B2B-Marktplätze – Zweifel jetzt und Hoffnung später?

Marktplätze spielen eine zentrale Rolle im Rahmen der unternehmerischen Überlegungen und Strategieentwicklungen für den Business-to-Business eCommerce (B2B). Nichtsdestotrotz haben sich die Unternehmen noch nicht endgültig festgelegt und bleiben skeptisch.

Vor rund drei Jahren weckten öffentliche Marktplätze das Interesse von Entrepreneuren und Unternehmen: Entsteht hier eine attraktive neue Möglichkeit, in Verbindung mit den Zulieferern und Geschäftskunden zu treten, wurde gefragt. Dutzende von unabhängigen öffentlichen Marktplätzen wurden eröffnet – und Tausende projektiert – um dieses interessante Feld zu besetzen.

Vor zwei Jahren setzte zunehmend Unruhe ein. Insbesondere vielen großen Unternehmen bereitete das Konzept zentraler, branchenübergreifender Verhandlungsorte unter der Ägide neuer, unabhängiger Akteure Unbehagen. Sie antworteten auf diese Herausforderung mit der Gründung von Konsortien, die öffentliche branchenspezifische Marktplätze schufen.

Dann, etwa vor einem Jahr, zeichneten sich neue Risiken ab. In den Unternehmen gewannen Befürchtungen an Boden, dass die öffentlichen Marktplätze die Beziehungen zu ihren Kunden unterminieren könnten, dass ihre Wettbewerbsvorteile in der Supply Chain eliminiert würden oder auch, dass Marktplätze nie verlässlich und sicher genug sein werden, um auf dieser Basis wertvolle Beziehungen zu Geschäftspartnern zu gründen. In der Konsequenz haben viele Unternehmen private Marktplätze eröffnet, die sie entweder in eigener Regie oder mit einer Handvoll Partnern betreiben, um den Online-Austausch mit Zulieferern und/oder Kunden zu vereinfachen.

Gegenwärtig koexistieren alle drei Typen mehr oder weniger gut nebeneinander und konkurrieren um Marktanteile – für Unternehmen allerdings ist die Situation unübersichtlich. Vor diesem Hintergrund führten Booz Allen Hamilton und die Giga Information Group im Sommer 2001 gemeinsam eine Befragung von rund sechzig führenden Unternehmen durch, um anhand ihrer Erfahrungen mit und Erwartungen an Marktplätze Licht ins Dunkle zu bringen.

Hinsichtlich des Potentials von B2B-Marktplätzen schwanken gegenwärtig die meisten Unternehmen zwischen der Hoffnung auf in Zukunft realisierbare Vorteile und Enttäuschung über die bislang erzielten Resultate. So gibt die überwältigende Mehrheit der Befragten an, dass Marktplätze bis heute ihren Anforderungen nicht oder nur zum Teil entsprechen. Lediglich zehn Prozent der Unternehmen sind mit den Leistungen der Marktplätze vollkommen bzw. überwiegend zufrieden.

Signifikante Unterschiede zeigten sich hinsichtlich der Frage, auf welcher Ebene die Entscheidungen über die Marktplatz-Strategie getroffen werden. Dabei sind es zwar in knapp der Hälfte der Antworten die Geschäftsführer, aber das führte in der Konsequenz nicht immer zu optimalen Ergebnissen. Nach Ansicht der Befragten wird die Wahl der CEOs zu häufig von strategischen Zielen bestimmt (wie zum Beispiel: Unsere Wettbewerber sind dabei und wir müssen mithalten, oder: Wir können es uns nicht leisten, in diesem Konsortium nicht vertreten zu sein). Dagegen wurden die verantwortlichen Manager, die fundiertere Evaluationen der Vorteile und Limits von Marktplätzen hätten durchführen können, oft erst später in den Entscheidungsprozess miteinbezogen.

B2B-Marktplätze sollen zahlreichen Erwartungen entsprechen. Bei der Frage danach, welche Vorteile sie konkret per Marktplatz realisieren möchten, wurde in den Antworten „Erhöhung der Profitabilität“ und „Entwicklung standardisierter Geschäftsprozesse“ am häufigsten genannt.

