Internet-Kunden – die unbekannten Wesen

Immer wieder werden neue Untersuchungen veröffentlicht, die Rekorderlöse beim Online-Shopping vermelden. Doch wer letztendlich wirklich für diese Umsätze verantwortlich ist, bleibt weitgehend unbekannt. Woran erkennt man nun den segenspendenden eKunden in Spendierhosen? Versuch einer Deutung.

Viele Fachleute sehen in dem Online-Verbraucher einen gnadenlosen Schnäppchenjäger. Rastlos durchstreift er das Web, immer auf der Suche nach dem Objekt seiner Begierde. Das preiswerte Schnäppchen, das besondere Angebot lässt ihn auf Auktionen mitfiebern, beim Powershopping nach Jagdgesellen Ausschau halten und mit virtuellen Preisagenten das Web durchstreifen. Gibt es ihn wirklich, den vielzitierten Schnäppchenjäger, für den das Internet wie geschaffen scheint? Oder lockt das Netz ganz andere Nutzer auf die Seiten von Online-Shops? Ist es vielleicht der Büroangestellte aus dem Großunternehmen, der seine Einkäufe während der Arbeitszeit erledigt, weil es bequem und sein Computer immer online ist? Oder ist es der technikverliebte Jugendliche der Erlebnisgesellschaft, der die neuen Trends schneller aufsaugt, als Schumi die Kurven von Immola nimmt? Oder ist es der »Über 50-Jährige«, der seit neuestem das Netz als besonderes Freizeitvergnügen für sich entdeckt?. Die Antwort lautet: Ja. Denn es sind sie alle. Eine Fülle von Nutzern und Nutzungszwecken ist mittlerweile bekannt. Um sich den »Unbekannten« zu nähern, ist eine Portion Statistik ganz hilfreich:

Die demographische Struktur der Internetnutzer in Deutschland hat sich in der Vergangenheit bemerkenswert verändert. Nachhaltig beeinflusst durch den Wachstumsboom der letzten zwei Jahre drängen neue, überwiegend erwerbstätige und gut verdienende Personengruppen ins Netz. Sie verabschieden damit endgültig die frühere Vorstellung eines Internets, das durch ein studentisch-akademisches Milieu dominiert wird. Auch auf die Besucher von Online-Shops, die potenziellen Online-Verbraucher wirkt sich dieser Wandel nachhaltig aus. Im Folgenden zitiere ich die wichtigsten Ergebnisse einer der umfangreichsten Detailuntersuchungen des E-Commerce in Deutschland, den Internetshopping Report: Das Durchschnittsalter der Besucher von Online-Shops liegt derzeit bei 35,2 Jahren. Drei von zehn Internetnutzern, die deutsche Internetshops besuchen, sind Frauen. Der Anteil der Schüler, Studenten und Azubis unter den Besuchern von Internetshops ist gegenüber der Vergangenheit kontinuierlich gesunken. Den meisten Internetshops gelingt es jedoch bislang nicht, alle Altersgruppen unter den Internetnutzern anzusprechen. Das zeigt sich beispielsweise bei den ganz jungen Online-Verbrauchern. Während nur jeder sechste deutsche Internetnutzer jünger als 19 Jahre ist, ist unter den Besuchern von Online-Shops nur jeder 25. in diesem Alter. Aber auch die älteren Internetnutzer interessieren sich eher zurückhaltend für das Online-Shopping. Zwar ist mittlerweile fast jeder fünfte Internetnutzer über 50, jedoch nur etwa jeder zehnte Über-Fünfzig-Jährige surft auch Online-Shops an. Die Besucher von Online-Shops zählen das Internet zu einem festen Bestandteil ihres Lebens. Jeder Dritte ist täglich im Netz, fast zwei Drittel der Besucher von Online-Shops sind an mehr als fünf Tagen pro Woche online.

