Customer Excellence im Festnetz: Analyse der Kundenzufriedenheit bei Festnetzanbietern in Europa

Die „mobile Herausforderung“ beschert dem europäischen Festnetzmarkt für Sprache und Daten seit einigen Jahren nur noch geringfügige Wachstumsraten. Entsprechend werden die verschiedenen Anbieter unter Zugzwang gesetzt und der Kampf um die bestehende Kundenbasis wird sich wohl noch verschärfen. Dabei wird die Servicequalität zunehmend entscheidend, da sie treibende Kraft für die Zufriedenheit und damit auch die Loyalität der Kunden darstellt.

Herausforderung Kundenbindung

Bestandskundenbindung ist im europäischen Festnetzmarkt immer schwieriger. Durch neue Technologien, Regulierung und aggressive Kampagnen neuer Marktteilnehmer wird der Kampf um den Kunden in vielen europäischen Märkten weiter zunehmen. Gleichzeitig ist die Mündigkeit des Kunden gestiegen. Seit Auflösung der Monopolstellung der jeweiligen Incumbents haben die Kunden gelernt, Angebote und Preise ähnlich sorgfältig zu vergleichen wie die Preise ihres Lebensmittelwarenkorbs. Darüber hinaus hat die Kundenloyalität in den letzten Jahren deutlich nachgelassen. Unzufriedenheit veranlasst den einzelnen Kunden viel schneller zu einem Anbieterwechsel als noch wenige Jahre zuvor. Der Trend wird sich in Zukunft verstärkt fortsetzen.

Dies hat zur Folge, dass vor allem die Incumbents bei anhaltender oder sogar steigender Geschwindigkeit der Kundenbewegung weite Teile ihrer traditionellen Bestandskundenbasis verlieren werden. Primäres Ziel muss deshalb die Kundenbindung sein. Dabei aber wird die klassische Methode der vertraglichen Handschelle, sprich dem Kunden nur mehrjährige Vertragslaufzeiten anzubieten, mittelfristig als Kundenbindungsinstrument ausdienen. Langfristig werden Festnetzanbieter den Kunden nur mit Angeboten binden können, die dem Kunden einen besseren Mehrwert bieten.

Die vorliegende Studie „Customer Excellence imFestnetz“ analysiert die Faktoren, die den Ausschlag für eine höhere Kundenzufriedenheit geben und damit zu einer starken Kundenbindung führen. Ermittelt wurden diese Faktoren im Rahmen einer Umfrage unter rund 2000 Festnetzkunden in Europa.

Erfolgsfaktor Servicezufriedenheit

Kunden sagen, Servicequalität ist am wichtigsten

Allgemein lassen sich drei Kriterien in Bezug auf die Kundenzufriedenheit unterscheiden: Neben den üblichen Kriterien Preis und Produkt spielt aus Kundensicht die Servicequalität eine wichtige Rolle. Denn der Kunde kauft nicht nur ein Telefonieprodukt zu einem bestimmten Preis, sondern gleichzeitig auch ein Serviceversprechen des Anbieters.

Tatsächlich hat die Servicequalität mit Abstand die größte Bedeutung für den Kunden und rangiert deutlich vor den Kriterien Preis und Produkt. So gaben die Teilnehmer der Umfrage an, dass die wahrgenommene Servicequalitätmit 55 Prozent den größten Einfluss auf ihre Zufriedenheit hat, gefolgt vom Preis mit 31 Prozent. Das Produkt dagegen wirkt sich nur mit 14 Prozent auf die Kundenzufriedenheit aus. Daraus folgt, dass die Verbesserung der Servicequalität der effizienteste Hebel zur Steigerung der Kundenzufriedenheit ist.

Manager glauben, Preis und Produkt seien Kunden am wichtigsten

Ein ganz anderes Bild ergibt sich aus der Befragung von 110 Managern europäischer Festnetzanbieter (Incumbents und Reseller). Für sie hat der Preis mit 44 Prozent die größte Bedeutung für die Kundenzufriedenheit, gefolgt vom Produkt mit 36 Prozent. Die Qualität des Kundenservice ist aus Sicht derManager zwar ein wichtiger Zufriedenheitstreiber, jedoch nachgelagert hinter Preis und Produkt. Nach Einschätzung der Manager beeinflusst die Servicequalität nur zu 20 Prozent die Zufriedenheit ihrer Kunden.

