IT-Offshoring – Was geht? Was geht nicht?

Niedrige Lohnkosten im Ausland, ein hohes Ausbildungsniveau und preisgünstige Telekommunikation begründen einen eindeutigen Trend: IT-Offshoring spart 35 Prozent der Kosten; 29 Prozent von 700 europäischen IT-Verantwortlichen würden Netzwerk- und Datenmanagement ins Ausland auslagern; der Anteil von Offshoring-Prozessen wird sich in den nächsten drei Jahren vervierfachen. Die Grundvoraussetzungen für erfolgreiches IT-Offshoring sind also gegeben und werden auch nicht in Frage gestellt. Die Frage ist damit nicht: „Lohnt sich IT-Offshoring?“, sondern „Wie mache ich IT-Offshoring, damit es sich lohnt?“

Um die Ziele als solche geht es hier nur kurz. Ausführlicher wird beschrieben, wie die Ziele des IT-Offshorings erreichbar werden. Das „Wie“ betrifft dabei Vorbereitung und Durchführung und damit vor allem die Bestimmung der offshore-tauglichen Aktivitäten, die Auswahl der richtigen Offshore-Ziele und Dienstleister und das Management der Offshore-Projekte.

Ziele des IT-Offshorings

Hauptziel für IT-Offshoring ist die Senkung der Kosten im IT-Bereich. Diese Kosten entstehen durch Lohnkostenunterschiede zwischen dem Offshore-Zielland und Deutschland. Je nach Zielland liegen die Arbeitskosten bei nur einem Drittel (Osteuropa) oder sogar nur einem Zehntel (Asien) der Kosten in Deutschland.

Häufig tritt aber das Kostenziel in den Hintergrund, sobald Unternehmen Erfahrungen im Offshoring gemacht haben. Ein führender Vertreter eines Offshore-Dienstleisters meinte hierzu einmal: „Die Kunden kommen wegen der Kosten – sie bleiben wegen der Qualität“. Sobald Unternehmen den hohen Kenntnisstand und die Qualität ausländischer Dienstleistungen selbst erfahren haben, erfolgt Offshoring vorwiegend, um mit bestehenden Budgets mehr Leistung einzukaufen, um die weltweit erworbene Expertise ausländischer Dienstleister oder auch Zeitzonenunterschiede zu nutzen.
International agierende Offshore-Unternehmen können sich weit besser auf bestimmte Problemstellungen fokussieren als allein nationale Unternehmen. Auf diese Art sind seltende IT-Skills international häufig leichter zu erhalten als bei den Anbietern „um die Ecke“.

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Ziele des IT-Offshorings und die „Katalysatoren“, die Rahmenbedingungen, die erfolgreiches Offshoring ermöglichen.

Der Weg zum erfolgreichen Offshoring

Vorbereitungsarbeiten

Am Anfang steht immer die Entscheidung, welche Aktivitäten zu welchem Zeitpunkt nach Offshore verlagert werden sollen. Unternehmen können bereits hier entscheidende Fehler machen, wenn sie nicht diejenigen Aktivitäten verlagern, die den meisten Erfolg versprechen, sondern kurzerhand die teuersten und komplexesten Aktivitäten verlagern, getreu dem Motto: „Wenn die Offshore-Anbieter billig sind und hohe Qualität versprechen, dann sollen sie das an unserem teuersten und kompliziertesten Projekt beweisen“. Damit wird übersehen, dass für erfolgreiches Offshoring von komplexen und grossen Projekten umfangreiche Erfahrung notwendig ist und dass diese Erfahrung zuerst in einfachen Offshore-Projekten gesammelt werden sollte.

Portfolioanalyse zur Untersuchung der Offshore-Tauglichkeit

In Vorbereitung des Offshorings sollten die zu verlagernden Tätigkeiten sorgfältig ausgewählt werden. Sinnvollerweise basieren die Schritte zur Verlagerung von einzelnen Aktivitäten auf einer „IT-Portfolioanalyse“, welche die Eignung aller einzelnen IT-Aktivitäten auf Offshore-Tauglichkeit ermittelt.

