WiMAX: Neue Geschäftsmodelle in Aussicht

Mit der Einführung von WiMAX eröffnet sich dem deutschen Markt eine neue mobile Lösung. Zwar ist die breitbandige Funktechnologie als Netzinfrastruktur schon länger im Einsatz, doch nun rückt auch die Realisierung von portablen Anschlüssen für den privaten oder geschäftlichen Verbraucher in greifbare Nähe.

Regulierungssituation

Nach einem im Februar 2006 wegen zu zahlreicher Interessenten erfolglos abgebrochenen Versuch zur Vergabe der WiMAX-Lizenzen werden ab dem 12.12.2006 jeweils 4 WiMAX-Frequenzbänder mit 21 MHz Bandbreite in 28 Regionen versteigert. 6 Unternehmen bemühen sich um Lizenzen, drei davon streben Lizenzen in allen Regionen an. Den früher erwarteten großen „Run“ auf die WiMAX-Lizenzen gibt es also nun nicht.

Das Mindestgebot reicht von € 151.000 für die Region Vorpommern bis zu € 1.819.000 für die Region Köln / Düsseldorf. Wer sich für den Erwerb in allen Lizenzgebieten interessiert, muss einen Mindestbetrag in Höhe von über € 15,6 Mio. einplanen und vorab als Kaution hinterlegen. Die Lizenzen werden wohl auf jeden Fall noch in diesem Jahr erteilt, so dass der Netzaufbau Anfang 2007 beginnen kann.

WiMAX – trotz Regulierungspannen ein Erfolg?

Obwohl auf den ersten Blick der Eindruck entstehen könnte, dass die drastische Reduktion der Anzahl der Lizenzbewerber von über 100 im Februar auf gerade mal sechs Unternehmen und das Fernbleiben der „großen“ Netzbetreiber für ein nachlassendes Interesse an WiMAX spricht, so kann man dies auch als für den Markt eher positive Entwicklung ansehen. Hierfür gibt es gute Gründe:

– In jeder Region wird es mit 3-4 WiMAX-Betreibern einen ausreichend starken Wettbewerb untereinander geben

– Die niedrigere Anzahl der Bieter wird eine ruinöse Bieterschlacht wie bei UMTS verhindern, da je Region nur 4 Lizenzen vergeben werden

– Das Fernbleiben der „großen“ Carrier verhindert einen Lizenzerwerb zur „Wettbewerbs-Kontrolle“ oder zum „Bunkern“ von Frequenzen

– WiMAX-Netze werden nicht auf die Rolle eines Lückenbüßers in einem nicht vollständig ausgebauten DSL-Netz reduziert

– Die Lizenznehmer werden voraussichtlich eine offene Kooperationspolitik verfolgen und sich auf die Kernkompetenz als Zugangsnetzbetreiber konzentrieren

Gerade der letzte Aspekt ist aus Sicht des Autors eine entscheidende Voraussetzung, um neue Geschäftsmodelle um zu setzen. Ein interessierter Geschäftspartner kann das WiMAX-Netz als Übertragungsstrecke und Zugang zum Kunden nutzen, um die eigenen Dienste und Lösungen zu realisieren. Dies ist wichtig, weil es sich bei WiMAX um eine komplexe Funktechnologie handelt, die nicht so problemlos aufgebaut werden kann wie z.B. WLAN-Zellen. Ohne eine sorgfältige Funknetzplanung, die sich an der Topographie der auszuleuchtenden Region orientiert, kann keine gute Versorgung und insbesondere keine Non-Line-Of-Sight (NLOS) Auslegung erreicht werden. Daher ist es von Vorteil, wenn die WiMAX-Lizenznehmer diese anspruchsvolle Aufgabe übernehmen.

Geschäftsmodelle unter Einsatz von WiMAX

Der Breitbandzugang über WiMAX-Funksysteme, die nach einem internationalen Standard arbeiten, ist eine ausgereifte und in vielen Fällen wirtschaftlich interessante Alternative zu leitungsgebundenen Zugängen. Die verfügbaren Bandbreiten reichen für viele Anwendungen aus, sind aber deutlich niedriger als bei Leitungsgebundenen Anschlüssen, die derzeit bei DSL bis 6 MBit/s reichen und mit VDSL auf bis zu 50 MBit/s ausgebaut werden. Funkspezifische Probleme wie Schwankungen in der Versorgungsqualität und Funklöcher z.B. durch Abschattung sind aber aus physikalischen Gründen nicht zu vermeiden. Die entscheidende Stärke der WiMAX-Anschlüsse liegt in der Portabilität des Anschlusses und in der Entbündelung der Leistungen, so dass ein breitbandiger Internetzugang nicht zwangsläufig mit einem Telefonanschluss gekoppelt sein muss. Ein weiterer Vorteil für den Anwender ist die nicht (oder beim Einsatz von Fensterantennen nur eingeschränkt) erforderliche Indoor-Verkabelung.

