Die erst kürzlich vom Bundestag verabschiedete Schuldrechtsrefom wird auch für den eCommerce schon mit Beginn des nächsten Jahres einschneidende Veränderungen mit sich bringen. Das Wichtigste hierzu im Überblick.
Vorbemerkung
Das bürgerliche Recht, das nunmehr seit mehr als 100 Jahren Geltung beansprucht, erfährt gravierende Änderungen, die voraussichtlich bereits ab 01.01.2002 gelten. Kürzlich wurde im Bundestag die sogenannte Schuldrechtsreform verabschiedet, die auf einem Regierungsentwurf von Mai 2001 beruht. Diese Reform betrifft praktisch das ganze Vertragsrecht (Kaufrecht, Werkvertragsrecht etc., Gewährleistungsregelungen) einschließlich Verjährungsfristen. Unternehmen sind hierdurch gezwungen, ihre vertraglichen Regelungen mit Kunden, Lieferanten bzw. sonstigen Vertragspartnern grundlegend anzupassen. Dies betrifft vor allem im Internet auftretende Firmen, denn: Ins BGB werden so genannte „Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr“ (§ 312 e BGB neu) eingefügt.
Die wesentlichsten Änderungen und Erneuerungen sollen nachfolgend kurz behandelt werden:
Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Derzeit liegt ein Regierungsentwurf vom 30. Mai 2001 vor, der nunmehr im Oktober 2001 im Bundestag verabschiedet wurde. Dieser wird voraussichtlich – allenfalls mit minimalen Änderungen, soweit der Bundesrat gegen Einzelbestimmungen noch interveniert – bereits am 01.01.2002 in Kraft treten.
Wesentliche Gesetzesänderungen
Allgemein: Vereinfachung bzw. Modernisierung des Zivilrechts:
Es werden u.a. Spezialgesetze ins Bürgerliche Gesetzbuch integriert bzw. Richterrecht (z.B. Verschulden bei Vertragsschluss) ausdrücklich ins BGB aufgenommen. Verbrauchergesetze, wie z.B. das Verbraucherkreditgesetz, das Fernabsatzgesetz – dies betrifft den B2C-Handel im Internet –, Haustürwiderrufsgesetz und AGB-Gesetz werden in das BGB überführt. Im Einzelnen:
a) Sogenanntes Richterrecht (z.B. positive Vertragsverletzung/PVV, Verschulden bei Vertragsschluss/c.i.c.) wird ins BGB aufgenommen.
b) Spezielle Verbraucherschutznormen (z.B. AGB-Gesetz, Fernabsatzgesetz, Verbraucherkreditgesetz, Haustürwiderrufsgesetz) werden ins BGB eingegliedert.
c) EU-Richtlinien (z.B. zum Verbrauchsgüterkauf/Zahlungsverzug/E-Commerce) werden in nationales Recht transferiert; insbesondere werden für Internet-Unternehmen besondere Pflichten, die im elektronischen Geschäftsverkehr gelten werden, neu ins Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Außerdem sind bis Ende des Jahres europarechtlich Änderungen wegen der EU-Kaufrechtsrichtlinie geboten, die zu einer entsprechenden Umsetzung im Kaufrecht und Werkvertragsrecht führen.
d) Zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten des Gesetzes liegen voraussichtlich nur wenige Wochen, so dass Unternehmen in sehr kurzer Zeit die von ihnen verwendeten Verträge, AGBs bzw. allgemein ihre Website an die neue Rechtslage anpassen müssen. Konkret bedeutet dies für den Fall eines Inkrafttretens bereits zu Jahresbeginn 2002, dass das neue Recht praktisch ohne Übergangsregelung gilt.
Speziell: Vorvertragliche Informationspflichten/Regelung der „elektronischen Bestellung“:
a) Vorvertragliche Informationspflichten
Der Unternehmer, der sich zum Absatz seiner Waren und/oder Dienstleistungen des Internets bedient, muss seinem künftigen Vertragspartner eine Fülle von Informationen (z.B. hinsichtlich seiner eigenen Identität etc.) erteilen. Hierfür kann er beispielsweise einen neuen Button auf seiner Homepage installieren, über den sich ein entsprechendes Fenster öffnen lässt. Bezüglich einer Reihe von Informationen kann er dies aber auch im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen tun. Durch die neuen Vorschriften wird er aber auch verpflichtet, dass er seine Vertragsbestimmungen (einschließlich der einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen!) dem Kunden so zur Verfügung stellt, dass er sie abrufen „und in wiedergabefähiger Form“ speichern kann (vgl. § 312e Abs. 1 Ziffer 4 BGB neu).
Für die Praxis bedeutet dies nichts wesentlich Neues, da AGBs typischerweise schon heute (z.B. auf der Homepage) mittels eines Mausklicks aufgerufen werden können; allenfalls bei der dem Kunden zur Verfügung gestellten Möglichkeit, die AGBs auch auszudrucken, besteht teilweise noch Nachbesserungsbedarf.
b) Abgabe einer elektronischen Bestellung
Neu ist weiter, dass der Kunde die Möglichkeit haben muss, eventuelle Eingabefehler noch vor der Abgabe der Bestellung zu korrigieren. Dies bedeutet, dass der Unternehmer für „technische Mittel“ zu sorgen hat, mit deren Hilfe der Kunde solche Eingabefehler bereits vor der Abgabe seiner Bestellung „erkennen und berichtigen kann“ (vgl. § 312e Abs. 1 Ziffer 1 BGB neu).
