Mutige neue Firmen

Berühmte Beispiele gibt es zur Genüge: Junge, innovative Unternehmen, die es geschafft haben, sich wirtschaftlich an der Spitze zu etablieren. Die meisten davon, soviel ist bekannt, kommen allerdings aus den USA. Einer der Gründe dafür ist sicherlich deren Gründerfreundliche Basis. Auch entwickeln die US-Amerikaner nicht bessere Ideen, sie setzen sie einfach nur besser um. Schaffen europäische Unternehmen es, einige Schlüsselfähigkeiten für sich zu entdecken, können auch sie es nach ganz oben schaffen.

Die USA sind eine der weltweit gründerfreundlichsten Regionen.

In keiner anderen entwickelten Ökonomie gibt es mehr Unternehmensgründungen. Business Angels und Venture-Capital-Fonds investieren viel Geld, und immer wieder gelingt es einigen Gründern, in den Olymp der großen Unternehmen aufzusteigen. Dies verschafft den USA einen Vorteil bei der Umsetzung neuer Ideen in erfolgreiche Produkte und sichert die technologische Vormachtstellung gegenüber aufstrebenden Mächten wie China oder Indien.

Rund 4% aller Startups in den USA wurden in High-Tech-Branchen gegründet.

In den letzten 10 Jahren ist ihr Anteil im Trend gestiegen – dank eines steten Zustroms an neuen Ideen und dem Unternehmergeist, diese an den Markt zu bringen.

Gründer brauchen Geschick, Ressourcen und Aufstiegswillen.

Eine gut ausgebildete Mittelschicht, inklusive talentierter Immigranten, ist der beste Nährboden für Gründer. Im Alter von 42 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit einer Gründung am höchsten – jugendlicher Eifer und Lebenserfahrung sind in Balance.

Banken geben am meisten Kapital.

Eine neue Untersuchung zeigt, dass Banken und Kreditkarten-Gesellschaften rund 39% der Gründungsfinanzierung leisten – mehr als jede andere Quelle. High-Tech-Firmen tendieren zu einem höheren Eigenkapitalanteil, aber auch sie ziehen umfangreiche Kreditlinien.

Finanzkrise unterstreicht Bedeutung innovativer Gründungen.

Sie können aus der Krise sogar Vorteile ziehen, da die ansonsten mächtigen Platzhirsche in der Krise verletzlich sind. Es ist kein Zufall, dass über die Hälfte aller heutigen Fortune 500-Unternehmen in einer ökonomischen Schwächephase gegründet wurden.

High-Tech-Gründungen in den USA

Die Stärke der US-amerikanischen Volkswirtschaft zeigt sich weniger in ihren alteingesessenen Großunternehmen, als in der Vielzahl junger und innovativer Startups. Immer wieder gelingt es Neugründungen, die Geschäftswelt durchzuwirbeln, indem sie neue Produkte, neue Dienste oder neue Produktionsmethoden in den Markt drücken. Der Aufstieg Googles – von einem Startup aus Silicon Valley zur weltweit dominanten Such- und Werbemaschine im Internet – ist wohl das bekannteste Beispiel. Startups wie dieses modernisieren und verjüngen die Wirtschaft, weil sie etablierte Unternehmen auf Trab halten und träge Firmen verdrängen.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind in vielerlei Hinsicht eine der gründerfreundlichsten Regionen der Welt. Keine andere entwickelte Ökonomie hat einen höheren Anteil an Startups. Business Angels und Venture-Capital-Fonds investieren viel Geld und immer wieder gelingt es einigen Gründern, in den Olymp der großen Unternehmen aufzusteigen. Mehr als 100 Unternehmen auf der Fortune 500-Liste wurden nach 1970 gegründet (siehe Grafik 1).

Warum ist das wichtig? In Ländern wie China oder Indien arbeiten inzwischen Millionen von Wissenschaftlern und Ingenieuren an neuen Ideen. Das ist nicht länger das Vorrecht entwickelter Ökonomien. Neue Ideen führen aber nicht automatisch zu neuen Produkten. Vielmehr braucht es Unternehmer, die die Marktpotenziale erkennen und umsetzen. Daher ist der in den USA weit verbreitete Unternehmergeist ein klarer Standortvorteil: Nicht weil die USA notwendigerweise mehr Ideen produzieren, sondern weil sie neue Ideen besser umsetzen.

Aufbau der Studie

Das grundlegende Forschungsziel dieser Studie ist es, ein besseres Verständnis für Gründungen in innovativen oder High-Tech- Branchen in den USA zu gewinnen. Welche Muster und Trends zeichnen sich ab? Welche Gründe erklären, warum z.B. Colorado die höchste High-Tech-Gründerrate und West Virginia die niedrigste hat? Letztlich sollen diese Erfahrungen helfen, Empfehlungen für andere Regionen zu formulieren.

Der erste Teil dieser Studie untersucht die Rolle des Gründers in einer dynamischen Wirtschaft und zeigt seinen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen, Innovationen und Wachstum.

Im zweiten Teil konzentrieren wir uns auf eine kleine, aber interessante Untergruppe von Gründern – nämlich solche in High-Tech- Branchen. Der Grund dafür ist, dass nur wenige Startups tatsächlich neue Produkte oder Dienste entwickeln. Diese wenigen Startups sind aber mit größerer Wahrscheinlichkeit in High-Tech-Branchen anzutreffen. Eine wichtige Erkenntnis aus diesem Abschnitt ist, dass High-Tech-Gründungen besonders dort gedeihen, wo neue Ideen und Unternehmergeist zusammen kommen.

Eine genauere Untersuchung des Unternehmergeists in den USA scheint angezeigt. Deshalb analysieren wir im dritten Teil individuelle Eigenschaften, welche die Wahrscheinlichkeit, ein Unternehmen zu gründen, erhöhen. Fähigkeiten und Risikotoleranz sind wichtige Treiber.

Der vierte Teil zeigt neue Erkenntnisse über die Finanzierungsmuster innovativer Startups. Oftmals braucht es externe Finanziers, um die Gründer mit Kapital auszustatten. Diese Investoren investieren jedoch nicht nur Kapital, sondern haben auch eine wichtige Rolle bei der Auswahl und Förderung der viel versprechendsten Startups. Dadurch werden die Ressourcen in ihre produktivste Verwendung geführt.

Was kann Europa tun, um den Unternehmergeist zu stärken? Europa hat eine lebhafte Forschungslandschaft, aber es ist nicht ganz so gut wie die USA darin, neue Ideen auch kommerziell umzusetzen. Teil fünf skizziert einige Punkte, an denen die Politik ansetzen könnte.

Teil sechs präsentiert Schlussfolgerungen und bietet einen kurzen Ausblick: Die Finanzkrise scheint die Bedeutung von innovativen Gründungen sogar zu verstärken.

