Breitband Best-Practise: Leerohre gefunden – Ausbau möglich

Vom Leerrohr zu VDSL oder wie die Stadt Ennepetal von einer vorhandenen Infrastruktur profitiert: Die Möglichkeit zur Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien ist ein zunehmend wichtiger Standortfaktor auch für ländliche Regionen als attraktive Lebens- und Wirtschaftsräume. DSL- und Breitbandanschlüsse sind heute so wichtig wie ein gut ausgebautes Straßennetz bzw. der Anschluss an ein öffentliches Ver- und Entsorgungsnetz.

Gebiete ohne Breitbandzugang oder mit einem nicht den Anforderungen entsprechenden Zugang werden im Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte zunehmend das Nachsehen haben. Durch den Einsatz breitbandiger Datenkommunikation können Unternehmen die Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten erheblich verbessern. Kommunikation und Datenaustausch etwa im Rahmen der Auftragsbestellung und –Abwicklung bis hin zum Vertrieb werden über eine breitbandige Kommunikationsinfrastruktur effektiver abgewickelt. Eine entsprechende Breitbandanbindung ermöglicht vielen Unternehmen zugleich eine deutliche Kosteneinsparung. Unternehmen, die im Datenaustausch nicht mehr auf DSL und Breitband verzichten können, werden kurz- bis mittelfristig eine Umsiedlung in Erwägung ziehen und realisieren. Der damit verbundene Wegfall von Arbeitsplätzen führt zu einer Schwächung der betroffenen Regionen. Im Zuge einer Veränderung der Arbeitswelt werden bei vielen Unternehmen Heimarbeitsplätze von den Mitarbeitern gefordert, die ohne Breitband-Anbindung mit IT-Lösungen im Unternehmen nur bedingt kommunizieren können.

Die Verfügbarkeit von schnellen Datenverbindungen hat nicht nur eine wichtige Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Ennepetal, sondern auch für den Wohnstandort und die Lebensqualität der Menschen. Die meisten Familien entscheiden sich bei der Wohnortwahl oder dem Kauf eines Wohnbau-Grundstücks nicht zuletzt aufgrund der örtlichen DSL- und Breitbandverfügbarkeit.

Unterversorgung in Oberbauer und Rüggeberg nachgewiesen

Die Stadt Ennepetal hat 31.301 Einwohner, von denen 1.523 in Oberbauer leben  und 1.544 in Rüggeberg. Nach einer Reihe von Beschwerden zur schlechten Breitbandversorgung hat die Stadt Ennepetal im Sommer 2010 gemeinsam mit der Bürgerinitiative eine schriftliche Befragungsaktion bei allen Haushalten und Unternehmen in Oberbauer und Rüggeberg durchgeführt. Die Ergebnisse der Befragungsaktion bestätigen insgesamt die Beschwerden von Bürgern und Unternehmen zur unzureichenden Bandbreite.

Bis zu 30% der Nutzer in den Haushalten müssen als Selbständige oder Angestellte neben privaten Anwendungen von zuhause berufsbedingte Arbeiten erledigen, können dies mit den zur Verfügung stehenden Bandbreiten aber nicht zufriedenstellend. Auch die Bedürfnisse von Schülern und Studierenden führen bei der unzureichenden Versorgung zu Problemen. 

Die heute verfügbare Bandbreite liegt auf der Basis der Antworten bei durchschnittlich 0,284 MBit/s in Oberbauer und bei 0,426 MBit/s in Rüggeberg. Dies steht in Übereinstimmung  mit den Versorgungsangaben der Deutschen Telekom. Die schlechte Versorgungslage dokumentiert sich auch in der hohen Unzufriedenheit mit der derzeitigen Versorgung und einer signifikanten Wechselbereitschaft von 80% zu einem Anbieter mit einem besseren Angebot.

Moderater Bandbreitenbedarf in der Bevölkerung

Über 90% der Befragten geben an, eine höhere Bandbreite zu benötigen. Die gewünschte Bandbreite lag in der Befragung zwischen 2 und über 20 MBit/s. Vermutlich aufgrund fehlender eigener Erfahrungen ist die Nachfrage nach hohen Bandbreiten (> 20 MBit/s) mit unter 10% noch gering. Es ist zu vermuten, dass mit dem Erleben einer besseren als der heutigen Versorgung auch die Nachfrage nach höheren Bandbreiten steigt. Dies entspricht jedenfalls der Erfahrung in „entwickelten“ Breitbandmärkten z.B. in Skandinavien oder in Ballungsgebieten.

So ist es nicht erstaunlich, dass ein recht hoher Anteil der Antwortenden von über 30% sich eine Bandbreite von „nur“ 2 MBit/s wünschen. In Oberbauer stellt die Nennung 2 MBit/s sogar die größte Einzelgruppe unter den Antwortenden. Allerdings liegt die heutige Versorgung mit nur 0,3 MBit/s sehr niedrig. In Rüggeberg wünscht die größte Gruppe (über 45% der Antworten) 4 bis 7 MBit/s, in Oberbauer wird diese Bandbreite mit über 30% gefordert. Eine signifikante Anzahl der Antworten (ca. 15%) wünscht sich eine Bandbreite von 16 MBit/s, wie sie in größeren Städten und Ballungsgebieten heute dem Standard entspricht.
 
