Verkaufspreise dürfen nicht das einzige Kriterium sein

Gerade in mittelständischen Unternehmen galten Produktion und Absatz lange als wichtigste Einflussgrößen der Wertsteigerung. Die Ursache dafür lag häufig in der Geschichte dieser Firmen, deren Geschäftsgrundlage in der Regel eine besondere Fähigkeit in der Produktion bildete. Dem Einkauf wurden hierbei nur rein operative Bestellfunktionen zugeordnet, er besaß jedoch keinerlei strategische Bedeutung. Bedingt dadurch wurden die Chancen, die eine globale Beschaffung bietet, nicht einmal geprüft.

Unsere Erfahrungen zeigen, dass viele Mittelständler zwar einen professionellen Vertrieb und teilweise auch hochmoderne Produktionsstätten im Ausland haben, jedoch häufig nur im Umkreis des Stammhauses einkaufen. So werden die Möglichkeiten einer globalen Beschaffung bisher kaum genutzt und bares Geld verschenkt. Wird doch einmal „international“ beschafft, so stammen die Lieferanten zumeist aus EU-Ländern.

Die aktuellen Entwicklungen erfordern ein radikales Umdenken. Die Optimierungsmöglichkeiten in der Produktion sind weitgehend ausgereizt, der Wandel vieler Märkte von Verkäufer- zu Käufermärkten erschwert Wertsteigerungen durch verstärkte Vertriebsaktivitäten zunehmend, und die Wertschöpfung wird mittlerweile — auch in mittelständischen Unternehmen — oft zu mehr als 50 Prozent von Zulieferern erbracht. Damit steuert die Beschaffung einen der größten Kostenblöcke im Unternehmen. Zusätzlich bringt das internationale Umfeld einen erheblichen Bedeutungsanstieg mit sich, insbesondere in der Automobilindustrie. Dort entwickeln sich die Märkte momentan weltweit echt unterschiedlich — mit niedrigem Wachstum in den klassischen Märkten und teilweise sehr hohen Zuwächsen in den Schwellenländern, beispielsweise China oder die neuen EU-Mitgliedstaaten in Osteuropa. Viele Abnehmer mittelständischer Lieferanten bauen zunehmend Werke an diesen kostengünstigeren Produktionsstandorten. Damit müssen sich deutsche Zulieferer jetzt auch an den Kosten ausländischer Wettbewerber messen lassen. Gleichzeitig erhöhen sich die Anzahl und die technische Komplexität der geforderten Produkte drastisch. Eine global ausgerichtete Beschaffung bietet mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit, diesem Spannungsfeld aus Kosten- und Innovationsführerschaft gerecht zu werden.

Globale Beschaffungsaktivität bedeutet dabei nicht, dass zwingend Inputs aus dem Ausland beschafft werden müssen. Vielmehr ist der Grundgedanke einer globalen Beschaffung, die aktive Suche, Bewertung und Auswahl von Lieferanten nicht auf einen bestimmten geographischen Raum zu beschränken. Im Ergebnis kann es durchaus vorkommen, dass ein global beschaffendes Unternehmen lediglich mit Lieferanten aus der näheren Umgebung zusammenarbeitet. Für mittelständische Unternehmen stellen die häufig sehr eingeschränkten Personalkapazitäten und die damit zu starke Konzentration auf operative Aufgaben die größten Restriktionen dar. Vor diesem Hintergrund bieten sich grundsätzlich drei Möglichkeiten einer globalen Beschaffung an:

Zukauf von Beschaffungs-Know-how

1. Die erste Möglichkeit besteht darin, die eigene Beschaffungsorganisation zu internationalisieren. Das bedeutet konkret, dass die gesamte Lieferantensuche, -bewertung und -auswahl auf einen größeren geographischen Radius ausgedehnt wird. Gerade in der Automobilindustrie werben innovative Unternehmen momentan Einkäufer der großen Automobilhersteller ab, um sich so das Know-how für eine globale Beschaffung zuzukaufen. Angesichts der zu erwartenden Werthebel ist das in der Regel eine mehr als lohnende Investition für jeden Mittelständler. Für den Bereich der elektronisch beschaffbaren B- und C-Güter kann eine Internationalisierung dabei relativ einfach durch den Einsatz von Service Providern (Kataloganbieter, Auktionsdienstleister und Plattformanbieter) realisiert werden, die in aller Regel international ausgelegt sind. Solche Angebote sind mittlerweile auch für mittelständische Unternehmen attraktiv. Sie profitieren so von der vorhandenen Infrastruktur und dem Know-how der Betreiber. Für den Bereich der nicht elektronisch beschaffbaren Güter ist kritisch zu prüfen, wo und in welchem Umfang eigenen Marktbearbeitungsaktivitäten sinnvoll sind. Dabei ist wichtig, nicht in einen Beschaffungstourismus zu verfallen.