1. Direkter und indirekter Nutzen von Unternehmensgründungen

Eine der wesentlichen Erkenntnisse der Wachstumstheorie ist, dass moderne Ökonomien ihren Wohlstand nicht unbegrenzt dadurch steigern können, indem sie immer mehr Kapital oder Arbeit anhäufen. Stattdessen müssen sie bessere Wege finden, diese Produktionsfaktoren zu kombinieren, um interessante Produkte zu schaffen und Kosten zu senken. Technischer Fortschritt braucht Innovationen.

Innovationen basieren auf Wissen. Wissenschaftliche Arbeit, Forschung und andere Formen kreativer Arbeit erhöhen den Bestand an Wissen – aber Wissen allein erzeugt noch keine neuen Produkte.

Das Bindeglied ist Unternehmergeist im Sinne Joseph Schumpeters. Für ihn ist der Unternehmer ein Instrument des wirtschaftlichen Wandels. Wichtig ist, dass der Unternehmer nicht notwendigerweise der Schöpfer neuer Ideen sein muss, sondern jemand, der Ideen, wo immer sie herkommen, in erfolgreiche Geschäftsmodelle umsetzt.

Natürlich werden nicht alle Innovationen von Startups umgesetzt. Auch alteingesessene Firmen bemühen sich, ihre Produktportfolios zu erneuern und die Effizienz zu erhöhen. Aber ihre Fähigkeit und ihre Bereitschaft, wirklich neue Wege zu gehen, ist häufig begrenzt: Sie sehen oft nicht das Potenzial, sind unfähig zum Wandel oder befürchten, dass neue Produkte nur ihre alten verdrängen könnten. Daher brauchte es einen mutigen Gründer, um das erste Automobil zu entwickeln und zu verkaufen, während alle anderen noch in Kutschen fuhren. Allerdings hat erst die Massenfertigung in Großunternehmen und ein Strom inkrementeller Verbesserungen das Auto von den bescheidenen Anfängen in seine moderne Form geführt.

Es geht also nicht darum, Startups gegen Großunternehmen auszuspielen. Beide haben ihre Rolle im Innovationsprozess: Ohne Gründer werden alteingesessene Firmen zu träge und selbstgefällig, und die Wirtschaft verliert Dynamik. Allerdings sind es die großen Unternehmen, die aufgrund ihrer Skalenvorteile Innovationen zur Reife bringen.

Gelegenheit macht Gründer

Für den Zweck dieser Studie betrachten wir nur hauptberufliche Unternehmensgründer. Die Vereinigten Staaten gelten als eine der gründerfreundlichsten Regionen der Welt. Das ist nur aus einer bestimmten Perspektive zutreffend. Tatsächlich haben viele andere Regionen eine höhere Gründerrate als die USA. Allerdings werden viele Unternehmen aus Notwendigkeit heraus gegründet (necessitydriven entrepreneurs) und nicht, um eine Geschäftsidee verwirklichen
zu können. Häufig fehlen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten. Solche aus Notwendigkeit getriebenen Gründungen sind meist weniger innovativ und daher weniger interessant für diese Studie.

Gerade in ärmeren Ländern werden kleine Betriebe aus Mangel an geregelten Arbeitsplätzen gegründet. Das zeigt sich zum Beispiel am Index der Early-Stage Entrepreneurial Activity (TEA) des Global Entrepreneurship Monitors (GEM). Dieser Index misst den Anteil der Gründer (d.h. Startups bis zu einem Alter von 42 Monaten) an der erwachsenen Bevölkerung.

Die Gründerrate in ärmeren Ländern ist am höchsten: Je reicher das Land, desto niedriger ist die Gründerrate. Das gilt bis zu einem gewissen Schwellenwert. Jenseits dieses Wertes steigt die Gründerrate wieder an. In diesen entwickelten Ökonomien gründen mehr und mehr Menschen ein Unternehmen, um eine Geschäftsidee zu verwirklichen (opportunity-driven entrepreneurs). Die USA haben die Pole Position nur in dieser Gruppe.

Beitrag zu Jobs, Innovation und Wachstum

Inzwischen gibt es eine breite Literatur, die den Beitrag von Startups zu Beschäftigung, Innovation und Wachstum untersucht. Eine Meta- Analyse von C. Mirjam van Praag und Peter H. Versloot (2007) fasst die Ergebnisse von 57 wissenschaftlichen Beiträgen in hochklassigen wissenschaftlichen Zeitschriften zusammen. Sie schlussfolgern, dass Gründer einen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur kommerziellen Umsetzung von Ideen und zum Wirtschaftswachstum leisten. Außerdem seien Gründer zufriedener als abhängig Beschäftigte.

Arbeitsangebot begrenzt Beschäftigungsgewinne

Der Beschäftigungseffekt durch Gründungen folgt einem typischen Muster. Zunächst schaffen Neugründungen zusätzliche Jobs, daher steigt die Zahl der Arbeitsplätze. Viele Gründungen scheitern aber oder verdrängen Jobs bei Konkurrenzunternehmen. Das dämpft den Beschäftigungseffekt. Gründer fördern darüber hinaus Wettbewerb und Strukturwandel. Dadurch steigt mittelfristig die Zahl der Jobs. Langfristig klingen die Beschäftigungseffekte ab, denn das Beschäftigungswachstum wird durch das Arbeitsangebot in den jeweiligen Regionen und mit den jeweils gesuchten Qualifikationen begrenzt.

Brücke zwischen Idee und Innovation

Gründer sind entscheidend, wenn es darum geht, neue Ideen an den Markt zu bringen – alteingesessene Firmen schrecken hier manchmal zurück. Frühere Studien von DB Research haben sich auf die Untergruppe von Gründern konzentriert, die mit Venture Capital (VC) finanziert wurden. VC wird typischerweise nur in eine kleine Zahl besonders viel versprechender Startups investiert. Das sind oft die innovativsten und wachstumsstärksten Gründungen. Eine Analyse von 15 europäischen Ländern sowie den USA zeigt, dass Länder mit einem hohen Anteil an VC-Investitionen tendenziell einen größeren Produktivitätsschub relativ zur Zahl der eingereichten Patente ziehen als Länder mit einem niedrigen Anteil an VCInvestitionen. Das bestätigt die wichtige Rolle VC-finanzierter Startups bei der kommerziellen Umsetzung neuer Ideen. Davon profitiert auch das gesamtwirtschaftliche Wachstum. In einer früheren Studie für 20 europäische Länder fanden wir eine positive Korrelation zwischen VC-Investitionen und Wirtschaftswachstum. Der Zusammenhang ist umso stärker, je früher die VC-Fonds in das Startup investieren. Die indirekten Effekte zählen auch. Alteingesessene Firmen müssen stetig ihre Performance verbessern, solange junge und aufstrebende Firmen ihnen den Platz streitig machen wollen.

