Es kommt selten vor, dass eine juristische Frage mit einem klaren Ja oder Nein beantwortet werden kann. In diesem Fall aber ist die Antwort eindeutig: Nein, das Internet ist kein rechtsfreier Raum.
Zweifellos stellen Internet und World Wide Web Herausforderungen an die Beantwortung rechtlicher Fragestellungen. Neben den Vorschriften für Rechtsgeschäfte, die auf herkömmlichem Wege, schriftlich oder mündlich, geschlossen werden, müssen Regelungen insbesondere des allgemeinen Vertragsrechts beachtet werden. Die Erläuterungen zu den entsprechenden Ergänzungen und Veränderungen finden Sie im Artikel Vertragsabschluß und Internet.
Beim Electronic Commerce geht es um Verträge, die durch Nutzung elektronischer Kommunikationswege – online oder per Email – geschlossen werden. Insbesondere Unternehmen, die über den elektronischen Datenaustausch im Internet miteinander in Verbindung treten, müssen die Regeln des Vertragsrechts beachten. Dabei können die Verträge sowohl über das Anbieten von Waren, zum Beispiel Bücher, CDs, etc., als auch über Dienstleistungen geschlossen werden.
Anwendbares Recht
Zunächst stellt sich die Frage, ob für eine solche Geschäftsaktion überhaupt deutsches Recht anwendbar ist, denn der Abschluß von Verträgen zwischen Partnern aus verschiedenen Ländern ist wesentliches Charakteristikum des Electronic Commerce per Internet. Der einfachste Weg ist eine Rechtswahlvereinbarung, in der die Anwendung deutschen Rechts festgeschrieben wird. Ansonsten ist zweifelsfrei deutsches Recht anwendbar, wenn sowohl Anbieter wie Kunde ihren Sitz in Deutschland haben und keine grenzüberschreitenden Merkmale vorliegen. Doch welches Recht gilt bei grenzüberschreitenden Verträgen? Zunächst ist immer zu prüfen, ob es internationale Abkommen oder Verträge gibt, die Anwendung finden.
UN-Kaufrecht
Dies könnte das UN-Kaufrecht sein, welches die Kaufverträge über Waren regelt. Für Gegenstände und Dienstleistungen kann es ohne Probleme angewendet werden, bei der Lieferung sogenannter „soft goods“ wird es schwierig. Wer etwa Software mit Text, Bild und Musik direkt über das Netz liefert – nicht per CD-Rom – kann das UN-Kaufrecht wohl nicht anwenden. Generell wird dieses Recht in der Praxis recht selten angewendet, da es einen Schadensersatzanspruch unabhängig vom Verschulden vorsieht.
Internationales Privatrecht
Kommt das UN-Kaufrecht nicht zur Anwendung, so bestimmt sich die Rechtswahl nach dem internationalen Privatrecht. Dies kann sehr kompliziert sein. Ein Unternehmen sollte daher in jedem Fall vermeiden, die Frage der Rechtswahl offenzulassen, da dies bei eventuellen Streitigkeiten zu Problemen hinsichtlich der Zuständigkeiten führt
Rechtswahlvereinbarung
Eine bestimmte Rechtswahl kann man ausdrücklich im Vertrag festlegen. Eine solche Festlegung hilft etwa auch, deutsches Recht zur Anwendung kommen zu lassen.
Wenn eine solche Regelung aber nicht getroffen wurde, gilt deutsches internationales Privatrecht.
EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch)
Das internationale Privatrecht ist in Deutschland als Einführungsgesetz (EGBGB) zum Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Danach greift das Recht, das die engste Verbindung mit dem Staat aufweist, in dem der Vertragspartner, der die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hat, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Die vertragscharakteristische Leistung wird bei Kaufverträgen in der Regel vom Verkäufer erbracht. Zum Beispiel: Hat der Anbieter einer Ware/Dienstleistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, ist deutsches Recht anwendbar.