Auffällig ist die hohe Erwerbsquote unter den Internet-Shoppern. Jeder zweite Online-Shopper (Besucher von Internet-Shops) ist angestellt, jeder Zehnte selbständig. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erscheint ein Aspekt besonders attraktiv: Die Kaufkraft von Online-Verbrauchern ist im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt überdurchschnittlich, fast drei von zehn Online-Shop-Besuchern stehen mehr als 5.000 DM Haushaltsnettoeinkommen zur Verfügung.

Warum besuchen Internetshopper Online-Shops?
Shoppingangebote im Internet werden sehr gezielt zur Produkt- oder Informationsrecherche genutzt. Die meisten Internetnutzer suchen nach ganz bestimmten Informationen oder hegen tatsächlich Kaufabsicht. Nur einer von fünf Besuchern kommt zufällig beim Herumsurfen oder aus Neugier auf die Shoppingsite. Auffällig ist dabei, dass Netzneulinge, also Personen mit weniger als einem Jahr Interneterfahrung, etwas häufiger zufällig bzw. aus Neugier auf dem Shop landen. Netzneulinge probieren das Internet zunächst in vieler Hinsicht aus, bevor sich spezifische Nutzungs- und Kaufgewohnheiten entwickeln.

Mit der Einkaufstüte durchs Netz: das Kaufverhalten

Die Kauferfahrungen
Zwar sind die Besucher von Shops im Internet durchschnittlich an 5,1 Tagen online und nutzen das Netz meist mehr als eine Stunde am Tag, dennoch ist der Einkauf im Internet noch nicht Alltag. Mit durchschnittlich 6,8 Einkäufen pro Halbjahr erzeugen die Shopper im Internet einen Umsatz von durchschnittlich 1.214 DM. Internetshopping in Deutschland befindet sich noch in einer frühen Phase und die weitere Entwicklung wird davon abhängen, in wie weit es den Anbietern gelingt, Neukunden mit attraktiven und funktionierenden Lösungen zu gewinnen und aus ihnen Stammkunden zu machen. Von einer Online-Stammkundschaft kann zum jetzigen Zeitpunkt nur bei einem kleinen Teil der Internetshopper die Rede sein. Die meisten versuchen sich noch an sporadischen Testkäufen. Über die Hälfte der Online-Käufer haben im vergangenen halben Jahr höchstens viermal das World Wide Web zu Bestellungen genutzt. Und nahezu jeder dritte Online-Shopper hat erst ein- oder zweimal im Internet bestellt. Und: Fast die Hälfte der Online-Käufer bestellt erst seit rund einem Jahr im World Wide Web. Insgesamt haben drei Viertel der Besucher von Online-Shops schon einmal Produkte oder Dienstleistungen über das Internet bestellt. Nur jeder Vierte hat noch keine Erfahrungen mit dem Einkaufen im Netz gesammelt.

Onlinekauf im Trend
Je länger ein Nutzer online ist, desto höher sind seine durchschnittlichen Online-Umsätze. Während Internetneulinge – also Personen, die erst seit bis zu 6 Monaten im Netz sind – im letzten halben Jahr lediglich 643 DM ausgaben, haben es erfahrene Internetnutzer – Personen, die seit 3 Jahren und länger im Netz sind – im selben Zeitraum bereits auf 1.515 DM Umsatz gebracht.

Der Online-Shopper, ein scheues Reh? Die Kundentreue
Während viele Studien und Experten den großen Konkurrenzdruck unterstreichen, der sich durch die Nähe der Anbieter im Internet und den geringen Abwanderungsaufwand für den Kunden (»der nächste Konkurrent ist nur einen Mausklick entfernt«) ergibt, zeigen die Resultate des Internetshopping Report 2001, dass Online-Shopper nur wenig Experimentierfreude an den Tag legen, wenn es um das Einkaufen bei verschiedenen Anbietern geht: 15,2 Prozent der Käufer kaufen im Halbjahr bei lediglich einem Anbieter, weitere 23,7 Prozent bei zwei Anbietern. Im Durchschnitt führen die Shopper 6,8 Online-Käufe pro Halbjahr bei lediglich 3,5 Anbietern aus. Internetshopper sind also loyalere Kunden, als bisher von vielen Fachleuten angenommen.

