Atalanda, Locafox, Simply Local: Wie sinnvoll sind lokale Online-Marktplätze?

Es gibt kein Halten mehr: Lokale Online-Marktplätze sind „The next big thing“ im Internet, lokale Online-Marktplätze bringen den Kunden zurück ins Geschäft und dem Händler sein Wachstum zurück auf die Fläche, lokale Online-Marktplätze sind die Retter des stationären Einzelhandels. Wirklich? Nicht wirklich! Sie heißen Atalanda, Locafox, Kauf.in oder Simply local und sie alle haben dasselbe Konzept: Über ihren Online-Marktplatz Händler, die beispielsweise keinen Online-Shop haben, zum Verkauf ihrer Produkte zu bewegen. Mit viel Marketing-Getöse wirbeln sie die Städte durcheinander und bringen manch einen Entscheider aus Kommune, Kammer oder Politik in Handlungszwang und zwingen ihn förmlich unter Zeitdruck zu Handeln.

Aber schaut man einmal genauer, bleibt es eigentlich (nur) beim Getöse. Die ganze mediale Aufmerksamkeit begann mit der „Online-City Wuppertal“. Als Teil des an sich sehr interessanten Gesamtprojekts der Wirtschaftsförderung Wuppertal (mit weiteren Partnern) mit unter anderem Schulungen, Beratungen und Shop-in-Shop Flächen, zog eigentlich nur der Local-Commerce Marktplatz Atalanda das Medienecho im laufenden Jahr auf sich und brachte das Thema auf den Schirm der Entscheider. Sehr gut oder raffiniert gemacht, möchte man meinen, denn Atalanda stellt (nur) die technische Infrastruktur für den Rest müssen Händler bzw. die Stadt (also anwerben der Händler, Marketing für das Portal in der Stadt, usw.) sorgen. Kritik, die sein muss: Keine Neuerfindung, anders funktionieren die Marktplätze Amazon und eBay auch nicht – mit dem Unterschied einer viel höheren Reichweite und Frequentation, an die lokale Shopping-Plattformen nicht herankommen.

Einige Marktplätze einmal näher angeschaut:

Atalanda: In Wuppertal machen 64 Händler mit (Salzburg: 16 / Hamburg: 6) mit zum größten Teil – und das ist sehr positiv: kaum Filialisten. Sortiert werden die Händler nach der Anzahl der eingestellten Produkte und hier scheint Atalanda in Sachen Technik (z.B. Anbindung an ein Warenwirtschaftssystem) nachgebessert zu haben.  
Pluspunkt für Atalanda: Das Konzept der Produkt-Lieferung am selben Tag (Same Day Delivery) innerhalb der jeweiligen Stadt. Dies wird in Zusammenarbeit mit einem entsprechenden Logistikdienstleister realisiert. Keine Frage Same Day Delivery ist interessant, aber wirklich von den Kunden gewollt? Dies kommt sicherlich auf die Produktart an (z.B. Lebensmittel). Und was bringt die Technik und die Logistik, wenn der Händler neben seinem stationären Geschäft es zeitlich nicht schafft die Bestellungen zu bearbeiten.
Positive Werbung hilft: Künftig werden auch Einzelhändler in Attendorn, Göppingen und Wolfenbüttel ihre Produkte für einen monatlichen Pauschalpreis an Atalanda über die Lokale Shoppingplattform verkaufen können.

