WiMAX – Regulierung auf dem Holzweg?

Während in verschiedenen europäischen Ländern bereits praktische Erfahrungen mit dem großflächigen Einsatz der mobilen Breitbandtechnologie gesammelt werden, dümpelt die Entwicklung hierzulande trotz angestoßener Lizenzvergabe vor sich hin. Hinzu kommt, dass der bürokratisch aufwendige Ausschreibungsprozess kleine regionale Anbieter diskriminiert und deren Marktzugang deutlich erschwert. Ein Plädoyer für mehr Wettbewerb.

Hintergrund zu WiMAX

Über WiMAX wird seit vielen Monaten diskutiert, mittlerweile ist die Standardisierung weit fortgeschritten und die Technik weitgehend einsatzreif. Dies belegt auch der im Ausland, u.a. in Österreich, Tschechien und Slowenien erfolgreiche operative Betrieb. Selbst in Russland wird der Aufbau von WiMAX-Netzen voran getrieben. Nur in Deutschland passiert nichts und mittlerweile muss man große Bedenken haben, dass tatsächlich noch viel passieren wird!

WiMAX ist ein funkgestütztes Breitbandnetz, das den Zugang zum Internet mit bis zu 4 MBit/s. ermöglicht. Damit kann WiMAX ein bestehendes leitungsgestütztes Breitband-Zugangsnetz sowohl ergänzen als auch ersetzen. Mit einem WiMAX-Anschluss sind neben DSL-vergleichbaren Internetzugang auch andere Anwendungen realisierbar, die eine breitbandige Datenübertragung benötigen (z.B. VoIP). Die Portabilität des Anschlusses schafft eine Voraussetzung für neue Anwendungen, z.B. im Bereich der Sicherheitstechnik und der Telematik.

WiMAX zur Erhöhung des Infrstrukturwettbewerbs

WiMAX hätte die Chance gehabt, den Wettbewerb in der Breitband-Infrastruktur zu beleben. Bislang wird der Markt in Deutschland nach wie vor von der Deutschen Telekom und ihrem DSL-Angebot dominiert. Einige Carrier wie Arcor, Netcologne und QSC schaffen zwar verstärkt eigene Breitband-Netzzugänge zu Kundenstandorten. Auch die Kabelnetzbetreiber, die in manchen Ländern einen hohen Marktanteil beim Internetzugang per Kabelmodem (deutlich vor DSL) haben, sind mittlerweile in Deutschland mit entsprechenden Angeboten auf den Markt gekommen. Im Hinblick auf die Marktanteile haben diese Angebote aber noch eine nahezu verschwindend geringe Bedeutung. Für eine schnelle Verbreitung der Breitbandnutzung in Deutschland wäre es auf jeden Fall förderlich, den Wettbewerb auf der Infrastrukturseite weiter zu intensivieren. Zwar gibt es in Deutschland auf den ersten Blick einen ausgeprägten Wettbewerb der DSL-Anbieter. Bei einer näheren Betrachtung sind die Mehrzahl der Anbieter Reseller des DSL-Angebotes der Deutschen Telekom! Bitstream-Access als neue Chance im Wettbewerb hat ein langes und zähes Ringen gebraucht, um überhaupt in Erwägung gezogen zu werden.

Das Trauerspiel Lizenzvergabe

Nachdem die im Februar 2006 zu Ende gegangene, offen gestaltete Ausschreibung der WiMAX-Frequenzen über 100 interessierte Unternehmen mit 1.221 Lizenzanträgen auf den Plan brachte und damit weit mehr Anfragen generierte als Frequenzen verfügbar sind, wurde die weitere Bearbeitung der Anträge kurzerhand abgebrochen. Statt dessen wurden im Juli die Eckpunkte für ein Auktionsverfahren für die WiMAX-Lizenzen angekündigt. Während in der ersten Ausschreibung jeder Anbieter seine geplante Versorgungsregion nach seinen Geschäftsplänen frei definieren konnte, sollen jetzt 16 großräumige Regionen fest vorgegeben werden mit jeweils zwei Frequenzbändern zu je 21 MHz und einem Band mit 28 MHz. Das Mindestgebot liegt je nach Größe der Region und Frequenzband zwischen € 0,9 Mio. und über € 2,0 Mio. Ein ähnlich hoher Betrag ist bereits im Vorfeld als Kaution zu hinterlegen, um sicher zu stellen, dass nur ernsthafte Gebote abgegeben werden.

