Webservices wollen Web erobern

Ein neuer Standard soll dem Informationsaustausch im Internet sprichwörtlich Flügel verleihen und serverseitige Kompatibilitätsprobleme ins Reich der Vergangenheit verdammen. Was aber steckt nun genau hinter diesem Begriff?

Die Befürchtung steht im Raum: Wieder wollen clevere Strategen über eine neue Produktgeneration Kasse machen. Weit gefehlt! Denn die erste Fehlinterpretation steckt schon in der Formulierung:

Webservices sind kein Produkt eines Softwarehersteller. Es handelt sich viel mehr um einen neuen Standard des W3C, auf den sich alle großen Softwarehersteller von Sun über SAP bis hin zu Microsoft geeinigt haben. Dieser setzt sich aus einer Reihe von einzelnen W3C Standards zusammen, dazu zählen XML (Beschreibungssprache), SOAP (Internetprotokoll), UDDI (zentrales Register) und WSDL (Service Beschreibungssprache) – allesamt wichtige Bausteine für Funktion, Architektur und Distribution von Webservices.

Was sind Webservices?
Aber was sind nun Webservices? Webservices sind keine neue Programmiersprache, kein eBusiness Framework oder gar ein neuer Internetdienst – es handelt sich ganz einfach um einen Standard für Schnittstellen zwischen z.B. Applikationen und Contentservices im Internet. Der Clou und das grundlegend Neue liegt darin, dass ein solcher Webservice von einem anderen Webservice aufgerufen werden und dessen Funktionen nutzen kann, als wäre es ein systeminternes Modul. Und das funktioniert, weil die Schnittstelle jedes Services in einem Standard gestaltet und definiert ist, so dass Dritte den Service aufrufen können, ohne die dahinterliegende Software-Infrastruktur zu kennen. Für Business Anwendungen bedeutet das, dass die leidige Frage nach der Integrationssoftware der so genannten Middleware zwischen zwei proprietären Systemen (z.B. SAP, Oracle, Sun, HP, Bea, Microsoft etc.) universell gelöst werden kann. Projektmanager sollen sich so endlich auf die eigentlichen Herausforderungen der Geschäftslogik konzentrieren können. „Handgestrickte Lösungen“, um ein Unternehmen mit einem anderen Unternehmen, Extranet oder Marktplatz zu verbinden, sollen schon bald der Vergangenheit angehören.

So sollen Webservices in Zukunft für Supply Chain Monitoring und im Customer Relationship Management eingesetzt werden oder ganz einfach zur Straffung und Vernetzung von internen Softwaresystemen dienen. Es entfällt ein erheblicher Anteil der sonst üblichen Integrations-Aufwendungen und darüber hinaus wird die Vernetzung von Anwendungen allgemein erleichtert.

Das führt zu ganz neuen Ansätzen und Möglichkeiten in der Softwareentwicklung, von denen die Unterstützung des ASP-Modell nur ein Nebeneffekt ist. Fast wichtiger erscheint die Ausweitung von Möglichkeiten vernetzter Anwendungen. So können Webservices z.B. im eProcurementprozess mehrdimensionale Optimierungsziele verfolgen.

Beispiel Reisebuchung
Ein Beispiel für den Einsatz von Webservices liefern Hotelgruppen und Autovermietungen. Hier könnten alle Prozesse, die für die Reiseplanung vorab entscheidend sind, über Server Programmaufrufe gesteuert werden.: Einkauf und Buchung von Flugtickets, Hotelübernachtungen und Mietwagen. Eine Reiseplananwendung würde dann theoretisch komplett ohne Beratung durch einen Mitarbeiter eines Reisebüros auskommen. Der Nutzen liegt auf der Hand: erhebliche Kosteneinsparungen, alle sonstigen Vorteile elektronisch integrierter Einkaufsysteme und eine Erhöhung der Funktionalität verspricht man sich durch den Einsatz von Webservices. Da Webservices äußerst leicht und kostengünstig umgesetzt werden können, öffnen sich vielfältige neue Anwendungsmöglichkeiten. So kann ein Webservice der Fluggesellschaft oder des Flughafens über Fluginformationen eine ganze Prozesskette optimieren. Bei Verspätungen können dann etwa automatisch Hotels und Autovermietungen benachrichtigt werden.

Was sagen die Analysten?: Webservices stehen bald auf der Tagesordnung
Die hochgradige Relevanz wird vor allem von Technologieentscheidern in Nordamerika schon weithin erkannt. So sehen laut einer InfoWorld Umfrage unter den 100 wichtigsten Chief Technology Officers (CTO 100) ganze 84 Prozent Webservices als die zukünftige Lokomotive des eBusiness an. Und von diesen Befürwortern halten 81 Prozent eigene Investitionen für sehr oder extrem wahrscheinlich. Unter denen, die die Umsetzung von Webservices in Angriff nehmen wollen, planen 23 Prozent eine unternehmensinterne Lösung, während bei 57 Prozent der Einbezug von Geschäftspartnern im Vordergrund steht.

Dabei gaben die Technologieentscheider folgende Anwendungsgebiete an:

Dabei verspricht man sich von der Implementierung vor allem Rationalisierungseffekte sowie eine Verbesserung der Kundenbeziehung.

Dagegen halten sich die meisten Unternehmen mit ihren Investitionen noch vornehm zurück. Lediglich 28 Prozent der von Info World befragten CTOs planen in den nächsten 3 Monaten in Webservices zu investieren. Und für über 40 Prozent der Unternehmen steht das Thema in den nächsten 12 Monaten nicht auf der Tagesordnung.