Diese Umfrageergebnisse zeigen, dass es den Festnetzanbietern an tiefgreifendem Kundenverständnis mangelt. Sie positionieren sich nach wie vor als Technologieanbieter und suchen den Markterfolg hauptsächlich über Produktinnovationen. Die Kunden aber würdigen die große Anzahl an neuen und innovativen Produkten kaum, schließlich beeinflusst die Produktqualität nach Angaben der Kunden nur zu 14 Prozent ihre Zufriedenheit.

Anbieter unterscheiden sich aus Kundensicht nicht durch Produkte

Für die Mehrzahl der Kunden unterscheiden sich die heutigen Festnetzanbieter nicht durch ihre Produkte. So haben Kunden keine eindeutige Meinung, ob das Produkt A von Telekommunikationsfirma X besser ist als das Produkt B von Firma Y. Bei diesem Umfrageergebnis spielt sicher auch eine Rolle, dass der Kunde mit dem derzeitigen Produktangebot und der Vielfalt der Angebote zufriedener ist als mit den übrigen beiden Faktoren Preis und Servicequalität. Die meisten Kunden geben an, dass sie die technischen Möglichkeiten ihres Sprach- oder Breitbandanschlusses nicht vollständig kennen und nur einen Teil der möglichen Anwendungen nutzen. Auch hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Netze haben die meisten Kunden keine Meinung. Sie nehmen an, dass beispielsweise die Zuverlässigkeit von Kabeln, Routern oder Servern bei den Festnetzbetreibern insgesamt hoch ist. Eine Erhöhung der Zufriedenheit durch technisch noch hochwertigere oder vielfältigere Produkte oder Technologien sehen die Kunden kaum. Demzufolge haben technisch noch komplexere Produkte, als sie heute angeboten werden, schlechte Voraussetzungen, die Kundenzufriedenheit nennenswert zu verbessern.

Neben der relativ geringen Bedeutung des Produkts aus Kundensicht ist eine Differenzierung über Produkte auch aufgrund der wettbewerbsrechtlichen Bedingungen in den europäischen Telekommunikationsmärkten sehr schwierig. Da die etablierten Festnetzanbieter gezwungen sind, ihre Leitungen zu „effizienten“ Herstellungskosten weiterzuvermieten, können Wettbewerber an Verbesserungen der Netzinfrastruktur und somit schnelleren Übertragungsgeschwindigkeiten direkt partizipieren.

Ein Beispiel hierfür ist der Breitbandmarkt. Die etablierten Festnetzanbieter unterscheiden sich in ihren ADSL-Produkten (Asymmetric Digital Subscriber Line) in technischer Hinsicht nur geringfügig oder gar nicht von den Angeboten der Reseller. Je nach Entscheidung der europäischen Regulierungsbehörden wird bei den Hochgeschwindigkeits-Internetproduktenmit VDSL-Technik (Very High Speed Digital Subscriber Line) früher oder später eine ähnliche Situation eintreten.

Kunden akzeptieren höheren Preis für besseren Service

Dass aus Kundensicht die Servicequalität wichtiger ist als der Preis, erscheint auf den ersten Blick überraschend. Denn Kundenmigration im Telefoniemarkt wird vor allem durch wahrgenommene Preisunterschiede und nicht durch Servicefaktoren verursacht. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit.

Derzeit bestehen im europäischen Markt erhebliche Preisunterschiede zwischen etablierten Anbietern und Resellern für vergleichbare Produkte (zum Beispiel Bündel aus Sprach- und Breitbandanschluss). Diese bewegen sich in Deutschland, Frankreich, Spanien und England um die 40 Prozent. Um die Reaktion der Kunden auf diese Preisunterschiede bewerten zu können, gilt es, drei Kundengruppen zu unterscheiden:

Ein vergleichsweise geringer Teil der Kunden (15 Prozent) ist allein auf den Preis fokussiert. Die überwiegende Mehrheit dieser „Preisjäger“ haben bereits die Incumbents zugunsten günstigerer Wettbewerber verlassen.

