächlichen Wert abweicht Die Ergebnisse seiner Arbeit finden sich unter http://miro.wiwi.hu-berlin.de/~cpohle/papers/html/webmarketing/node6.html.
Neben der Exaktheit der Daten ergibt sich bei der Logfile-Analyse eine weitere Problematik. Eine Webseite besteht in der Regel aus vielen verschiedenen Elementen. Bei einem Aufruf werden beispielsweise mehrere Frames, Graphiken, HTML-Dateien und andere Elemente vom Webserver geladen. Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, diese verschiedenen Einträge im Logfile zu einem Seitenaufruf korrekt zusammen zu fassen. Die Zählpixel-Methode umgeht dieses Problem vollständig, da das eingebundene Pixel nur einmal in dem Inhaltsbereich der jeweiligen Seite aufgerufen wird und sich so stets eine verlässliche Aussage über die abgerufenen Seiten (Page Impressions) machen lässt. Daher setzt zum Beispiel die IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V., http://www.ivw.de) zur Reichweitenanalyse von Websites auch auf das Pixelverfahren.
Herausforderungen bei der Besuchererkennung
Die gewonnenen Rohdaten für das Web-Controlling werden durch entsprechende Analyse-Tools aufbereitet und in geeigneter Form dargestellt. Dabei entsteht die Problematik, die von einem einzelnen Besucher abgerufenen Seiten dieser Besuchersitzung eindeutig zuzuordnen. Diese Zuordnung ist häufig nicht trivial, jedoch für eine hohe Qualität der Analysen essentiell.
Viele Web-Controlling-Systeme verwenden die IP-Adresse des Besuchers, um dieses Problem zu lösen. Insbesondere im eCommerce-Bereich liefert dieses Vorgehen jedoch heutzutage keine akzeptablen Ergebnisse mehr: Besucher, die aus einem Firmennetzwerk auf das Internet zugreifen, haben stets dieselbe IP-Adresse der Firmen-Firewall, so dass eine korrekte Zuordnung nicht gewährleistet werden kann. Eine andere Fehlerquelle sind Internet-Provider oder Annonymisierungsdienste, die bei jedem Seitenaufruf dem Benutzer eine neue IP-Adresse zuweisen. Dadurch kann es vorkommen, dass Analysewerkzeuge, die sich bei der Besuchererkennung einzig auf die IP-Adresse verlassen, fehlerhafte Analysen erzeugen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Internetnutzer, die AOL als Provider benutzen wechseln aus Sicht der Website praktisch mit jedem Seitenzugriff die IP-Adresse. Ruft jetzt ein Internetnutzer über AOL zehn verschiedene Seiten auf einer Website ab, so hat er jede der zehn Seiten mit einer anderen IP-Adresse abgerufen. Ein Verfahren, dass unter der Annahme „eine IP-Adresse ist auch ein Besucher“ agiert, zählt hierbei fälschlich 10 Besucher, die jeweils eine Seite abgerufen haben. Es ist folglich notwendig, neben der IP-Adresse weitere Attribute zur Identifikation eines Besuchers heranzuziehen.
Ein Begriff, der immer wieder im Web-Controlling erwähnt wird, ist der so genannte „Unique Visitor“ oder „eindeutiger Besucher“. Dieser Begriff beschreibt die Zuordnung der Web-Controlling-Daten zu einer einzigen natürlichen Person über einen langfristigen Zeitraum. Viele Faktoren verhindern jedoch eine zuverlässige Erkennung der „Unique Visitors“. Um diese Form der Besucher-Identifikation zu realisieren, müssen viele, möglichst eindeutige Attribute bei dem initialen Besuch erfasst werden. Bei einem weiteren Kontakt mit der Web-Präsenz werden diese Merkmale erkannt und der Besucher so zugeordnet. Eine Vielzahl von Faktoren erschwert die notwendige Wiedererkennung einer einzelnen, natürlichen Person. So können beispielsweise mehrere Personen den gleichen PC oder auch die selben Login-Daten für einen bestimmten Dienst verwenden. Alle erfassten technischen Merkmale sind in diesem Fall identisch. Andersherum kann eine Person jeden Tag neu essentielle Attribute zu Ihrer Erkennung verändert haben. Keine der verbreiteten Techniken, wie Cookies oder besucherspezifische Session-URLs ermöglicht es, die genannten Unschärfen sicher auszugleichen.