Die einem Funksystem inhärente Fähigkeit zur Portabilität bis hin zur echten Mobilität bietet höhere Flexibilität als das Festnetz. Mit einem Funkanschluss kann der Laptop an Orten Online betrieben werden, die bislang keinen Netzzugang haben. Servicemitarbeiter können innerhalb des versorgten Gebietes auf Internetinformationen und Unternehmensserver zurückgreifen (z.B. Kundenakten, Konstruktionspläne, Lagerbestände, Funktionsbeschreibungen, Lieferdauer). So lassen sich Unternehmensabläufe beschleunigen und die Effizienz steigern. Portabilität geht von einer niedrigen Geschwindigkeit (Fußgänger) aus und ermöglicht keinen Handover bei einem Wechsel zwischen den Funkzellen. Funkzugänge benötigen meistens keine Verkabelung im Haus, dies spart Kosten und bietet Convenience. WiMAX eignet sich für den Aufbau bzw. die Integration in Unternehmensnetze und VPNs (Virtual Private Networks), da eine „getunnelte“ Verbindung die erforderliche Sicherheit bietet. Die für spezielle Anwendungen (z.B. Videoübertragungen) notwendigen „Qualities of Service“ (QoS) sind vorgesehen. Auch Telematik und Telemetrie-Anwendungen könnten unter Nutzung von WiMAX als Übertragungstechnologie umgesetzt werden. Grenzen in der Anwendung ergeben sich aber bei einem Bandbreitenbedarf über 4 MBit/s.

Neben der reinen Substitution von Leitungsgebundenen DSL-Angeboten kann WiMAX auch für die Zielgruppe der Singles und Einpersonenhaushalte für den entbündelten Breitbandzugang mit 2 MBit/s (ohne Teilnehmeranschlussleitung) zum Internet und eine qualitativ hochwertige VoIP-Lösung für die Telephonie als eigenständiges Produkt attraktiv und wettbewerbsfähig sein.

Kooperationsmodelle für WiMAX-Betreiber

Bei der Umsetzung der möglichen Lösungen bieten sich unterschiedliche Kooperationsmodelle an, die von der Art der Geschäftspartner und der angestrebten Anwendung abhängen. Zu den grundsätzlich möglichen Partnerschaftsmodellen gehören:

– die Vergabe einer Sublizenz und der eigenständige Netzaufbau durch den Geschäftspartner

– ein Geschäfts-Joint-Venture für das gesamte Geschäft vom Netzaufbau bis zur Vermarktung bei einer Aufteilung von Investitionen, Risiken und Erträgen

– ein Netz-Joint-Venture nur für den Netzbetrieb und Vermarktung nur durch den Partner

– Realisierung und Betrieb des Netzes durch den WiMAX-Lizenznehmer und Übergabe des Datenstroms an der Basisstation, Connectivity, Diensterealisation und Vermarktung durch den Partner

– Aufbau und Betrieb des Netzes durch den WiMAX-Lizenznehmer und Vermarktung des fertigen Dienstes über Reseller (analog dem DSL-Geschäftsmodell der T-Com)

– Sonderlösungen, die WiMAX-Betreiber für Großkunden erbringen

In der Arbeitsteilung übernimmt der WiMAX-Lizenznehmer bei allen Modellen außer der Vergabe von Sublizenzen den Aufbau und den Betrieb des Funk-Zugangsnetzes und die Kooperationspartner übernehmen fallweise die Ausgestaltung des Dienstes und die Vermarktung an die eigenen Zielgruppen. Als Geschäftspartner kommen vermutlich in erster Linie regionale Netzbetreiber und Citycarrier in Betracht, für die die herkömmliche DSL-Versorgung abgelegener und ländlicher Gebiete aufgrund der Leitungsdämpfung unwirtschaftlich ist. Auch Industriebetriebe mit ausgedehntem Betriebsgelände oder Flughafenbetreiber kommen als Partner der WiMAX-Lizenznehmer in Betracht. Auf diesem Wege können bis auf den einen oder anderen Glücksritter viele der Lizenzanwärter aus der misslungenen Ausschreibung vom Februar doch noch bei der WiMAX-Nuzung zum Zuge kommen. Bei einem Geschäftsmodell als Reseller kommen natürlich auch andere Anbieter in Betracht wie z.B. MVNOs, Service Provider und Voice-Reseller, Anbieter von Calling Cards und Internet Service Provider (ISPs). Für VoIP-Anbieter kann die Zusammenarbeit mit WiMAX-Anbietern zur Schaffung eines Komplettangebotes beitragen. Aber auch für System- und Lösungsanbieter, die höherwertige Lösungen für Geschäftskunden realisieren (z.B. VPNs), kann eine Kooperation mit einem WiMAX-Netzbetreiber sinnvoll sein.

