Bonus durch Bonitätsprüfung & Co.

Während in den Medien vor allem die Risiken der Verbraucher beim Online-Kauf thematisiert werden, sieht die Realität für die Online-Händler oft anders aus. Blindlieferungen, Retouren und mitunter beträchtliche Zahlungsausfälle sind an der Tagesordnung. Wie lässt sich dieses Risiko wirkungsvoll minimieren?

Anders als im stationären Handel endet im Internet ein Geschäft zwischen Kunden und Händler mitnichten an der virtuellen Kasse. Denn das einzige, was der Händler vom Kunden zu diesem Zeitpunkt in den Händen hält, ist eine per Mausklick nachdrücklich geäußerte Zahlungsabsicht. Und noch bevor er sich dann über den tatsächlichen Eingang des Kaufbetrags freuen kann, muss er seine Ware in aller Regel „in gutem Glauben“ an den Kunden ausgeliefert haben. Aus dieser zeitlichen Differenz entsteht ihm ein nicht zu unterschätzendes Risiko. So kommt die Studie „Kassieren im ECommerce“ von Berlecon Research zu dem Ergebnis, dass Online-Händler vor allem mit der Zahlungsmoral ihrer Kunden zu kämpfen haben. Zwar berichteten im Rahmen der Untersuchung nur wenige der kleinen Händler, dass sie bereits Erfahrungen mit Online-Betrug gemacht haben. Doch fast die Hälfte der Händler gab an, schon mehrmals schlechte Erfahrungen mit nicht bezahlten Rechungen, falschen Kontonummern oder ungedeckten Konten gemacht zu haben. Erfahrungen, die durch ein effektives Risiko-Management möglicherweise hätten verhindert werden können.

Eine andere Studie, bei der Experian 800 Unternehmen – die das Internet als Vertriebsweg nutzen – befragte, kommt zu dem Ergebnis, dass die meisten eTailer nach wie vor ohne effektive Online-Schutzmechanismen arbeiten. Betrugsprävention steht nur bei wenigen Unternehmen auf der Tagesordnung. So gab fast die Hälfte der befragten Untenehmen an, dass sie keine externen Datenquellen nutzen, um die Adressangaben ihrer Kunden zu verifizieren. Darüber hinaus kommt die Experian-Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Online-Betrugsfälle meist viel zu spät bemerkt werden: So dauerte es bei zwei Dritteln der befragten Unternehmen länger als einen Monat, bevor ein Betrug auffiel, 18 Prozent gaben sogar an, dass in ihrem Unternehmen ein Betrug ohne weiteres zwei Monate unentdeckt bleiben könne. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass bei 40 Prozent aller Betrugsfälle ein Webangebot bis zu dreimal hintereinander von demselben Täter geschädigt wurde.

Bei Kreditkartenzahlungen sind zwei Betrugsvarianten besonders „beliebt“: Name und Adresse des Karteninhabers werden vollständig gegen eine andere Anschrift ausgetauscht, wo die bestellte Ware dann abgefangen wird (53 Prozent) oder der Name des Karteninhabers wird beibehalten und die Ware an eine fremde Adresse umgeleitet (48 Prozent)

Dabei können Rückforderungen bei Kreditkartengeschäften zu großen Problemen führen. Da der Anteil betrugsbedingter Erstattungen bei Online-Retailern wesentlich höher ausfällt als im traditionellen Handel, gehen Kreditkartengesellschaften dazu über Dotcoms, deren Rückforderungsquote längerfristig zu hoch ist, mit Strafgebühren zu belegen bzw. ihnen die Lizenz zu entziehen. Dabei scheint es, dass diese „Zahlungsprobleme“ leicht zu umgehen sind. Mittlerweile stehen eine Reihe von Systemen zur vollautomatischen Authentifizierung von Karteninhabern bzw. für eine Adress- oder Bonitätsprüfung zur Verfügung. Wie unterscheiden sich diese Verfahren und wo bietet sich ihr Einsatz an?

Adressprüfung
Der einfachste und auch kostengünstigste Weg, die Anzahl von „Scherzbestellungen“ bzw. Lieferretouren aufgrund von gewollten oder ungewollten „Tippfehlern“ zu minimieren, ist der Einsatz von Adressprüfungsverfahren. Vor allem bei Web-Angeboten, die sich an ein weit gestreutes Publikum wenden, kommt es immer wieder vor, dass „Test-Bestellungen“ an fiktive Adressen ausgelöst werden.

Während bei einer Bestellung im Call-Center kaum jemand als Adresse Pippi Langstrumpf aus Taka-Tuka Land angeben wird, sind derartige „Versuche“ beim Online-Shopping durchaus an der Tagesordnung. Nicht selten wird damit aus Kundensicht jedoch lediglich die Funktionalität des Online-Shops getestet und keine wirkliche Bestellung ausgelöst. Ein schwacher Trost für den Online-Händler, der die gesammelten Werke von Astrid Lindgren automatisch auf die Reise schickt, die über kurz oder lang unweigerlich wieder bei ihm landen. Der Einzige, der an derlei Praktiken verdient, ist der Logistikunternehmer; und das gleich doppelt.

