Am 16.08.2000 hat das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf eines neuen Signaturgesetzes („Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen“) verabschiedet. Dieses Gesetz, das das „alte“ Signaturgesetz vom 28.07.1997 (BGBl. Seite 1870, 1872) ersetzen wird, soll spätestens Anfang 2001 in Kraft treten und gleichzeitig die Europäische Richtlinie 99/93/EG über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (ABl. EG 2000 Nr. L 13 S. 2) umsetzen.
Ausgangslage
In der Bundesrepublik gilt seit dem 01. August 1997 das Gesetz zur digitalen Signatur, das im Rahmen des Informations- und Kommunikationdienstegesetzes (IuKDG; sog. Multimediagesetz) verabschiedet wurde. Mit diesem Signaturgesetz, das vor allem technische Anforderungen an die Sicherheitsinfrastruktur für elektronische Signaturen regelt und das durch die alsbald nach dem Gesetz erlassene Signaturverordnung (seit 01.11.1997) ergänzt wurde, nahm der deutsche Gesetzgeber innerhalb Europas eine Vorreiterrolle ein.
Die Europäische Kommission legte erstmals am 16.06.1998 einen Vorschlag für eine Richtlinie für elektronische Signaturen vor, die aber mangels schnellerer Einigung der Mitgliedsländer erst Ende 1999 durch die Richtlinie 99/93/EG (des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen) inhaltlich im Detail festgelegt wurde; die am 19.01.2000 in Kraft getretene Richtlinie ist bis zum 19.07.2001 in nationales Recht umzusetzen. Inhaltlich geht diese Richtlinie über das geltende deutsche Signaturgesetz hinaus, weil sie u.a. auch materielle Regelungen enthält (z.B. zur Haftung) sowie vor allem dadurch, daß sie eine Gleichstellung elektronischer Signaturen mit handschriftlichen Unterschriften fordert. Dagegen verfolgt die EU-Richtlinie im Vergleich zum deutschen Signaturgesetz in anderen Bereichen (z. B. Zulassung der Zertifizierungsstellen) eine weichere Linie, so daß insgesamt eine Anpassung des insoweit überholten Gesetzes erforderlich wurde.
Welche wesentlichen Änderungen enthält der Gesetzesentwurf?
1. Begriffliches:
Das geltende Gesetz spricht bisher von der „digitalen“ Signatur und enthält in § 2 Abs. 1 SigG eine entsprechende (enge) Definition; der Entwurf definiert in § 2 n.F. ausdrücklich die „elektronische“ Signatur. In Anlehnung an die Richtlinie erfaßt das Gesetz deshalb zukünftig mit diesem weiteren Begriff jegliche Signatur in elektronischer Form, die in Daten enthalten ist, Daten beigefügt wird oder logisch in sonstiger Weise mit Daten verknüpft wird, was schon deshalb zu begrüßen ist, da der Begriff dadurch auch für zukünftige technologische Entwicklungen offener ist.
Wie die Signatur-Richtlinie (vgl. Artikel 2) definiert der Entwurf als speziellen Fall der „elektronischen Signatur“ die sog. „fortgeschrittene elektronische Signatur“. Daneben enthält der Entwurf als Sonderfall der fortgeschrittenen elektronischen Signatur die sogenannte „qualifizierte elektronische Signatur“, die
• auf einem im Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruht und
• mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt wurde.
2. Abschaffung des Genehmigungsverfahrens:
Während das geltende Signaturgesetz noch ein behördliches Genehmigungsverfahren für Zertifizierungsstellen (Trust-Center) vorsieht, wird diese Genehmigungspflicht jetzt abgeschafft. Der Betrieb eines Zertifizierungsdienstes muß der Behörde (RegTP) nur noch angezeigt werden. Wie in der EU-Richtlinie vorgesehen, können sich die Vergabestellen für qualifizierte elektronische Signaturen aber freiwillig „akkreditieren“ lassen. Sie erhalten von der zuständigen Behörde dann ein offizielles Gütezeichen, mit dem sie – natürlich auch zu Werbezwecken – den „Nachweis der umfassend geprüften technischen und administrativen Sicherheit für die auf ihren qualifizierten Zertifikaten beruhenden qualifizierten elektronischen Signaturen“ (vgl. § 15 Abs. 1 SigG n.F.) erbringen können.
3. Haftung und Versicherungspflicht:
Neue materielle Regelungen enthält der Entwurf zur Frage der Haftung des Zertifierungsdiensteanbieters; dieser haftet insbesondere ausdrücklich auch für beauftragte Dritte. Diese Haftungsregelung wird durch eine Versicherungspflicht („Deckungsvorsorge“) mit einer Mindestsumme von DM 500.000,00 (ab 01.01.2002: EURO 250.000,00; vgl. Artikel 2 und 5 des Gesetzesentwurfes) ergänzt.