Die Aktivitäten für Offshoring lassen sich zuerst einmal nach den selben Regeln auswählen, die auch für den externen Bezug von lokalen IT-Dienstleistungen gelten: die Dienstleistungen sollten nicht Teil des Kerngeschäfts sein, und die Durchführung der Dienstleistungen sollte wenig unternehmensspezifisches Wissen erfordern. Bedingt durch die Distanz zwischen Offshore-Dienstleister und Anwender kommt beim Offshoring aber noch ein Kriterium hinzu, nämlich die Frage, ob sich die Distanz mittels geeigneter Massnahmen überwinden lässt. Distanz umfasst dabei weit mehr als nur die räumliche Distanz: Distanz kann im Offshoring auch kultureller, sprachlicher, zeitlicher oder technischer Natur sein. Je nach Zielland bestehen unterschiedlich weite Distanzen.

Länder wie Litauen weisen kaum Distanz zu Deutschland auf: Die Geschäftskultur ist mit der deutschen vergleichbar; technisches Wissen, Verständnis und Anspruch sind ähnlich; die Flugzeit beträgt 2 Stunden von verschiedenen Städten Deutschlands; und hin und wieder trifft man auf deutschsprachige Mitarbeiter, die anderen sprechen zumindest Englisch. Länder wie China sind dagegen in jeder Hinsicht weit entfernt: Die wenigen englischsprachigen Mitarbeiter werden ein ganz anderes Verständnis und eine ganz andere Arbeitsweise haben, als es der Auftraggeber von deutschen Unternehmen gewohnt ist. Aus Sicht der Risikominimierung sind daher vor allem jene Aktivitäten offshore-tauglich, bei denen eine Distanz zwischen Anwender und Dienstleister kaum eine Rolle spielt und die genannten Risiken daher kaum auftreten. Derartige Tätigkeiten sind beispielsweise:

– Überwachung von technischen Komponenten, die auch bisher schon „remote“, also von einem anderen Standort, erfolgte, beispielsweise Wartung und Überwachung von Servern.

– Übernahme von klar definierten, ggf. standardisierten, stabilen Aufgabestellungen in der Softwareentwicklung. Offshore-tauglich ist also weniger die Neuentwicklung eines Systems für neue Anforderungen, die sich laufend ändern, sondern vielmehr die Wartung eines bestehenden Systems, beispielsweise die Systemmigrationen von einer Plattform auf eine andere bei gleichbleibender Benutzerfunktionalität, technische Verbesserungen am System wie z.B. Performancetuning oder auch Routinetätigkeiten wie das Erstellen von Berichten.

Zur Beurteilung der Offshore-Tauglichkeit müssen aber auch die Chancen beurteilt werden, die durch Verlagerung nach Offshore realisiert werden können. Diese Chancen bestehen in der Erfüllung der eingangs genannten Ziele: nämlich der Kostensenkung im IT-Bereich und der Verkürzung von Projektlaufzeiten.

Kostensenkung wird vor allem bei denjenigen Tätigkeiten möglich, bei denen ein hoher personeller Aufwand entsteht. Wenn dieser Aufwand vor allem in Routinetätigkeiten besteht, die im Ausland ohne grössere Trainingsmassnahme durchgeführt werden können, ist die Einsparung besonders hoch. Eine Verkürzung von Projektlaufzeiten ergibt sich dann, wenn im Ausland mehr relevante Erfahrung bereitsteht als im Inland oder wenn im Ausland intensiver gearbeitet wird.

In der nachfolgenden Tabelle sind anhand der Risiken und Chancen des IT-Offshorings die wesentlichen Kriterien zur Beurteilung der Offshore-Tauglichkeit zusammengestellt:

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Für erfolgreiches IT-Offshoring werden alle IT-Aktivitäten eines Unternehmens nach diesen Kriterien untersucht und mittels Punktesystem bewertet. Die Aktivitäten werden dabei in drei Dimensionen untersucht:

– horizontal nach Softwarelebenszyklus von „Anforderungsanalyse“ über „Design“ bis zu „Betrieb“ und „Wartung“

– vertikal nach IT-Architektur von Hardware über Betriebssystem bis zu individuell angepasster Software.

– räumlich nach Anwendungssystem

Dabei entsteht ein „Würfel“, in dem jeder einzelne Teilbereich auf seine Offshore-Tauglichkeit nach den genannten Kriterien untersucht werden sollte. Nachfolgende Abbildung zeigt, wie ein derartiger Würfel für ein Unternehmen in vereinfachter Form aussehen könnte.