Die deutliche Mehrheit der Kunden besitzt nur eine mittlere Preissensitivität und ist demnach nicht auf den Preis als alleiniges Kriterium bei der Wahl eines Festnetzanbieters fokussiert. Bei diesen „Angebotsvergleichern “ übt der Service einen größeren Einfluss auf die Kundenzufriedenheit aus. Diese breite Mittelschicht würde den höheren Preis auch langfristig akzeptieren, wenn der Incumbent den besseren Service bieten kann. Die Incumbents besitzen in dieser Gruppe noch einen Marktanteil von 78 Prozent.

Für einen kleinen Teil der Kunden (fünf Prozent) ist der Service der alleinige Zufriedenheitstreiber. Der Preis spielt nahezu keine Rolle. Diese Gruppe von „Premiumkunden“ zeichnet sich durch hohes Einkommen und wenig verfügbare Zeit aus. DieWerthaltigkeit pro Kunde ist in diesem Segment imVergleich amhöchsten. Das Kundensegment ist jedoch klein.

Ohne Zweifel spielt der Preis für die Kunden eine große Rolle. Die überwiegende Mehrheit sieht den Preis jedoch nicht isoliert, sondern beurteilt das Paket aus Preis und Leistung. Dabei wird bei der Leistung weniger das Produkt, sondern vor allem die Servicequalität beurteilt. Je mehr der Kunde Wert auf guten Service legt, desto eher ist er bereit, ein Preispremium zu zahlen.

Die Kunden mit der höchsten Preissensitivität haben die Incumbents bereits verlassen. Viele Bestandskunden sind offenbar bereit, für einen besseren Service auch einen höheren Preis zu bezahlen. In der derzeitigen Marktsituation, in der die bestehenden Preisunterschiede bereits zu entsprechender Kundenmigration geführt haben, gibt damit die Servicequalität den Ausschlag für einen Anbieterwechsel.

Für die Incumbents bedeutet dies in erster Linie, dass zur Bindung der Bestandskunden die Kommunikation und vor allem die Einhaltung von Serviceversprechen notwendig sind. Zwar wird der anhaltende Preisverfall auch Incumbents zu weiteren Preisnachlässen zwingen, doch ein Angriff auf die Wettbewerber über den Preis ist aufgrund der unterschiedlichen Kostenstrukturen nicht erfolgversprechend. Das wirksamste Instrument, das Incumbents im Kampf um Marktanteile vorweisen können, besteht in einer nachhaltigen Positionierung als Service-Champion.

Großes Potenzial in der Auftragsabwicklung

Service in Deutschland mit den größten Defiziten

Unter den 2000 europäischen Befragten gaben die Festnetzkunden in Deutschland an, dass die Servicequalität den größten Einfluss auf ihre Zufriedenheit hat. Hierzulande wirkt sich die Servicequalität zu 55 Prozent auf die Kundenzufriedenheit aus. Im Umkehrschluss lässt sich dieses Ergebnis auch dahingehend werten, dass die deutschen Kunden in der Servicequalität der Festnetzanbieter das größte Potenzial zur Verbesserung sehen beziehungsweise dass sie in Europa mit dem Service am unzufriedensten sind. Denn je höher der angegebene Wert, desto unzufriedener sind die Kunden. Deutlich zufriedener sind die Kunden in Spanien. Hier wirkt sich die Servicequalität der Festnetzanbieter nur zu 40 Prozent auf die Kundenzufriedenheit aus. Im Mittelfeld liegen die Länder Frankreich (48 Prozent) und England (52 Prozent).

Kunden mit Auftragsabwicklung am wenigsten zufrieden Zur Verbesserung der Servicezufriedenheit ergibt die Befragung der Kunden ein klares Bild: Zufriedenheit mit Auftragsabwicklung, Rechnungsstellung, Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme und Verhalten der Servicemitarbeiter stehen im Vordergrund.

