Was bewirken Gütesiegel für Online-Shops?

Weil das nötige Vertrauen in die virtuellen Kaufhäuser fehlt, kaufen lediglich 16% der EU-Bürger online ein. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Eurobarometer-Umfrage. Gütesiegel können laut EU-Verbraucherschutzkommissar David Byrne ein Ausweg sein. Doch lediglich 10% der Verbraucher wissen bislang, was Gütesiegel überhaupt bewirken.

Technische Sicherheit
Noch Ende 1999 hielten vor allem technische Bedenken die Kunden vom Online-Einkauf ab. Eine unverschlüsselte Übertragung auch sensibler Zahlungsdaten war damals keine Seltenheit. Die Initiative D21 empfahl Anfang 2000 noch zehn Gütesiegelanbieter, die in der Mehrzahl umfangreiche technische Kriterien überprüften. Von diesen sind heute nur noch vier Anbieter übrig geblieben, die zumeist andere Schwerpunkte setzen (siehe www.internet-guetesiegel.de). Der Grund: Viele Online-Shops bieten heute die technischen Voraussetzungen für eine sichere Datenübertragung an. Shop-ISPs, also Hosting-Anbieter, die Shops vermieten, bringen eine 128-bit Verschlüsselung im Regelfall bereits mit. Auch Zahlungssystemanbieter ziehen hier gleich und bieten kleinen Händlern ohne große technische Infrastruktur eine Verschlüsselung zumindest der Zahlungsinformationen über ihre Plattform an.

Beachtung der Verbraucherrechte
Auch wenn die Technik stimmt, ist für Endkunden häufig nicht erkennbar, ob hinter dem ausgewählten Produkt im Online-Shop auch tatsächlich ein seriöser Betreiber steht, der die gesetzlichen Verbraucherrechte beachtet. Der fehlende physische Kontakt ist neben technischer Sicherheit das größte Vertrauensproblem. 55% der Verbraucher kaufen nicht online ein, weil sie die Ware nicht physisch begutachten können, 44% haben Probleme mit unzureichenden Informationen über Produkte und Anbieter. Aus diesem Grund gibt es für Online-Geschäfte umfangreiche gesetzliche Informationspflichten und ein zweiwöchiges Widerrufsrecht. Diese Rechte und Pflichten werden von Online-Händlern jedoch häufig nicht beachtet. Bereits Ende 2002 hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisiert, dass Kunden nicht über Widerrufs- und Rückgaberechte informiert werden. Hier nehmen Gütezeichen eine wichtige Rolle ein. So wird z.B. geprüft, ob der zertifizierte Händler die gesetzlichen Widerrufsrechte beachtet. Die Anbieterkennzeichnung muss ebenso vorhanden sein wie weitere Informationen über den Vertragsschluss, den Umgang mit persönlichen Daten oder die Preise inklusive aller Zusatzkosten für Porto und Versand.

Qualitätskriterien für Online-Gütesiegel

Streitschlichtung
Auch bei zertifizierten Händlern kann es natürlich Pannen geben. So ist ein Produkt manchmal wider Erwarten nicht lieferbar, die Empfängeradresse war fehlerhaft oder die Ware funktionierte nicht wie beschrieben. Mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung bereitet auch die Anwendung der Verbraucherrechte Probleme. So ist oft unklar, in welcher Höhe der Händler Wertersatz für retournierte Waren beanspruchen kann, wenn der Kunde diese unzulässig in Gebrauch genommen hat. Die Abgrenzung zur erlaubten Funktionsprüfung bereitet oft Schwierigkeiten. Macht der Händler hier Fehler, verliert er seinen Kunden dauerhaft und riskiert darüber hinaus, einen Gerichtsprozess zu verlieren. Der Anbieter Trusted Shops berichtet z.B. von einem Fall, in dem die Klage des Kunden vermieden werden konnte, der umfangreiche Testreihen mit einer Digitalkamera durchgeführt hat, obwohl er diese gar nicht mehr kaufen wollte. Der Kölner Zertifizierer vermittelte zwischen Händler und Kunden und erreichte eine außergerichtliche Einigung: statt der vom Kunden geforderten 0% und dem vom Händler geforderten 10% Abzug einigte man sich auf Vorschlag von Trusted Shops in der Mitte auf 5% Abzug wegen Wertminderung. Derartige Fälle werden künftig an Bedeutung zunehmen, weil die Streitwerte im Online-Handel oftmals verhältnismäßig gering und die Kosten für Gerichtsverfahren unverhältnismäßig hoch sind. Ein neutraler Vorschlag ohne Emotionen wirkt daher oft Wunder und erhält das Vertrauen in den Händler dauerhaft. Daher gehört zu einem Gütesiegel im Idealfall auch eine Beschwerdestelle, die in Problemfällen kompetent und zuverlässig vermitteln kann. Auch die Erreichbarkeit der Beschwerdestelle über Internet, eMail und Telefon ist wichtig.

