Wohin geht die Wholsesale Business Reise?

Das neue Zauberwort innerhalb des Wholsesale Business lautet Interconnection – die Zusammenschaltung verschiedener Netze. Der Vorteil davon ist, dass Netzbetreiber verschiedene Geschäftsmodelle benutzen, die sich anhand ihrer Qualitätsmerkmale unterscheiden. Ausschlaggebend ist dabei die Wahl des Interconnection Regimes. Das gilt sowohl für Netzbetreiber als auch für nationale Regulierungsbehörden bei deren Aufgabe, einen fairen Wettbewerb sicherzustellen.

Next Generation Networks (NGNs) sind in aller Munde. Niemand fragt mehr ob, sondern nur noch wann das NGN kommt. Einsparungspotenziale sowie neue innovative Produkte und Dienste sind für alle Netzbetreiber von großem Interesse. Der Begriff NGN ist dabei eigentlich irreführend, da es NGNs immer schon gab und geben wird. War es vor einer Dekade der Wechsel von der analogen zur digitalen Vermittlungstechnik, so ist es jetzt der Entwicklungsschritt von getrennten leitungs- und paketvermittelten Netzen hin zu einer einzigen IP-basierten Welt. In dieser Welt sind der Transport von IP-Paketen und das Angebot von Diensten und Services grundsätzlich unabhängig von einander.

Inwieweit betrifft dies nun das Wholesale- Geschäft der Netzbetreiber? Die Antwort ist: massiv! Im Bereich Sprachtelefonie kann beispielsweise VoIP nunmehr am Netzbetreiber vorbei angeboten und terminiert werden. Damit könnten zukünftig bezahlte Interconnection- Leistungen entfallen. Ein Blick auf die typische Struktur der Wholesale-Umsätze eines PSTN-Netzbetreibers zeigt jedoch, dass Interconnection-Leistungen fast 50% der Gesamtumsätze verantworten. Jede Änderung der Interconnection- Entgelte oder gar des zugrunde liegenden Geschäftsmodells hat daher gravierende Auswirkungen auf den Wholesale- Bereich. Mit beidem ist allerdings zu rechnen – nicht zuletzt wegen der intensiven regulatorischen Diskussion zu diesen Themen. Welche Optionen hat also ein Netzbetreiber, Interconnection- Beziehungen im NGN-Umfeld kommerziell erfolgreich und technisch sinnvoll zu definieren?

Interconnection heute – Interconnection morgen

Interconnection ist im klassischen PSTN eine wesentliche Grundlage für funktionierenden Wettbewerb. Entsprechend besteht für alle Anbieter öffentlicher Sprachtelefonie eine Zusammenschaltungspflicht, verbunden mit harten Auflagen für marktbeherrschende Unternehmen – wie etwa kostenbasierte Entgeltregulierung und die Veröffentlichung eines Interconnection-Referenzangebots.

Grundsätzlich gilt im PSTN das Calling Party Network Pays(CPNP)-Prinzip: Für die Terminierung von Gesprächen erhält das terminierende Unternehmen eine Kompensation in Form eines Entgelts. Das Interconnection-Referenzangebot regelt neben diesen Entgelten eine Vielzahl weiterer wichtiger Aspekte wie etwa das Netzkonzept, das unter anderem die Anzahl und Identität der Zusammenschaltungspunkte festlegt.

Mit der Migration zu NGN werden sich auch Interconnection-Beziehungen radikal ändern. Während die traditionellen PSTN- zu PSTN-Verbindungen in ihrer Bedeutung zurückgehen, taucht eine Vielzahl neuer Beziehungen auf. Die folgenden Moglichkeiten ergeben sich durch das Nebeneinander von PSTN, NGN und offentlichem Internet:

1. Interconnection zwischen traditionellem PSTN-Netz und Best Effort Internet IP-Netz,

2. Interconnection auf der Basis von Best Effort zwischen Internet IP-Netzen,

3. Interconnection zwischen einem Best Effort Internet IP-Netze und einem NGN mit garantierter Qualitat (managed Quality),

4. Interconnection zwischen PSTNNetz und einem NGN mit garantierter Qualitat (managed Quality),

5. Interconnection zwischen zwei NGNs mit garantierter Qualitat (managed Quality).

Im Mittelpunkt der regulatorischen Diskussion steht insbesondere der letztgenannte Fall, der durch die Migration zu NGN in Zukunft zum Standard wird. Die derzeit gefuhrte intensive regulatorische Diskussion dieses Falls findet sowohl auf nationaler als auch auf europaischer Ebene statt. Als Ergebnis werden detaillierte Vorgaben zur Ausgestaltung zukunftiger Interconnection- Beziehungen vorgegeben. Folgende Fragestellungen mussen unter anderem beantwortet werden:

– Welche Rolle spielt QoS bei der Definition von Interconnection-Leistungen?

