Fernabsatzgesetz: Meilenstein oder Mühlstein?

Nach jahrelangem Gang durch die politischen Instanzen und einem kurzen Ringen zwischen Bundestag und Bundesrat ist es am 1. Juli beinahe unbemerkt in Kraft getreten: Das Fernabsatzgesetz. Was steckt hinter der neuen Regelung, die von vielen als richtungsweisend für den kontinentalen E-Commerce betrachtet wird?

Mit der Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlament und des Rates in nationales Recht gelten seit dem 1. Juli u.a. für bestimmte Geschäfte im Online-Bereich gesetzliche Vorgaben, die sowohl Verbraucher als auch Händler betreffen: Das Fernabsatzgesetz. Ziel ist es, vor allem in der Frage des Verbraucherschutzes beim E-Commerce neue Maßstäbe zu setzen und damit wesentlich das Vertrauen in die Sicherheit des Online-Handels zu stärken. Doch für welche Geschäfte bzw. Verträge hat das neue Gesetz Gültigkeit und welche Bestimmungen sollten Händler und Käufer künftig unbedingt beachten?

Zunächst einmal ist zu sagen, dass das Fernabsatzgesetz für alle so genannten Fernabsatzverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher gilt, also Verträge die u.a. per E-Mail und Internet, aber auch über Telefon und Telefax zustande kommen. Grundsätzlich sind dabei alle Vertragsabschlüsse für Waren und Dienstleistungen von der neuen Regelung betroffen, bei denen eine gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien nicht notwendig ist. Jedoch trifft das Fernabsatzgesetz nicht auf sämtliche Waren und Dienstleistungsgruppen gleichermaßen zu. Keine Anwendung findet das Gesetz u.a. für Finanzdienstleistungen, Immobilienverträge, Verträge über Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs sowie bei der Beförderung oder Lieferung von Speisen. Zentrale Elemente des Fernabsatzgesetzes stellen insbesondere die Informationspflicht des Unternehmers sowie das Widerrufsrecht des Verbrauchers dar. Die Betonung dieser beiden Elemente verdeutlicht, dass das Fernabsatzgesetz vor allem den Verbraucherschutz verbessern und stärken will.

Die Informationspflicht des Unternehmers
Die Informationspflicht des Unternehmers ist nach § 2 des FernAbsG geregelt. Hierbei muss der Unternehmer beachten, dass er vor Abschluss des Vertrages den Kunden über den, wie es so schön heisst, geschäftlichen Zweck und die Unternehmensidentität zu informieren hat und dies nicht etwa erst nach Vertragsschließung geschehen darf. So ist bei Online-Angeboten beispielsweise darüber zu informieren, dass es sich um einen Versandverkauf handelt und das Unternehmen eine AG mit Sitz in der Stadt XY ist, wobei die komplette Anschrift angegeben werden muss. Des Weiteren müssen dem Kunden Angaben über wesentliche Eigenschaften des Produkts, dessen Preis einschließlich sämtlicher anfallenden Steuern, was in der Regel die Umsatzsteuer sein dürfte, sowie zu den Zahlungs- und Liefermodalitäten – einschließlich der Lieferkosten – gemacht werden. Außerdem hat der Unternehmer über die Gültigkeitsdauer des Angebots und zum Widerrufsrecht zu informieren.

Die in § 2 Abs. 2 genannten Elemente müssen dem Verbraucher eindeutig und verständlich vor Vertragsabschluss genannt werden. Dabei ist die Informationspflicht dann als erfüllt anzusehen, wenn der geforderte Informationsinhalt auf den Internet-Seiten des Anbieters abgelegt und auf diese Informationen ausdrücklich hingewiesen worden ist. Um sicher zu gehen, dass dem Kunden gegenüber die Informationspflicht erfüllt wurde, kann sich der Unternehmer vor Vertragsabschluss diese durch einen Bestätigungsbutton ähnlich wie bei den AGBs bestätigen lassen. Für den Online-Händler genügt es jedoch nicht, wenn er seiner Informationspflicht lediglich auf seinem Web-Angebot nachkommt. § 2 Abs. 3 FernAbsG verpflichtet den Unternehmer weiterhin, die notwendigen Informationen nach Vertragsabschluss dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen und dies bis spätestens zur Vertragserfüllung. Auch diese Informationen müssen klar und verständlich gehalten sein. Dabei dürfte die Zusendung der Informationen per E-Mail ausreichend sein, die dann vom Verbraucher ausgedruckt oder auf seiner Festplatte abgespeichert werden können.

Da für den Beginn der Widerrufsfrist des Verbrauchers die Erfüllung der Informationspflicht von entscheidender Bedeutung ist, muss der Unternehmer darauf achten, den Zugang der Information beim Kunden zu dokumentieren. Denn den Nachweis über die korrekte Erfüllung der Informationspflicht hat im Zweifelsfalle der Online-Händler zu erbringen und nicht der Kunde.