Zu ähnlichen Ergebnissen in Bezug auf die Investitionszeiten kommt auch Jupiter Media Metrix. Der Report „Web Services: Invest Today for Cost Savings, not Flashy Business Models” sieht vor allem interne Anwendungen von Unternehmen zur Steigerung der Kosteneffizienz als vornehmliches Ziel von Unternehmen. Die Integration externer Prozesse wird der Analyse zufolge erst nach 2002 in Angriff genommen. Weitere Aussagen der Studie:

– Nur 16 Prozent werden innerhalb des nächsten Jahres Webservices für die Anbahnung und Interaktion mit neuen Geschäftspartnern nutzen.
– 60 Prozent werden die Technologie für die interne Prozessoptimierung anwenden.
– 53 Prozent werden Webservices für die Kommunikation und Transaktionen mit vorhandenen Geschäftspartnern nutzen.
– 23 Prozent werden Webservices in den nächsten 12 Monaten gar nicht einsetzen

Webservice Standards: Das sollten Sie wissen
Eine Schlüsseleigenschaft des Internet liegt darin, dass Standards wegen der verteilten Architektur des Webs eher auf Protokollen basieren als auf Implementierungen. Das ist auch mehr oder minder das bisherige Erfolgskonzept des Internet: Es setzt sich aus ganz heterogenen Technologien zusammen, die über gemeinsame Protokolle erfolgreich mit einander kommunizieren und nicht über irgendeine Middleware. Kein Softwarelieferant ist in der Lage, im Internet einen eigenen proprietären Standard durchzusetzen. Keine Programmiertechnik kann als einzige Lösung das Internet dominieren.

Hier setzen Webservices an, die eine Integration unterschiedlichster Applikationen ermöglichen: Webservice Standards wurden von IBM, Ariba, Microsoft, Sun und anderen gemeinsam in der XML Standard Protokoll Kommission entwickelt und dem W3C zur Anerkennung vorgelegt. Mittlerweile hat fast jedes dieser Softwarehäuser ein eigenes mit ihren Entwicklungsumgebungen kompatibles Toolkit für SOAP herausgebracht. Wenn jemals eine Software Standard Plattform eine so breite Unterstützung gefunden hat, dann ist es das Webservice Modell unter Nutzung von SOAP (Simple Object Access Protocol).

Application Server hosten dabei Webservices und machen sie damit für Webservice Protokolle zugänglich. Die Beschreibungssprache für Webservices selbst heißt WSDL (Webservice Description Language). WSDL Dokumente wiederum beinhalten die Adresse und alle Befehle zum Aufruf des jeweiligen Webservice, die zentral im UDDI (Universal Description, Discovery, and Integration) Business-Verzeichnis gespeichert und abfragebereit zur Verfügung stehen. Diese drei Standards zusammengenommen determinieren den Webservice Standard. Im Folgenden werden sie in einer Übersicht kurz dargestellt.

SOAP
SOAP ist zunächst ein Standard für das Versenden und Empfangen von Nachrichten über das Web. Ursprünglich geht das Protokoll auf eine Entwicklung bei Microsoft zurück. IBM, Ariba und andere Marktführer klinkten sich dann in die Entwicklung ein mit dem Ergebnis, dass das W3C das Protokoll als Standard einstufte. Größter Vorteil von SOAP: Die Implementierung verläuft in der Regel unkompliziert. Das lässt sich leicht durch die Vielzahl von Implementierungen in kürzester Zeit dokumentieren. So existieren bereits heute mehrere Implementierungen für Java, Apache, WebSphere und Visual Basic.

WSDL
Es liegt auf der Hand, dass für den Aufruf eines Webservice seitens einer Applikation eine genaue „Sprachregelung“ gefunden werden muss. Das ist die Webservice Description Language, die für die verteilte Programmierung unbedingt erforderlich ist. Die Beschreibung muss genauen Aufschluss geben über das verwendete Protokoll, die Adresse und Port Nummer, die möglichen Prozeduren und Funktionen sowie die Formate für Input und Output.

UDDI
UDDI setzt sich mit der Frage auseinander, wie die unterschiedlichsten Webservices lokalisiert werden können. Dafür wurde ein äußerst komplexes System zur Einordnung von Eigenschaften entwickelt, um jeden denkbaren Webservice wirklich eindeutig zuordnen zu können und vor allem für Interessenten auch auffindbar zu halten. Dementsprechend definiert UDDI ein Geschäftsverzeichnis, in dem Anbieter ihre Dienste registrieren können und Softwareentwickler Webservices gezielt suchen können. Webservices sind im UDDI Registry immer abhängig von geschäftlichen Anwendungen. Dementsprechend enthält die Registry eine Kategorisierung von Branchen und Unternehmen. Schließlich gilt noch festzuhalten, dass das UDDI Verzeichnis sowohl manuell von Entwicklern als auch „runtime“ von Anwendungen durchsucht werden kann. Das könnte beispielsweise für Preisvergleiche interessant sein. Alle Webservices, die den Preis eines identischen oder vergleichbaren Produkts ausgeben, können dann über die UDDI Registry simultan abgefragt werden.

Durch Webservices kann das enorme Potenzial des Internet erst richtig genutzt werden. Dabei dürfte das stärkste Argument für Webservices sicherlich die umfangreich Einigung der ansonsten oft zerstrittenen Big Player der IT-Branche sein. Noch bleibt aber abzuwarten, ob und wann sich Unternehmen und öffentliche Einrichtungen für Webservices entscheiden: Die nächste Internet-Applikationsgeneration könnte bereits vor der Tür stehen.

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