Die Festnetzkunden gaben an, mit derAuftragsabwicklung am wenigsten zufrieden zu sein. Insgesamt wirkt sich die Auftragsabwicklung zu 51 Prozent auf ihre Zufriedenheit beziehungsweise Unzufriedenheit mit dem Service aus. Ein weiteres Viertel tragen die bestehenden Kontaktmöglichkeiten zur Unzufriedenheit bei – eine Folge des Versuchs, den Kundenkontakt im Service vom kostenintensiven persönlichen Gespräch verstärkt auf Callcenter mit Sprachcomputer oder standardisierten Email-Verkehr umzustellen. Weniger relevant sind das Verhalten der Servicemitarbeiter und Probleme mit der Rechnungsstellung.

Den Festnetzanbietern gelingt es offenbar nicht, die Kunden mit der Auftragsbearbeitung durch den Technischen Service zufriedenzustellen. Doch gerade Schnelligkeit und Zuverlässigkeit der Auftragsabwicklung sind aus Kundensicht von größter Bedeutung und eignen sich daher als Hebel zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit.

Kunden wollen Lösungskompetenz

Bei der Auftragsabwicklung wertet der Kunde vor allem Zuverlässigkeit stärker als Schnelligkeit. Nachhaltige Problemlösung, wie zum Beispiel ein funktionierender Anschluss, wird also höher eingeordnet als kurzfristige „Stimmungsaufheller“ wie schnelle Auftragsabwicklung. Eine geschlechterspezifische Auswertung zeigt dabei, dass dem Kriterium Zuverlässigkeit vor allem Frauen eine hohe Bedeutung beimessen, während Männer eher an Schnelligkeit interessiert sind.

Darüber hinaus ergeben die Umfrageergebnisse, dass die Problemlösungskompetenz der Servicemitarbeiter einen deutlich größeren Einfluss auf die Kundenzufriedenheit hat als ein hohes Maß an Freundlichkeit. Servicemitarbeiter können nur dann etwas zur Kundenbindung beitragen, wenn es ihnen gelingt, das Problem des Kunden zu lösen.

Fast drei Viertel der Kundenzufriedenheit mit dem Service werden von folgenden vier Faktoren beeinflusst:

– Zuverlässigkeit der Auftragsbearbeitung,
– Schnelligkeit der Auftragsbearbeitung,
– Qualität der telefonischen und persönlichen Kontaktmöglichkeiten,
– Problemlösungskompetenz der Servicemitarbeiter.

Damit liefern die Umfrageergebnisse ein klares Bild, über welche „Proofpoints“ dem Kunden das Serviceversprechen glaubhaft gemacht werden muss.

Anbieter müssen die richtigen Hebel stellen

Rund 78 Prozent aller Budgets, die Festnetzanbieter derzeit in die Verbesserung der Servicequalität investieren, geben sie für die Optimierung ihrer Produkte, ihrer Erreichbarkeit sowie für die Produktkompetenz und Freundlichkeit ihrer Mitarbeiter aus. Genau dies aber sind die Maßnahmen, die für die Kunden vergleichsweise geringe Bedeutung haben. Der Großteil der Kunden will weder immer kompliziertere Produkte noch mehr Auswahl haben. Er möchte auch nicht, dass ihm der Telekommunikationsverkäufer die komplizierten Produkte noch fachkundiger erklären kann.

Der Kunde ist mit einfacheren Produkten zufrieden. Er möchte aber, dass das einfache Produkt zuverlässig ist und schnell zur Verfügung steht. Auch Freundlichkeit und Fachkompetenz des Vertriebs ist für die Kunden von untergeordnetem Interesse. Stattdessen schätzen sie Problemlösungskompetenz – einen Mitarbeiter, der ihr Problem unmittelbar lösen kann. Anstatt ihr Budget in Produkt- und Prozessentwicklung zu stecken – in der Annahme, dass sie damit den Zufriedenheitsgrad ihrer Kunden erhöhen –, sollten die Festnetzanbieter deshalb ihre Produkte, Systeme und Prozesse vereinfachen.

