Effektive Kundenbindung mit Hilfe von Customer Relationship Management Systemen gilt heute als Zauberelixier für dauerhaften Erfolg im eBusiness. Doch bereits bei der Planung von CRM gibt es eine Vielzahl von Projektfallen, die es zu umschiffen gilt.
Ein gescheitertes CRM-Projekt ist teuer. Eine Untersuchung von Cap Gemini über den CRM-Markt 1999 zeigte, dass die durchschnittlichen Investitionen in ein CRM-Projekt insgesamt 3,1 Millionen Dollar betrugen, Hardware, Software und Dienstleistungen inklusive. Diese Investitionen sollten sich nach durchschnittlich 28 Monaten amortisiert haben. Im ersten Jahr wurde eine Umsatzsteigerung von 8 %, im zweiten Jahr von 16 % erwartet. Allerdings zeigte diese Studie auch, dass nur in 45 % der befragten 300 Unternehmen das CRM-Projekt auf Geschäftsführungs- bzw. CEO-Ebene initiiert und überwacht wurde.
Die folgenden 13 Falschannahmen und ihre Kurzanalyse sollen Ihnen dabei helfen, typische Projektfallen rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden.
Falschannahme Nummer 1:
Das Unternehmen konzentriert sich auf nur einen Bereich, wie z. B. Vertriebsoptimierung, und geht davon aus, dass sich die anderen Bereiche nachziehen lassen.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Früher wurde bei ERP-Einführungen so vorgegangen, dass zunächst ein Modul in einem Land oder in einer Abteilung ausgerollt wurde. Dieses Konzept lässt sich allerdings nicht auf eine CRM-Einführung übertragen, denn dort steht die Vision im Vordergrund, wie und warum Kundenbindung realisiert werden soll. Wenn ein Unternehmen als Pilotanwendung für CRM beispielsweise einen Onlineshop eröffnet, ohne die gesamte Infrastruktur anzupassen, kann es vorkommen, dass gut informierte Onlinekunden im Unternehmen anrufen und dort auf schlecht informierte Mitarbeiter treffen. Umgekehrt kann es sein, dass die Mitarbeiter längst mit der neuen Preisliste arbeiten, während die Onlinekunden noch immer die Preise aus dem vergangenen Monat sehen.
Eine CRM-Einführung kehrt den Rollout-Plan für ERP-Systeme gewissermaßen um, denn während die ERP-Systeme modulweise eingeführt werden (vom Kleinen zum Großen), sollten CRM-Projekte mit der Vision beginnen und dann auf die einzelnen Geschäftsprozesse und Fachbereiche heruntergebrochen werden (vom Großen zum Kleinen).
Falschannahme Nummer 2:
Der erwartete ROI muss nicht klar definiert werden, es reicht aus, dass sich die Kundenzufriedenheit insgesamt erhöht.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Projektziele müssen immer umsetzbar und messbar sein. Pauschale Erwartungen, wie z. B. „Wir wollen unsere Kundenzufriedenheit erhöhen“ lassen sich nicht messen. Erst wenn eine Metrik existiert, die den Erfolg meßbar macht, kann auch der ROI gemessen werden. CRM-Projekte beginnen mit einer Vision, doch dabei darf es keinesfalls bleiben. Eine klare und messbare Zieldefinition ist z. B. „Wir wollen im kommenden Fiskaljahr in der Abteilung 0815 mit jedem einzelnen bestehenden Kunden 500 Euro mehr Umsatz generieren; wir führen daran anschließend im November eine Umfrage zur Kundenzufriedenheit mit den Messkriterien XYZ durch“.
Falschannahme Nummer 3:
Sobald eine CRM-Anwendung oder eine CRM-Suite (ein Bündel aus mehreren CRM-Anwendungen) implementiert ist, ist das CRM-Projekt abgeschlossen.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Zahlreiche gescheiterte Projekte haben gezeigt, dass diese Annahme höchstens zu mehr Kosten führt, keinesfalls aber zu mehr Kundenzufriedenheit. Eine CRM-Einführung ist nicht mit einer ERP-Einführung zu vergleichen, sondern eher mit Changemanagement oder mit Business Process Reengineering. Je nach Status des Unternehmens kann CRM mit einer Änderung der bestehenden Organisationsstruktur verbunden sein. In jedem Fall ist CRM mit einer Umstellung der Geschäftsprozesse verbunden. Hinzu kommt, dass die marktüblichen CRM-Anwendungen nicht immer dieselben Funktionen beinhalten: Einige Anbieter konzentrieren sich auf Frontoffice-Lösungen, andere auf ERP-Anbindung, mobile Systeme oder Datawarehouse. Kein Anbieter kann alle Bestandteile einer CRM-Lösung gleichzeitig liefern und implementieren, sodass selbst der IT-Teil einer CRM-Einführung nach der Implementierung einer CRM-Suite noch längst nicht abgeschlossen ist.