2. Die Vereinigten Staaten der High-Tech-Gründer

Dieser Abschnitt basiert auf einer speziellen Auswertung des Kauffman Index of Entrepreneurial Activity (KIEA). Dieser Indikator misst die Zahl der Gründungen auf der Ebene des Individuums. Dabei berücksichtigt er Gründungen mit oder ohne zusätzliche Beschäftigte. Der KIEA basiert auf dem monatlichen Current Population Survey des US Census. Durch den Vergleich zweier aufeinander folgender Umfragen lassen sich die Personen identifizieren, deren Beschäftigungsstatus sich von abhängig beschäftigt oder arbeitslos im ersten Survey auf Geschäftsinhaber im zweiten Survey verändert hat. Um nebenberufliche Aktivitäten auszuschließen, gelten nur Gründungen mit einem Arbeitsaufwand von mindestens 15 Stunden pro Woche.

Im Jahr 2008 haben pro Monat im Schnitt 0,32% der USamerikanischen Bevölkerung über 18 Jahre ein Unternehmen gegründet bzw. eine selbständige Tätigkeit aufgenommen. Diese Zahl ist in den letzten Jahren gestiegen. Allerdings wurden zuletzt mehr Gründungen in Branchen mit niedrigem oder mittlerem Durchschnittseinkommen und weniger in Branchen mit hohem Durchschnittseinkommen vorgenommen. Das spricht für einen Anstieg von Gründungen aus Notwendigkeit in Folge der Rezession. Da die Krise ihren Höhepunkt erst 2009 erreicht hat, ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen.

High-Tech ist interessanter

Der allgemeine KIEA-Index betrachtet Gründer in allen Branchen. Für den Zweck dieser Studie ist es aber interessanter, sich auf Startups in High-Tech-Branchen zu konzentrieren. Sie weisen vermutlich mehr Innovationen und überdurchschnittliches Wachstum auf.

Nur wenige Branchen zählen zur Hochtechnologie (siehe Kasten), Dazu gehören fortgeschrittene Industriebranchen wie Luft- und Raumfahrt sowie anspruchsvolle Dienstleistungen, zum Beispiel das Verlegen von Software, Internet-Dienste oder wissenschaftliche Forschung. Diese High-Tech-Branchen beschäftigen rund 4% der US-Bevölkerung.

Insgesamt enthält der KIEA-Datensatz rund 700.000 Beobachtungen pro Jahr. Daraus haben wir einen neuen Indikator gebildet, indem wir alle Startups aus einer High-Tech-Branche identifiziert und dem Jahr und US-Bundesstaat zugeordnet haben. Das erlaubt uns, Trends und regionale Muster zu analysieren. Wir haben den so entstandenen Datensatz noch mit weiteren Variablen ergänzt, um die Ursachen dieser regionalen Muster zu erforschen.

In jedem Monat des Jahres 2006 haben im Schnitt 11 von 100.000 Erwachsenen in den USA ein Startup in einer Hochtechnologiebranche gegründet – als Selbstständige oder mit zusätzlichen Beschäftigten. Das entspricht rund 200.000 High-Tech-Gründungen im Verlauf des Jahres 2006. Darüber hinaus zeigt sich, dass die High- Tech-Gründerrate einem positiven Trend folgt (siehe Grafik 2).

Dieser Effekt ist nicht die logische Konsequenz eines wachsenden High-Tech-Sektors. Im Gegenteil: Der Anteil der Beschäftigten in Hochtechnologiebranchen ist seit dem Boom der New Economy zum Jahrtausendwechsel deutlich gesunken. Der positive Trend bei den Gründungen setzt sich also gegen die allgemeine Beschäftigungsentwicklung durch.

Starke Unterschiede zwischen den Bundesstaaten

Zwischen den US-Bundesstaaten gibt es große Unterschiede: West Virginia hat die niedrigste, Colorado die höchste High-Tech- Gründerrate. Kalifornien ist im oberen Viertel, aber nicht ganz an der Spitze (siehe Karte 5).

Angesichts der Größe und Wirtschaftskraft ist es sicherlich keine Überraschung, dass Kalifornien insgesamt die höchste Zahl an High-Tech-Gründungen hat. Allerdings ist Kalifornien auch sehr bevölkerungsreich, so dass der Anteil der Gründungen an der Gesamtbevölkerung keine Spitzenposition erreicht – obwohl Kalifornien mit Silicon Valley und Los Angeles/Orange County über zwei berühmte Gründerregionen verfügt. Aber auch hier sind besonders vielversprechende Startups eher die Ausnahme denn die Regel. Daher fällt diese Zahl nicht stark ins Gewicht.

Neue Ideen treffen auf Unternehmergeist

Wie lässt sich dieses regionale Muster erklären? Warum hat Colorado so viel mehr High-Tech-Gründungen als West Virginia? Wir nutzen unsere Sonderauswertungen des KIEA-Datensatzes und kombinieren sie mit weiteren Daten, um eine Reihe möglicher Zusammenhänge empirisch zu testen.

Empirische Strategie

Wir teilen die Liste der möglichen Treiber in zwei Gruppen: Die erste Kategorie beschreibt den Zustrom an neuen Ideen. Das betrifft Indikatoren wie tertiäre Bildung (Anteil der Studierenden), Patentanmeldungen (pro Mio. Einwohner) und die Gesamtbeschäftigung im Hochtechnologiesektor. Die Daten stammen vom US Department of Education, dem US Patent Office und dem US Census. Wir erwarten einen positiven Einfluss dieser Variablen, schließlich sollte die Hochtechnologie besonders auf dem Nährboden einer fruchtbaren Wissenschaftslandschaft gedeihen.

Die zweite Kategorie umfasst Variablen, die den Unternehmergeist messen. Dazu gehören der allgemeine KIEA-Index sowie die Rate der Gründung neuer Geschäftsniederlassungen. Diese Rate wird von US Census und dem US Small Business Administration Office of Advocacy erhoben und dient zusätzlich als Kontrolle des KIEA-Datensatzes. Eine generell gründerfreundliche Region sollte auch Startups aus High-Tech-Branchen beflügeln. Daher erwarten wir hier einen positiven Zusammenhang.

Darüber hinaus betrachten wir die Venture-Capital-Investitionen (in Relation zum BIP) als Indikator für die Startup-Aktivitäten des kleinen Kreises besonders dynamischer Unternehmen. Manche Beobachter nutzen Venture Capital auch als Messgröße für das Angebot an Wagniskapital für innovative Gründungen. Das ist irreführend, besonders in den USA. Ein Beispiel verdeutlicht das Missverständnis: Auf Kalifornien entfallen 50% aller Venture-Capital-Investitionen in den USA. Seine Nachbarn im Norden (Oregon) und Osten (Nevada) erhalten jeweils nur 1%. Aber natürlich können VC-Fonds ungehindert in Oregon oder Nevada investieren – es gibt also keine Angebotsbeschränkungen. Vielmehr strömen die viel versprechendsten Startups nach Silicon Valley oder Los Angeles, denn hier sind die Bedingungen für Unternehmensgründungen besonders gut. Mit der Variable Venture Capital wollen wir die Qualität genau dieser Rahmenbedingungen abbilden.

