Software-Häuser: Wandel vom Produkthersteller zum Solution-Provider

Der Einsatz innovativer Software-Anwendungen und die reibungsfreie Zusammenarbeit mit den Software-Häusern bleiben auch nach dem DotCom-Crash tragende Säulen jedes erfolgreichen Geschäftsmodells. Die weitere Digitalisierung der Ökonomie und die zunehmende Vernetzung der Akteure gehen mit der Reorganisation traditioneller Wettbewerbsbeziehungen einher. Mit dem technischen Fortschritt wird der traditionelle horizontale Wettbewerb zwischen den Unternehmen auf einer Wertschöpfungsstufe durch den Wettbewerb ganzer Wertschöpfungsketten abgelöst.

Von jeher wirtschaften die Software-Häuser, als Anbieter von Software- Produkten, in sehr dynamischen Märkten. Unmittelbarer als in anderen Segmenten der Volkswirtschaft, entscheidet sich das Verbleiben der einzelnen Software-Häuser im Markt an der Bereitschaft, Produkte und Service-Leistungen ständig fortzuentwickeln. Die aktuell vollzogenen Übernahmen bei den großen, international agierenden Häusern führen die Intensivierung des weltweiten Wettbewerbs im Software-Markt eindrucksvoll vor Augen.

Diese Studie skizziert zunächst aus der Anwendersicht die entscheidenden Trends in der Produktpalette der Software-Häuser – von der System-Software bis hin zur Anwender-Software. Neue Ansätze bei der Software-Entwicklung, z.B. in Form von Open Source Software oder der Model Driven Architecture (MDA), bleiben aufgrund der Außensicht dieser Studie ebenso ausgeklammert, wie die Konvergenz der Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien), etwa in Form von Voice over Internet Protocol (VoIP). Abschließend wird das Marktumfeld der Software-Häuser im internationalen Vergleich quantifiziert.

Standardisierung: der aktuelle Software-Trend

Software hilft dem Entscheider im Unternehmen, den Informations- und Materialfluss entlang der Wertschöpfungskette zu optimieren. Um die Geschäftsprozesse effizient zu gestalten, muss die Software auf die aktuellen Anforderungen zugeschnitten sein. So ging die mit der Euro- Umstellung und mit dem „Jahrtausend-Problem“ (Y2K) verbundene große IT-Investitionswelle in den Unternehmen zumeist mit einem Umstieg auf standardisierte, breiter einsetzbare Software-Anwendungen einher.

Die Software-Häuser reagieren mit weiterentwickelten Strategien auf diesen großen Trend zur Standardisierung. Derzeit verfolgen insbesondere die großen, international positionierten Software-Häuser vermehrt integrative Ansätze, die deutlich über ihre ursprüngliche Angebotspalette hinausgehen. Darunter fallen insbesondere solche Strategien, die die beiden Absatzfelder System-Software (Software, die an der Schnittstelle von Hardware und Anwender-Software ansetzt und allein vom System-Administrator bedient wird) und Anwender-Software (Software, die der Endanwender bedient) miteinander verbinden. Von der Warte der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes und der modernen Dienstleister aus betrachtet, wandeln sich die Software- Häuser vom Produkt-Hersteller zum Solution-Provider für umfassende Lösungen. Diese Entwicklung im Software-Bereich begünstigt insbesondere die großen US-amerikanischen Häuser und benachteiligte die typischerweise auf individuelle Lösungen spezialisierten kleinen europäischen Mitbewerber. Um im Markt zu bestehen, müssen die Software-Häuser schnell auf die sich rapide ändernden Anforderungen des verarbeitenden Gewerbes und der modernen Dienstleister reagieren. Innovative Geschäftsmodelle fokussieren darauf, den Kontakt zwischen Zulieferern und Abnehmern wesentlich zu verbessern.

Web-Publishing auf Mehrwertigkeit hin hinterfragen

Gemäß der Form der Interaktion innerhalb der Wertschöpfungskette lassen sich die innovativen Geschäftsmodelle in die drei Kategorien Web-Publishing, Web-Anwendungen und Web-Services eingruppieren.

Das sich ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre immer mehr verbreitende Internet-unterstützte Geschäftsmodell der ersten Kategorie, Web-Publishing, nutzt das Web in seiner Außenwirkung als Marketing- Instrument. In der ursprünglichen Form des Web-Publishing decken sich die Sites weitgehend mit den gedruckten Broschüren und Berichten der Unternehmen, d.h. die Web-Sites enthalten im Vergleich zu den traditionellen Print-Produkten keine zusätzliche Information. Aus Sicht des Kunden ist dieses Modell wenig zufriedenstellend. Dementsprechend provoziert der Internet-Geschäftsmann Greg Gianforte mit seiner These: “Thus, an exclusively first-generation approach to web site content will actually drive customers away from the site and force them to regularly use slower, less cost-efficient communication channels.

