Werbliche Präsenz im Internet gehört heutzutage zu jedem guten Marketingplan. Doch die weltweite Abrufbarkeit der Inhalte kann zu rechtlichen Problemen führen. Marktort oder Herkunftsland – noch ist offen, welches Prinzip für Werbung im Internet künftig gelten wird und ob daraus Standortnachteile für deutsche Unternehmen entstehen können.
Im Internet muß die Freiheit wohl grenzenlos sein. Dies glauben zumindest viele Unternehmen und Werbeagenturen, wenn sie über ihre Werbung im Worldwide Web nachdenken. Inzwischen werden die Online-Marketing-Experten in Deutschland von der Realität eingeholt. Zahlreiche Gerichtsentscheidungen haben bestätigt, daß hierzulande das Internet kein rechtsfreier Raum ist, schon gar nicht im Wettbewerbsrecht.
Das deutsche Wettbewerbsrecht kennt beispielsweise eine Fülle von produktbezogenen Werbebeschränkungen. Hierzu zählen insbesondere die Bereiche Arzneimittelwerbung, Tabakwerbung und Alkoholwerbung. Der Gedanke, diese Grenzen zu umgehen und mittels PC Werbebotschaften direkt auf dem Schreibtisch des Konsumenten zu plazieren, erscheint verlockend. In der Tat bietet das neue Medium Internet Raum für zahlreiche Fragen und juristische Interpretationen:
• Gilt das in Deutschland für den Bereich Rundfunk und Fernsehen verankerte Tabakwerbeverbot auch für alle Internet-Dienste oder nur für die rundfunkähnlichen Mediendienste?
• Greift deutsches Wettbewerbsrecht überhaupt ein, wenn die Werbung vom Ausland ins Netz eingespeist wird?
• Muß ein Homepagebetreiber sicherstellen, daß seine Werbung mit dem Recht der ganzen Welt übereinstimmt?
Die Beantwortung dieser Fragen wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen und zahllose Juristen beschäftigen. Rechtswissenschaftler, Gerichte und Gesetzgeber werden versuchen, Lösungen zu finden. Man muß befürchten, daß sich auch dann noch Widersprüche innerhalb der verschiedenen Rechtskreise ergeben werden.
Klar erscheint jedenfalls, daß sich das strenge deutsche Werberecht einmal mehr als Standortnachteil auswirken dürfte. Solange bei Wettbewerbshandlungen im Internet wie bisher das strenge Marktortprinzip gilt, besteht die Gefahr, daß Unternehmen aus Deutschland abwandern. Zumindest werden sie versuchen, vom Ausland aus zu agieren, um die Ahndung entsprechender Verstöße zu erschweren.
Auf EU-Ebene wurde dieses Problem längst erkannt. In einem Richtlinienvorschlag zum Electronic Commerce ist vorgesehen, daß künftig nicht mehr der Marktort, sondern das Herkunftsland über die Zulässigkeit der Werbung entscheiden soll. Innerhalb der EU wäre dann jeder Online-Anbieter nur den in seinem Hoheitsstaat geltenden Gesetzen unterworfen. Weitere Einschränkungen seiner Werbung wären – außer beim Direktmarketing per e-mail -nicht zulässig.
Offen ist allerdings, ob dieser Richtlinienvorschlag jemals Gesetz wird. In Deutschland würde er nur dann etwas nützen, wenn gleichzeitig das deutsche Werberecht gelockert würde. Anderenfalls wäre der Standort Deutschland doppelt benachteiligt. Deutsche Unternehmen müssten nicht nur im Inland, sondern auch bei ihrer Tätigkeit im Ausland das strenge deutsche Wettbewerbsrecht beachten.
Standortpolitisch machen nationale Werbebeschränkungen im Zeitalter des Worldwide Web also kaum noch Sinn. Eine Lösung kann nur in internationalen Regelungen liegen, die möglichst große Wirtschaftskreise umfassen.
Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich bitte an:
Dr. Fritjof Börner
Der Autor ist Rechtsanwalt beim OLG Köln und Partner der Andersen Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.