Die Entscheidung darüber, welcher Marktplatz-Typ am besten geeignet ist, hängt von der jeweiligen Geschäftsaktivität ab. So liegen konsortial geführte Plattformen nach Einschätzung der Befragten im Bereich ‚Procurement’ vorn: Fast die Hälfte der Befragten erwartet Kostensenkungen und 55 Prozent sehen die größere Auswahl an Produkten und Dienstleistungen als Vorteil dieses Marktplatztyps an. Private Marktplätze werden dagegen bevorzugt, wenn es um Supply Chain Aktivitäten oder Designprozesse geht. Für die Erschließung neuer Märkte und Vertriebskanäle sind nach Einschätzung der Befragten am besten unabhängige öffentliche Marktplätze geeignet.

Um auf Marktplätzen erfolgreich zu agieren, sind zahlreiche organisatorische Veränderungen notwendig. Im Vordergrund stehen dabei nach Ansicht der Befragten die Standardisierung der Geschäftspraktiken, die Entwicklung neuer Prozesse und Verfahren sowie die Einführung von Integrations Technologie. Aber auch die Notwendigkeit von Upgrades der technologischen Infrastruktur, der Qualifizierung des Personals und des Auf- bzw. Ausbaus der eBusiness-Abteilung wird als wichtig angesehen.

Zu den Problemen, die rund um die Nutzung von B2B-Marktplätzen nach Einschätzung der Befragten auftauchen, zählen in erster Linie eine ablehnende Haltung gegenüber neuen Geschäftsmodellen auf Seite der Unternehmen und die mangelnde Organisation von Prozessen. Darüber hinaus werden unter anderem auch eine nicht ausreichende Teilnahme von Zulieferern und Kunden sowie Schwierigkeiten bei der Evaluation der Vorteile befürchtet.

Trotz der zahlreichen organisatorischen und finanziellen Hürden, die noch zu überwinden sind, erwarten die befragten Unternehmen eine weitere Zunahme der Aktivitäten auf B2B-Marktplätzen. Dabei werden alle drei Marktplatztypen in den nächsten Jahren ihrer Einschätzung nach weiterhin wachsen. Private Marktplätze sollen die besten Chancen in den Bereichen Produktentwicklung und CRM haben, während konsortial geführte Marktplätze für die Kollaboration in der Supply Chain die besten Voraussetzungen zu bieten scheinen.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung stellen eine Momentaufnahme der Einstellungen von Unternehmen gegenüber B2B-Marktplätzen dar. In den letzten beiden Jahren haben sich hier zahlreiche Veränderungen ergeben. Gegenwärtig befinden sich die Unternehmen im Prozess der Standpunktdefinition hinsichtlich der Chancen und Gefahren, die durch die neuen Akteure hervorgerufen werden. Die Marktplätze dagegen kämpfen darum, sich in der Geschäftwelt zu etablieren.

Nach Einschätzung von Booz Allen Hamilton und der Giga Information Group ist es durchaus möglich, dass die in dieser Befragung zum Ausdruck gekommenen Präferenzen für private B2B-Marktplätze in Zukunft an Bedeutung verlieren – insbesondere dann, wenn die Unternehmen vor der Aufgabe stehen, Zulieferer und Kunden als Teilnehmer ihres eigenen privaten B2B-Marktplatzes zu gewinnen. Gleichfalls kann sich die Einstellung gegenüber konsortial geführten Marktplätzen im positiven Sinne ändern, sobald die führenden Plattformen in diesem Feld mit ihren ‚Collaborative Services’ Liquidität und Anziehungskraft gewinnen.

Aber ganz gleich was die Zukunft bringt, das Bild von den unabhängigen öffentlichen, privaten und konsortial geführten B2B-Marktplätze, die gegenwärtig koexistieren, ist zutreffend. Hier gibt es keine eindeutigen Gewinner – unterschiedliche Modelle passen zu unterschiedlichen Unternehmen und zu unterschiedlichen Typen der Interaktion und Transaktion zwischen Unternehmen.

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