– Welche Interconnection-Leistungen mussen angeboten werden?

– Wie sollen Interconnection-Beziehungen kommerziell ausgestaltet werden?

– Wie können Arbitragepotenziale durch das nebeneinander verschiedener Interconnection-Beziehungen minimiert werden?

– Wie sieht das Netzkonzept im NGN aus? Wie viele Zusammenschaltungspunkte sind auf welchen Netzebenen notwendig? Gibt es im NGN ähnlich wie im PSTN Regeln zum Routing von Verkehr, Verbote bestimmter technisch möglicher Interconnection-Leistungen (Double Transit Origination) oder eine Mindestzahl von Zusammenschaltungspunkten?

– Wie sieht ein sinnvolles Konzept zur Netzneutralität aus?

Schon bei den grundlegenden Fragen, beispielsweise zur kommerziellen Ausgestaltung von Interconnection-Beziehungen, bestehen sehr unterschiedliche Ansätze. Während Netzbetreiber an dem bisherigen CPNP-Prinzip festhalten möchten, befürworten beispielsweise Studien des deutschen Regulierers BNetzA mittel- bis langfristig einen Übergang zum Bill and Keep (B&K)-Prinzip – also den schlichten Wegfall der kommerziellen Interconnection-Beziehungen.

QoS als Schlüsselthema in Interconnection

Bei der Frage, wie Interconnection-Produkte im NGN definiert werden sollen, taucht das zentrale Thema IP-basierter Dienste auf: QoS beziehungsweise eine garantierte Ende-zu-Ende Qualität. Die Einführung von QoS ist die Grundlage für neue Produkte und Dienste und eröffnet Netzbetreibern die Möglichkeit, den Herausforderungen der heutigen Telekommunikationsbranche entgegenzutreten. So besteht in der Best Effort-Internetwelt keine Differenzierung zwischen kommerziell hochwertigen Diensten, beispielsweise Sprache oder IPTV, und kommerziell geringwertigen Diensten wie Downloads oder Filesharing. Dadurch kommt es an Engstellen im Netz („Bottlenecks“) zu einem Wettbewerb um Netzressourcen. Da das Internet überwiegend von geringwertigen Diensten dominiert wird, führt dieser Wettbewerb zu Problemen bei der Einhaltung von notwendigen Qualitätsanforderungen. Schließlich kommt es zu einer Verdrängung der kommerziell lukrativen Dienste („Crowding-Out“- Effekt). Erst die Möglichkeit, höherwertige Dienste mit einer garantierten QoS anzubieten, erlaubt mithin ihre Vermarktung.

Darüber hinaus zeigt eine Detecon- Studie, dass es bei den bisherigen Flat- Rate-Paketen der Netzbetreiber zu einer beträchtlichen Subventionierung der „Heavy User“ kommt: 6% der Nutzer nutzen ca. 65% der zur Verfügung stehenden Bandbreite. Hier könnte eine Unterteilung in verschiedene Dienstklassen helfen. Diese ermöglicht es, Angebote gemäß des jeweiligen Nutzungsverhalten zu gestalten. Grundsätzlich können die vier Dienstklassen Echtzeitdienste, Streamingdienste, Datendienste und Best Effort- Dienste unterschieden werden.

Der Unterschied der einzelnen Klassen zeigt sich in den verschiedenen Qualitätsparametern wie etwa der Latenzzeit (die Verzögerung der Ende-zu-Ende Übertragung), Jitter (die Abweichung der Latenzzeit von ihrem Mittelwert) oder der Paketverlustrate. Für Echtzeitdienste spielen diese Parameter eine entscheidende Rolle, denn das verspätete Ankommen von Paketen führt zu einer Beeinträchtigung des gesamten Dienstes. Streaming- und Datendienste sind hier weniger anfällig. Eine gewisse Verzögerung wird toleriert, entscheidender Qualitätsparameter ist die Übertragungsgeschwindigkeit. Best Effort-Dienste kommen demgegenüber ohne jegliche Festlegung von Qualitätsparametern aus, ohne dass dies für die meisten dieser Dienste eine Einschränkung bedeuten würde. Für die Definition von Interconnection- Diensten müssen sich Netzbetreiber beziehungsweise die Industrie auf Qualitätsklassen und -parameter festlegen. Nur so können Endkundenprodukte und -dienste netzübergreifend angeboten werden.