Einsatzmöglichkeiten im Online-Marketing
Trotz der genannten Schwierigkeiten bei der Aufbereitung und Analyse der Kennzahlen, gibt es heute Systeme am Markt, die die beschriebenen Fehlerquellen durch ausgereifte Technologien weitest gehen verhindern oder sogar vollständig vermeiden. Insbesondere ist es mit Web-Controlling heute möglich, beliebige Online-Marketing-Aktivitäten sehr genau hinsichtlich betriebswirtschaftlich relevanter Informationen zu analysieren. Beispielsweise kann der Erfolg eines Banners oder anderer Online-Werbemittel nicht nur bezüglich der generierten Klicks gemessen, sondern auch hinsichtlich der erzielten Umsätze und eingekauften Waren exakt bewertet werden. Auch bei Besuchern, die über eine Suchmaschine auf die Website gelangen, lassen sich über den Referrer die eingegebenen Suchworte extrahieren und können hinsichtlich der daraufhin bestellten Waren auf Erfolg analysiert werden.
Neben der technischen Herkunft eines Besuchers, lassen sich über die IP-Adresse zusätzlich auch geographische Informationen ermitteln. In den meisten Fällen ist es möglich, die Herkunft des Besuchers bis auf Städteebene genau zu bestimmen. Die dabei erzielbare Genauigkeit liegt häufig bei über 90%.
Mittels der Zuordnung der einzelnen Seitenaufrufe zu einem Besucher können die verwendeten Klickpfade des Besuchers ermittelt werden. Durch die Navigation des Benutzers ist es möglich, die Intension seines Besuches und beispielsweise seine Interessensschwerpunkte zu analysieren. Auf Websites, bei denen es möglich ist online Waren zu bestellen, können zudem die Abbruchquoten und die Konversionsraten zwischen den einzelnen Bestellschritten bestimmt werden. Auf diese Weise sind die kritischen Punkte der Website schell lokalisierbar und können anschließend beseitigt werden.
Ein Besucher, der über eine Suchmaschine oder ein Werbebanner auf eine Website gelangt, wird in der Regel nicht gleich beim ersten Besuch einen Kauf tätigen oder sich für einen Service anmelden. Insbesondere bei der Suchmaschinen-Recherche wird er verschiedene Websites besuchen und sich zunächst informieren. Der eigentliche Kauf tritt in der Regel erst einige Tage oder sogar Wochen später ein. Um als Betreiber der Website auch diesen Erfolg einem bestimmten Suchwort oder einem geschaltetem Banner zuordnen zu können, können Cookies verwendet werden, die den Benutzer bei einem weiteren Besuch identifizieren. So ist es möglich, auch Folgebesuche und -Käufe einer bestimmten Online-Maßnahme zuzuordnen.
Die hier genannten Methoden und Techniken zur Aufbereitung der gewonnen Web-Controlling-Daten ermöglichen es, den Erfolg von Banner-Schaltungen, eMail Kampagnen, Maßnahmen zur Suchmaschinen-Positionierung oder auch bei Keyword-Anzeigen in Echtzeit zu messen. Erlaubt das verwendete Web-Controlling zusätzlich die Angabe der jeweiligen Fix- und Klick-Kosten, so können betriebswirtschaftliche Kennzahlen, wie beispielsweise eine Kosten-Umsatz-Relation, unmittelbar und auf den Cent genau ermittelt werden.
Diese genannten Möglichkeiten erlauben mit geringem Aufwand die Durchführung von betriebswirtschaftlichen Analysen in einer Geschwindigkeit und Exaktheit, die im traditionellen Offline-Marketing nicht denkbar ist.