Wir nutzen weiterhin eine Reihe von Kontrollvariablen, um konjunkturelle und sonstige Einflüsse auszugleichen: Das BIP pro Kopf berücksichtigt ökonomische Unterschiede zwischen den Bundesstaaten, und die Arbeitslosenquote misst den Konjunkturzyklus. Steigende Arbeitslosigkeit dürfte zudem die Gründungsbereitschaft aus Notwendigkeit heraus erhöhen. Wir verwenden außerdem eine Dummyvariable für das Jahr 2000, um Übertreibungen während des New-Economy-Booms aufzufangen. Insgesamt deckt die Stichprobe die 50 US-Bundesstaaten und Washington D.C. für den Zeitraum von 1996 bis 2005 ab. Tabelle 6 zeigt die Ergebnisse verschiedener Modellspezifikationen.

Die Ergebnisse sind robust ggü. einer Vielzahl verschiedener Spezifikationen. Das erste Modell berücksichtigt serielle Korrelation mit einem AR(1)-Faktor. Nicht beobachtete länderspezifische Unterschiede werden durch Fixed Effects im dritten Modell aufgefangen. Die wesentlichen Ergebnisse bleiben davon unberührt.

Empirische Ergebnisse

Die empirische Analyse bestätigt viele der vermuteten Treiber von Gründungen in High-Tech-Branchen. Wir finden positive Korrelationen für Patente und Bildung, was für den positiven Einfluss des Zustroms neuer Ideen und einer wissensbasierten Ökonomie spricht. Darüber hinaus korrelieren alle Indikatoren, die den Unternehmergeist messen – also der KIEA, neue Niederlassungen und Venture-Capital-Investitionen – positiv mit der High-Tech- Gründerrate. Im Gegensatz dazu ist die Arbeitslosenquote nicht statistisch signifikant. Das könnte dafür sprechen, dass Gründungen aus Notwendigkeit in High-Tech-Branchen keine Rolle spielen.

Aus dieser Analyse ergibt sich eine wichtige Schlussfolgerung: High- Tech-Gründungen florieren, wo sich neue Ideen mit Unternehmergeist paaren. Das zeigt sich besonders in dem Interaktionsterm in der dritten Modellspezifikation: Die Kombination aus High-Tech- Beschäftigung (als Indikator für die Technologieaffinität des Bundesstaates) und dem KIEA-Index (als Maß für den allgemeinen Unternehmergeist) hat einen starken positiven Einfluss auf die High-Tech-Gründerrate. Außerdem ist die Erklärungskraft der dritten Modellspezifikation deutlich höher.

High-Tech-Gründungen sind also in den US-Bundesstaaten häufiger, in denen viele neue Ideen entstehen und in denen es den Unternehmergeist gibt, diese Ideen kommerziell umzusetzen.

Der wesentliche Unterschied zwischen Europa und den USA besteht weniger in der Erfindungsgabe, sondern vielmehr im Unternehmergeist (vgl. Teil 5 für weitere Ausführungen). Das wirft die Frage auf, welche Faktoren den Unternehmergeist in den USA fördern. Wir folgen dieser Frage im nächsten Abschnitt.

3. Welche Eigenschaften motivieren Gründer?

In diesem Abschnitt analysieren wir die individuelle Bereitschaft, eine unternehmerische Tätigkeit aufzunehmen – unabhängig von der Branche. Wir betrachten Gründer nicht nur in den Hochtechnologiebranchen, sondern in allen Branchen, denn wir suchen nach grundsätzlichen Wurzeln des Unternehmertums.

Welche Charakteristika motivieren Menschen, ihr eigener Chef zu werden? Um solche Eigenschaften zu identifizieren, haben wir die Mikrodaten hinter dem KIEA-Index analysiert. Dieser Datensatz enthält fast 700.000 Beobachtungen pro Jahr inklusive demografischer Zusatzinformationen wie Geschlecht, Alter, Bildung und Einkommen. Wir verwenden ein spezielles Modell zur Analyse binärer Daten (Gründer: ja oder nein?), um solche demografischen Faktoren zu isolieren, die einen positiven Einfluss auf die Gründungsneigung haben.

Es braucht Geschick und Risikotoleranz

Ohne die richtigen Fähigkeiten und Talente lässt sich ein Startup kaum zum Erfolg führen. Daher ist das Geschick des Gründers gefragt. Zudem braucht es eine gewisse Risikotoleranz, denn ein Quäntchen Glück gehört meist auch zum Erfolg. Weitere Treiber sind der Aufstiegswille oder der Wunsch, der Arbeitslosigkeit zu entgehen.

Das Bildungsniveau vermittelt einen Eindruck von den Fähigkeiten, die ein Individuum besitzt. Das Geschlecht sagt etwas über die Risikopräferenz aus: Frauen sind meist risikoscheuer als Männer. Darüber hinaus kann ein solides Familieneinkommen oder anderes Vermögen die Risikotoleranz erhöhen, denn sie bieten einen Rückhalt, falls das Startup scheitern sollte.

Allerdings sollte man keine lineare Beziehung erwarten. Gut ausgebildete Menschen mögen erfolgreiche Unternehmensgründer sein, aber sie können auch als abhängig Beschäftigte hohe Gehälter erzielen. Ebenso kann ein hohes Vermögen oder Familieneinkommen die Risikotoleranz erhöhen, aber gleichzeitig auch die Motivation reduzieren, sich durch eine Unternehmensgründung materiell zu verbessern.

Ergebnisse: Kein linearer Zusammenhang

Im Folgenden stellen wir die wichtigsten Erkenntnisse dieser Modelle vor, verzichten aber der Kürze halber auf die vollständigen Ergebnisse.

Glücklicherweise ist es nicht möglich, mit wenigen Variablen individuelles Verhalten vorherzusagen. Menschen sind wesentlich komplizierter. Allerdings lassen sich aufgrund der großen Stichprobe einige Muster erkennen.

Wir finden deutliche Korrelationen bei Geschlecht, Alter, Bildung, Einkommen, Beschäftigungsstatus und Wohneigentum. Sie haben die zu vermutenden Zusammenhänge: Frauen, zum Beispiel, gründen wesentlich seltener ein Unternehmen, was die Bedeutung der Risikotoleranz unterstreicht.

Die Ergebnisse zeigen auch, dass nicht immer ein linearer Zusammenhang besteht. Tertiäre Bildung erhöht die Bereitschaft, ein Unternehmen zu gründen, aber ein Doktortitel hat keinen signifikanten Einfluss mehr. Ein mittleres Familieneinkommen – zwischen USD 35.000 und USD 75.000 – geht einher mit einer gestiegenen Gründungswahrscheinlichkeit; ein darüber hinausgehendes Einkommen nicht.