Wer guckt bei wem? Informationsquellen der Online-Verbraucher
Verschiedene Untersuchungen belegen, dass es mitunter für Online-Shopper gar nicht so einfach ist, gewünschte Produkte oder Dienstleistungen im World Wide Web ausfindig zu machen. Suchmaschinen zählen zu den wichtigsten Orientierungshilfen für Onliner. Zwei Drittel der Besucher von Online-Shops bezeichnen Suchmaschinen als die von ihnen am häufigsten genutzte Informationsquelle bei der Recherche in der Konsumwelt Internet. Doch bereits an zweiter Stelle stehen die Zeitschriften und hiermit sind nicht die Online-Ableger, sondern die Printausgaben gemeint. Für Intermediäre, die das Internet häufig als Bedrohung empfinden, weil Herstellerfirmen es zum Direktvertrieb einsetzen, kann noch keine Entwarnung gegeben werden. Denn fast die Hälfte aller Besucher von Online-Shops recherchieren Produktinformationen auch auf den Sites von Herstellern. Allerdings dürfte dieses gesteigerte Interesse an Herstellern und ihren Produkten nicht allein den Produzenten zu Gute kommen, denn in vielen Fällen holen sich die Internetnutzer nur Anregungen und Informationen im Netz, kaufen dann aber im Handel.

Wenn der Postmann dreimal klingelt – Wie reagieren Internetshopper auf Störungen?
Fehler oder Mängel in der Vertriebslogistik sind für beide Seiten, Anbieter und Kunde, unangenehm und häufig kostspielig. Die zeitliche und räumliche Entkoppelung des Bestellvorgangs im elektronischen Versandhandel führt jedoch zwangsläufig zu einer höheren Komplexität, als beim nicht-virtuellen Handel, der face-to-face stattfindet. Fehler sind also an der Tagesordnung. Nicht jeder Online-Kunde reklamiert jedoch einen Mangel. Jeder vierte Online-Käufer behält ein Produkt, das nicht seinen Vorstellungen entsprach, trotzdem.

Einstellungen zum Online-Shopping

Auf Wiedersehen! Kunden binden im Internet
Gute Erfahrungen des Kunden führen noch am ehesten zu einer gelungenen Kundenbindung – die Mehrheit der Käufer gibt an, Kunde bei Internetshops geblieben zu sein, bei denen sie gute Erfahrungen gemacht haben. Gleichzeitig ist eine Panne beim Online-Kauf das Killerkriterium Nummer eins. Tritt sie ein, ist ein Verlust des Kunden hochwahrscheinlich. Mehr als ein Drittel der Online-Käufer will nie wieder bei einem Anbieter einkaufen, bei dem sie einen problematischen Kauf erlebt haben.

Abstinenz im Internet: Warum jeder Vierte nicht einkauft
75 Prozent der Besucher von Online-Shops haben schon einmal im World Wide Web bestellt. Jeder vierte Besucher hat also noch nie online eingekauft. Bei der Analyse der Gründe für dieses Verhalten fallen zwei Kernthemen ins Auge: Sicherheit und Nutzbarkeit.

Sicherheit
Drei Viertel der Nichtkäufer würden online einkaufen, wenn garantiert wäre, dass es sicher ist. Sie befürchten, dass mit ihren persönlichen Angaben Missbrauch getrieben wird. Jeder sechste gibt an, vor dem Online-Kauf zu zögern, weil er von Freunden oder Bekannten gehört hat, dass beim Online-Kauf etwas schiefgegangen sei.