Frustrated web site visitors are easily lured by competitors offering better, fresher information online.” Die Software-Häuser sind demnach gefordert, über diesen ersten Internet-gestützen Marketing-Ansatz auf Basis statischer Information hinaus zu gehen.

Wertschöpfungskette rückt dank Internet zusammen

Die Web-Anwendung – das Internet-unterstützte Geschäftsmodell der zweiten Kategorie – verfolgt einen nach innen gerichteten Ansatz. Das Modell der Web-Anwendung zielt auf die Optimierung der Geschäftsprozesse entlang der Wertschöpfungskette und steht damit ergänzend neben dem nach außen gerichteten Modell des Web-Publishing. Die von den Software-Häusern angebotenen Web-Anwendungen firmieren unter Customer Relationship Management (CRM), Enterprise Resource Planning (ERP) und Supply Chain Management (SCM). Die Web-Anwendungen CRM, ERP und SCM stehen vor dem Problem, dass die IT-Strukturen in den Unternehmen zumeist als Insellösung über die Zeit gewachsen und selten als umfassende Lösung über Software-Schichten und Schnittstellen hinweg konsequent aufeinander abgestimmt sind. In vielen Unternehmen stehen die verschiedenen IT-Anwendungen bestenfalls als lose verbundener Flickenteppich nebeneinander.

Entsprechend sorgen die Verwendung von proprietären Programmcodes, die Inkompatibilität verschiedener Software- Anwendungen, undurchsichtige Lizenzbedingungen und überfrachtete Funktionalitäten für Reibungsverluste und mangelnde Akzeptanz dieser Software-Lösungen im Wertschöpfungsprozess.

Angesichts der Reibungsverluste der Web-Anwendungen gewinnt das Thema Systemintegration bei den Software-Häusern immer mehr Gewicht.

Der Ansatz des Enterprise Application Integration (EAI) erlangt dabei zunächst besondere Aufmerksamkeit. Klassisches EAI erreicht eine verbesserte Prozess- und Ressourcen-Effizienz über die grundsätzliche Reorganisation der Unternehmensstrukturen. Vertrieb, Materialwirtschaft, Produktion bzw. Rechnungswesen und die darauf aufsetzenden CRM-, SCM- bzw. ERP-Anwendungen sind nach den Vorgaben der EAI-Anwendung auszurichten.

Die Software dient nicht mehr allein den vorgegebenen Prozessen, sondern bestimmt die Struktur der Prozesse mit. Einerseits erreicht EAI mit diesem fundamentalen Ansatz zwar eine unmittelbare und reibungsfreie Einbindung der unternehmerischen Prozesse in die Wertschöpfungskette.

Andererseits baut dieses Vorgehen aber auch auf ein Investitionsbudget, das viele Unternehmen überfordert.

IT-Architektur bei enger Budgetrestriktion effizient gestalten

Die kostengünstige Integration der bislang nebeneinander stehenden Anwendungen des Web-Publishing und der Web-Anwendungen wird immer mehr zum dominierenden Software-Trend. So erweitert das neueste Internet-unterstützte Geschäftsmodell der dritten Kategorie, Web-Services, die integrative Idee der EAI. Dieses nun aufkommende Web-Services-Modell reagiert dabei aber unmittelbarer als die EAI auf die enge Budgetrestriktion der Unternehmen. Web-Services bauen auf den bereits vorhandenen IT-Systemen auf. Sie verdrängen damit nicht die Lösungen des Web-Publishing und der Web-Anwendungen. Stattdessen formen Web-Services eine systemunabhängige Plattform, die es ermöglicht, die verschiedenen nach innen und nach außen gerichteten Software-Anwendungen in ein umfassendes Konzept einzupassen.

Wegen der modularen Struktur können die Unternehmen nach und nach diejenigen Software-Bausteine implementieren, die sie auch tatsächlich benötigen. Da Web-Services auf den bereits im Unternehmen vorhandenen IT-Systemen aufsetzen und als zueinander passende Software-Bausteine strukturiert sind, sind sie sequentiell zu implementieren und somit wesentlich kostengünstiger als die klassischen EAI-Systeme.