Das Alter bietet eine gute Illustration: Wagemut und eine gewisse Vermessenheit, die viele Gründer auszeichnen, sind das Vorrecht der Jugend. Nur mit Lebenserfahrung bilden sich aber die Fähigkeiten und das Geschick, die Gründung auch zum Erfolg zu führen. Hier gilt es die richtige Balance zwischen jugendlichem Überschwang und der Alltagserfahrung eines Routiniers zu finden. In
dieser Stichprobe erreicht die Gründungswahrscheinlichkeit im Alter von 42 Jahren ihren Höhepunkt – unter Berücksichtigung anderer Kontrollvariablen. Sie ist generell höher für Menschen, die Wohneigentum besitzen.

Wohneigentum ist in mehrerer Hinsicht förderlich. Zunächst dient es als Rückhalt für den Fall des Scheiterns. Zweitens kann es eine gute Kredithistorie signalisieren, wodurch sich leichter externe Investoren finden lassen. Drittens werden viele Startups zunächst von zuhause aus betrieben. Das ginge zwar auch in einer gemieteten Wohnung, fällt aber in den eigenen vier Wänden, oder denen der Familie, leichter. Schließlich dürfte durch Wohneigentum die Mobilität sinken. Im Fall von Arbeitslosigkeit könnten manche Wohneigentümer eher eine unternehmerische Tätigkeit aufnehmen, anstatt für einen neuen Job umzuziehen.

Der Mangel an Alternativen spielt offensichtlich eine Rolle. In unseren Modellen hat Arbeitslosigkeit den stärksten Einfluss auf die Gründungswahrscheinlichkeit. Das spricht für einen hohen Anteil von Gründungen aus Notwendigkeit heraus. Allerdings besteht hier die Gefahr, den tatsächlichen Zusammenhang zu überschätzen. Viele zukünftige Gründer werden schon im Vorfeld ihre geregelte Beschäftigung freiwillig aufgeben, um den großen Schritt vorzubereiten. Sie sind dann zwar technisch arbeitslos, starten ihr Unternehmen deswegen aber nicht zwingend aus Notwendigkeit heraus.

Immigranten gehören zu den eifrigsten Gründern – selbst wenn man die Unterschiede in Bildung und Beschäftigungsstatus berücksichtigt. Ihre Rolle übersteigt weit den Betrieb klassischer Einwandererbetriebe. Tatsächlich bilden qualifizierte Immigranten, von denen viele in den USA studiert und gearbeitet haben, das Rückgrat vieler High-Tech-Startups, besonders in Computer- und ITbezogenen Branchen (siehe Grafik 3). Mehr als die Hälfte aller Startups in Silicon Valleys Technologiezentren wurde von Einwanderern gegründet.

Zusammengefasst erklären eine Mischung aus Geschick, Risikotoleranz und Aufstiegswillen die Gründungsbereitschaft in den USA. Natürlich sind die individuellen Entscheidungen komplexer, aber die Eigenschaften vermitteln einen guten ersten Eindruck. Unternehmerische Tätigkeiten müssen stets gegen Alternativen bestehen. Das bedeutet, dass Leute, die hohe Gehälter durch Lohnarbeit erzielen könnten, oder die ohnehin schon wohlhabend sind, weniger motiviert sind. Der fruchtbarste Nährboden für Gründer scheint daher die Mittelschicht zu sein: Gut ausgebildet und mit Aufstiegswillen. Dazu gehören auch talentierte Einwanderer.

4. Banken sind das Rückgrat der Gründungsfinanzierung

Die Kapitalversorgung eines neuen Unternehmens ist schwierig. Während der Anfangszeit reichen die Einnahmen meist nicht aus, um den Geschäftsbetrieb zu finanzieren. Gleichzeitig fehlt vielen Startups die Kreditwürdigkeit, um diese Phase mit klassischen Bankkrediten zu überbrücken. Daher gilt diese Zeit als „Tal des Todes“, aus dem nur wenige Startups entkommen.

Die klassische Sichtweise beschreibt die Gründungsfinanzierung als eine Mischung aus Mitteln des Gründers und einer Reihe informeller Investoren: Freunde, Familie und „Narren“. Die viel versprechendsten Startups erhalten Kapitalspritzen von Business Angels und Venture-Capital-Fonds, doch das trifft nur auf einen kleinen Teil der Gründungen zu. Staatliche Zuschüsse und andere Hilfe spielen ebenfalls eine Rolle.

Der externen Kreditfinanzierung wird häufig nur eine geringe Bedeutung beigemessen. Nach dieser Sicht sind Banken bei der Kreditvergabe zögerlich, weil es keine ausreichenden Sicherheiten, keine Kredithistorie und zu hohe Risiken gibt. Die hohe Ausfallwahrscheinlichkeit müsste durch hohe Zinsen ausgeglichen werden. Diese können aber nicht verlangt werden, denn dadurch würden alle konservativ kalkulierten Startups verdrängt werden, und der verbleibende Pool an Krediten wäre umso riskanter.

Neue Daten hinterfragen diese Sicht. Der Kauffman Firm Survey (KFS) sammelt jährliche Daten für ein Panel von fast 4.000 im Jahr 2004 neu gegründeten Unternehmen in den USA und wird ihnen bis ins Jahr 2011 folgen. Bislang liegen die Ergebnisse der ersten vier Jahre vor (2004-2007) und erlauben einen einzigartigen Blick auf die Finanzierungsmuster sehr junger Firmen.

Im Schnitt starten neue Unternehmen mit einer Kapitalausstattung von rund USD 80.000. Entgegen der traditionellen Sicht finanzieren Banken und Kreditkarten-Gesellschaften den größten Teil davon – fast USD 32.000. Davon kommen rund 80% von Banken, der Rest über Kreditkarten. Die Gründer selbst halten rund USD 28.500 als Eigenkapital. Die Familie schießt rund USD 6.000 als Eigenkapital oder Kredit zu.

Tatsächlich berichten viele Gründer, dass sie persönliche Kreditlinien und ihre Kreditkartenlimits für die ersten Schritte ihrer Unternehmung ausgereizt haben. Dadurch könnten manche Banken unfreiwillig in die Gründungsfinanzierung hineingezogen werden. Allerdings relativiert der KFS auch diese Befürchtung. Es zeigt sich, dass ein großer Teil des Kreditvolumens von Geschäftskrediten und Geschäftskreditkarten abgedeckt wird, also bewussten Kreditlinien für das Startup und nicht für die Person des Gründers.

Kreditkarten sind nur zu Beginn eine Lösung

Kreditkarten sind ein beliebtes Zahlungs- und Kreditmittel: Rund 58% aller Startups haben persönliche oder Geschäftskreditkarten für die Finanzierung der Gründung belastet. Das muss nicht zwingend schlecht sein. Sergey Brin und Larry Page, zum Beispiel, taten es, um Google zu starten. Allerdings zeigen neue Forschungsergebnisse, dass es mittelfristig besser ist, auf andere Kreditinstrumente umzusteigen.