Sonderregelung: Verbraucherschutz
Besonderheiten bei der Rechtswahl gelten für den Verbraucherschutz. Es ist zwingend das Verbraucherschutzrecht desjenigen Staates anzuwenden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, also der Kunde im Falle elektronisch getätigter Geschäfte. Zusammenfassend ist festzustellen, dass entweder direkt deutsches Recht anzuwenden ist oder bei grenzüberschreitenden Aktivitäten das internationale Privatrecht. Wenn nun nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts oder aufgrund einer vereinbarten Rechtswahlklausel im Vertrag deutsches Recht zur Anwendung kommt, gelten die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über das Zustandekommen von Verträgen.
Zustandekommen eines Vertrages: Wie beweiskräftig sind elektronische Dokumente und was bedeutet der Grundsatz der Formfreiheit im Internet?
Wenn die Frage, ob deutsches Recht anwendbar ist, geklärt ist, schließt sich die Frage an, wann ein im Internet geschlossener Vertrag wirksam zustande kommt.
Erforderlich sind zwei Erklärungen, in denen einer etwas anbietet, der andere dies annimmt (Angebot und Annahme). Für den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen online oder per Email besteht kein Unterschied zum herkömmlichen Vertrag.
Damit Mißverständnisse vermieden werden, bedarf es folgender Klarstellung: Das vermeintliche „Angebot“ von Waren/Dienstleistungen durch Darstellung in einer Internetpräsentation ist noch nicht das Angebot im rechtlichen Sinne. Einem gedruckten Warenhauskatalog vergleichbar, stellt die Internetpräsentation lediglich eine Aufforderung an die Kunden dar, ihrerseits das Angebot abzugeben. Die Annahme erfolgt durch den Verkäufer, wenn er etwa die Ware unmittelbar liefert (konkludente Annahme) oder seinerseits das Angebot bestätigt.
Das Kaufangebot des Kunden per Email oder online und die entsprechende Annahme des Betreibers eines virtuellen Kaufhauses erzeugen also einen wirksamen Vertrag. Somit ist jeder im Wege des elektronischen Datenaustausches geschlossene Vertrag wirksam zustande gekommen.
Zugang von elektronischen Willenserklärungen
Unabhängig von der Frage, ob die Schriftform für online getätigte Geschäfte erforderlich ist, müssen die beiden übereinstimmenden Willenserklärungen (Angebot und Annahme) nicht nur vorhanden sein, sie müssen auch die Vertragspartner erreichen. Juristisch heißt das, die Willenserklärungen müssen den Vertragspartnern zugegangen sein.
Es wird viel darüber diskutiert und gestritten, wann nun eine Email als zugegangen gilt. Voraussetzung ist, dass sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt. Laut herrschender Meinung gilt sie als zugegangen, wenn sie auf dem Computer des Empfängers abgespeichert ist. Vorsicht ist wegen der noch bestehenden Rechtsunsicherheit geboten.
Grundsatz der Formfreiheit
Nicht nur beim Kaufvertrag, sondern grundsätzlich für alle Verträge gilt Formfreiheit (zum Beispiel können Verträge mündlich oder stillschweigend geschlossen werden). Eine Ausnahme davon besteht nur, wenn dies gesetzlich geregelt ist. Beispiele sind Grundstückskaufverträge oder Bürgschaften.
Wenn das Gesetz Schriftform voraussetzt (§ 126 BGB), bedarf es für die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts einer Urkunde, die vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen zu unterzeichnen ist.
Diese eigenhändige Unterschrift ist bei der Nutzung elektronischer Kommunikationswege nicht möglich. Auch eine eingescannte Unterschrift erfüllt nicht die Voraussetzungen einer eigenhändigen Unterschrift.
Bei Kaufverträgen über Waren und Dienstleistungen ist Schriftform nicht gesetzlich gefordert. Warum sie aber dennoch sinnvoll ist, wird später erläutert.
Beweiskraft elektronischer Dokumente
Kommt es nach Vertragsabschluß zu Problemen zwischen den Vertragsparteien, zum Beispiel wegen Nichtzahlung des Kaufpreises, muss der Verkäufer zur Durchsetzung seiner rechtlichen Ansprüche beweisen, dass ein Vertrag geschlossen worden ist. Es stellt sich die Frage, ob die durch Email abgegebene Willenserklärung als Urkunde zu qualifizieren und somit als Beweismittel vor Gericht anzusehen ist (§416 ZPO ).
