Erlebniswelt Tageszeitung: Branding, Kontext, Relevanz und Community

Es gab bessere Zeiten für Printangebote – vor allem Konkurrenzlose.  Mit dem Einzug von Online-Medien und der veränderten Rezeption der Leser sinkt auch die Nutzung der traditionellen Medien. So ist tägliche Auflage der deutschen Tageszeitungen von 1991 bis 2011 um 30 Prozent gesunken. Dazu beisst sich der Online-Kanal ein sattes Stück vom Werbekuchen ab:  jährlich wachsen die Online-Werbeumsätze um zwölf bis 15 Prozent. Online-Werbung hat längst Print und TV überholt. Aber noch ist nicht alles verloren glauben die Experten von Roland Berger Strategy Consultants und stellen vier strategische Auswege aus der Print-Krise in ihrer neuen Studie „Aufbruch in eine neu Ära – gibt es eine digitale Renaissance des Publishings?“ vor.

Demnach sollten deutsche Verlagshäuser ihre Print-Marken in den kommenden drei bis fünf Jahren durch exklusiven Inhalt stärker aufbauen (Branding), die Relevanz des Mediums durch gute Hintergrundinformationen stärken (Kontext & Relevanz) und die Leserzielgruppe emotional binden (Community).

Der Trend in Richtung Online ist seit Jahren unaufhaltsam; mittlerweile surfen drei Viertel der Deutschen regelmäßig im Netz und informieren sich dort über das aktuelle Geschehen. Zeitgleich nutzen immer mehr Menschen mobile Endgeräte – im Durchschnitt 37 Prozent der Deutschen. In der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen sind es sogar 55 Prozent. Diese Möglichkeit, sich schnell und überall online zu informieren, führt zum starken Rückgang etablierter Print-Medien: Lasen 1984 noch über 70 Prozent der Deutschen bis 19 Jahren regelmäßig Tageszeitungen, so sind es heute nur noch 33 Prozent. Ähnlich drastisch ist der Rückgang bei den 20- bis 39-Jährigen: Der Anteil der Tageszeitungsleser ist hier von 86 Prozent im Jahr 1984 auf knapp 50 Prozent im Jahr 2011 gesunken.

Wie nun gegen den Trend steuern? Laut den Roland Berger-Strategen sollte ein Umdenken im Geschäftsmodell stattfinden, dass den neuen Leserbedürfnissen besser entgegen kommt: Passende Informationen an den richtigen Leser heißt die Losung. Dabei stehen Zeitungen vor drei wichtigen Herausforderungen: In erster Linie fehlt ihnen noch ein bewusstes Markendenken. Obwohl Zeitungen über starke Marken verfügen, sollten die Verlage ihre Print-Marken durch ein exklusives Inhaltsangebot oder durch emotionale Bindung stärken. Die Leser sollten das Produkt als „must have“, als Pflichtlektüre wahrnehmen – offline, online und mobile.

Außerdem sollten Zeitungen auf „Kontext & Relevanz“ setzen: Aufgrund der Informationsüberflut benötigen Leser eine Hilfe, um komplexe Zusammenhänge besser zu verstehen und einzuordnen. Verlagshäuser sollten daher genau beobachten, welche Leserzielgruppe, wann, zu welchen Themen und in welcher Form Inhalte abruft. Nur so gewinnt ein Verlagsangebot wieder an Relevanz bei den Lesern.

Schließlich spielt aber auch die emotionale Ebene eine wesentliche Rolle: neue Kanäle wie Social Media oder ein passendes Online-Angebot können dazu beitragen, eine Community rund um die Marke zu bilden. Dabei hilft die aktive Community, die mediale Erlebniswelt zu stärken. Denn Leser können die Markenbildung unterstützen, für emotionale Nähe sorgen und z.B. durch Blogs relevante Inhalte weiterverbreiten.

Um die Renaissance der Print-Medien einzuläuten, identifizieren die Roland Berger-Experten daher vier mögliche Strategien:

Hybrid Publishing: Print-, Online- und mobile Inhalte müssen besser miteinander vernetzt sein. Denn fast alle Print-Medien verfügen heute schon über einen Internetauftritt, doch viele Online-Ausgaben sind immer noch weniger attraktiv für die Leser.

Der Community-Leuchtturm: Zeitungen sollten die Interessen ihrer Leser besser verstehen, um ihnen spannende Nischeninformationen anbieten zu können. Die Nischen können sowohl örtlicher Natur (Lokalzeitungen) als auch interessenspezifisch (Fachmagazine) sein.

Der Wegweiser: Dieses Modell eignet sich besonders für größere Medienmarken. Mit gut recherchierten und exklusiven Hintergrundberichten, verständlichen Infografiken oder einordnenden Kommentaren sollten sich diese Marken verstärkt als „Wegweiser“ positionieren.

Wachstum in neuen Geschäftsfeldern: Verlagshäuser sollten auch die Chance ergreifen, ihr Geschäft über die Kernprodukte hinaus weiterzuentwickeln. So genießen Medien aufgrund ihrer starken Marken große Vorteile, wenn sie z.B. ihren Lesern e-Commerce-Aktivitäten anbieten.

Laut den Strategen liegt die Zukunft des Publishing in der Neupositionierung der Verlagshäuser.

www.rolandberger.de

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