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers
Als weitaus strittiger erwies sich in der Auseinandersetzung zwischen Bundestag und Bundesrat die Frage nach dem Widerrufsrecht des Verbrauchers. Neben der Informationspflicht des Unternehmers kommt dem Widerrufsrecht des Verbrauchers eine zentrale Verbraucherschutzfunktion zu. Die Bestimmungen zum Widerrufsrecht sind in § 3 des FernAbsG fixiert und erlauben es dem Verbraucher, den Vertrag innerhalb einer Zweiwochenfrist ohne Angabe von Gründen und ohne Regressansprüche seitens des Händlers zu widerrufen. Die Kosten der Rücknahme sind dabei vom Unternehmer zu tragen. Diese Regelung gilt jedoch nicht für Bestellungen, die einen Wert von 40 Euro unterschreiten. In diesen Fällen trägt der Kunde die Portokosten für die Rücknahme. Für den Widerruf selbst ist keine besondere Form vonnöten, so dass ein Widerruf per E-Mail ausreichend sein dürfte. Allerdings sollte der Kunde darauf achten, dass die Absendung einer solchen E-Mail beweisbar sein muss.

Ausschlaggebend für den Beginn der Widerrufsfrist ist neben der Erfüllung der Informationspflicht seitens des Unternehmers auch der Zeitpunkt des Wareneingangs beim Kunden. Werden Waren gleicher Art wiederholt geliefert, beginnt die Frist nicht vor Eingang der ersten Teillieferung und bei Dienstleistungen nicht vor dem Tag des Vertragsabschlusses. Kommt der Unternehmer seiner Informationspflicht nicht nach, muss er mit einer verlängerten Widerrufsfrist rechnen. Dies bedeutet, dass das Widerrufsrecht bei Waren erst vier Monate nach Wareneingang beim Kunden erlischt. Bei Dienstleistungen erlischt das Widerrufsrecht spätestens vier Monate nach Vertragsabschluss, wenn mit Zustimmung des Kunden mit der Erstellung der Dienstleistung vor Beendigung der Zweiwochenfrist begonnen wurde oder der Kunde dies selbst veranlasst hat.

Kritiker des Gesetzes weisen darauf hin, dass durch das umfangreiche Widerrufsrecht des Verbrauchers die Unternehmen der Willkür des Kunden schutzlos ausgeliefert seien. So könne der Kunde beispielsweise ein Video oder eine CD online bestellen, nach Erhalt der Ware eine Kopie erstellen und innerhalb der Zeiwochenfrist das Produkt auf Kosten des Händlers wieder zurückgeben. Dieser hätte demnach nicht nur die Versandkosten, sondern auch den finanziellen Schaden durch die Raubkopie zu tragen. Doch das Fernabsatzgesetz schließt gerade solche Audio-, Videoaufzeichnungen sowie Software vom Rückgaberecht aus, die vom Verbraucher nach Erhalt entsiegelt worden sind (§3 Abs. 2 Nr. 2 FernAbsG). Folglich trägt der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen kein größeres Risiko als bei herkömmlichen Verträgen in der „realen Welt“. Vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sind weiterhin Produkte, die speziell auf Kundenbedürfnisse hin angefertigt worden sind. Ebenfalls muss der Online-Händler auch keine schnell verderbliche Ware bzw. Ware, deren Verfallsdatum bereits abgelaufen ist, zurücknehmen. Auch für online bestellte Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten besteht kein generelles Widerrufsrecht nach dem Fernabsatzgesetz.

Auswirkungen für den E-Commerce
Bei der Beurteilung des Fernabsatzgesetzes driften, wie so oft bei neuen gesetzlichen Regelungen, die Meinungen sowohl bei Laien als auch bei Experten auseinander. So sehen die einen die Unternehmerrechte immer weiter zurückgedrängt, die anderen, wie die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, feiern das Gesetz als Meilenstein für die Verbraucherrechte. Tatsächlich stellt das Gesetz das Bemühen dar, den Verbraucher vor, wie es in der Begründung zum Gesetzesentwurf heisst, „irreführenden und aggressiven Verkaufmethoden im Fernabsatz“ zu schützen. Das oft beklagte umfangreiche Widerrufsrecht des Verbrauchers stellt dabei für viele Unternehmen im Prinzip nichts Neues dar. Für sie ist eine großzügige Handhabung des Rückgaberechts Teil des Kundenservice und wurde schon lange vor dem in Kraft treten des Fernabsatzgesetzes de facto praktiziert. Insgesamt ist das Fernabsatzgesetz lediglich ein Element in dem Streben, einen sicheren Handlungsrahmen für Verbraucher und Händler zu schaffen. Dieser Rahmen wird in naher Zukunft durch die noch umzusetzende EU-Richtlinie über Finanzdienstleistungen und zum E-Commerce weiter konkretisiert werden.

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