Die Zivilprozeßordnung setzt dafür die eigenhändige Unterschrift voraus.
Da eine eigenhändige Unterschrift bei der Nutzung der elektronischen Kommunikationswege nicht möglich ist, erhält eine per Email abgegebene Willenserklärung keine Beweiskraft. Das führt zu einem großen Problem für den Verkäufer, der im streitigen Verfahren die Beweislast für das Zustandekommen und somit Vorliegen eines Vertrages trägt, denn unter Umständen kann er den Vertragsschluß nicht nachweisen und die Sachlage wird so ausgelegt, als wäre nie ein Vertrag geschlossen worden.
Es ist deshalb zur Zeit ratsam, jeden im Wege des elektronischen Datenaustausches geschlossenen Vertrag zusätzlich schriftlich zu bestätigen.
Multimediagesetz: Die digitale Unterschrift ersetzt nicht die eigenhändige Unterschrift
Das Konzept der digitalen Signatur soll aus dem Dilemma der bislang fehlenden Beweiskraft elektronischer Dokumente helfen und ein Hindernis für die erfolgreiche Entwicklung von Electronic Commerce in Deutschland überwinden. Die digitale Signatur dient nicht nur der Beweiserleichterung, sondern auch dem sicheren Austausch elektronischer Willenserklärungen: Sie soll die Sicherheit des Rechtsverkehrs gewährleisten.
Die digitale Signatur ist in Deutschland in Artikel 3 des sogenannten Multimediagesetzes (IuKDG – Informations- und Kommunikationsdienste Gesetz des Bundes), das am 01.08.1997 in Kraft getreten ist, geregelt. Weltweit ist dieses deutsche Signaturgesetz das erste nationale Gesetz dieser Art, nur in den Vereinigten Staaten von Amerika gab es vorher schon vereinzelt bundesstaatliche Signaturgesetze.
Definition
Eine digitale Signatur im Sinne dieses Gesetzes ist ein mit einem privaten Signaturschlüssel erzeugtes Siegel zu digitalen Daten, das mit Hilfe eines zugehörigen öffentlichen Signaturschlüssels, der mit einem Signaturschlüssel-Zertifikat einer Zertifizierungsstelle versehen ist, den Inhaber des Signaturschlüssels und die Unverfälschtheit der Daten erkennen lässt (§ 2 Absatz 1 SigG).
Beweiskraft digitaler Signaturen
Die digitale Unterschrift ersetzt nicht die eigenhändige Unterschrift.
Es stellt sich die Frage, ob elektronisch abgegebene Willenserklärungen, die mit einer digitalen Signatur versehen sind, – im Gegensatz zu einer lediglich elektronisch abgegebenen Willenserklärung – Beweischarakter hat.
Eine wichtige Regelung im Signaturgesetz ist die Vermutung der Fälschungssicherheit digitaler Signaturen und signierter Daten (§ 1 Absatz 1 SigG). Somit kann der Empfänger einer mit einer digitalen Signatur versehenen elektronisch abgegebenen Erklärung nachweisen, dass eine bestimmte Nachricht von einem genau bestimmbaren Absender stammt. Zusätzlich kann der Zeitpunkt der Vorlage dieser Willenserklärung bei der Zertifizierungsstelle belegt werden.
Die auf dem Wege des elektronischen Datenaustauschs abgegebene Erklärung ist in einem streitigen Verfahren, dem sogenannten Freibeweis, zugänglich. Ein Richter hat die Möglichkeit, nach den Umständen zu beurteilen, ob das mit der digitalen Signatur versehen Dokument verfälscht worden ist oder nicht. Für den Beweis, dass es verfälscht wurde, trifft die Gegenseite die Beweislast.
Es bleibt folglich dabei, dass die nach dem Signaturgesetz signierten elektronischen Dokumente keine Beweiskraft im Sinne einer Urkunde – § 416 ZPO – erhält, doch durch die gesetzliche Annahme, sie sei sicher, bekommt sie einen hohen Beweiswert.