Die Aktivitäten beziehungsweise Prozesse eines Telekommunikationsunternehmens lassen sich in fünf allgemeine Wertschöpfungsstufen einteilen: Marketing, Vertrieb, Technischer Service, Netzbetrieb sowie Rechnung & IT-Betrieb. Die Auftragsabwicklung erfolgt durch den Vertrieb und den Technischen Service. Die Kosten eines durchschnittlichen europäischen beziehungsweise nordamerikanischen Festnetzanbieters verteilen sich relativ homogen über diese Wertschöpfungsstufen: sieben Prozent der Kosten fallen für Marketing an, 27 Prozent für den Vertrieb, 21 Prozent für den Technischen Service, 21 Prozent für den Netzbetrieb, 16 Prozent für Rechnungen und IT-Betrieb. Die verbleibenden acht Prozent entfallen auf die allgemeine Verwaltung.

Die Kundenzufriedenheit wird zu 90 Prozent durch die Bereiche Marketing, Vertrieb und Technischer Service beeinflusst. Dies sind die Prozesse, die der Kunden am meisten sieht und spürt. Sie bestimmen die Zufriedenheit. Dass etwa über ein Fünftel der operativen Kosten der Festnetzanbieter auf den Netzbetrieb entfällt, nimmt der Kunde nicht wahr. Die Netzverfügbarkeit ist für ihn selbstverständlich.

Automatisierung wird zur Herausforderung

Einfachere Produkte und standardisierte Prozesse sind entscheidend

Aktuellen Marktprognosen zufolge wird sich die Anzahl der Mitarbeiter der europäischen Festnetzanbieter bis zum Jahr 2012 um weitere 25 Prozent reduzieren. Im Jahr 2006 beschäftigten die großen westeuropäischen Incumbents zirka 394000 Mitarbeiter. Die Telekommunikationsunternehmen stehen demzufolge vor der Herausforderung, mit weniger Mitarbeitern eine deutlich bessere Servicequalität zu erreichen. Die Mitarbeiter besser zu schulen, so dass sie mehr leisten, greift zu kurz. Bereits heute sind die Mitarbeiter der Festnetzbetreiber deutlich überfordert. Den Hebel anzusetzen gilt es vielmehr in der Prozessautomatisierung. Dies setzt schlanke Produkte und Systeme voraus.

Komplexität ist häufig die kritische Barriere bei der Automatisierung. Ein durchschnittlicher Callcenter-Vertriebsmitarbeiter in Westeuropa muss rund 730 Produkte kennen und verkaufen können. Diese 730 Produkte sind dabei noch teilweise kombinierbar, so dass mehrere tausend Kombinationsvarianten entstehen. Gleichzeitig muss der Verkäufer im Durchschnitt mehr als 20 unterschiedliche Customer Relationship Management- und IT-Vertriebssysteme bedienen, in denen die Produkte technisch hinterlegt sind.

Eine solche Komplexität kann kein noch so gut geschulter Vertriebsmitarbeiter beherrschen. Fehler bei der Auftragsannahme sind die Folge. Diese führen zu Folgefehlern in den nachgelagerten Prozessen, etwa im Technischen Service oder bei der Rechnungsstellung. Gerade die Folgefehler jedoch zerstören das Kundenvertrauen und treiben den Kunden zum Wettbewerber.

Ein Vergleich der Anzahl der benötigten Mitarbeiter pro Kundeninteraktion – beispielsweise für Information, Bestellung, Bereitstellung/Anschlusslieferung, Reparatur, Beschwerde – zeigt, dass die westeuropäischen Telekommunikationsunternehmen zirka 30 Prozent mehr Mitarbeiter für ihre Kundenbelange benötigen als Unternehmen vergleichbarer Servicebranchen wie Fluglinien oder Banken. Andere Servicedienstleister haben deutlich stärker standardisierte und automatisierte Prozesse.