Wie es sich darstellt, beantwortet man den Fehler der ersten Ausschreibung jetzt mit einem aus Marktsicht noch schlimmeren Ansatz zur Lizenzvergabe. Die offene Ausschreibung bis Februar 2006 mag im Grundsatz richtig gewesen sein und hat aus dem Disaster der WLL-Ausschreibung vor ca. 5 Jahren Konsequenzen gezogen. Allerdings hat die Bundesnetzagentur dabei überzogen. Eigentlich konnte jeder Interessierte Lizenzanträge stellen und viele Antragsteller haben sicher „vorsorglich“ viel größere Regionen beantragt, als sie jemals ausbauen wollten. Eine Reihe von Antragstellern mögen den Antrag auch in der Hoffnung gestellt haben, dass sie ihn nach einer Zuteilung meistbietend hätten verkaufen können.

Aus Sicht des Autors hat man bei der Bundesnetzagentur viel zu schnell die „Bereinigung“ der 1221 Anträge aufgegeben. Mit einigen zusätzlichen „Hürden“ wie z.B. einer Art Kaution und einer Prüfung der Geschäftsmodelle der Antragsteller wäre die Zahl der Lizenzanträge vermutlich schnell zusammen geschmolzen. Auf jeden Fall hätten diejenigen Antragsteller, die im Vorfeld bereits Aufwand in die Erstellung der Unterlagen gesteckt haben, diese weiter nutzen können.

Werden lokal tätige und kleinere Anbieter bewusst ausgegrenzt?

Die Festlegung der großflächigen Regionen erschweren Citycarriern und anderen Unternehmen mit lokalem Fokus den Einsatz von WiMAX als Instrument zur lokalen oder begrenzten regionalen Ergänzung des DSL-Ausbaus, z.B. an Flughäfen, Bahnhöfen oder solchen Orten bzw. Ortsteilen, für die ein leitungsgebundener Ausbau teuer und unwirtschaftlich wird. Es steht zu befürchten, dass gerade diese Regionen, zu denen auch immer noch die OPAL-Gebiete (Regionen mit Lichtwellenleiter-Anschluss bis zum Hausanschluss) gehören, nun nicht mehr bevorzugt ausgebaut werden. Zukünftige Lizenznehmer, die ein Gebiet von der Größe z.B. halb Nordrheinwestfalens ausbauen wollen oder nunmehr müssen(!), können dies sicher nicht auf der Basis kleinzelliger Strukturen tun. Die Verlierer sind vermutlich die geschäftlichen und privaten Anwohner solcher Gebiete. Die Deutsche Telekom hat dagegen gewonnen, da sie zumindest nicht kurzfristig mit Wettbewerb in den OPAL-Gebieten rechnen muss. So wird der durch den Wettbewerb gegebene Zeitdruck bei der Umrüstung jetzt wohl geringer geworden sein!