Das Signaturgesetz regelt im weiteren nur das Verfahren bezüglich der Signatur und Zertifizierung, macht aber keine Angaben zu Haftungsfragen o.ä. beim Electronic Commerce.
Daraus ist zu schließen, dass grundsätzlich in diesen Angelegenheiten die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen Anwendung finden.
Am 8.10.97 ist in Ergänzung zum Signaturgesetz die Signaturverordnung (SigVO) verabschiedet worden. Sie regelt das Verfahren in Bezug auf die Zertifizierungsstellen, ihre gesetzliche Grundlage ergibt sich aus § 16 SigG.
EDI-Verträge finden momentan zwischen Geschäftspartnern Anwendung. Für den Verbraucher besteht die Möglichkeit der Absicherung über die AGB/Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Ein konkretes Anwendungsbeispiel, bei dem elektronische Signaturen im geschäftlichen Verkehr zwischen den Vertragsparteien gebraucht werden, sind die sogenannten EDI-Verträge. Dabei handelt es sich um die Rahmenregelungen für den elektronischen Datenaustausch zwischen Vertragsparteien. Unter EDI (Electronic Data Interchange) ist der Transfer von Geschäftsdaten zu verstehen, die nach standardisierten Formaten strukturiert sind. Der Transfer findet statt von PC zu PC unter Anwendung offener Kommunikationssysteme zwischen Unternehmen mit der Möglichkeit der bruchlosen Weiterbearbeitung. Doch stellt sich die Frage der Anwendbarkeit dieser EDI-Verträge. Denn zukünftig soll der Regelungsgehalt von diesen Verträgen wohl nur zwischen Geschäftspartnern Anwendung finden, die in ständigem Kontakt zu einander stehen. Was soll für den nichtkaufmännischen Verbraucher gelten, der per Internet eine Ware bestellt, Informationen abruft oder sich beraten lässt? Denn bei ihm ist gerade der ständige Kontakt nicht gegeben. Zur Lösung des Problems könnte man Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) als Bestandteil des Vertrages in diesen miteinbeziehen.
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
Es stellt sich die Frage, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) bei Geschäften, die elektronisch geschlossen werden, wirksam in den Vertrag mit einbezogen werden. Die Unternehmen, die ihre Waren und Dienstleistungen virtuell anbieten, können sich in ihrer Vertragsgestaltung allgemeiner Geschäftsbedingungen bedienen.
Die AGB lösen bei im Wege elektronischen Datenaustausches geschlossenen Verträgen große Probleme aus. Es ist Vorsicht geboten! Gegenüber Nichtkaufleuten werden diese AGB nur Vertragsinhalt, wenn der Kunde zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf ihre Geltung hingewiesen und er in zumutbarer Weise von ihnen Kenntnis nehmen konnte. Problematisch ist, dass es sich bei den AGB in digitaler Form um ein „flüchtiges Medium“ handelt. Flüchtig deshalb, weil demjenigen, der die Möglichkeit der Kenntnisnahme haben soll, kein Druckexemplar mit den AGB zur Verfügung steht. Mithin verhaften sie im Gedächtnis des Lesers nicht in der Form, wie dies bei AGB in Druckform der Fall wäre. Eine „bleibende Information“ stellen AGB, die allein per Mausklick auf dem Bildschirm erscheinen, nicht dar. Eine Firma, die ihr Angebot im Internet anbieten will und ihre entsprechenden Verträge mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen versehen möchte, muss daher zunächst darauf achten, dass vor dem eigentlichen Vertragsschluß die Einblendung der AGB erfolgt. Ein ausdrücklicher Hinweis reicht nicht aus und auch nicht das Angebot, die AGB auf dem eigenen Drucker ausdrucken zu lassen.
Die Mehrheit der zur Zeit verwandten AGB erfüllen diese Voraussetzungen nicht und sind im Zweifel nicht wirksamer Bestandteil der auf dem Wege des elektronischen Datenaustauschs geschlossenen Verträgen geworden.