Betrachtet man eine „Scheibe“ dieses Würfels, also den Bereich eines einzigen Anwendungssystems, so erhält man üblicherweise ähnliche Ergebnisse: es sind vor allem diejenigen Aktivitäten offshore-tauglich, die sich auf einem niedrigen Niveau befinden und deren Softwarelebenszyklus weit fortgeschritten ist, die sich also bereits in der Wartung oder im Betrieb befinden und – grafisch betrachtet – in einer Scheibe „unten rechts“ sind.

Beispiel: Der Betrieb von IT-Infrastruktur wie Anwendungsservern, Datenbankservern, Webservern, Mailservern, Virusscannern und Firewalls ist weltweit gleich zu handhaben, mittlerweile werden die Tätigkeiten im Bereich der IT-Infrastruktur sogar mittels der „IT Infrastructure Library“ (kurz ITIL) standardisiert. Damit kann der Infrastrukturbetrieb vergleichsweise leicht in weit entfernte Länder verlagert werden, durch die weite Entfernung und den damit verbundenen Zeitzonenunterschied können sogar weitere Vorteile entstehen.

Diese Ergebnisse überraschen nicht, wenn man sich überlegt, dass diese offshore-tauglichen Aktivitäten üblicherweise stabil laufen, gut dokumentiert sind, wenig unternehmensspezifisches Wissen erfordern und trotzdem einigen manuellen Aufwand erfordern. Als offshore-untauglich stellen sich dagegen häufig die Aktivitäten heraus, die sich auf einer Scheibe „oben links“ und damit auf einer hohen Architekturebene befinden und erst ein frühes Softwarelebensstadium erreicht haben. Derartige Tätigkeiten, z.B. die Anforderungsanalyse für ein neues Softwaresystem, sind üblicherweise noch instabil, wenig dokumentiert und stark von den unternehmensspezifischen Prozessen abhängig. Distanzbedingte Risiken würden sich bei derartigen Aktivitäten so stark auswirken, dass Offshoring nicht sinnvoll ist.

Zwischen den Extremen – „offshore-untauglich“ oben links und „offshore-tauglich“ unten rechts – befindet sich eine Grauzone: diese umfasst Aktivitäten, bei denen einiges für Offshoring, einiges aber auch für den Verbleib der Aktivitäten nahe beim Anwender spricht, beispielsweise die komplette Neuentwicklung von Softwaresystemen. Es entspricht der Erfahrung des Autors, dass derartige Aktivitäten oft mit Erfolg ins nahegelegene Ausland, z.B. nach Osteuropa, verlagert werden, also in Länder, die oft auch als „Nearshore-Gegenden“ (im Gegensatz zu „Farshore“) bezeichnet werden.

Nearshore und Farshore

Damit entstehen drei Klassen von Offshore-Tauglichkeit:

– die Klasse der Offshore-untauglichen Aktivitäten, die in Deutschland verbleiben sollten (in der Abbildung rot dargestellt)
– die Klasse der bedingt offshore-tauglichen Aktivitäten, die in Nearshoreländer in Osteuropa verlagert werden können (in der Abbildung gelb dargestellt)
– die Klasse der offshore-tauglichen Aktivitäten, die nach nearshore oder farshore verlagert werden können (in der Abbildung grün dargestellt).

Wie aus der Grafik ersichtlich, gibt es bei höherwertigen IT-Dienstleistungen auf der Ebene der Anwendungsentwicklung weniger Aktivitäten, die bedingungslos nach offshore verlagert werden können. Ein Grossteil dieser Aktivitäten ist nur bedingt offshore-tauglich, kann allerdings nach Nearshore verlagert werden.

A.T.Kearney veröffentlicht jährlich einen „Offshore Location Attractiveness Index“, der Zielländer des Offshorings nach verschiedenen Kriterien beurteilt. Dies sind im wesentlichen: Fähigkeiten von Mitarbeitern und deren Verfügbarkeit; finanzielle Faktoren wie Lohnkosten, Lohnnebenkosten, Steuern und Kosten für Infrastruktur; und wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie Stabilität, Ausbau der Infrastruktur und Schutz von Daten und geistigem Eigentum.