Ein Adress-Verifizierungssystem verhindert solche Blindlieferungen, indem es Postleitzahlen, Orte, Ortsteile, Straßen sowie Hausnummernbereiche auf Plausibilität überprüft und gegebenenfalls abfragt, ob die gewünschte Person auch dort gemeldet ist. In Perfektion werden sogar falsch geschriebene Vor- und Nachnamen automatisch korrigiert. Der durchschnittliche Preis für eine Adressüberprüfung ist dabei mit rund 50 Pf noch durchaus vertretbar und macht sich schnell durch die geringere Zahl von Rückläufen, vor allem auch bei kleineren Bestellungen, bezahlt.

Auf die größte Adressdatenbank kann dabei hierzulande die Deutsche Post zugreifen. Nach eigenen Angaben verfügt man über eine Datenbank mit 95 Millionen Postempfängern, davon 57 Millionen aktive und 38 Millionen inaktive Empfänger. Inaktive Adressen entstehen z.B. bei Umzug, Namensänderung durch Heirat oder bei Unzustellbarkeit der Adressen.

Bonitätsprüfungen und Scoring
Der überwiegende Teil der Online-Kunden bezahlt am liebsten per Rechnung. Wird diese Zahlungsmethode nicht angeboten, folgt nicht selten der Weg zur Konkurrenz mit der gewünschten Zahlungs-Option. 72 Prozent aller Online-Käufer haben bereits im Internet auf Rechnung bestellt. Danach folgt mit 47 Prozent die Bestellung per Lastschrift. Die beiden beliebtesten Zahlungsvarianten beinhalten jedoch auch einige Risiken. Lastschriften können ohne größere Umstände widerrufen werden und die Zahlungsmoral bei Lieferung auf Rechung lässt oft zu Wünschen übrig. Doch auch der „ehrliche“ Kunde besteht oft auf das Prinzip: Lieferung gegen Rechnung. Wie lässt sich die Ausfallquote minimieren, ohne dabei auf das Angebot der beliebten Zahlungsmethoden zu verzichten?

Bonitätsprüfungen versprechen hier Hilfe. Bei ihnen werden meist die Datenbanken der größeren Wirtschaftsauskunftsdienste wie etwa Schufa oder Creditreformzu Rate gezogen. Es wird dann dort abgefragt, ob über den Geschäftspartner Negativinformationen (z.B. läuft gegen die entsprechende Person ein Mahnverfahren oder hat die Firma einen Insolvenzantrag gestellt?) zum Zahlungsverhalten vorliegen. Da die Kosten für Bonitätsabfragen in der Regel im niedrigen einstelligen DM-Bereich liegen, ist dies jedoch ein recht kostspieliges Vorgehen, das sich erst ab Bestellsummen von über 100 DM lohnt.

Als günstiger erweisen sich hier Scoringverfahren, bei denen der Kunde in so genannte Risikoklassen eingestuft und bewertet wird. Informationen zum Wohnumfeld, zur Wohnlage sowie der wahrscheinlichen Kreditwürdigkeit helfen dabei, dass Risiko von Zahlungsausfällen zu verringern. So verspricht Post Direct, aufgrund der eigenen Kooperationen den Kunden in Zellgrößen von 375 Haushalten bis zu minimal 5 Haushalten aufzusplitten. Darin sind dann Informationen über die Haushaltsstruktur, Alterstruktur, Einkommensstruktur, Bebauungssituation bis hin zur PKW-Dichte abrufbar. Als Grundlage der Adressanreicherung dienen anonymisierte Konsumenteninformationen.

Otto, Quelle & Co. machen’s vor
Nicht nur bei Logistik-Fragen bietet es sich an, einen Blick auf den klassischen Versandhandel zu werfen, auch im punkto Risiko-Management lohnt sich eine Betrachtung von Otto, Quelle und Co. Adressprüfung, Bonitätsauskünfte und Scoring-Verfahren gehören hier längst zum Alltag. So gelingt es die Zahlungsausfälle auf ein Minimum zu reduzieren. Während Experten wie Andreas Stefanis, Marketingleiter bei Pago, davon ausgehen, dass der Anteil an Zahlungsausfällen bei Online-Bestellungen teilweise bei bis zu 30 Prozent liegt, sollte das Ziel eines jeden Unternehmens die Begrenzung der Zahlungsausfälle auf maximal 1,5 bis 3 Prozent sein.

Dienstleister als Lösung?
Warum sich selbst mit falschen Adressen oder säumigen Kunden umherschlagen? Dies fragen sich zunehmend mehr eTailer und beschreiten den Weg des Outsourcings der gesamten Zahlungsabwicklung. Mittlerweile tummeln sich eine Vielzahl von Unternehmen am Markt, die darum buhlen die vollständige Zahlungsabwicklung zu übernehmen. Die Leistungspakte stellen sich dabei recht unterschiedlich dar. Von der Unterstützung der eigenen Zahlungsaktivitäten bis hin zur Gesamtabwicklung ist nahezu alles möglich, jedoch nicht wirklich alles nötig. So erteilt Berlecon Research den Ratschlag, dass Händler genau kalkulieren sollten, welche Preise welchen eingesparten Prozesskosten gegenüber stehen.

Letztendlich sollte jeder eTailer, nicht zuletzt aufgrund der bereits gemachten Erfahrungen, selbst am besten einschätzen können, welcher Grad an Sicherheit zu welchem Preis für das eigene Geschäft angemessen erscheint. Eine klare und auf Zahlen fundierte Einschätzung der eigenen Situation scheint dabei indes unumgänglich, will man nicht klammheimlich den sauer verdienten Kundenumsatz andernorts wieder durch den Schornstein jagen.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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