Locafox: Das Berliner Unternehmen geht ein etwas anderen Weg. Es will den Kunden aus dem Netz ins Geschäft holen und wirbt mit 500.000 Produkten aus 1.200 Geschäften auf der Startseite seiner Webseite. Die Zahlen stimmen sicherlich, aber schaut man sich diese im Detail an, relativieren sich diese auch schnell. Aktiv ist Locafox in den Städten Bielefeld, Bochum, Berlin, Leipzig, Hamburg, Köln, Dortmund und München. Es werden aber auch Produkte aus Geschäften aus den Nachbarstädten angeboten. Anders aber als bei Atalanda hat Locafox aber ausserhalb der Hauptstadt fast keine Produkte von „normalen“ Einzelhändlern im Programm, sondern fast ausschließlich von Filialisten, die selbst über eigene Online-Shops und eine entsprechende technische Anbindung verfügen. Bei der Stadtwahl stellt sich zudem ein technisches Problem ein – ein zurück gibt es nicht: Hat der Nutzer einmal eine Stadt auf der Webseite ausgewählt, kommt er über die Startdomain nicht zurück, um eine andere Stadt z.B. die Nachbarstadt auszuwählen. Ebenso sieht es bei der Auswahl der Produkte aus. Er kann nur über die Suche navigieren.
Locafox ist eine Produktsuchmaschine, die die Filialisten vor Ort vereint und den Kunden ins Geschäft locken soll, aber kein „richtiger“ Online-Marktplatz mit Mehrwert für den Nicht-Filialisten vor Ort, um die es eigentlich in der ganzen Diskussion geht.

Kaufin: Relativ neu gerade einmal mit neun Händlern am Markt ist das Portal Kauf.in von der Essener Agentur 360 OPG ersteinmal auch nur für „Essen“. Angeboten werden alle erdenklichen Produktkategorien (auch Lebensmittel) und auch eine Lieferung am selben Tag. Zumindest sind laut Suche weitere Ruhrgebietsstädte geplant.

SimplyLocal: Aus Göttingen, aber in Berlin gewachsen und in Berlin das meiste Angebot an Händlern. In anderen Städten gibt es eine kleine Anzahl von Filialisten / Nicht-Filialisten im Programm und damit ergibt sich auch die Anzahl der Produkte die der Marktplatz angibt: Drei Millionen. Liefer-Konzept des Portals: Das Produkt vorreservieren und im Laden abholen.

MG bei eBay: Das Trommeln der „Kleinen“ hat einen der Großen geweckt. Zusammen mit der Wirtschaftsförderung Mönchengladbach und des eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein hat eBay ein Pilotprojekt gestartet bei dem Einzelhändler über die Plattform ihre Produkte anpreisen können. Eine „Landingpage“ weist den Weg und präsentiert die Einzelhändler im Steckbriefformat (wie bei den anderen Portalen auch) und deren Produkte im typischen eBay-Rahmen. Einziger Unterschied zu den „Kleinen“ ist die Reichweite des „Großen“.

Fazit:
Lokale Online-Marktplätze also eher Fluch als Segen? Nein, jedes Marktplatz-Konzept hat seine Daseinsberechtigung genauso wie jede erdenkliche „Buy Local Initiative“, nur das Getöse, Getrommele, gehype und die Forderungen an die Entscheider in den Städten und in der Politik sind durchaus sehr kritisch zu sehen. Lokale Online-Marktplätze werden derzeit einfach mehr als überbewertet, sie sind nichts besonderes und keine herausragende Innovation (es gibt viele andere Plattformen). Denn am Ende zählt was der Händler in der Kasse hat und das ist sicherlich nicht soviel, wie er erhofft hat, als er seine Produkte mühsam einpflegte. Eins haben natürlich die Marktplätze geschafft, sie haben das Thema „stationärer Einzelhandel & Digitalisierung“ als Thema etabliert und Local-Commerce-Lieferkonzepte wie „Click&Collect“ / „Pick&Carry“ / „Same Day Delivery“ für sich nutzbar gemacht. Trotzdem es wird und es muss eine Bereinigung geben. Kaum ein Händler wird bei allen Marktplatzanbieter aus Kostengründen (in der Regel ein Monatsbeitrag von 20 Euro) mitmachen wollen und nicht alle Marktplatz-Partner werden den langen Atem haben, den es benötigt um erfolgreich zu sein. Es wird sich zeigen wer sich durchsetzt und wer (wie Atalanda) Kommunen mit seinem Konzept überzeugen und in sein Boot holen kann. Am Ende wird das Markting-Getöse um viel heiße Luft sicherlich noch lauter – leider, denn die Wahrheit liegt immer noch auf dem Platz.

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