Mittelständler profitieren vom Nearshoring mehr als vom Farshoring

Grosse Unternehmen können es sich leisten, beim Offshoring eine Strategie des „Global Sourcings“ mit mehreren Zielländern zu verfolgen und für jede Aktivität das attraktivste Land gemäss der Standortfaktoren auszuwählen: sie entscheiden sich beispielsweise für die Verlagerung von umfangreichen Programmierarbeiten nach Indien und die Verlagerung kleinerer, innovativer Projekte nach Osteuropa. Andere Grossunternehmen investieren im Ausland, um eigene Entwicklungszentren aufzubauen und durch Trainingsmassnahmen die Distanz zu überwinden. Umfangreiche Aktivitäten mit mehreren hundert Mitarbeitern können schon deshalb nur in weit entfernte Länder verlagert werden, weil nur in Indien oder China eine ausreichend hohe Personalkapazität bereitsteht. Osteuropäische Unternehmen, die üblicherweise nur wenige hundert Mitarbeiter oder sogar weniger beschäftigen, werden für Grossprojekte daher nicht in Frage kommen.

Mittelständische Unternehmen, die weniger umfangreiche IT-Aktivitäten durchführen, haben häufig nicht ausreichend Aktivitäten, die eine Auslagerung nach farshore rechtfertigen. IT-Experten, die für mittelständische Unternehmen arbeiten, sind häufig weniger spezialisiert und müssen unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. Der Umfang der IT-Aktivitäten in mittelständischen Unternehmen erfordert auch meist nur zwei- oder dreistellige Teamgrössen. Da mittelständische Unternehmen ihre Prozesse nicht international ausrichten, ist es für solche Unternehmen auch besonders wichtig, Kulturunterschiede zu vermeiden.

Mittelständische Unternehmen werden IT-Offshoring daher häufig besser mit nahegelegenen Nearshore-Partnern praktizieren als mit weit entfernten Partnern aus Indien oder China. Da sich bei dieser Praxis bis zu 70% der IT-Aktivitäten aus Nearshore beziehen lassen, sind auch hier wesentliche Kostenvorteile erreichbar.

Der richtige Zeitpunkt

Bereits zuvor wurde erwähnt, dass Unternehmen nicht nur eine Entscheidung über die Art der zu verlagernden Aktivitäten treffen müssen, sondern auch den richtigen Zeitpunkt der Verlagerung bestimmen müssen. Auch umfangreiche und komplexe Aktivitäten können offshore-tauglich sein, sollten aber erst dann verlagert werden, wenn das Unternehmen zuvor einige Erfahrung im Offshoring einfacherer Aktivitäten gesammelt hat.

Werden Verlagerungen zum falschen Zeitpunkt vorgenommen, so scheitert damit häufig die gesamte Offshore-Strategie des Unternehmens. Wie jeder Neuentwicklung stehen Offshoring häufig Resentiments aus vielen Richtungen entgegen, beispielsweise vom Betriebsrat, der negative Auswirkungen auf die Beschäftigten oder auch den Standort Deutschland befürchtet, oder von bisherigen Softwareentwicklern, die den Verlust von Einflussbereichen fürchten. In derartigen Situationen ist es für die Befürworter des Offshorings schwer, im Fall von Misserfolgen an der eingeschlagenen Strategie festzuhalten. Daher ist es wichtig, Offshoring mit den Aktivitäten zu starten, bei denen eine Verlagerung die besten Chancen und wenigsten Risiken beinhaltet und bei denen die Ergebnisse der Verlagerung schnell und weithin sichtbar sind.

Sinnvollerweise startet das Unternehmen daher Offshoring mit kleineren Aktivitäten, sodass der Erfolg des Offshorings schnell gemessen werden kann und Erfahrungswerte schnell zur Verfügung gestellt werden können. Dies sind die sogenannten „Quick-Wins“ oder „Low-Hanging Fruits“. Erst wenn die Ergebnisse dieser ersten Verlagerungen vorliegen, können umfangreichere Aktivitäten verlagert werden, die komplexeres Management erfordern oder auch für den Unternehmenserfolg kritischer sind als die anfangs verlagerten Prozesse.

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Kriterien, die zur richtigen Wahl des Zeitpunkts angewandt werden sollten.