Die Wunschbandbreite beträgt im Durchschnitt 8,3 MBit/s in Oberbauer und 7,2 MBit/s in Rüggeberg. Die Angaben zur durchschnittlichen monatlichen Zahlungsbereitschaft spiegeln mit durchschnittlich 35 Euro (Oberbauer) und 42 Euro (Rüggeberg) eine realistische Einschätzung des Marktpreises bei den gewünschten Bandbreiten.

Nutzbare Infrastrukturen sind der Schlüssel für eine Kostensenkung

Die zu Beginn des Projektes vollständig unterversorgten Stadtteile Oberbauer und Rüggeberg sollten möglichst schnell im Sinne der Daseins-Vorsorge mit einer besseren Breitband-Anbindung bedient werden. Idealerweise wünscht sich die Verwaltung für alle Einwohner und Unternehmen einen Breitband-Anschluss mit 16 MBit/s, mindestens aber die als Grundversorgung definierte Bandbreite von 2 MBit/s. Die Stadt selber betreibt im Stadtgebiet keine eigenen Leerrohre, die für die Verlegung von Glasfaser-Leitungen geeignet wären. Die Gespräche mit der für die Versorgung mit Strom zuständigen AVU in Gevelsberg haben erreicht, dass ein von Breckerfeld zu verlegendes Schutzrohr so durch Oberbauer verlegt wurde, dass es für die Anbindung des Ortsteils mit Glasfaser genutzt werden kann. Die Stadt hat zudem an zwei Stellen Leerrohre zur Querung von Straßenkreuzungen, die für den Durchzug von Leitungen verwendet werden können. Beide Infrastrukturen haben die Deckungslücke der Deutschen Telekom für den Ausbau nach dem Fiber-to-the-Curb Konzept in Oberbauer erheblich gesenkt. Da die Tiefbaukosten ca. 75% der gesamten Investitionskosten umfassen und eine Förderung nur bis zu Deckungslücken von maximal 200.000 Euro gewährt wird, konnten erst durch die Nutzung des Leerrohrs der AVU Kostensenkungen erreicht werden, die eine Finanzierung des bei einer Förderung verbleibenden Eigenanteils aus dem städtischen Haushalt ermöglichen.

In Rüggeberg drohten die Kosten für die Zuführung der Bandbreite in den Stadtteil durch die Längen bis zum Netzknoten ebenfalls zu hoch zu werden, so dass alternative Zuführungen anstatt einer Glasfaserstrecke geprüft werden mussten. Eine mögliche Umsetzung wäre eine Richtfunkverbindung nach Oberbauer. Allerdings haben aufmerksame Mitarbeiter des Tiefbauamts bei verschiedenen Straßenarbeiten an der Rüggeberger Straße ein nicht benutztes Leerrohr entdeckt, das der Stadt nicht gehört. Nach verschiedenen Recherchen konnte der Eigentümer des Leerrohrs identifiziert werden. Auch hier war eine Finanzierung des Eigenanteils nur durch die Nutzung dieses Leerrohrs darstellbar.

VDSL mit bis zu 50 MBit/s nach schnellem Projektabschluss!

Nach Durchführung des Auswahlverfahrens lag ein Angebot der Deutschen Telekom vor, dass entsprechend den im Vorfeld während der Markterkundung mit verschiedenen Netzbetreibern geführten Workshops den Ausbau in beiden Stadtteilen ermöglicht. Mit den notwendigen umfangreichen Unterlagen wurde noch im Dezember 2011 eine Förderbewilligung der Bezirksregierung in Arnsberg erreicht, so dass der Ausbau im Laufe des Jahres 2012 abgeschlossen sein dürfte. Dann endet für die Haushalte in Oberbauer und Rüggeberg die Zeit ohne schnelle Internet-Anbindung. Es wird nicht nur eine Bandbreite von 2 MBit/s zur Verfügung stehen, die Mehrzahl wird mit VDSL auch Bandbreiten oberhalb von 25 MBit/s nutzen können, die für die nächsten zehn Jahre ausreichen sollte!

Die Dauer des Projektes war mit weniger als vier Monaten nach Beauftragung des Planungsbüros STZ-Consulting Group Mitte August 2011 bis zur Bewilligung im Dezember äußerst kurz. Laut Dr. Kaack, dem verantwortlichen Berater von STZ-Consulting, der den gesamten Prozess begleitet hat, ist eine so kurze Laufzeit wohl eine neue Bench-Mark für Breitband-Förderprojekte. Die zügige Durchführung war nur durch die gute und enge Zusammenarbeit mit der Verwaltung möglich. „Das Projekt in Ennepetal war sowohl im Hinblick auf die Schnelle der Durchführung als auch durch das Auffinden von vorhandenen und die Streckenanpassung der neu verlegten Trasse in Oberbauer vorbildlich für ein Breitband-Förderprojekt“, so Dr. Kaack. „Ohne das enge und zielorientierte Zusammenwirken von Verwaltung, AVU, Netzbetreiber und den Zuständigen bei der Bezirksregierung wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen!“

Fachartikel von ECIN.de Fachautor Dr. Jürgen Kaack von der STZ-Consulting

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