Automatisierung ist auch in der Telekommunikation möglich. Bereits heute gibt es in Europa und Nordamerika Best-Practice-Telekommunikationsunternehmen, die einzelne Prozesse so automatisiert haben, dass sie 80 Prozent weniger Personal pro Prozessdurchlauf benötigen als ihre Wettbewerber. Solche Prozesse sind zum Beispiel die Auftragsannahme überWeb-Applikationen, die Anschlussinstallation über automatisierte Schaltverteiler, die Rechnungsstellung über Onlinerechnungen oder die Beschwerdeabwicklung über Kaskadenlösungen.

Die aktuellen Pläne der westeuropäischen Telekommunikationsfirmen sehen vor, ihr historisch gewachsenes Produktportfolio für Privatmarktkunden um mehr als 60 Prozent zu vereinfachen. Vereinfachen ist nicht gleichzusetzen mit Schrumpfen und Verkleinerung des Produktportfolios nicht mit Verlust von Umsatz. Die Produktportfolien europäischer Festnetzbetreiber zeigen, dass 80 Prozent des Umsatzes mit lediglich 15 Prozent der angebotenen Produkte erzielt wird. Ein Großteil der Produkte trägt weder nennenswert zu Umsatz noch zu Marge bei. Mit der Vereinfachung des Portfolios schaffen die Firmen Komplexitätsfreiraum für moderne Geschäftsmodelle. Gleiche Dimensionen gelten für die Vereinfachung von Geschäftskundenprodukten, für IT-Systeme und Herstellungsvarianten beziehungsweise -prozesse.

Positionierung als Service- Champion schafft nachhaltigen Markterfolg

Europäische Telekommunikationsfirmen erkennen zunehmend die Chance, über den Service Kunden zu binden und höhere Preise zu stabilisieren. Ein bisher weitgehend ungenutzter Hebel ist dabei die marketingseitige Positionierung als Service-Leader am Markt.

In anderen Dienstleistungsbranchen arbeiten Fluglinien, Banken oder Autovermieter seit Jahren an einer solchen Differenzierung – ob sie sich von Wettbewerbern tatsächlich durch besseren Service abheben, ist dabei zweitrangig. Nicht die objektiven Leistungsparameter im Unternehmen sind relevant; die vom Kunden subjektiv wahrgenommene Servicequalität entscheidet.

Eine solche Marketingstrategie setzt jedoch voraus, dass der Betreiber die grundlegenden Servicestandards einhält („Hygienefaktoren“). Viele europäische Telekommunikationsunternehmen sind jedoch von diesen grundlegenden Servicestandards noch weit entfernt. Zum Beispiel werden in manchen Ländern mehr als 20 Prozent der Sprach- oder Breitbandanschlüsse fehlerhaft installiert. Der Kunde kann den neuen Anschluss nicht nutzen und muss sich durch Callcenter und Hotlines quälen, um eine Fehlerbehebung zu bewirken. Nordamerikanische Telekommunikationsfirmen erreichen hier Fehlerraten von kleiner als drei Prozent.

Eine erfolgreiche Service-Leadership-Strategie setzt nicht voraus, extravagante Dienstleistungen dem Kunden anzubieten oder die operativen Systeme neu zu erfinden. Sie erfordert, die vom Kunden wahrgenommenen Service-Proofpoints zu kennen, an diesen Punkten grundlegende Servicestandards zu erreichen und die subjektive Servicewahrnehmung durch den Kunden über ein Marketing zu unterstützen.

Tatsächlich driften heute viele europäische Festnetzanbieter in eine andere Richtung als die oben beschriebene:

– Sie definieren Servicequalität aus einer vermeintlich objektiven und technischen Innensicht heraus, nicht aus der subjektiven Sicht des Kunden.

– Sie erfüllen die einfachen Servicestandards nur unzureichend und versuchen, ihren Service über neue komplexe Angebote zu verbessern.

– Sie gelten in der öffentlichen Meinung und den Medien als Service-Looser. Dies ist eine Positionierung, die sich auch mit vermeintlich besseren Serviceleistungen später nur schwer verändern lässt.