Aber nicht nur die potenziellen Kunden sind die voraussichtlichen Verlierer der neuen Regelung. Auch die in begrenzten Regionen tätigen TK-Anbieter und Unternehmen werden die mit WiMAX gegebenen Geschäftsmöglichkeiten nun wohl nicht nutzen können. Die Kosten des Erwerbs von Lizenzen für Regionen, in denen diese Anbieter gar nicht tätig sind, in Verbindung mit der Verpflichtung zum Netzaufbau für eine Mindestversorgung, stellen wirtschaftliche Risiken dar, die kaum akzeptabel sind. Die rigiden Regelungen zur Kooperation verschiedener Anbieter vor der Lizenzbewerbung erleichtern diese Situation auch nicht gerade. So kann man den Eindruck gewinnen, dass die Regulierung die großen und kapitalstarken Anbieter vor dem Wettbewerb der kleineren und lokal agierenden Anbieter schützen will. Die Bundesnetzagentur als Behörde zum Schutz der Deutschen Telekom vor Wettbewerb, sollte es eigentlich nicht anders herum sein?

Wenn WiMAX zur Schaffung zusätzlichen Infrastruktur-Wettbewerbs genutzt werden sollte, ist es schwer verständlich, warum auch Unternehmen wie die Deutsche Telekom und die UMTS-Mobilfunknetzbetreiber bei dem Lizenzverfahren zugelassen werden. Ist es wirklich wahrscheinlich, dass die Deutsche Telekom ihrem DSL-Angebot zukünftig mit WiMAX-Diensten flächendeckend selber Konkurrenz machen wird? Vielleicht ist es einem der marktbeherrschenden Anbieter sogar im Gegenteil einen Aufschlag auf die Bietsumme in der Auktion wert, damit Wettbewerb fern gehalten wird? Die Strafzahlungen bei nicht rechtzeitigem Netzaufbau ändern an dieser Situation sicher kaum etwas. Selbst wenn diese einen Einfluss auf die Entscheidung der Bieter hätten, wann wurden bisher jemals solche Strafzahlungen eingefordert und vollstreckt?

Natürlich kann dem entgegen gehalten werden, dass mit WiMAX nicht nur reine Breitband-Zugänge im direkten Wettbewerb zu DSL realisierbar sind, sondern auch Mehrwertdienste, die sich die Portabilität des Anschlusses zunutze machen. Zumindest bleiben aber Zweifel, ob gerade diese Kategorie von Anbietern intensiv und flächendeckend zielgruppenspezifische Mehrwertdienste auf der Basis von WiMAX realisieren und vermarkten wird! Selbst bei den kleineren Anbietern steht zunächst die Realisierung eines Breitbandanschlusses im Vordergrund und portable Mehrwertdienste kommen erst zu einem späteren Zeitpunkt in Betracht.

Marktchancen für WiMAX vertan?

Nach dem Kenntnisstand des Autors haben sich in der Zwischenzeit die meisten, wenn nicht alle City- und Regionalcarrier von der Beschäftigung mit WiMAX mehr oder weniger verabschiedet. Selbst größere Anbieter mit Interessen an der Nutzung von WiMAX für die Content-Übertragung haben sich wohl schon distanziert und einige ausländische Anbieter wieder aus Deutschland zurück gezogen. Verständlich, bieten Nachbarländer bei weniger Bürokratie doch mehr Geschäftsmöglichkeiten! Es ist schwer ab zu sehen, wie viele Anbieter für das Versteigerungsverfahren tatsächlich noch übrig bleiben werden. Die Möglichkeit, Lizenzen später weiter zu verkaufen schaftt auf jeden Fall Raum für zusätzliche Spekulation über die Absichten einiger finanzstarker Bieter.

Wenn die neuen Ausschreibungsbedingungen zur Folge haben sollten, dass neue, in größeren Regionen tätige Wettbewerber zur Deutschen Telekom mit ihrem DSL-Angebot entstehen, oder gar neue Anwendungslösungen entwickelt werden, dann wäre dies zum Vorteil des deutschen TK-Marktes. Generell sind aber erhebliche Zweifel an einer solchen Entwicklung berechtigt. Ob aufgrund der großen Marktregionen zielgruppenspezifische Mehrwertdienste, z.B. in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft oder dem Bereich der Alten- und Krankenpflege überhaupt in absehbarer Zeit entstehen, ist derzeit zumindest offen.