Falschannahme Nummer 4:
Die Projektleitung sollte sich auf die technischen Aspekte der Implementierung konzentrieren.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Wie jedes gute IT-Projekt benötigt ein CRM-Projekt sowohl einen technischen als auch einen kaufmännischen Projektleiter. Hinzu kommt der Aspekt der Reorganisation, der innerhalb der Projektes abgedeckt sein sollte.
Vielleicht wäre es eine gute Idee, in jedes Projektteam einen Change Agent einzubinden, der der Projektleitung gegenüber Vetorecht hat. Der Change Agent sollte darüber informiert sein, welche Prozesse in anderen Fachbereichen umgestellt werden, und somit dafür sorgen, dass das Projektteam nicht die CRM-Aktivitäten im Gesamtunternehmen aus dem Blick verliert.
Falschannahme Nummer 5:
CRM-Anwendungen müssen auf jeden Fall an die vorhandene IT-Infrastruktur angebunden werden.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Nicht immer ist es sinnvoll, die vorhandene Infrastruktur beizubehalten. Bevor CRM-Anwendungen durch aufwändige und teure Schnittstellenprogrammierung angebunden werden, muss analysiert werden, ob die vorhandene Infrastruktur die neuen Geschäftsprozesse überhaupt tragen kann. CRM-Anwendungen vergrößern meistens die Zahl der Endanwender im Unternehmen, d. h., Hardware, Serverauslastung und Netzwerke müssen gegebenenfalls aufgestockt werden. CRM-Projekte, die gleichzeitig das Web als Kommunikationskanal einführen, benötigen ein eigenes Hardwarebudget. Auch ein Datawarehouse setzt Investitionen in Hardware und Software voraus. Wenn das ERP-System als zentraler Datenumschlagplatz für alle Anwendungen dienen soll, muss das vorhandene ERP-System daraufhin überprüft werden, ob es die Auslastung verkraftet.
Auch die Synchronisation der Daten ist ein entscheidender Faktor: Gibt es eine intelligente Middleware oder werden die Daten über das ERP-System synchronisiert? Von all diesen Entscheidungen hängt es ab, ob die vorhandene IT-Infrastruktur beibehalten und ausgebaut werden kann oder ob ein neues ERP-System eingeführt werden muss. Während der Change Agent für die Bereiche Reorganisation und Kommunikation verantwortlich ist, könnte ein weiteres Projektmitglied, der Architekt, für die Unternehmens-Infrastruktur verantwortlich sein und die Entscheidungen im Projekt daraufhin überprüfen, ob sie in die Infrastruktur passen.
Falschannahme Nummer 6:
Pro Kunde existiert ein aktueller und für alle verfügbarer Stammsatz.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Diese Annahme führt in der Praxis zu horrenden Kosten, denn in kaum einem Unternehmen wird ein und derselbe Kunde unter einer einzigen Kundennummer geführt. Datentechnisch gesehen steht meist nicht der Kunde im Vordergrund, sondern der Auftrag. Eines der Grundprinzipien von CRM ist, dass der Kunde nicht nach seiner Auftragsnummer gefragt werden sollte oder danach, ob sein Produkt noch Garantie hat. Ein gutes CRM-System sollte dem Sachbearbeiter aus der Rechnungsabteilung, dem Agenten im Callcenter, dem Servicetechniker und der Urlaubsvertretung des Vertriebsleiters mitteilen, wie es um den Kunden steht, ohne dass der Kunde selbst in allen Unterlagen nach Nummern suchen muss. Ziel muss es sein, in einem System einen Stammsatz pro Kunde zu halten, an den die Bewegungsdaten und die Abteilungsspezifischen Informationen angehängt werden (als verschiedene Sichten bzw. Rollen).
In der Praxis ist es aber oft so, dass verschiedene Abteilungen mit verschiedenen Kundennummern arbeiten, weil beispielsweise der Vertrieb auftragsorientiert und der Support problemorientiert mit demselben Kunden kommuniziert. Es darf keinesfalls unterschätzt werden, wie aufwändig es ist, aus verschiedenen Altsystemen einen einheitlichen Kundenstammsatz zu generieren. Gegebenenfalls kann dies ein eigenes Teilprojekt der CRM-Einführung sein.