Robert Scott (2009) hat den Einfluss von Kreditkartenschulden auf die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Startup anhand der Daten des KFS untersucht. Dabei findet er keinen Einfluss während der Startphase des Unternehmens. Andauernd hohe Kreditkartenschulden sind dagegen mit einer erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeit verbunden. Ein Grund ist, dass Kreditkartengesellschaften häufig hohe Zinssätze und Gebühren verlangen. Dies kann junge Unternehmen destabilisieren. Allerdings ist hier auch ein Auswahlprozess am Werk. Stabilen Firmen gelingt es eher, sich alternative Finanzierungsquellen zu sichern, so dass nur die riskanteren Startups auf Plastikgeld angewiesen bleiben.

Kreditkarten sind ein hilfreiches Instrument, um die ersten Schritte einer Gründung zu finanzieren. Gelingt es aber nicht, mittelfristig andere Quellen aufzutun, spricht dies für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit des Scheiterns.

Sagt eine Bank „nein“, hat sie wahrscheinlich einen Grund

Kapitalspritzen von externen Investoren sind wichtig. Nur mit ihnen können Mittel angezapft werden, die über das hinausgehen, was Gründer, Freunde und Familie aufbringen können. Mit diesen Ressourcen ist es leichter, das „Tal des Todes“ zu durchqueren. Darüber hinaus gibt es einen Auswahleffekt: Gründer sehen ihre Geschäftsidee häufig sehr optimistisch. Externe Investoren – Banken, Kreditkartengesellschaften, VC-Fonds usw. – sind dagegen nüchterner. Das ist eine wichtige Kontrolle: Gelingt es einem Gründer, einen externen Investor von seiner Idee zu überzeugen, spricht vieles dafür, dass der Geschäftsplan auf relativ soliden Füßen steht. Anders ausgedrückt: Lehnt eine Bank oder ein anderer Investor eine Finanzierung ab, sehen sie vielleicht eine ernste Schwäche.

Die Unterschiede zwischen Startups, die die ersten drei Jahre von der Gründung bis 2006 überstanden haben, und denen, die gescheitert sind, zeigen ein deutliches Muster. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass überlebende Firmen im Schnitt eine mehr als doppelt so hohe externe Finanzierung und weniger als halb so viel internes Eigenkapital hatten als gescheiterte Startups. Dagegen gab es kaum Unterschiede bei dem Eigenkapital- und Kreditanteil der Gründer und dem Kreditanteil anderer interner Investoren, z.B. der Familie.

Das ist ein wichtiger Punkt. Viele Politiker wittern Marktversagen, weil vielen Startups Kredite verweigert werden. Allerdings scheinen externe Finanziers ein gutes Gespür für erfolgversprechende Geschäftsideen zu haben: Vor zu hohen Risiken scheuen sie allerdings zurück.

Uncle Sams helfende Hand

Der Staat als externer Investor hat wohl die wenigsten Sachzwänge, d.h. er könnte Startups finanzieren, die andere Investoren meiden. Allerdings zeigt der KFS, dass der Staat nur rund 1,5% zur Gründungsfinanzierung beisteuert. Dieses Geld ist stark konzentriert in wenigen Startups. Sie erhalten im Schnitt rund USD 85.000 von Uncle Sam. Für die überwiegende Mehrheit der Gründungen in den USA spielt der Staat keine Rolle.

Internes Eigenkapital kann externe Finanzierung nicht ersetzen

Gescheiterte Startups hatten im Schnitt einen höheren Anteil an internem Eigenkapital: Die Eltern der Gründer gaben doppelt so viel, die Ehepartner sogar dreimal so viel Eigenkapital wie bei überlebenden Gründungen. Diese Mittel müssen den Mangel an anderen externen Finanzierungsquellen ersetzen: Aber sie reichen nicht. Das zusätzliche interne Eigenkapital macht im Schnitt nur USD 1.700 aus, während rund USD 18.000 aus externen Quellen fehlen. Die gescheiterten Startups sind daher rund 20% kleiner als die überlebenden.

Überleben ist nicht alles

Die oben beschriebene Analyse konzentriert sich auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer Gründung. Aber Überleben ist nicht alles. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive kann ein Ansatz, der die Überlebenswahrscheinlichkeit maximiert, sogar schädlich sein. Er sortiert möglicherweise gerade die kühnsten und innovativsten Startups aus. Solche Gründungen sind zwar meist sehr riskant, aber im Erfolgsfall auch die bedeutendsten. Externe Investoren lehnen sowohl schwache oder unrealistische Geschäftsideen ab als auch solche, deren Konzept zu innovativ oder verwegen für einen Standard- Kreditprozess ist. Beides reduziert die Ausfallraten, aber letzteres trifft gerade die gewünschten innovativen Gründungen.

Innovative Startups tendieren zu Eigenkapital

Kreditsachbearbeitern fällt es schwer, wirklich innovative Startups zu bewerten. Solche Gründungen brauchen häufig einen hohen Anteil an eigentümerspezifischen Investitionen. Solche Investitionen haben eine hohe Bedeutung für den ursprünglichen Eigentümer, aber kaum Wert für andere Personen. Daher taugen sie nicht als Kreditsicherheit. Zum Beispiel können halbfertige Forschungsergebnisse meist nur von dem ursprünglichen Entwickler weitergeführt werden. Anderen gelingt es in der Regel nicht, die losen Enden zusammenzufügen. Die Finanzierung einer solchen Investition kann den Kreditgeber daher in eine schwierige Situation bringen, schließlich hat er nur wenig Handhabe gegenüber dem Schuldner.

Eigenkapitalgeber sind in einer stärkeren Position, denn die Eigentümerrechte verleihen mehr Kontrolle über das Startup. Daraus folgt eine grundlegende Erkenntnis aus der Finanzierungstheorie: Je höher der Anteil eigentümerspezifischer Investitionen, desto größer die Bedeutung der Eigenkapitalfinanzierung. Wir wollen diese These anhand des KFS prüfen. Dazu teilen wir die Daten in drei verschiedene Stichproben. Zu der ersten Gruppe gehören alle innovativen Startups. Zu den innovativen Startups zählen wir alle Gründungen, die im Zeitraum 2004 bis 2007 ein Patent, Copyright oder ein Trademark angemeldet haben. Zweitens schauen wir auf alle Startups aus Hochtechnologiebranchen, d.h. Branchen mit einem hohen Anteil an forschungsintensiver Beschäftigung. Drittens analysieren wir die Schnittmenge beider Stichproben, also Startups, die sowohl innovativ als auch high-tech sind.

Ein Blick auf die externen Eigenkapitalspritzen für die Startups im KFS unterstützt die klassische Finanzierungsthese: Nur 9% aller Gründungen erhalten Eigenkapital von externen Investoren im ersten Geschäftsjahr. Bei den innovativen Startups ist der Anteil immerhin schon 14% und noch größer bei High-Tech-Startups.

