Alternative Positionierung für MNVOs

Mobilfunkgesellschaften, die sich auf den Wiederverkauf von Mobilfunkdiensten spezialisiert haben, so genannte MNVOs, prägen das Bild der deutschen Handynetzwerklandschaft. Doch ebenso wie die Mobilfunktelefone entwickeln sich auch die Bedürfnisse und Anforderungen von Nutzern an MNVOs stetig weiter. Diese müssen direkt flexibel auf die Ansprüche ihrer Kunden reagieren, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Um das zu gewährleisten, sollten Mobilfunkanbieter die verschiedenen Positionierungsmöglichkeiten kennen und nutzen.

Der MVNO im Mobilfunkmarkt

Im Mobilfunk gab es bis vor knapp fünf Jahren nur die Möglichkeit, sich als Netzbetreiber, Service Provider, Vertriebspartner oder Hersteller zu betätigen. Mit dem Markteintritt von Tchibo Mobile im Jahr 2004 eröffnen sich neue Geschäftsmöglichkeiten als Anbieter. In einem zunehmend durch Verdrängung geprägten Markt lassen sich auf diesem Wege Differenzierungspotenziale gegenüber den etablierten TK-Anbietern erschließen.

Innerhalb der Wertschöpfungskette hat der MVNO neben der Vertriebsfunktion und der Kundenverwaltung auch die Dienstegestaltung und -produktion unter seiner Kontrolle. Für die Zuführung und Terminierung von Gesprächen arbeitet der MVNO mit Access-Netzbetreibern zusammen und kauft dieses Vorprodukt zu Interconnection-Konditionen ein, die in seine eigene Kalkulation als Kosten einfließen.

Positionierungsalternativen

Das Geschäftsmodell des virtuellen Mobilfunkanbieters ohne eigenes Anschlussnetz, kurz MVNO, bietet verschiedene Möglichkeiten zur Umsetzung von Geschäftskonzepten und auch zur Positionierung im Markt. Die gewählte Ausrichtung hat Auswirkungen auf den Geschäftsplan des Anbieters und erfordert mehr oder weniger Investitionen und eröffnet engere oder weitere Marktpotenziale. Dabei sind nicht nur Technikkosten unterschiedlich, auch Vertriebskosten und erzielbare Durchschnittsumsätze und Margen pro Minute variieren in erheblichem Maße. Die möglichen Positionierungen sind:

– No-Frills-Anbieter

– Discount-Anbieter

– Anbieter mit Fokus auf internationale oder Auslandsgespräche

– Anbieter mit Werbefinanzierung

– Zielgruppenspezifische Anbieter

– Anbieter von Konvergenz-Diensten

No-Frills-Anbieter

Die ersten Unternehmen nach dem MVNO-Modell sind der Ausrichtung als „No-Frills“-Anbieter gefolgt, d.h. der Anbieter reduziert für den Kunden die Komplexität und Breite des Angebotes und bietet ein Kernangebot (in der Regel nur Sprachtelephonie und SMS) mit einem einfachen Tarifmodell an. No-Frills Anbieter können ihr Angebot als Vertrags- oder Prepaid-Angebot vermarkten.

Discount-Anbieter

Eine andere Ausprägung für die Positionierung stellt der „Discount“-Anbieter dar, bei dem der Minutenpreis im Vordergrund steht und auch die Kommunikation sich auf den Preis fokussiert. Der Discount-Anbieter verfolgt oft gleichzeitig eine No-Frills Ausgestaltung seines Angebots, so dass sich die Positionierung als einfach und transparent und dabei preiswert zusammenfassen lässt.

Da durch die Kosten für Vorprodukte und die eigene Leistungserbringung eine asymptotische Grenze für eine Preissenkung gegeben ist, kann der Markterfolg der verschiedenen Anbieter in diesem Segment nach der Phase deutlicher Preisreduktionen in erster Linie durch Werbemaßnahmen gesteigert werden. Der Gesamtmarkt der mobilen Kommunikation befindet sich mit einer Marktdurchdringung von 107 % in Deutschland auf dem Weg in die Sättigung und das Marktverhalten hat bereits einen Wechsel vom Wachstumsmarkt zu einem Verdrängungswettbewerb verändert. Der Markt für Unternehmen nach diesem Geschäftsmodell ist somit begrenzt.

