Weboptimierung: Bedienungsfreundlichkeit 2.0

Spaß an der Nutzung eines Angebots, das ist das neue Schlagwort im Bereich der Usabilityforschung. Für Kunden und Nutzer von Online-Produkten und -Angeboten nimmt der „Joy of Use“ einen hohen Stellenwert ein. Bei der Entwicklung von qualitativ hochwertigen und attraktiven Internetanwendungen geht es um mehr als nur einfache Handhabung – die Nutzung selbst soll zum Erlebnis werden. Webseitenbetreiber, die dieses Konzept umsetzen, können den Erfolg der eigenen Seite erheblich steigern.

Wenn Usability Spaß macht

Akzeptanz durch die Benutzer ist der Schlüssel zum Erfolg jedes Internet-Angebots. Optimale Usability – also bestmögliche Benutzerfreundlichkeit oder Gebrauchstauglichkeit – setzt voraus, dass die Internet-Anwendung konsequent nutzerorientiert entwickelt wird. Darüber hinaus gibt es einen Mehrwert in der Interaktion mit einer Website, der sich jenseits der klassischen Usability bildet: der sogenannte „Joy of Use“, zu deutsch: der Spaß an der Nutzung.

Neben der funktionalen Bedienungsfreundlichkeit, die eine gute Website immer gewährleisten sollte, wird „Joy of Use“ in der Internet- und Usabilityforschung immer häufiger als imagewirksamer Erfolgsfaktor und damit als Wettbewerbsvorteil fokussiert. Nicht zuletzt „Apple“ hat den „Joy of Use“ zum lukrativen Geschäftsmodell entwickelt, man denke nur an das iPhone.

Was für die Welt der Produkte gilt, gewinnt zunehmend auch für das World-Wide-Web an Bedeutung: In dem Maße, in dem Produkt- und Unternehmens-Marken im Web angesichts zunehmender Bandbreiten multimedial inszeniert werden und die technischen Möglichkeiten des Web 2.0 soziale Interaktions-Spielräume von Nutzern erhöhen, erschließen sich Sinn und Qualität von Web-Applikationen im intuitiven emotionalen Erleben. Eine der zentralen Usability-Devisen, „Don’t make me think“, wird um den Spaßfaktor erweitert.

Websites durch die Nutzerbrille betrachtet

Kennen Sie diese Erfahrungen?
– Unverhofft kommt oft – Sie klicken in einer Website auf einen Link und unerwartet öffnet sich ein neues Fenster. Und schon wissen Sie nicht mehr, wo Sie sich befinden…

– Die Nadel im Heuhaufen – Sie geben einen Suchbegriff ein und erhalten eine Ergebnisliste, aus der Sie nicht wirklich schlau werden…

– Wo bin ich? – Die Navigationsprinzipien sind so unübersichtlich, dass Sie nach drei Klicks komplett die Orientierung verloren haben…

– Was sagt mir das? – Endlos scrollbare Textteppiche mit langen Sätzen, geschrieben in Fach-Kauderwelsch, gespickt mit denglischen Fremdwörtern und kryptischen Abkürzungen…

Damit solche Erlebnisse gar nicht erst auftreten, sollte bei der Entwicklung und Umsetzung von Websites konsequent die Nutzerbrille aufgesetzt werden. Denn nur so können die Nutzerbedürfnisse mit den Kommunikations-/ Inszenierungsansprüchen der (Unternehmens-) Marke im Netz in Einklang gebracht werden.

Für bestehende Websites gibt es die Möglichkeit, sie durch Expertentests zu testen, zum Beispiel durch sogenannte Cognitive Walkthroughs: Wo lassen sich Stolperfallen im intuitiven Handling entdecken? Wo sind Inkonsistenzen im Gebrauch von Navigations- oder Gestaltungsprinzipien zu verzeichnen? Wo finden sich Optimierungsfelder mit Blick auf die Auffindbarkeit und Verständlichkeit von Bedienfunktionen? Die konsequente Orientierung an Bedürfnissen und Erwartungshaltungen von Nutzern bedeutet vor allem eines: die Zielgruppen der Anwendung genau zu kennen. Das heißt: ihre Bedürfnisse abzufragen (zum Beispiel mittels Feldrecherchen und Interviews) und ihre Verhaltensweisen genau zu studieren, zum Beispiel durch die Analyse von Logfiles.

Warum nutzerfreundliche Websites auch barrierefrei sind

Die gesetzlich definierte Forderung nach einem „Internet für alle“ soll keine Nutzergruppen von der Nutzung eines Webangebotes ausschließen. In diesem Sinne gilt es barrierefreie Websites zu entwickeln, die Alternativversionen für behinderte Menschen anbieten und damit den Richtlinien und Konformitätsstufen der BITV (Barrierefreie Informationstechnologie-Verordnung) gerecht werden. Darüber hinaus sind folgende Kriterien für eine „nutzerfreundliche“ Website im Sinne von Barrierefreiheit/ Accessibility für behinderte und nicht behinderte Nutzer folgende unentbehrlich:
– Browser-Unabhängigkeit

– Bessere Auffindbarkeit in Suchmaschinen

– Universelle Verfügbarkeit von Funktionen (auch in sicherheitsgeschützte Firmennetzwerken)

– Multichannel-Ausgabefähigkeit der Inhalte (Internet, Mobile Devices, Print etc.)