Finanzielle Absicherung von Vorkassezahlungen
Verbraucherschützer warnen regelmäßig davor, sich bei Online-Einkäufen als Kunde auf Vorkasse-Zahlungen einzulassen. Im Gegensatz dazu hat der Online-Händler oft ein Interesse an Vorkasse, weil auch er die Zahlungsmoral seiner Kunden nicht kennt und die Lieferung auf Rechnung im Online-Handel ein hohes Risiko von Forderungsausfall birgt. In Belgien wird derzeit ein Gesetzentwurf diskutiert, der ähnlich dem Pauschalreiserecht Online-Händlern Vorkasse-Zahlungen verbieten will, es sei denn, diese werden durch die Bürgschaft eines Dritten abgesichert. Diese Idee hatte der deutsche Marktführer Trusted Shops schon Ende 1999. Liefert der zertifizierte Händler trotz Zahlung nicht oder erstattet er Zahlungen nach Rücksendung der Ware nicht zurück, so erstattet der Versicherungspartner des Kölner Unternehmens dem Verbraucher sein Geld zurück. Der Kunde des zertifizierten Händlers hat also einen zusätzlichen Anspruch gegen eine Versicherung. Nach Angaben von Trusted Shops trägt diese Zusatzleistung entscheidend zur Vertrauenssteigerung, aber auch zur erhöhten Vorkasse-Bereitschaft der Kunden bei.

Der Markt der Gütesiegelanbieter
Während die Initiative D21 im Jahr 2000 noch 10 Gütesiegelanbieter empfahl, hat sich der Markt zwischenzeitlich bereinigt. Derzeit werden noch vier Anbieter empfohlen, die allerdings eine sehr unterschiedliche Marktrelevanz haben. Der Anbieter WebTrust hat zudem überwiegend ausländische Händler unter Vertrag. Bekanntheit und Verbreitung sind nach wie vor die größte Herausforderung für die Anbieter von Gütezeichen: wenn nur 10% aller potenziellen Internetkäufer Gütesiegel kennen, können sie ihre Vertrauenswirkung nicht voll entfalten. Trusted Shops hat seit Anfang 2000 etwa 900 Händler zertifiziert, darunter auch große Anbieter wie Dell, buch.de, Aralstore, Installshield oder Bucher Reisen. Der Konkurrent Euro-Label folgt mit Abstand. Dieses Zeichen hat sich zwar einem europäischen Netzwerk angeschlossen, dennoch beläuft sich die Zahl der zertifizierten Anbieter in Europa auf lediglich 200 Shops.

Alle Versuche, ein einheitliches Gütesiegel zu schaffen, sind bislang gescheitert. Als erster Schritt wäre auch ein Zusammenschluss einiger Anbieter wünschenswert. Derzeit scheinen aber die Vorstellungen über die Wichtigkeit der verschiedenen Prüfbereiche technische Sicherheit, Verbraucherrechte, Streitschlichtung und finanzielle Absicherung noch zu unterschiedlich zu sein. Die Politik täte gut daran, die bewährten Konzepte zu identifizieren und sich an dem führenden Konzept zu beteiligen. Im Ausland ist man schon weiter: so werden in Norwegen und Österreich vergleichbare Gütesiegelanbieter auch vom Staat getragen.

Auch die EU-Kommission hat sich das Thema auf die Fahnen geschrieben. Auf einer vom Ratsvorsitz geleiteten Konferenz zum Thema „Vertrauen beim Verbraucher im europäischen Online-Markt“ sagte David Byrne, für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständiges Kommissionsmitglied: „Die Schaffung eines florierenden elektronischen Geschäftsverkehrs ist lebenswichtig für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Das können wir nur erreichen, wenn die europäischen Verbraucher bereit sind, online einzukaufen. Es geht um das Vertrauen des Verbrauchers.“

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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