Die zu erwartenden Kosten für die Lizenzen setzen eine ausreichende Kapitalkraft der bietenden Unternehmen voraus, da neben den Lizenzgebühren auch der Netz- und Organisationsaufbau finanziert werden müssen. Start-Up Unternehmen und nur begrenzt regional tätige Anbieter werden sich hierbei vermutlich schwer tun. Ihnen bleibt vielleicht noch der Weg einer Kooperation mit einem der Lizenzgewinner in der Region.

Wen schützt die Regulierung?

Wenn man den bisherigen Regulierungsprozess Revue passieren lässt, so ist zumindest eines offensichtlich: Deutschland leidet an zuviel Bürokratie. Im Falle von WiMAX, aber wohl nicht nur dort, ist der Anstieg an Bürokratie erschreckend. Andere Länder können hierbei sicher als Vorbild für eine Umsetzung mit weniger Bürokratie dienen und zeigen, wie man es besser machen kann. Wenn man sich bei WiMAX alleine die Aufforderung an die interessierten Unternehmen zur Kommentierung ansieht und feststellt, dass dieses Dokument 80 Seiten umfasst, dann ist die Frage wohl berechtigt, ob es wirklich so kompliziert sein muss. Gerade kleinere TK-Anbieter können sich keinen Stab von eigenen oder externen Regulierungsexperten leisten und tun sich zwangsläufig schwer mit der Bearbeitung solcher Unterlagen. Größere Netzbetreiber beschäftigen natürlich eine Anzahl von Experten, die sich laufend mit diesen bürokratischen Anforderungen beschäftigen. Aber auch bei diesen Unternehmen generieren diese Arbeiten erhebliche Zusatzkosten.

Diese Entwicklung verleitet zu dem Schluss, dass die Bundesnetzagentur als Behörde dem Schutz der marktbeherrschenden Unternehmen vor Wettbewerb dient? Verstärkt wird ein solcher Eindruck durch solch offensichtliche Fehlentscheidungen wie bei VDSL, dem neuen Hoschgeschwindigkeitsnetz der Deutschen Telekom mit maximal 50 MBit/s.. Es ist doch irgendwie beschämend, dass die Bundesnetzagentur erst auf Druck der EU-Kommission die Deutsche Telekom zum Angebot von Vorprodukten auf Basis des VDSL-Anschlussnetzes an den Wettbewerb verpflichtet! Sollte sich bewahrheiten, dass das Bundeswirtschaftsministerium, wie kürzlich bekannt wurde, das VDSL-Netz der Deutsche Telekom trotzdem vor dem Wettbewerb „schützen“ und von der Regulierung freistellen will, dann wäre dies ein Zeichen für ein höchst merkwürdiges Verständnis von Marktwirtschaft!

Immerhin geht es in der Regulierung auch anders und vor allem schneller, wie das Beispiel Österreichs zeigt. Bereits im Jahr 2004 wurden in sechs Regionen je 2-3 WiMAX-Frequenzbänder versteigert und die Netze in der Zwischenzeit von den Betreibern Telekom Austria, WiMAX Telecom, Telekabel, Telesystem Tirol und Teleport weitgehend aufgebaut. Auch in Österreich ist es aus der Sicht des Autors zweifelhaft, dass Telekom Austria als das marktbeherrschende Unternehmen eine WiMAX-Lizenz bekommen hat, aber immerhin ist man in unserem Nachbarland über zwei Jahre schneller als in Deutschland gewesen! Noch bleibt ab zu warten, wie die Bedingungen für einen Versteigerung in Deutschland denn nun endgültig aussehen werden und wann eine Frequenzzuteilung dann tatsächlich erfolgt. Technologieführerschaft dokumentiert man auf jeden Fall anders und auch für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Telekommunikationsindustrie ist die jetzt schon eingetretene Verzögerung nicht hilfreich.

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