Kriterien für „Joy of Use“

Die Ursprünge des Usability-Ansatzes liegen in den Erkenntnissen und Normen der Software-Ergonomie, deren Regeln auf Internet-Anwendungen übertragen werden. Dabei wird die Gebrauchstauglichkeit von Software-Produkten anhand der drei Leitsätze von Effizienz, Effektivität und Nutzerzufriedenheit definiert:
– Effektivität: Sind Nutzer in der Lage, ihr(e) Handlungsziele zu erreichen?

– Effizienz: Ist der Aufwand zum Erreichen des Handlungsziels angemessen?

– Nutzerzufriedenheit: Werden die subjektiven Erwartungen von Nutzern erfüllt?

In dem oben beschriebenen Sinne von „Joy of Use“, der sich nicht nur an der ergonomisch-funktionalen Accessibility/Usability sondern am positiven ästhetisch-emotionalen Erlebnis im Umgang mit der Website orientiert, lassen sich folgende Kriterien ableiten, die als Grundsätze bei der inhaltlichen und visuellen Gestaltung beziehungsweise Umsetzung von Websites dienen können:
– Optimale Erreichbarkeit ohne Barrieren (vgl. oben)

– Individuelle Ansprache (zum Beispiel zielgruppenspezifische Zugänge, bedarfsorientierte Informationsarchitektur, authentische visuelle und inhaltliche Tonalität, Möglichkeit zur Individualisierung/ Personalisierung von Funktionen)

– Funktionaler Bedienkomfort (konsistente Navigation, angemessene Orientierungshilfen und Rückmeldungen, eindeutiges Navigationswording, angemessene Fehlertoleranz bei Eingaben, intuitives und effektives Handling von Funktionen)

– Inhaltlicher Mehrwert / Content Usability (adäquate Informationsbreite und -tiefe, klar strukturierte und lesbare Texte, kontextrelevante Crosslinks)

– Emotionaler Mehrwert (multimediale Inszenierung der Marke beziehungsweise von Themen- und Produktwelten, attraktive visuelle Ästhetik, „Flow“-Erfahrung)

Usability Testing – Methoden und Ergebnisse

Grundlage für die Optimierung von Websites im Entwicklungs- und Gestaltungsprozess sind sogenannte Usability-Tests. Dabei steht neben der Erfassung der ergonomischen Qualität und der Identifikation von Usability-Problemen die Bewertung subjektiver Faktoren wie Akzeptanz und „Joy of Use“ bei der Nutzung im Mittelpunkt des Testings.

Exemplarisch sei an dieser Stelle ein mögliches Test-Szenario beschrieben:
– Expertenevaluation der neu entstandenen Designentwürfe, um erste Usability-Probleme zu und entsprechend zu optimieren.

– Usability-Test:
– Abstimmung und Entwicklung repräsentativer Nutzungsaufgaben (UseCases)

– Test mit repräsentativen Nutzern der Zielgruppe (je nach Komplexität der Site und der Zielgruppe sowie Anforderungen des Auftraggebers an die empirische Basis der Testergebnisse mit ca. 8 – 20 Testpersonen)

Abhängig vom jeweiligen primären Erkenntnisinteresse bieten sich dabei verschiedene qualitative Testmethoden an:
– Eye Tracking bietet die Möglichkeit, die Blickbewegungen der Testpersonen während der Interaktion aufzuzeichnen und zu analysieren. Dabei werden Erkenntnisse über die Aufmerksamkeitsverteilung der Benutzer als auch der visuellen Logik des Bildschirmdesigns gewonnen.

– Think aloud: Die Testpersonen führen die Nutzungsaufgaben selbstständig durch und kommentieren ihre Aktionen am Bildschirm durch „lautes Denken“. Der gesamte Testvorgang wird gegebenenfalls per Video oder mithilfe sogenannter Mousetracking-Software aufgezeichnet. Im anschließenden Interview werden weitere Fragen zu den Nutzungserfahrungen im Umgang mit den Testaufgaben erörtert.

Das Evaluationsergebnis wird zu einem Evaluationsreport zusammengefasst, der zu jedem beschriebenen Problemfeld eine konkrete Optimierungsempfehlung enthält. Die gefundenen Usability-Probleme werden nach Relevanz gewichtet (zum Beispiel „Usability-Katastrophe“, „sollte verbessert werden“, „kleines Problem“) und mit entsprechenden Verbesserungsvorschlägen versehen.

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