Außerdem ist neu, dass eine elektronische Bestellung „unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen“ ist, damit der Kunde sicher sein kann, dass seine Bestellung beim Unternehmer angekommen ist (§ 312e Abs. 1 Ziffer 3 BGB).
Lediglich klarstellend enthält die Neuregelung des BGB außerdem einen Hinweis darauf, dass Bestellung und Empfangsbestätigung der jeweils anderen Vertragspartei zugegangen sind, wenn „sie unter gewöhnlichen Umständen“ abgerufen werden können (vgl. Abs. 1 a.E.).
Vereinheitlichung/Vereinfachung der Verjährung:
Zukünftig sollen die Verjährungsfristen bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Gebäude, Baumaterialien) auf drei Jahre einheitlich festgeschrieben sein. Im Ergebnis sollen die verstreuten uneinheitlichen Verjährungsregelungen vereinfacht bzw. vereinheitlicht werden, d.h. konkret z.B.:
a) Es soll eine Regelverjährung von 3 Jahren eingeführt werden (für gesetzliche wie vertragliche Ansprüche).
b) Eine Sonderverjährungsfrist von 2 Jahren gilt bei Gewährleistung aus Kaufvertrag.
c) Eine weitere Sonderverjährungsfrist von 5 Jahren gilt bei Bauwerken.
d) Für Eigentumsübertragungsrechte bei Grundstücken gilt eine verlängerte Verjährungsfrist von 10 Jahren.
e) Ersatzansprüche des Vermieters unterliegen einer Sonderverjährungsfrist von 6 Monaten.
f) Eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gibt es zukünftig noch für Ansprüche aus Prozesstiteln (wie bisher), Herausgabeansprüche aus dinglichen Rechten (z.B. Eigentum) sowie bei familien- und erbrechtlichen Ansprüchen, außer Unterhaltsansprüchen.
Sonderregelungen für Gewährleistung bei Kauf:
Gravierende Änderungen erfährt vor allem das Gewährleistungsrecht. Neben der Verlängerung der Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche von 6 Monaten auf 2 Jahre, die auf die EU-Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf zurückgeht, gilt zukünftig die Vermutung, dass Fehler, die in den ersten 6 Monaten nach Kauf auftreten, schon bei der Übergabe der Kaufsache bestanden haben und deshalb Gewährleistungsrechte auslösen. Außerdem entstehen Gewährleistungsrechte zukünftig auch (wie bei einem Sachmangel) bei Lieferung einer anderen Sache (so genanntes aliud).
Einheitliches Leistungsstörungsrecht/Einführung einer einheitlichen „Pflichtverletzung“:
Viele Änderungen, die das Gewährleistungsrecht (Rücktritt, Unmöglichkeit, Verschulden usw.), das Kaufrecht oder das Werkvertragsrecht betreffen, sind zum Teil schon wegen der vorgeschriebenen Umsetzung der EU-Kaufrechtsrichtlinie europarechtlich geboten. Die Umsetzung bis Ende des Jahres 2001 ist deshalb erforderlich. Hierzu muss man wissen, dass bisher im BGB unterschiedliche Leistungsstörungen (z.B. Verzug, anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit, Fehlen zugesicherter Eigenschaften usw.) zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führten. Nunmehr soll ein einheitlicher Tatbestand der Vertragspflichtverletzung eingeführt werden, so dass jede pflichtwidrige Erfüllung zu entsprechenden gleichen Ansprüchen des Vertragspartners führt.
Anpassung des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts an kaufvertragliche Gewährleistungsregelungen:
Während bisher die Gewährleistungsregelungen im Werkvertragsrecht anders als im Kaufrecht strukturiert waren, d.h. konkret eine Nachbesserungspflicht bzw. ein Nachbesserungsrecht des Werkunternehmers im Vordergrund stand und erst danach Rücktrittsrechte bzw. Schadensersatzansprüche des Bestellers zum Zuge kamen, soll nach der Neuregelung Kauf- und Werkvertragsrecht parallel laufen.
Konkret sind hier die Problembereiche Rücktritt vom Vertrag, Minderung bzw. Eigenvornahme der Mängelbeseitigung und Anspruch auf Aufwendungsersatz ebenso betroffen wie die Frage des Schadensersatzes oder Ersatzes vergeblicher Aufwendungen sowie Nacherfüllung.
Gestaltungshinweise
Wegen der äußerst kurzen Frist zwischen Verkündung und Inkrafttreten des Gesetzes müssen Unternehmen diesbezüglich sehr schnell reagieren: Der Internet-Unternehmer muß seine Website entsprechend anpassen und – in der Praxis über einen entsprechenden Button auf der Homepage – die vom Gesetz geforderten Informationen seinem Kunden verständlich zur Verfügung stellen. Außerdem muß er den Bestellvorgang an die neuen Erfordernisse technisch anpassen. Zu dieser Umstellung kommen für den Internet-Unternehmer weiter naturgemäß auch die Aufgaben zu, die sich auch jedem anderen Unternehmer aufgrund des komplett reformierten Schuldrechts stellen: Die bisher verwendeten Standardverträge mit den verschiedenen Vertragspartnern (Kunden, Lieferanten etc.) müssen entsprechend aktualisiert werden. Vor allem müssen aber auch die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) an die neue Situation angepasst werden. Um nicht von der neue Situation überrascht zu werden, kann nur jedem Entscheidungsträger geraten werden, rechtzeitig bis zum 01.01.2002 die hierfür erforderlichen Maßnahmen durchgeführt oder zumindest vorbereitet zu haben.
Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich bitte an:
WANNEMACHER & PARTNER GbR
Rechtsanwälte Steuerberater
Baierbrunner Straße 25, 81379 München