Falschannahme Nummer 7:
Auf die Daten aus dem Datawarehouse sollten aus Sicherheitsgründen nur die Unternehmensleitung und die IT-Abteilung Zugriff haben.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Ein Datawarehouse wird fälschlich oft mit einem Management-Informationssystem gleichgesetzt. Zwar können die Informationen aus dem Datawarehouse dem Management zur Unternehmenssteuerung dienen, doch in geeigneter Form sind sie auch für alle Mitarbeiter in den Fachabteilungen wichtig. In vielen Unternehmen dürfen nur Manager Reports anfordern bzw. selbst generieren.
Zu CRM gehört es, dass Kundeninformationen für alle Mitarbeiter transparent sind. Beispielsweise hat ein Supportmitarbeiter, der mit dem Kunden am Telefon ein Problem löst, oft nur die Berechtigung, die Support-Historie dieses Kunden anzusehen. Es wäre für ihn jedoch wichtig zu sehen, dass dieser Kunde ein guter Zahler ist, der regelmäßig große Aufträge bringt. CRM baut auf innovative Ideen aus allen Abteilungen. Fällt dem Supportmitarbeiter z. B. auf, dass ein guter Kunde regelmäßig wegen ähnlicher technischer Probleme anruft, kann er diese Beobachtung im Kundenstammsatz eintragen. Die Kollegen aus Vertrieb und Marketing können daraufhin dem Kunden technisches Training anbieten, ihn zum Umstieg auf weniger komplizierte Produkte motivieren oder ihm einen Wartungsvertrag mit speziellen Konditionen anbieten. In den meisten Unternehmen kennen die Mitarbeiter allerdings noch nicht einmal die zehn wichtigsten und die zehn wertvollsten Kunden ihres eigenen Unternehmens. Nicht jeder Mitarbeiter darf Zugriff auf das Datawarehouse haben, aber jeder Mitarbeiter muss die Möglichkeit haben, auf die Daten anderer Abteilungen zuzugreifen bzw. sich über das Intranet Reports erstellen zu lassen. Nur so kann bereichsübergreifendes Denken und Handeln zum Wohle des Kunden gefördert werden.
Falschannahme Nummer 8:
Es reicht aus, wenn der Außendienst jeden Freitag im Büro die aktuellen Daten eingibt.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Eine CRM-Lösung steht und fällt mit der Synchronisation aller Daten. Vielleicht wurde es früher noch von den Kunden toleriert, wenn ein am Dienstag unterschriebener Auftrag im Unternehmen am Donnerstag noch unbekannt war, doch spätestens im Internet-Zeitalter kann kein Unternehmen so arbeiten. Der Außendienst ist nach wie vor die wichtigste Schnittstelle zum Kunden und muss je nach Branche mindestens mit tagesaktuellen Informationen versorgt werden. Umgekehrt muss auch ein abgeschlossener Auftrag oder ein gelöstes Supportproblem möglichst in Echtzeit für den Innendienst sichtbar werden.
Falschannahme Nummer 9:
Sobald das Unternehmen sich auf Kundenorientierung fokussiert, verändert sich auch das Verhalten der Mitarbeiter in Richtung Kundenorientierung.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Kundenorientierung sollte in jedem Fall gezielt vermittelt werden, es genügt nicht, ein Mission-Statement neu zu definieren. Auch die technischen Voraussetzungen für kundenorientiertes Arbeiten müssen geschaffen und in Trainings vermittelt werden. Teilweise macht das CRM-System Dinge möglich, die den Mitarbeitern entweder nicht bekannt sind oder nicht verständlich erklärt wurden. Beispielsweise ermöglicht es das CRM-System zwar einem Kunden, seinen Auftrag über die Website zu platzieren, doch bei einer Rückfrage im Callcenter können die Mitarbeiter den Auftrag nicht finden, weil noch keine Synchronisation der Daten stattgefunden hat. Solche Vorkommnisse demotivieren die Mitarbeiter und verärgern die Kunden.
Falschannahme Nummer 10:
Hauptziel einer CRM-Einführung ist es, mehr Kundenkontakte und mehr Kundenaufträge zu erreichen.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Mit der CRM-Einführung werden sehr oft falsche oder unscharfe Ziele verfolgt. Ein falsches Ziel ist es beispielsweise, wenn der Vertriebsleiter durch das CRM-System verstärkt die Arbeit seiner Außendienstmitarbeiter überwachen will. Dies führt nur dazu, dass das neue System nicht akzeptiert wird, dass Daten zurückgehalten oder in Papierform erfasst werden, was das gesamte CRM-System ins Wanken bringt, da nie die aktuellen Daten vorliegen.