Nutzbarkeit
Dramatisch hoch ist die Zahl derer, die eigentlich gerne einmal online kaufen würden, aber nicht genau wissen, wie es funktioniert: Jeder fünfte (22 Prozent) Nichtkäufer hat also bislang noch nicht online eingekauft, weil ihm das Wissen hierzu fehlt. Während das Sicherheits- und Vertrauensproblem von vielen Internetshoppinganbietern bereits erkannt und bearbeitet wird, ist der Umgang mit der Nutzbarkeit von Web-Sites defizitär. Dort zeigen wir, welche zum Teil haarsträubenden Entwicklungen in der Praxis auftauchen. Bemerkenswerte Ergebnisse fördert die Studie Internetshopping Report in Bezug auf die Bedienbarkeit zu Tage: Der Anteil unter den Nichtkäufern mit Problemen beim Bestellablauf ist sehr hoch. Mehr als jeder zweite Nichtkäufer weiß nicht genau, wie Einkaufen im Internet eigentlich funktioniert.

Zum Ersten, zum Zweiten… Wie Verbraucher die neuen Kaufmodell akzeptieren
Mit dem Internet verbessern Kunden potenziell ihre Verhandlungssituation. Sie kommen leichter an Informationen und können darüber hinaus von den Vorteilen innovativer Einkaufsformen, wie zum Beispiel Online-Auktionen oder CoShopping profitieren. Ein revolutionärer Umbruch beim Einkaufsverhalten hat sich jedoch noch nicht eingestellt. Bei der Mehrheit der »herkömmlichen« Online-Käufe wird vom Anbieter der Festpreis definiert. Immerhin 17 Prozent der Besucher von Online-Shops haben schon ein oder mehrmals auf Online-Auktionen gekauft. Jeder zehnte Shoppingsite-Besucher hat Erfahrungen mit dem Co-Shopping. Preisvergleiche über Price-Robots oder Preisagenturen werden zwar als attraktiv erlebt, finden aber nur selten Anwendung.

Zukünftiges Einkaufen im Netz
Einkaufen im Internet verfügt über große Wachstumspotenziale. Die meisten Einkäufer lassen sich zur Wiederholungstat hinreißen. Während nur jeder zwanzigste Besucher von Online-Shops in Zukunft eher weniger online einkaufen will, glauben fast zwei Drittel, dass sie häufiger online shoppen werden.

Was bremst? Die Hindernisse beim Internetshopping
Immer wieder kommt es vor, dass Internetnutzer einen Online-Shop mit der Intention ansurfen, dort etwas einzukaufen. Nicht selten jedoch entschließen sich Onliner dann doch gegen den Kauf. Für ausbleibende Online-Käufe sind in erster Linie Convenience-Faktoren verantwortlich. Je mehr Zeit der Surfer für die Produktsuche investieren muss, desto unwahrscheinlicher ist die Transaktion. Wenn Onliner das gesuchte Produkt nicht sofort finden oder die Ladezeiten zu lang sind, brechen sie häufig kurzerhand den Vorgang ab. Mängel in der Produktpräsentation, genauer gesagt in der detaillierten Darstellung und Beschreibung der Produkte, werden am dritthäufigsten moniert. Die Nutzer erleben das Internet als schnelles, informationsreiches Medium. Daher können Onliner nur wenig Verständnis aufbringen, wenn Produkte nicht genau beschrieben werden oder Abbildungen fehlen. Online-Shopping gilt nicht selten auch als Alternative zum herkömmlichen Einkauf. Immer wieder vergleichen daher Internetnutzer den angegebenen Preis mit ihrem persönlichen Benchmark, also der eigenen Vorstellung davon, »was so etwas im realen Geschäft« kosten mag. Liegt in der persönlichen Bewertung kein Preisvorteil vor, kommt es zum Abbruch des Bestellvorgangs. Besonders auffällig treten auch die benutzerergonomischen Mängel in den Vordergrund. Viele Shops sind einfach noch zu kompliziert. Jeder Dritte Besucher von Online-Shops hat einen Kauf abgebrochen, weil ihm unklar war, wie der Bestellvorgang funktioniert!

Der Beitrag stammt aus dem Buch „Kunden im E-Commerce“ von Symposion Publishing.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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