Aber reicht zur Implementierung von QoS nicht vielleicht auch das Internet? Ist wirklich ein NGN – also ein IP- basiertes Netz eines Netzbetreibers mit managed Routing und managed Quality – notwendig? Die Antwort lautet: Ja! Wir brauchen das NGN – zumindest wenn man die folgenden ökonomische Ineffizienzen vermeiden möchte: Auch über das bisherige Internet kann durch Überdimensionierung des Netzes QoS bei allen Diensten angeboten werden. Allerdings wäre Qualität auch in diesem Fall weder garantiert noch wäre ein solches Netz aufgrund der Überkapazitäten ökonomisch effizient. Wird demgegenüber einem Dienst Übertragungskapazität exklusiv reserviert, garantiert das zwar die Qualität, allerdings kann die Verbindung gleichzeitig nicht für andere Dienste genutzt werden – selbst wenn zeitweise kein Verkehr stattfindet.

Das NGN hingegen bietet durch Priorisierung von Klassen eine Qualität, die sowohl bestimmte Qualitätsanforderungen von Diensten erfüllt als auch das Netz weiterhin flexibel nutzbar macht. Diese Möglichkeit sollten Wholesalecarrier nutzen und den Aspekt der managed Quality zum zentralen Definitionsmerkmal von NGN Interconnection-Leistungen und dem entsprechenden Interconnection- Geschäftsmodell machen.

Interconnection-Geschäftsmodelle in NGN

QoS ermöglicht es Netzbetreibern, neue Wholesale-Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ein erstes Geschäftsmodell stellt der Ersatz der bisherigen PSTN Sprachtelefonie durch ein QoS Voice over Internet dar. Dies setzt sich qualitätsmäßig vom bisher bekannten Best effort Voice over Internet (Skype) dahin gehend ab, dass die gefühlte Sprachqualität auch bei sehr hohem Verkehr der eines PSTN gleichkommt. Dafür müssen die gleichen Qualitätsparameter in verschiedenen Netzen gelten, wobei der Standard vom schwächsten Glied gesetzt wird. Ein solcher Dienst kann nur dann angeboten werden, wenn alle Netzbetreiber ein Entgelt für die Qualitätsgarantie erhalten. Während im Best Effort- VoInternet zwischen den Netzbetreibern keinerlei Entgelte gezahlt werden, wäre dies im QoS-Fall anders. Wie im bekannten PSTN-Netz würde ein Entgelt an dasjenige Netz fließen, welches das Gespräch weitertransportiert und dabei die festgelegten Standards einhält.

Das gleiche gilt im Wholesale-Bereich für den Datenverkehr. Im Gegensatz zum bisherigen Interconnection-Geschäftsmodell erfolgt nun eine Zahlung zwischen den Netzbetreibern, zumindest für QoS-basierte Produkte. Für Best Effort bleibt alles gleich.

Diese Betrachtungsweise hat erhebliche Auswirkungen auf die Implementierung von Interconnection-Leistungen. Neben der technischen Ausgestaltung von QoS, dem Festlegen der Qualitätsklassen und Qualitätsparametern sowie der Einhaltung und Überprüfung der QoS-Parameter ergeben sich weitere Diskussionsfelder.