Doch über das Kostenargument hinaus sprechen auch die neuen Anwendungsoptionen nachdrücklich für Web-Services. So ermöglichen Web-Services neben der Interaktion zwischen Mensch und Maschine (Integration) nun auch die besonders zukunftsträchtige Interaktion zwischen Maschinen (Interoperabilität). Mit der voran schreitenden Digitalisierung der Ökonomie und der weiteren Automatisierung der Prozesse wird die Interaktion von Maschine zu Maschine bei kommerziellen Anwendungen immer mehr nachgefragt werden.

Die Web-Services sind heute noch nicht hinlänglich im kommerziellen Markt etabliert. Gleichwohl überzeugt das Modell durch seinen kostengünstigen integrativen Ansatz. Demnach sollte der Markt für Web- Services binnen der nächsten drei Jahre deutlich anwachsen.

Fragmentierter Software-Markt: typisch Europa!

Während die europäischen Software-Häuser typischerweise mit länderspezifischen juristischen und kulturellen Eigenheiten kämpften, profitieren die amerikanischen Mitbewerber unmittelbar von der Größe und Homogenität ihres Heimatmarktes. Dies wird über die drei Aspekte Standardisierung, Netzwerkeffekt bzw. den Ideentransfer in geografisch konzentrierten Branchen marktrelevant.

Zum einen trug die Größe des Marktes dazu bei, dass die IT-Unternehmen in den USA das weltweit bedeutendste Agglomerat bildeten.

Die geografische Konzentration der Branche begünstigt den direkten gegenseitigen Austausch zwischen Geschäftswelt und akademischer Forschung. Letztlich sind in solchen Agglomerationen die Innovationszyklen erheblich verkürzt, d.h. die geografische Konzentration ermöglicht, dass neue Forschungsergebnisse sehr viel schneller im kommerziellen Markt umgesetzt werden. Zum anderen haben die im homogenen Heimatmarkt wirtschaftenden Software-Häuser allein dank ihrer Größe die Möglichkeit weltweite IT-Standards zu beeinflussen. Dieser Vorteil beim Standardisierungsprozess führt dazu, dass die US-amerikanischen Software-Häuser schnell Weltmarktanteile erobern. Darüber hinaus ist dieser Effekt selbst verstärkend, da die Attraktivität des Netzwerk-Gutes Software bei den Anwendern nochmals mit zusätzlicher Nachfrage steigt.

Dagegen konnten die typischerweise kleinen europäischen Software- Häuser bei den Konstellation ihres Heimatmarktes lediglich ein sehr begrenztes Wachstumspotenzial erreichen. Aufgrund dieses Marktumfeldes lag es nahe, sich auf individuelle Lösungen für spezielle Untersegmente oder sogar auf einzelne Kunden zu konzentrieren.

Deutschland verliert international an Boden

Die Marktkonstellation und der Ausblick unterscheiden sich im internationalen Vergleich sehr deutlich. Am Weltmarkt für Software-Produkte hält Deutschland einen Anteil von rd. 8%. Damit ist der deutsche Markt gut ein Fünftel so groß wie der US-amerikanische – dem mit Abstand größten Software-Markt. Doch abseits des globalen Größenvergleiches offenbart der gesamteuropäische Vergleich durchaus die Bedeutung Deutschlands bei Software-Produkten. So war der deutsche Software- Markt 2004 knapp 8mal größer als der gesamte osteuropäische und rd. 14% größer als der britische – dem zweitgrößten Markt in der EU-15.

Allerdings entwickelten sich die nationalen Software-Märkte recht heterogen. So hat der deutsche Markt für Anwender-Software gegenüber Osteuropa zwischen 2003 und heute um knapp 7% p.a. verloren, gegenüber Großbritannien aber um knapp 2% p.a. gewonnen. Bei der System-Software verlor Deutschland gegenüber Großbritannien im gleichen Zeitintervall mehr als 3% p.a., gegenüber Osteuropa sogar knapp 8% p.a. Deutschland bleibt zwar auch auf absehbare Zeit einer der größten Software-Märkte in Europa. Von der gesamteuropäischen Perspektive aus betrachtet, verschiebt sich gleichwohl die Bedeutung einiger Länder. Insbesondere die osteuropäischen Märkte wachsen weiter und legen an Gewicht zu.