Spezialisten für Auslandstelephonie

Während sich der „typische“ Anbieter auf Gespräche innerhalb Deutschlands konzentriert und hier versucht für seine Zielgruppe attraktiv zu sein, gibt es Spezialisten, die sich auf andere Segmente der Telephonie konzentrieren, z.B. für Geschäftsreisende und Urlauber, die preisgünstig aus dem Ausland nach Deutschland telefonieren wollen. „Auslandstelephonie-Spezialisten“ können sich aber auch auf andere Segmente konzentrieren, z.B. die Verbindung zwischen ausgewählten Ländern oder das Angebot von weltweit günstigen Gesprächen.

Werbefinanzierte Anbieter

Eine immer wieder neu betrachtete Alternative in der Ausgestaltung des Discount-Anbieters ist eine Teilfinanzierung durch Werbung. In verschiedenen Ländern werden Werbeeinblendungen in Gesprächen oder beim Gesprächsaufbau akzeptiert, in Deutschland waren entsprechende Versuche bislang wenig erfolgreich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Preise für Gespräche seit der Liberalisierung des Festnetz-Marktes 1998 und des Markteintritts der MVNOs in 2004 stark gefallen sind. In Verbindung mit einem zielgruppenspezifischen Ansatz für sehr preisbewusste Nutzer kann der „Werbefinanzierte“-Anbieter aber durchaus auch hierzulande in seiner speziellen Nische erfolgreich sein.

Zielgruppen-Anbieter

Weitere Möglichkeiten zur Differenzierung liegen in der Ausrichtung auf Zielgruppen, wie z.B. ethnischen Gruppen. Der „Zielgruppen“-Anbieter richtet sein Produktangebot auf die Bedürfnisse der Kernzielgruppe aus (z.B. spezielle Auslandstarife, Call-Back-Lösungen) aus und gestaltet sein Marketing entsprechend den Vorlieben der Zielgruppen. Auch Werbemaßnahmen konzentrieren sich auf die speziellen Medien der Zielgruppe. Bisher haben sich Anbieter mit dieser Positionierung insbesondere auf die Gruppe der ausländischen oder ausländisch-stämmigen Einwohner fokussiert, aber auch die Gruppe der Kinder und Jugendlichen sind offensichtlich eine attraktive Zielgruppe. Aber grundsätzlich gibt es natürlich auch andere Kriterien, um Zielgruppen zu definieren. Bei einer Positionierung als Zielgruppen-Anbieter ist es grundsätzlich wichtig, dass die Zielgruppe anhand von Selektions-Kriterien eindeutig beschreibbar ist, ein weitgehend homogenes Kommunikations- oder Informationsbedürfnis hat und mit geeigneten Vertriebsinstrumenten angesprochen werden kann.

Konvergenz-Anbieter

Durch die Gestaltung eigener Dienste bzw. Mehrwertdienste kann sich ein MVNO ebenfalls differenzieren. Hier kann sich der Anbieter die Unabhängigkeit vom Anschlussnetz zunutze machen. Durch die Anbindung unterschiedlicher Netze (Fetznetz, Internet, Mobilfunk) können konvergente Dienste wie z.B. Unified Messaging als Informationsdienst über die verschiedenen Zugangsnetze hinweg gestaltet werden. Die Positionierung als „Konvergenz“-Anbieter ist unter den verschiedenen möglichen Ausrichtungen am aufwändigsten und erfordert einerseits vergleichsweise hohe Investitionen und andererseits einen genaue Kenntnisse zu den Bedürfnissen der Zielgruppen.