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Selber machen oder machen lassen? Organisationsformen für Offshoring

Ein Unternehmen kann IT-Offshoring innerhalb der eigenen Organisation oder von externen Anbietern nutzen. SAP baut beispielsweise in Indien ein eigenes Entwicklungszentrum auf. Auch Microsoft, Oracle oder Siemens besitzen grosse Softwarezentren in Indien. In anderen Fällen nutzen Anwender externe Dienstleister aus Offshore-Ländern, beispielsweise die „GFKL Financial Services AG“ mit der Beauftragung von Baltic Software Solutions aus Litauen oder Swisscom mit der Beauftragung von Reksoft aus Russland. Andere Fälle sind bekannt, nach denen deutsche Unternehmen joint-ventures mit offshore-IT-Unternehmen gründeten.

IT-Offshoring kann unabhängig davon erfolgen, ob die Offshore-Organisation intern oder extern zum Anwenderunternehmen existiert. Das sogenannte „Offshore-Outsourcing“ ist nur eine Spezialform des Offshorings, bei der bisher interne Aktivitäten gleichzeitig an externe und auch offshore gelegene Anbieter verlagert werden.

Statt Outsourcing kann Offshoring aber auch in der Form erfolgen, dass ein lokaler externer Anbieter zugunsten eines offshore-Anbieters gewechselt wird. Sind bestimmte Aktivitäten nicht Teil des Kerngeschäfts, können diese extern geleistet werden, also outgesourced werden, offshore oder lokal. Sind die Aktivitäten Teil des Kerngeschäfts, wie z.B. Softwareentwicklung bei SAP, so können diese immer noch offshore erfolgen, wenn auch nicht als outsourcing. Die Diskussionen und Entscheidungen zu Offshoring und Outsourcing sollten daher unabhängig voneinander geführt werden.

Die Entscheidungsmöglichkeiten sind in nachfolgender Abbildung noch einmal dargestellt:

Potentielle Dienstleister können über deren Werbung im Internet, als Mitglieder nationaler IT-Organisationen, über Messen in Deutschland oder durch Einschaltung von Beratungsunternehmen gefunden werden.

Die Auswahl der Anbieter erfolgt zuerst einmal nach für die Auswahl externer Anbieter üblichen Kriterien: Preis-/Leistungsverhältnis, Zuverlässigkeit, Referenzen, Qualitätsmanagement, fachliches und technisches Know-How. Im Falle der Auswahl von Offshore-Anbietern gelten weitere Kriterien:

– Der Anbieter sollte Verträge nach deutschem Recht und mit deutschem Gerichtsstand anbieten.
– Der Anbieter sollte ausreichenden Schutz des geistigen Eigentums bieten und sicherstellen, dass die Datenschutzanforderungen des Auftraggebers erfüllt werden.
– Der Anbieter sollte Ansprechpartner in der für den Anwender notwendigen Sprache auf verschiedenen Ebenen vorweisen können.
– Der Anbieter sollte dem Anwender Werkzeuge zur Verfügung stellen, mittels derer der Stand der Offshore-Aktivitäten kontrolliert werden kann.
– Hilfreich, vor allem bei Farshore-Dienstleistern, ist ausserdem die Verfügbarkeit einer Niederlassung in Deutschland.

Schliesslich sollten Grössenverhältnisse von Anwender und Dienstleister zueinander passen, sodass beide „auf Augenhöhe“ miteinander umgehen können. Arbeitet ein kleines mittelständisches Unternehmen mit einem der grössten indischen IT-Dienstleister, so kann es keine Sonderbehandlung erwarten. Langfristige Partnerschaften entstehen vor allem dann, wenn die Partner unabhängig sind und gegenseitig immer wieder sichtbaren Nutzen vorweisen können. Dies ist bei passenden Grössenverhältnissen am ehesten der Fall.

Durchführung des Offshorings

Offshore-Projekte können grundsätzlich mit denselben Methoden durchgeführt werden wie lokale Projekte; vorausgesetzt, der Dienstleister unterstützt diese Methoden. Für Softwareentwicklung können (Rapid-)Prototyping, Extreme-Programming oder auch – heute seltener praktiziert – die klassische Wasserfallmethode, ggf. mit verschiedenen Releases eingesetzt werden. In jedem Fall sind sorgfältige Anforderungsanalyse, Designarbeiten, Codierung, verschiedene Tests und Change Management notwendig.