Die Unternehmen wollen die unternehmerischen Prozesse unmittelbar und reibungsfrei in die Wertschöpfungskette einbinden. Den Software- Häusern mit ihren innovativen Lösungen eröffnen sich damit große Marktpotenziale. Gleichwohl differieren die Aussichten der Software- Häuser aufgrund der unterschiedlichen Größe und Homogenitätsgrade ihrer Heimatmärkte sehr deutlich. So werden die Umsätze mit Software- Produkten (zu Preisen von 2003) in den USA von heute EUR 96,6 Mrd. auf 125 Mrd. in 2008 steigen. In der gleichen Zeitspanne klettern die Software-Umsätze in Deutschland von EUR 15,4 Mrd. auf 21 Mrd. und in Osteuropa von EUR 2 Mrd. auf 4 Mrd. Global ergibt sich bei Software-Produkten die Steigerung des Umsatzes von heute EUR 190,1 Mrd. auf 270 Mrd. in 2008.

Aussichten für Deutschland: wolkig mit Auflockerungen

Nach der Stagnation Anfang 2004 keimen bei den deutschen Software- Häusern derzeit wieder Hoffnungen auf. So stieg der ifo-Index der Geschäftserwartungen nach einer längeren Durststrecke in H2/2004 wieder an. Daneben spricht auch die ifo-Erhebung zur Beschäftigung dafür, dass der lang anhaltende Personalabbau nun abgeschlossen ist.

Doch der Hoffnungsschimmer der Gesamtbranche leuchtet nicht in jedem Teilsegment gleich hell. Je nach Größe und Produktschwerpunkt unterscheiden sich Ausgangssituation sowie Aussichten deutlich. Denn während die großen Software-Häuser ihre Geschäftssituation derzeit spürbar verbessern, konnten die kleineren Häuser bislang der Talsohle nicht entkommen. Auftragseingang und Umsatz liegen bei den kleinen Software-Häusern noch unter den Vorjahreswerten.

Fazit: Software-Häuser weiter in unruhigen Gefilden

Die Software-Häuser verlegen sich überwiegend auf Produkte und Dienstleistungen, die den Unternehmen unmittelbare und reibungsfreie Einbindung der unternehmerischen Prozesse in die Wertschöpfungskette ermöglichen. Die ersten Anwendungen mit diesem Fokus, die als CRM, ERP und SCM firmieren, stehen allerdings zumeist vor dem Problem, dass die IT-Strukturen in den Unternehmen als Insellösung über die Zeit gewachsen und zu selten als umfassende Anwendung über Software-Schichten und Schnittstellen hinweg konsequent aufeinander abgestimmt sind. Die aus der gewachsenen komplexen IT-Architektur resultierenden Reibungsverluste reduzieren die Effizienz der Prozesse und blockieren daher letztlich auch die Akzeptanz der Software-Produkte dieser Kategorie durch die Unternehmen des produzierenden Gewerbes und durch die modernen Dienstleister.

Angesichts dieser Reibungsverluste bei den Web-Anwendungen sind neue Strategien gefragt. So erweitern die großen, international aufgestellten Software-Häuser derzeit ihr Angebot deutlich über die ursprünglichen Kernfelder hinaus. Besonders attraktiv sind modularisierte umfassende Software-Anwendungen. Folgerichtig wird die kostengünstige Systemintegration in Form von Web-Services in der Angebotspalette der Software-Häuser an Bedeutung gewinnen. Die Integration der bislang in den Unternehmen nebeneinander stehenden IT-Systeme wird sich zum dominierenden Software-Trend entwickeln. Insbesondere die zunehmende Interaktion zwischen Maschine und Maschine erweitert die Anwendungsmöglichkeiten nachhaltig. Auch wenn sich die Web- Services derzeit im kommerziellen Markt noch nicht breit etablieren konnten, sind diese Applikationen äußerst aussichtsreich. Aus Sicht der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes und der modernen Dienstleister entwickeln sich die Software-Häuser vom Produkthersteller zum Solution-Provider mit umfassenden Lösungen.

Das Marktumfeld der Software-Häuser bleibt äußerst dynamisch. Nach dem DotCom-Crash sehen auch die europäischen Software-Häuser nun wieder einen Silberstreif am Horizont. Doch die Entwicklung verläuft regional unterschiedlich. Zwar eröffnen sich den üblicherweise auf individuelle Lösungen fixierten europäischen Software-Häusern durchaus Chancen, um mit kundenspezifischen Lösungen an die Web- Service-Architektur anzudocken. Doch das Marktpotenzial des typischen kleinen europäischen Software-Hauses bleibt sehr beschränkt.

Auch in Zeiten der Web-Services werden die großen, auf standardisierte Software spezialisierten US-amerikanischen Häuser ihren Vorsprung bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte nutzen. Der Größenvorteil und der mit der weiteren Verbreitung der Standard-Software verbundene Netzwerkeffekt sorgen dafür, dass die US-amerikanischen Häuser ihre dominante Marktposition in naher Zukunft noch ausbauen werden.

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