2. Eine andere Möglichkeit für mittelständische Unternehmen, globale Beschaffungsmärkte zu erschließen, bietet die Nutzung von weltweiten Einkaufsbüros, den so genannten IPOs (International Purchasing Offices). Solche IPOs agieren für unternehmensinterne und/oder –externe Kunden in einem bestimmten Land bzw. einer Region als „Einheimische“ gegenüber den dortigen Lieferanten. Der Vorteil liegt insbesondere in der geringeren bzw. nicht existierenden kulturellen Distanz und einer daraus resultierenden qualitativ besseren Information und Kommunikation. Während größere Unternehmen vielfach eigene IPOs in den für sie interessanten Ländern unterhalten, können auch kleine mittelständische Unternehmen die Dienste externer IPOs in Anspruch nehmen.

3. Eine vor allem für mittelständische Unternehmen sinnvolle Lösung stellt die Nutzung der eigenen (Produktions-)Standorte im Ausland für Beschaffungsaktivitäten dar. Ähnlich wie die IPOs können die an Ort und Stelle ansässigen Mitarbeiter auch den lokalen Beschaffungsmarkt mitbearbeiten und Informationen sammeln. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich die Standorte auch in Regionen mit attraktiven Beschaffungsmärkten befinden.

Kostenreduktion steht an erster Stelle

Welche Chancen und Risiken bringt eine globale Beschaffung für den Mittelstand mit sich? Bei den Chancen stehen klar Kostenreduktionen im Vordergrund, erzielt durch günstigere Preise ausländischer Lieferanten und die Möglichkeit, unterschiedliche Konjunkturzyklen in verschiedenen Regionen auszunutzen. Zusätzliche positive Effekte sind in einer möglichen Erweiterung der Produktkenntnisse und in der Öffnung der Märkte für andere Funktionsbereiche des Unternehmens (Produktion und Absatz) zu sehen. Schließlich bildet eine ausgewogene Lieferantenbasis mit verschiedenen echten (!) Alternativlieferanten im In- und Ausland eine wichtige Voraussetzung für professionelle Einkaufsverhandlungen.

Neben den Vorteilen dürfen die Risiken nicht unberücksichtigt bleiben. Dazu zählen neben kulturellen und geographischen Distanzen sowohl Wechselkursrisiken als auch juristische Schwierigkeiten, die beispielsweise die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen langwierig und teuer machen können. Gerade für Unternehmen mit Just-intime-Fertigung ist auch das Lieferrisiko zu beachten, da neben längeren Transportwegen unter Umständen auch Streiks, politische Unruhen oder klimatische Besonderheiten eine pünktliche Lieferung erschweren können. Hieraus wird deutlich, dass eine Entscheidung nur auf Basis des Verkaufspreises unzureichend ist; vielmehr muss eine Total Cost of Ownership-Betrachtung vorgenommen werden. Ferner ist auch das Risiko des ungewollten Transfers von Know-how an ausländische Lieferanten zu berücksichtigen.

Keine zu hohen Erwartungen an kurzfristige Kostenvorteile

Wann lohnt die globale Beschaffung für den Mittelstand? Grundsätzlich müssen Kosten und Ergebnis in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Mittelfristig gilt als Faustregel, dass die ausländischen Preise mindestens 20 Prozent unter denen deutscher Zulieferer liegen sollten. Zu bedenken ist, dass gemäß des Total Cost of Ownership-Ansatzes in die Kalkulation die Kosten für Reisen, Fracht, Zölle, höhere Lagerhaltung und Nachbearbeitung sowie höhere Kommunikationsaufwendungen eingehen müssen. Da Global Sourcing stets eine strategische Entscheidung ist, dürfen keine zu hohen Erwartungen an kurzfristige Kostensenkungen gestellt werden. In jedem Fall sollten aber gerade auch mittelständische Unternehmen die eigenen Möglichkeiten und Chancen einer globalen Beschaffungsaktivität unvoreingenommen prüfen.

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