Ein unscharfes Ziel, das wir einem tatsächlich existierenden CRM-Projektplan entnommen haben, ist z. B.: „Wir wollen 25 % mehr Kundenkontakte und 12 % mehr Kundenaufträge“. Bei diesem Ziel handelt es sich um eine rein quantitative Steigerung, die nichts über die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung aussagt. 25 % mehr Kundenkontakte in der bestehenden Kundenbasis können nämlich auch dazu führen, dass sich die Kunden belästigt fühlen. Ist ein „Kundenkontakt“ ein Telefonanruf, eine anonyme E-Mail oder ein intensives Beratungsgespräch? Kommen die 12 % mehr Kundenaufträge ausschließlich aus der bestehenden Kundenbasis oder handelt es sich hierbei um Neukunden?
Falschannahme Nummer 11:
Durch den Aufbau einer einheitlichen Kundendatenbank wird nur unwesentlich mehr Datenvolumen entstehen als bisher.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Laut einer Untersuchung von Microstrategy17 verursacht alleine die Aufzeichnung von Klicksequenzen (Click-Stream Data) jeden Tag einige Gigabyte an Datenvolumen. Microstrategy nennt insgesamt acht Datenquellen, die eine Kundendatenbank speisen können:
• Daten anderer Anbieter oder Partnerdaten (3rd Party Data)
• Inhalte anderer Anbieter, wie z. B. News, Marktforschung (3rd Party Content Feeds)
• Aufzeichnung von Clicksequenzen (Click-Stream Data)
• Daten aus ERP-Systemen (ERP Data)
• Daten aus SFA-Systemen (SFA Data)
• Bewegungsdaten, wie z. B. ein Onlineauftrag (Transactional Data)
• Daten aus dem Callcenter (Call Center Data)
• Daten aus Altsystemen (Legacy Data)
Für alle diese Datenquellen (sofern sie im Unternehmen vorhanden sind) muss eine Abindung an die Kundendatenbank sowie eine Synchronisationsstrategie entwickelt werden.
Falschannahme Nummer 12:
Die Unternehmensleitung muss das CRM-Projekt nicht aktiv unterstützen, sondern die Initiative geht von der IT-Abteilung aus.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
Im Unterschied zu IT-Einführungsprojekten ist eine CRM-Einführung Chefsache, da viele wesentliche Geschäftsprozesse umgestellt werden müssen. Ein Unternehmen, das die CRM-Einführung von einer schwachen Stabstelle planen und durchführen lässt, sorgt damit für garantiertes Scheitern.
Auch wenn die IT-Abteilung versucht, CRM einzuführen, werden die Widerstände in der Linienorganisation stark genug sein, um das CRM-Projekt auf eine reine Einführung von IT-Anwendungen zu reduzieren.
Falschannahme Nummer 13:
Das Projektteam für eine CRM-Einführung muss nicht anders zusammengesetzt werden als alle anderen IT-Projektteams.
Warum diese Annahme zum Scheitern führt:
In der Realität ist das CRM-Projektteam meist falsch zusammengesetzt. Beispielsweise besteht das Projektteam nur aus IT-Fachleuten und bezieht keine Experten aus den Fachabteilungen ein. Neben den tatsächlichen Anwendern der CRM-Lösung sollten auch die potenziellen Anwender befragt und einbezogen werden, denn vielleicht sehen Mitarbeiter, die bislang noch nichts mit dem CRM-Projekt zu tun hatten, neue Synergieeffekte und neue Anwendungsformen voraus. Abgesehen von den tatsächlichen Anwendern gibt es in jedem Unternehmen auch die passiv Interessierten, die zwar selbst keine Daten eingeben, die aber an der Auswertung der Daten interessiert sind. Auch hier lohnt es sich für das Projektteam, Meinungen und Ideen einzuholen. Wie bereits erwähnt, gehören in ein Projektteam auch ein Change Agent und ein Architekt.
Dieser Beitrag ist ein Auszug der Galileo Business-Publikation „CRM mit Methode – Intelligente Kundenbindung in Projekt und Praxis mit iCRM“ von Britta Stengl, Renate Sommer und Reinhard Ematinger.