Umsetzungskonzept

Die Verhandlungen mit Netzbetreibern und die Prüfung vorliegender Zusammenarbeitsverträge stellt eine Aufgabe von zentraler Bedeutung dar. Die qualifizierte Beratung bei der Gestaltung von Vertragsinhalten unter Berücksichtigung der gängigen Praxis im TK-Markt kann für die Wettbewerbsfähigkeit und den späteren wirtschaftlichen Erfolg entscheidend sein.
Die eigentliche Realisierung baut auf der Umsetzungsplanung auf. Je besser und detaillierter die Umsetzungsplanung ist, desto weniger Risiken beinhaltet die anschließende Umsetzung. In dieser Phase sind u.a. Bonitäts-, Rechnungs- und Forderungs-Management (ggf. Anbindung von Billingprovider und Bonitätsprüfung) ein zu richten, die Customer-Lifecycle-Prozesse (inkl. Anbindung des Reklamations-Managements beim Netzbetreiber) zu implementieren, Reportingschnittstellen des Netzbetreibers zur Realisierung von analytischem CRM zu schaffen und der Endgeräteservice aus zu gestalten. Besondere Bedeutung kommt der Implementierung der Geschäftsprozesse zu von der Kundenakquisition über die Freischaltung und die Erstellung der Abrechnung bis zur Kundenbetreuung. Für die Abwicklung ist i.d.R. ein veränderter Organisationsaufbau und das Coaching des ausgewählten Managements erforderlich. Auch Schulungsmaßnahmen für Customer-Care-Agenten und POS-Personal sind auf zu setzen. Die Umsetzung des Monitorings zur Einhaltung von Servicelevelagreements (SLA) hilft beim Qualitätsmanagement. Auch die Zusammenarbeit mit externen Partnern muss in entsprechende Prozesse umgesetzt werden, z.B. für die SIM-Kartenlogistik oder für die Logistik- und Vertriebspartner.

Erfolgsfaktoren

Welche Ausrichtung für einen Anbieter Erfolg versprechend ist, lässt sich nicht pauschal feststellen. Erfahrungen der Gründer, Kenntnisse über den Zielmarkt, Marktzugang und Vertriebswege sowie verfügbare Investitonsmittel sind ebenso Kriterien hierfür wie der zeitliche Horizont für einen Payback der Investitionen. Dabei unterscheiden sich die Modelle insbesondere im Hinblick auf die mögliche Kundenbindung und den erzielbaren Monats-Durchschnittsumsatz (ARPU). Wer sich auf ein Discountangebot mit niedrigen Minutenpreisen konzentriert ist natürlich in seiner Position durch einen anderen Anbieter mit noch niedrigeren Preisen angreifbar. Gleichzeitig bekommen Marken in einem Bereich mit ansonsten weitgehend austauschbaren Produkten eine zunehmend höhere Bedeutung.

Als Kriterien für einen nachhaltigen Markterfolg sind zu bewerten:

– Einmaligkeit bzw. geringe Austauschbarkeit des Angebotes aus Sicht des Anwenders

– Quantifizierter Nutzen im Vergleich zum Preis

– Bindung an die Marke

Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Angebot eines höherwertigen Mehrwertdienstes mit zusätzlichem Nutzen für den Anwender und damit auch mit höherer Ausgabebereitschaft dem Anbieter zwar einen höheren ARPU beschert, aber auch einen höheren Aufwand bei der Realisierung und einen kleineren Markt mit sich bringen kann, der möglicherweise einen höheren Vertriebsaufwand mit sich bringt. Für die Wirtschaftlichkeit gibt es somit keinen Automatismus in Richtung höherwertige Dienste und schärfere Zielgruppen-Fokussierung gleichbedeutend mit einem höheren Gewinn für den Anbieter!

Der MVNO ist auf jeden Fall ein anspruchsvolles und komplexes Geschäftsmodell mit sehr weitgehendem Spielraum zur Ausgestaltung, das genau geplant werden muss, um einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Zu den Erfolgsfaktoren in diesem Geschäft gehören die detaillierte Kenntnisse zu den Anforderungen der Zielgruppen und ein leichter Vertriebszugang zu den potenziellen Kunden. Ebenso bedeutend ist das Verständnis für die Funktion von TK-Netzen und Netzzusammenschaltung sowie Erfahrungen mit make-or-buy Projekten und Outsourcing. Entwicklungs-Know how für neue Dienste und bestehende Kontakte zu Netzbetreibern bzw. ggfs. zu Content-Providern sind notwendig für die Umsetzung. Ohne eine exakte Planung und die frühzeitige Berücksichtigung potenzieller Risiken besteht die Gefahr wirtschaftlicher Einbußen. Im Hinblick auf den Investitionsbedarf ist der Zugang zu Investoren von Vorteil. Die mobilfunkspezifischen Aspekte können für die Planungs- und Aufbauphase durch erfahrene Berater und Coaches beigestellt werden, bis die eigene Organisation dies übernehmen kann.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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