4. Bußgeldvorschriften:
Im Vergleich zum geltenden Signaturgesetz neu sind außerdem Bußgeldvorschriften, wonach Verstöße gegen bestimmte Vorschriften des Signaturgesetzes mit einer Geldbuße bis zu
DM 20.000,00, in bestimmten Fällen sogar bis DM 100.000,00 (ab 01.01.2002: EURO 10.000,00 bzw. 50.000,00) geahndet werden können. Ob diese Vorschriften, wonach auch bei fahrlässigen Verstößen eine Ordnungswidrigkeit vorliegen soll, neben der vorab dargestellten Haftungsregelung tatsächlich erforderlich sind, ist fraglich; da die Europäische Richtlinie solche Sanktionen nicht zwingend vorschreibt, kann das neue Signaturgesetz so nämlich zu Wettbewerbsnachteilen für deutsche Anbieter führen.
5. Bestandsschutz:
Nicht zuletzt mußte sich der Entwurf naturgemäß auch mit den bereits auf der Basis des „alten“ Signaturgesetzes bereits genehmigten Trust-Centern (z. B. TeleSec der Deutschen Telekom AG sowie Signtrust der Deutschen Post AG) auseinandersetzen. Solche Zertifizierungsstellen gelten als akkreditiert im Sinne des Entwurfes und müssen lediglich ergänzend den jetzt erforderlichen Versicherungsnachweis vorlegen; bereits ausgestellte Zertifikate sind qualifizierten Zertifikaten gleichgestellt.
Substitut zur handschriftlichen Unterschrift?
Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen im elektronischen Geschäftsverkehr sieht die europäische Richtlinie (99/93/EG) vor allem auch eine Gleichstellung der fortgeschrittenen elektronischen Signatur, die auf einem qualifizierten Zertifikat beruht, mit einer handschriftlichen Unterschrift auf Papier vor; außerdem fordert die Richtlinie die Zulassung der elektronischen Signatur als Beweismittel in einem Gerichtsverfahren (vgl. Artikel 5). Hierzu enthält der aktuelle Entwurf des Signaturgesetzes jedoch keinerlei Normen. Die Umsetzung der Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber muß folglich an anderer Stelle erfolgen. Tatsächlich geschieht dies im Rahmen eines weiteren Referentenentwurfs, des sog. „Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr“. Dieser Entwurf ergänzt vor allem die bürgerlich-rechtlichen Regelungen zur gesetzlichen Schriftform (§ 126 BGB). Danach soll zukünftig die schriftliche Form durch eine elektronische Form ersetzt werden können, es sei denn, daß sich aus dem Gesetz zwingend etwas anderes ergibt. Weitere Einzelheiten soll ein neuer § 126 a BGB regeln, der anstelle der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform die elektronische Form zuläßt, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen wurde.
Grundsätzlich soll dadurch – im Einklang mit der Richtlinie – zukünftig die elektronische Signatur einer eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt werden. Bei bestimmten Rechtsgeschäften (z. B. Bürgschaft, Leibrentenversprechen) sollen jedoch Ausnahmen bestehen.
Daneben enthält der Entwurf Änderungen der Zivilprozeßordnung. Dies ist notwendig, um die Anforderungen der Europäischen Richtlinie an den Beweiswert von in elektronischer Form vorliegenden Willenserklärungen zu erfüllen (z. B. durch Einfügung eines neuen § 292 a ZPO). Weitere Anpassungen sind u.a. für das Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, das Grundbuchbereinigungsgesetz, das Sozialgerichtsgesetz, die Verwaltungsgerichtsordnung, die Finanzgerichtsordnung, das Gerichtskostengesetz sowie die Kostenordnung etc. vorgesehen.
Bald soll – zusammengefaßt – auch in der Gerichtsbarkeit die elektronische Signatur als Substitut der eigenhändigen Unterschrift Anerkennung finden. Um in diesem Zusammenhang sicherzustellen, daß das elektronische Dokument für seine Berücksichtigung bei Gericht geeignet ist, wird eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz gefordert (vgl. § 130 ZPO n.F.).
Beide Entwürfe, die erst zusammen eine Umsetzung der Europäischen Signatur-Richtlinie ermöglichen, sollen so schnell wie möglich endgültig verabschiedet werden, um nicht nur den von Bundeswirtschaftsminister Müller in diesem Zusammenhang mehrfach betonten Erfahrungsvorsprung und die Vorreiterrolle der Bundesrepublik in Europa weiter auszubauen sondern auch bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist (Fristende: 19.07.2001) den nationalen Rechtsrahmen verbesserter Bedingungen im elektronischen Geschäftsverkehr zu schaffen.
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