Die Kooperationsbereitschaft wird zumindest bei den drei deutschlandweit antretenden Lizenz-Anwärtern ausgeprägt sein und vermutlich alle möglichen Kooperationsvarianten beinhalten. Da diese Unternehmen noch keinen direkten Zugang zu den Zielgruppen und auch kein umfassendes Diensteangebot haben, ist eine schnelle Marktdurchdringung ohne hohe Vermarktungskosten nur auf dem Wege einer flexiblen Kooperation mit möglichst vielen kundennah agierenden Partnerunternehmen möglich.

Bei den drei an regionalen Lizenzen interessierten Unternehmen ist eine Kooperationsbereitschaft in gleichem Maße noch nicht ab zu sehen, da hier durchaus auch zu erwarten ist, dass WiMAX schwerpunktmäßig als Übertragungstechnologie genutzt wird, um die eigene Wertschöpfung zu vertiefen und das bestehende Angebots-Portfolio zur Verbesserung der Wettbewerbsposition zu verbreitern. Grundsätzlich spricht aber auch für diese Unternehmen nichts gegen Geschäftspartnerschaften. Allerdings werden sich Kooperationen wohl weniger auf der Ebene von Sublizenzen abspielen als eher bei Reseller-Modellen zur Erhöhung der vertrieblichen Reichweite.

Vorbild für andere Telekommunikationsbereiche

Es wäre wünschenswert, wenn auch andere Telekommunikations-Unternehmen entsprechend offen für eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen wären und somit ihre Wertschöpfungskette öffnen. Bislang ist eher das Gegenteil zu beobachten und die Mehrzahl der großen nationalen und internationalen Netzbetreiber strebt eine möglichst weitgehende Eigenrealisierung an. Aus diesem Grunde ist der Mehrwertdienste-Sektor immer noch schwach ausgeprägt. Dienste wie z.B. Unified Messaging (UMS) werden hierdurch gebremst und ähnliches ist bei Location-Based Services (LBS) zu beobachten. Eine weitere unmittelbare Folge sind die bislang wenig erfolgreichen Mobilfunkportale wie z.B. Vodafone-Live oder t-zones.

In der Durchdringung mit Breitbandanschlüssen liegt Deutschland trotz mittlerweile guten Wachstumsraten mit unter 20 % hinter anderen europäischen Ländern. In der Internetnutzung zeigt sich immerhin in den letzten Jahren ein erfreulicher Anstieg von ca. 37 % in 2001 auf heute etwa 58 % der Bevölkerung. Ein entscheidender Grund für die verhältnismäßig langsame Breitband-Penetration liegt in dem bislang schwachen Wettbewerb auf der Infrastrukturseite. Während in anderen Ländern das Kabelmodem ein Treiber der Breitbanddurchdringung war und der DSL-Technologie Wettbewerb geboten hat, haben sich die Kabelnetzbetreiber in Deutschland erst spät auf die Entwicklung und Vermarktung von Internetzugängen und Telephonie über das Breitbandkabel besonnen. Der in der Vergangenheit am Markt feststellbare Wettbewerb fand im Wesentlichen zwischen den Vermarktern und Resellern der DSL-Technik der T-Com statt. Dies ist sicher nicht die richtige Ausgangslage, um die Entwicklung alternativer Dienste und Angebotspakete zu stimulieren. Erst in letzter Zeit steigt die Wettbewerbsintensität durch das Angebot der Kabelnetzbetreiber und einiger Festnetzanbieter wie z.B. QSC oder Netcologne, aber auch durch das zunehmende UMTS-Angebot. WiMAX kann diesen Wettbewerb weiter stimulieren, da es als valide Alternative zu einem 2 MBit/s DSL-Anschluss gesehen werden kann.

Wenn man aus diesen Erfahrungen lernen wollte, müsste man die Wertschöpfungskette aller Telekommunikationsdienste öffnen und anderen Marktteilnehmern die Nutzung ermöglichen. Analog der Diskussion um die Privatisierung von Schienen- und Straßennetz gilt auch in der Telekommunikation, dass der Zugang insbesondere zu den Teilnehmer-Zugangsnetzen, die immer noch zu fast 97 % der Deutschen Telekom gehören, für alle TK-Anbieter offen stehen sollte. Bei den Backbone- und Fernleitungen ist der Wettbewerb schon heute ausreichend entwickelt. Die anstehende Entscheidung zu der Ausnahme des neuen VDSL-Netzes der Deutschen Telekom von der Regulierung zeigt, dass man in der Politik offensichtlich nichts aus den bisherigen Erfahrungen gelernt hat. Gerade dieses Zugangsnetz sollte genauso für andere Anbieter offen stehen, wie es jetzt aufgrund der Marktsituation bei WiMAX der Fall sein wird. Dann könnten auch solche Geschäftsmodelle realisiert werden, die eine breitbandige Übertragung brauchen, für die sich aber der Aufbau eines eigenen Zugangsnetzes aus wirtschaftlichen Gründen nicht rentiert. Eine Verbreiterung des Angebots mit zielgruppenspezifischen Lösungen könnte den Bedürfnissen der Kunden entgegenkommen und das Wachstum mittelständischer Telekommunikations-Anbieter fördern.

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