Überraschend ist, dass innovative oder High-Tech-Startups auch mehr Kredite von externen Finanziers erhalten. Aber darin zeigt sich vor allem, dass solche Startups in der Regel größer sind als Standard- Gründungen. Startups aus einer High-Tech-Branche beginnen im Schnitt mit einer Kapitalbasis von USD 140.000; deutlich mehr als die USD 80.000 in der Grundgesamtheit. Obwohl High-Tech- Gründungen mehr Kredite als andere Startups aufnehmen, verschiebt sich die Kapitalstruktur deutlich zugunsten von Eigenkapital. Während ein typisches High-Tech-Startup rund ein Drittel mehr Kredite aufnimmt, steigt der Anteil externer Eigenkapitalgeber um den Faktor vier.

Venture Capital spielt eine große Rolle für wenige Startups

Externe Eigenkapitalgeber wie Business Angels und VC-Fonds spielen nur eine untergeordnete Rolle bei der Finanzierung durchschnittlicher Startups. Das liegt aber daran, dass sich diese Investoren nicht für durchschnittliche Startups interessieren, sondern nur für die viel versprechendsten. Nur 26 Firmen im KFS haben im ersten Geschäftsjahr eine Kapitalspritze von VC-Fonds erhalten; die durchschnittliche Auszahlung liegt aber bei USD 350.000.

Venture Capital wird typischerweise in mehreren Runden ausgezahlt. Um eine weitere Finanzierungsrunde zu erhalten, müssen die Portfolio-Unternehmen bestimmte Kriterien erfüllen – z.B. einen Prototyp erstellen oder bestimmte Umsatzzahlen erreichen.

Im vergangenen Jahr haben VC-Fonds mehr als USD 28 Mrd. in den USA, aber weniger als USD 10 Mrd. in Europa investiert. Die Aktivitäten sind stark im Silicon Valley konzentriert, wo 39% aller US Investitionen getätigt werden. Auf New England entfallen 12%; Los Angeles / Orange County 7% und die New York Metropolitan Area 7%. Die meisten Portfolio-Unternehmen stammen aus der ITK- oder Biotechnologie-Branche. Typischerweise investieren US-Fonds größere Summen in einzelne Unternehmen als europäische Fonds. Kleinere Investitionen werden in den USA eher von Business Angels übernommen. Nach Angaben des Center of Venture Research, investierten Business Angels 2008 fast USD 20 Mrd. (26% weniger als im Vorjahr aufgrund der Finanzkrise) in mehr als 55.000 USStartups. In Europa betragen die Investitionen von Business Angels nur ein Viertel davon.

5. Was kann Europa lernen?

Der Anteil von Unternehmensgründern und jungen Unternehmen (Total Enterpreneurial Activity, TEA) ist in den USA höher als in jedem europäischen Land (siehe Grafik 4). Die IT-Revolution hat
eine Reihe von neuen, weltweit bedeutenden High-Tech-Firmen geschaffen, aber die meisten kommen aus den USA. Warum gibt es kein europäisches Äquivalent zum Beispiel zu Google, und was könnte Europa tun, um es zu bekommen?

Es ist nicht alles schlecht in Europa. Im Gegenteil: Viele europäische Länder haben mehr Patentanmeldungen als die USA, d.h. der Zustrom neuer Ideen ist kein Problem. In Ländern wie Großbritannien, Schweden und Dänemark wird sogar mehr Venture Capital investiert – im Verhältnis zum BIP – als in den USA. Zudem hindert die Sorge vor dem Verlust der Krankenversicherung weniger Europäer an der Unternehmensgründung oder der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Europa hat eine wissensbasierte Ökonomie, und es gibt viele Gründer: Europa fällt es aber schwerer als den USA, beides zusammenzubringen.

Die USA stehen zudem für gründerfreundlichere Rahmenbedingungen. Daten der Doing-Business-Datenbank der Weltbank zeigen: Es geht schneller, ein neues Unternehmen anzumelden, als in jedem europäischen Land. Zudem sind die Kosten einer Gründung in Europa häufig höher als in den USA; dies scheint potenzielle Gründer abzuschrecken.

Scheitert die Gründung, wird dies in den USA mehr als Erfahrung denn als Vorwurf gesehen. Das ermuntert potenzielle Gründer, Risiken einzugehen. Eine geringere Steuerlast in den USA erhöht zudem die Belohnung für erfolgreiche Unternehmer.

Der Wissenstransfer zwischen Unternehmen und Universitäten spielt eine große Rolle in den USA. Tatsächlich geben fast 20% der innovativen High-Tech-Gründungen in der KFS-Umfrage an, dass sie einen Wettbewerbsvorteil aus der Zusammenarbeit mit einer Universität, einem anderen Unternehmen oder einer staatlichen Forschungseinrichtung ableiten.

Der bevorzugte Partner ist in den meisten Fällen ein anderes Unternehmen. Das unterstreicht die hohe Bedeutung regionaler Cluster wie dem Silicon Valley oder der Greater Boston Area. Universitäten kommen auf den zweiten Platz. Allerdings unterschätzt das wahrscheinlich ihre tatsächliche Bedeutung. Viele Startups werden aus dem Universitätsumfeld heraus gegründet, haben aber dann keine weiteren formalen Verbindungen zu ihrer Alma Mater. Gerade an US-amerikanischen Universitäten wird Forschung auch mit Blick auf die kommerzielle Verwertung betrieben. Inkubatoren für Gründer ermuntern Studenten und Professoren, ihre Forschungsergebnisse aus den Laboren an den Markt zu bringen.

Staatliche Forschung spielt für die meisten Startups nur eine kleine Rolle. Weniger als 1% aller und nur rund 4% der innovativen High- Tech-Startups sagen, dass sie einen Wettbewerbsvorteil durch die Zusammenarbeit mit Uncle Sam ableiten.

Talentierte Immigranten besitzen meist beides: die Motivation, sozial aufzusteigen und die Fähigkeiten, nun als Unternehmer erfolgreich zu sein. Sie sind das Rückgrat vieler Gründungen im Silicon Valley, vor allem in IT- und Software-gestützten Geschäftsfeldern. Europa sollte seine Tore öffnen und Talente willkommen heißen. Tatsächlich sollte es Immigration nicht nur passiv erlauben, sondern aktiv um die besten Köpfe werben. Besonders die Einwanderung in Verbindung mit Ausbildung und Studium in Europa sollte ausgebaut werden.

Nicht auf Rosen gebettet

Unternehmergeist hat seine Schattenseiten. Der Anteil der innovativen Gründer, die scheitern, ist hoch. Die Arbeitsverhältnisse in neuen und kleinen Firmen sind häufig prekär und alteingesessene Unternehmen könnten unter dem Druck aufstrebender Startups zugrunde gehen.

Die meisten Gründungen starten klein. Junge und kleine Unternehmen bieten, neben geringerer Arbeitsplatzsicherheit, noch andere Nachteile: Sie zahlen zum Beispiel geringere Löhne als Großunternehmen. Zudem bieten sie weniger Sozialleistungen: Nur ein Viertel der kleinsten und jüngsten US-Firmen bietet ihren Mitarbeitern eine Krankenversicherung an, während fast alle größeren Unternehmen dies tun.