Weitere Diskussionsfelder bei der Implementierung von NGN Interconnection

Die detaillierte Ausgestaltung von Interconnection- Beziehungen ist eines der komplexesten Felder im Bereich der Telekommunikation und verbindet technische, rechtliche und kommerzielle Aspekte. Die Migration zu NGN führt auch zu einer Umgestaltung der Netzknotenpunkte, der Änderung der Anzahl der Netzhierachieebenen und der geografischen Zusammenschaltungspunkte sowie zu einer Reduktion der Gesamtzahl der Zusammenschaltungspunkte, insbesondere auf der untersten Netzebene. Änderungen am Netzkonzept und der Anzahl notwendiger und möglicher Zusammenschaltungspunkte induzieren eine Diskussion über versunkene Investitionen der Interconnection- Partner und entsprechende Kompensationsforderungen. Daüber hinaus müssen Netzbetreiber neue Routing-Regeln definieren und andere Interconnection- Regeln aus der PSTN-Welt in die NGN-Welt übertragen. Beispielsweise verlangte die Erlang-Regel, dass neue Interconnection- Kapazitäten aufgebaut werden müssen, sobald der Verkehr auf einem PoI einen bestimmten Erlang-Wert überschreitet. Ebenso müssen Regeln wie das “ Double Transit“-Originierungsverbot oder die vorgeschriebene Mindestanzahl PoIs sinnvoll in die NGN-Welt übertragen werden. Die derzeit definierten Interconnection-Produkte local, single und double transit werden vermutlich durch ein konvergentes Transportprodukt mit QoS ersetzt werden. Darüber hinaus müssen neue Produkte auf der Transport-, der Kontroll- und der Dienstebene definiert werden. Bisher verpflichtende Produkte wie Carrier Selection oder FRIACO werden vom Regulierer zurückgenommen. Netzbetreiber müssen optimale Strategien entwickeln, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig das Interconnection- und Endkunden-Service-Portfolio sinnvoll weiterzuentwickeln.

Die Migration des Interconnection-Referenzangbotes in die NGN-Welt impliziert ein Nebeneinander alter PSTN und neuer NGN Interconnection-Beziehungen. Hier sind Regeln notwendig. Ebenso ist ein Migrationspfad für Interconnection- Leistungen inklusive der physischen Interconnection-Punkte nötig. Dieser muss die Migration existierender Interconnection- Produkte, die Neuverhandlung von Interconnection-Verträgen und die Definition neuer NGN-basierter Interconnection- Leistungen umfassen.

Mit der Migration zu NGN entstehen weitere komplexe Probleme für die nationalen Regulierungsbehörden: Sie müssen neue Märkte definieren und möglicherweise regulieren sowie Gelegenheiten für eine weitere Deregulierung analysieren. Vorhandene obligatorische Produkte dominierender Anbieter müssen im Licht technologischer Entwicklungen angepasst werden. Einige derzeit vorgeschriebene Produkte können vielleicht zukünftig von Wettbewerbern repliziert werden – womit der Grund ihrer Regulierung entfallen würde. Ebenso stellt sich die Frage nach dem Umfang und der Ausgestaltung einer Entgeltregulierung.

Calling Party Network Pays auf dem Vormarsch

Die Migration zu NGN hat für Wholesale- Anbieter massive Konsequenzen. Bisherige Produkte müssen komplett neu definiert werden, da ansonsten mit einem massiven Einbruch der Umsätze zu rechnen ist. Gleichzeitig spielt IP Interconnect aus Sicht des Gesamtmarktes eine Schlüsselrolle für den Erfolg von NGNs. Die Berücksichtigung und Garantie von QoS über Netzgrenzen hinweg und die Errichtung eines QoS-unterstützenden Interconnection-Regimes sind dabei ausschlaggebende Faktoren. Die Implementierung von IP Interconnection erfordert gemeinsame Lösungen von Netzbetreibern hinsichtlich Standards, Produkten und Geschäftsmodellen. Mit der Implementierung von Ende zu Ende Qualitätsprodukten auf dem Vorleistungsmarkt können Netzbetreiber eine wichtige Weichenstellung vornehmen, die funktionierende Geschäftsmodelle auch in der IP-Welt sicherstellt. Jedoch ist diese Entwicklung nicht nur für die Wholesale- Anbieter eine große Herausforderung, sondern stellt ebenfalls die nationalen Regulierungsbehörden vor eine Vielzahl von Fragen, die eine sorgfältige Analyse erfordern. Große Aufmerksamkeit gilt dabei dem Interconnection-Regime und der Wahl zwischen B&K und CPNP. Auch wenn sich B&K mittel- bis langfristig in einem immer komplexeren und wettbewerblichen Wholesale-Markt als Lösung herausstellen könnte, ist in den nächsten Jahren CPNP vermutlich das geeignetere Interconnection-Regime.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
Nach oben scrollen