Einige Aufgaben kommen beim Offshoring hinzu, teilweise steigt auch die Bedeutung einzelner gewohnter Aufgaben. Als erstes kommt die Aufgabe hinzu, bei der Projektplanung den Einsatzort – offshore vs. onsite – während der verschiedenen Projektphasen und Aktivitäten zu bestimmen. Dazu kommen Aufgaben, um die technische Infrastruktur auf die Kommunikation zwischen Onsite und Offshore einzurichten und z.B. Standleitungen hierfür bereitzustellen. Weiter müssen die Aufgaben so organisiert werden, dass möglichst eine hohe Unabhängigkeit zwischen den Aktivitäten an den einzelnen Projektorten besteht. Eine höhere Bedeutung als bisher erlangen elektronische Werkzeuge, die zur Zusammenarbeit zwischen Projektteams eingesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise Werkzeuge für folgende Aufgaben: Anforderungsmanagement, Verwaltung offener Fragen (Issue Management), Aufgabenplanung (Task Management), Design mittels standardisierter Methoden wie Unified Modeling Language (UML), Testmanagement und Dokumentation.

Viele Offshore-Anbieter sind mittlerweile führend in der Anwendung dieser Werkzeuge. Die Softwareentwicklungsmethoden vieler Offshore-Dienstleister sind häufig nach sehr hohen Standards wie „CMMi Level 5“ (Capability Maturity Model Integration) zertifiziert. Dementsprechend erreichen Sie eine sehr hohe Produktivität bei der Softwareentwicklung.

Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten

Die genannten Werkzeuge und Qualitätsmethoden können zwar den Bedarf an Kommunikation verringern. Für den verbleibenden Kommunikationsbedarf sollten aber zusätzliche Möglichkeiten und Anreize geschaffen werden, damit Mitarbeiter oder Teams nicht isoliert oder in verschiedene Richtungen arbeiten. Zur Verbesserung der Kommunikation sind zum einen technische Massnahmen, aber auch zusätzliche Dienstreisen notwendig. Technische Massnahmen können beispielsweise die Ermöglichung von Videokonferenzen sein, zeitgemässe Voice-Over-IP-Technik macht die Kommunikation dabei preiswert.

Der nachfolgende Reisebericht soll zeigen, dass die zusätzlich erforderlichen Dienstreisen unkompliziert und auch bei farshore-Ländern wie Indien gut zu bewältigen sind.

Eine Reise zum Dienstleister sollte Teil des Auswahlprozesses sein. Vor Ort kann man sich am besten von Mitarbeitern, Arbeitsbedingungen und Qualität ein Bild verschaffen. Im Anschluss an die Vergabe sind Reisen zwischen Dienstleister und Anwender aber mindestens ebenso wichtig. Beispielsweie sollten regelmässig Statustreffen gemeinsamer Teams abwechselnd am Ort des Anwenders und am Ort des Offshore-Dienstleisters stattfinden. Dazu sollten Teams während geeigneter Projektphasen, beispielsweise der Anforderungsanalyse oder dem Test an einem Standort zusammenarbeiten.

Da Reisen in die Offshore-Länder häufig für die Anwender ungewohnt sind, endet dieser Bericht mit Reiseeindrücken, um Anwendern möglicherweise bestehende Vorbehalte zu nehmen. Zwei Reisen des Autors werden hier kurz geschildert: eine in das indische Softwarezentrum Bangalore und eine andere zu Softwareunternehmen in Litauen.

Indien: In „electronics city“ bestimmen nicht Kühe, sondern High-Tech das Straßenbild

Vor der ersten Reise nach Bangalore mag man Bilder von Indien im Kopf haben, die von Armut und hoher Bevölkerungsdichte, aber auch traumhaft schöner Landschaft und uralten Kulturen geprägt sind. Die meisten dieser Vorstellungen passen nicht zu Bangalore, dem „Silicon Valley Indiens“. Wer rechtzeitig reserviert und einen Platz im inzwischen fast täglichen Direktflug Frankfurt – Bangalore bekommt, ist in etwa zehn Stunden dort. Zuvor benötigt er ein Visum, das bei Vorlage einer Einladung des indischen Geschäftspartners innerhalb einer Woche per Post erhältlich ist. Für den Autor waren weitere Vorbereitungen nicht nötig, der Arzt empfahl auch keine besonderen Impfungen für Bangalore. Am Flughafen Frankfurt erfolgte noch ein Geldwechsel in indische Rupien, aber das Geld ist auch im Hotel oder sogar an manchen Geldautomaten in Bangalore erhältlich.