Die Geburts- und Todesraten von Geschäftsniederlassungen korrelieren stark über Branchen und Regionen. Steigt die Gründungsaktivität, ist also auch mit einer Zunahme der Sterberaten zu rechnen. Nicht zuletzt ist eine Unternehmensgründung eine sehr riskante Sache: Typischerweise erleben weniger als 30% der Startups in den USA ihren 10. Geburtstag – wobei die ersten Jahre die gefährlichsten sind (siehe Grafik 5).

Bei jeder Pleite gehen Jobs verloren, und die Betriebsausstattung bleibt ungenutzt. Sicherlich finden viele Entlassene neue Jobs, und andere Firmen werden die Ausstattung übernehmen, aber das ist selten ein reibungsloser Prozess.

Eine gründerfreundliche Ökonomie hat viele Vorteile. Allerdings nimmt die Dynamik einen Teil der Stabilität, die viele Europäer so schätzen. Dies sollte nicht ignoriert werden.

Get rich or die trying

Es ist nicht das Gleiche, ob man innovative Unternehmensgründer fördert oder generell kleine Unternehmen. Sicherlich fangen die meisten Gründer klein an. Manche aber, wie Google, entwickeln sich zu Großunternehmen. Diese Transformation gelingt in den USA häufig besser, vor allem in Hochtechnologiebranchen. Die Motivation spielt eine wichtige Rolle: So sagen in den USA mehr Gründer als irgendwo sonst, dass sie ihr Startup vor allem betreiben, um mehr Geld zu verdienen.

Die eher gedämpften Ambitionen in Europa zeigen sich auch in der Kapitalallokation für viel versprechende Startups. Europäische Gründungen erhalten im Schnitt deutlich kleinere Kapitalspritzen von VC-Fonds als US-Gründungen. Dabei ist es schwierig, ohne ausreichende Finanzmittel und Ehrgeiz, Startups in zukünftige Superstars zu verwandeln.

In den USA wird eher in großen Dimensionen gedacht, selbst in kleinen Startups. Das hat einige durchschlagende Erfolge beschert:
Google erhielt USD 25 Mio. an Venture Capital bereits sehr früh in seiner Firmengeschichte. Natürlich steigt auch der Schaden, wenn die Gründung scheitern sollte.

Die Politik in Europa hat viele Ansatzpunkte: Dazu gehören eine gründerfreundlichere Regulierung, die Reform der Einwanderung und die Förderung einer Forschungskultur an den Universitäten, die auch die kommerzielle Umsetzung im Blick hat. Es gibt auch Felder, in denen Vorsicht angebracht ist: Direkte Unterstützung von Startups ist ein solcher Bereich. Die Erfahrungen aus den USA zeigen, dass der Staat bei der Finanzierung oder der Forschungszusammenarbeit nur eine kleine Rolle einnimmt. Oft sind professionelle externe Investoren besser darin, viel versprechende Startups zu identifizieren. Ein zu starkes öffentliches Engagement birgt die Gefahr, diese zu verdrängen.

6. Schlussfolgerungen und Ausblick

Welche Veränderungen erwarten uns in der Zukunft? Eine weitere Medienrevolution? Elektrische Autos? Biotechnologie? Niemand kann das heute wissen, und wahrscheinlich wird der nächste Durchbruch an einer Stelle passieren, an die heute keiner denkt. Von diesem Umfeld profitieren gerade innovative Startups, denn sie experimentieren, scheitern und suchen schließlich erfolgreich nach sinnvollen Geschäftsanwendungen.

In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Gründer aus Hochtechnologiebranchen in den USA im Trend gestiegen. Rund 200.000 High-Tech-Startups wurden im Jahr 2006 gegründet. Das ist ein gutes Zeichen.

Die Unterschiede zwischen den US-Bundesstaaten zeigen, dass High-Tech-Gründungen dort florieren, wo der Zustrom neuer Ideen auf den Unternehmergeist trifft, der diese Ideen in marktfähige Produkte umsetzt.

Der wesentliche Unterschied zwischen den USA und Europa liegt weniger bei der Schaffung neuer Ideen, als vielmehr bei ihrer unternehmerischen Umsetzung. Das führt zu der Frage, welche Faktoren Gründer in den USA motivieren? Eine Analyse von fast 700.000 Individuen in den USA zeigt, dass sich die meisten Gründer durch eine Kombination aus Geschick, Risikotoleranz und Aufstiegswille auszeichnen. Solche Eigenschaften sind vor allem in der Mittelschicht verbreitet: Gute Ausbildung vermittelt das Geschick, Ressourcen in der Hinterhand erhöhen die Risikotoleranz, und der soziale Aufstieg ist möglich und gewünscht. Die Kombination dieser Eigenschaften findet sich auch häufig bei gut ausgebildeten Einwanderern, die hinter vielen High-Tech-Startups stehen, gerade in den Bereichen IT und Software.

Für viele Gründer ist es eine große Herausforderung, Zugang zu externen Investoren zu finden. Gründern, denen dies gelingt, haben im Schnitt eine höhere Erfolgsquote, denn sie haben die Qualitätskontrolle der Investoren bestanden und können auf reichhaltigere Kapitalpolster zurückgreifen. Banken und Kreditkarten- Gesellschaften sind, zur Überraschung vieler Beobachter, die größte Kapitalquelle. Nur bei innovativen Gründungen oder High-Tech- Startups gewinnt Eigenkapital an Bedeutung in der Kapitalstruktur.

Business Angels und VC-Fonds finanzieren den kleinen Anteil der besonders viel versprechenden Startups. In den USA erhalten weniger Unternehmen als in Europa eine VC-Kapitalspritze. Die jeweilige Investition ist jedoch deutlich höher. Das unterstreicht die mutigere und ehrgeizigere Herangehensweise US-amerikanischer Investoren und Gründer. Es hilft auch zu erklären, warum es den US-Gründern häufiger gelingt, in den Olymp der großen Unternehmen aufzusteigen.

Die Zahl der High-Tech-Gründungen dürfte in Zukunft weiter steigen. In Ländern wie China oder Indien arbeiten Millionen Ingenieure an neuen Ideen: Forschung wird global. Aber die US-Wirtschaft ist besonders stark in der Umsetzung von Forschungsergebnissen, egal woher sie kommen, in neue Geschäftsmodelle.

Die Finanzkrise und die nachfolgende wirtschaftliche Rezession unterstreichen die Bedeutung innovativer Gründungen. Sie können aus der Krise sogar Vorteile ziehen, da die ansonsten mächtigen Platzhirsche in der Krise verletzlich sind. Es ist kein Zufall, dass über die Hälfte aller gegenwärtigen Fortune 500-Unternehmen in einer ökonomischen Schwächephase gegründet wurden, obwohl solche Phasen historisch betrachtet eher selten sind. Es ist diese Fähigkeit, sich ständig neu zu erfinden, die den USA helfen wird, die Krise zu meistern und ihre führende Rolle als High-Tech Standort zu sichern.

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