Handlungsoptionen für europäische Festnetzanbieter

Konsequente Marktorientierung
Um Customer Excellence zu erreichen, ist eine konsequente Marktorientierung notwendig. Diese ist nur durch eine kontinuierliche Überwachung der Kundenzufriedenheit möglich, was wiederum als Voraussetzung für die Identifizierung von Kundenzufriedenheitstreibern dient. Erforderlich ist darüber hinaus eine Verknüpfung der Abwanderungsraten mit den Kundenzufriedenheitswerten und den operativen Kennzahlen des Unternehmens. Nur auf diese Weise können die größten operativen Hebel zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit und Verminderung der Abwanderungsrate identifiziert werden. Die Integration der Kundenperspektive in die Steuerungs- und Zielsysteme des Unternehmens sorgen dafür, dass der Kunde entsprechend seinen Erwartungen bedient wird und bleibt.

Differenzierung durch Service
Incumbents sollten sich gegenüberWettbewerbern durch Service- Leadership abheben. Für die Mehrzahl der Kunden ist der Service das wichtigste Kriterium für die Zufriedenheit mit ihrem Festnetzanbieter. Die Produkte dagegen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Das Basisprodukt Festnetzanschluss, aber auch Anwendungen wie Video-On-Demand bieten keine nachhaltige Möglichkeit eines Wettbewerbsvorteils, da sie zu schnell von Konkurrenten kopiert werden. Im Gegensatz dazu können die etablierten Festnetzanbieter durch eine hohe Servicequalität ihre Kunden langfristig zufriedenstellen, halten und auch einen höheren Preis rechtfertigen.

Konzentration auf Prozessinnovationen
Festnetzprodukte sollten so gestaltet sein, dass sie in den Kundenprozessen schnell und einfach weiterverarbeitet werden können. Dazu müssen Incumbents bereits in der Produktentwicklungsphase beachten, möglichst modulare und standardisierte Produkte zu konzipieren, die sich in die bestehenden Kundenprozesse integrieren lassen. Für innovative Produkte muss der Produktentwicklungsprozess mit der Definition des Kundenprozesses beginnen und auf diesen abgestimmt werden. Nur durch die frühzeitige Berücksichtigung der Kundenprozessanforderungen können Festnetzanbieter eine hohe Servicequalität erreichen und dem Kunden Customer Excellence bieten.

Vereinfachung der Kundenprozesse
Für effiziente Kundenprozesse, die die Servicequalität erhöhen, gilt es, die operativen Voraussetzungen zu schaffen. Um Kundenprozesse wie Bearbeitung von Kundenanfragen oder die Bereitstellung von Telefonanschlüssen zu verbessern, müssen die vorgelagerten Prozesse und Systeme vereinfacht und aufeinander abgestimmt werden. Die vier operativen Stellhebel sind dabei insbesondere das Produktportfolio, die IT-Systeme, das Management der vertikalen Integration und die Personalsysteme. Nur durch eine Verbesserung in diesen Bereichen können die Kundenprozesse so definiert werden, dass sie die Servicemitarbeiter nicht überfordern und dem Kunden eine ausgezeichnete Servicequalität geboten werden kann.

Markenpositionierung als Service-Champion
Neben einer exzellenten Servicequalität ist die Markenpositionierung als Service-Champion Voraussetzung, um beim Kunden als solcher wahrgenommen zu werden. Das Marketing muss die Service-Leadership-Strategie durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen unterstützen. Nicht die Leistungsparameter im Unternehmen sind relevant, sondern die vom Kunden wahrgenommene Servicequalität entscheidet. In Werbebotschaften sollte daher neben Produkt und Preis auch explizit die erstklassige Servicequalität hervorgehoben werden. Darüber hinaus verfügen die meisten Incumbents über eine Vielzahl von Geschäftsstellen, die einen von vielen Kunden gewünschten persönlichen Kontakt ermöglichen. Der Vorteil einer besseren Vertriebsinfrastruktur wird von den Incumbents zurzeit nicht ausreichend kommuniziert. Der Kunde muss wissen, dass er diesen Komfort bei einem Wechsel zum Reseller verliert.

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