Nachts in Bangalore angekommen, wird man trotz der Menschenmassen schnell vom Abholer gefunden und zum Hotel gefahren. Diese Hotels, sehr zu empfehlen ist das Leela Palace, bieten mindestens den gewohnten Standard einschliesslich Internet-Verbindungen und Geldwechselmöglichkeit und verführen dazu, im Restaurant oder Freibad die Dienstreise zum Urlaub werden zu lassen. Hat man allerdings gleich am morgen zu tun, muss man früh aufstehen – die Zeit ist Deutschland 3,5 Stunden voraus – und bis nach „electronics city“ in Bangalore, wo viele IT-Unternehmen ihre Büros haben, ist es mit dem Auto (und Fahrer) noch eine Stunde Fahrt.

In der Regel wird alles vom Gastgeber organisiert, ansonsten kann auch das Hotel einen Fahrer bereitstellen. Die Mutigen können eine Motor-Rikscha anhalten und quer durch das Bangalorische Getümmel fahren. Alles ist voll von Menschen, auf den Strassen ist dichter Verkehr. Von der Armut, die in anderen Teilen Indiens herrscht, ist in Bangalore wenig zu sehen. Grund dafür ist der Aufschwung, den die vielen IT-Firmen hier bringen. Diese Firmen geben ihren Mitarbeitern Arbeitsplätze, die in ihrer Qualität vielen hiesigen Arbeitsplätzen nicht nachstehen. Die Büros sind Glaspaläste in grünen Parks, sodass man mehr an Silicon Valley als an das traditionelle Bild von Indien erinnert wird.

Sicherlich werden Sie bei einem Besuch in Indien davon überwältigt zu sehen, wie weit die indische IT-Industrie fortgeschritten ist.

Litauen: Tagesausflug zu Kollegen

Eine Reise nach Bangalore ist unproblematisch, aber doch zeitintensiv und geht in eine klimatisch und kulturell völlig andere Welt. Eine Reise ins Baltikum nach Litauen lässt erkennen, dass die Distanzen in Nearshore-Länder aus vielerlei Hinsicht viel geringer als in Farshore-Länder oder gar nicht vorhanden sind.

Das beginnt mit der Flugreise: Die Städte Vilnius und Kaunas sind von vielen deutschen Städten via Direktflug erreichbar, beispielsweise von München, Hamburg, Frankfurt und Köln. Die Kosten betragen ein Zehntel des Flugs nach Bangalore, die Flugzeit beträgt um die zwei Stunden. Vilnius und Kaunas sind die Zentren der Informationstechnologie in Litauen, vermutlich historisch bedingt durch die Universitäten, die sich in beiden Städten befinden und die Unternehmen mit Nachwuchs versorgen.

Die beiden Städte sind 1-2 Stunden per Zug oder Auto voneinander entfernt. Beide Städte bestechen durch ihre Schönheit und Vielfalt an historischen Bauten, vor allem in Vilnius ist soviel renoviert worden, dass man sich zu Hause fühlt und nichts mehr vom Sozialismus merkt. Damit ist eine Reise nach Litauen kaum zu unterscheiden von einer Reise nach Hamburg oder München.

Diese Nähe ist es auch, die in den Arbeitsbeziehungen zwischen Litauern und Deutschen spürbar ist: man versteht sich schnell (wenn auch auf Englisch), man teilt ähnliche Ansichten zu vielen Themen, die technischen Grundlagen und Ansprüche sind vergleichbar, und abends das Bier in den Kneipen schmeckt sicher auch, wem das Bier in Deutschland schmeckt. Spätestens beim Abendessen sind dann alle Distanzen des Offshorings überwunden. Das ist vermutlich einer der Hauptgründe, warum es so viele Erfolgseschichen des Offshorings nach Osteuropa gibt.

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