Entscheider in Unternehmen stehen häufig vor der Aufgabe, Prozesse und Arbeitsweisen zu optimieren oder neu zu definieren; vor allem die eigene Vertriebsstrategie. Das für Vertrieb und Marketing zur Verfügung stehende Budget muss dabei sehr genau und klug eingesetzt werde: in diesem Zusammenhang bietet ein globaler Ansatz, wie GAM (Global Account Management), Chancen für Konzerne und mittelständische Firmen.
Von einem globalen Kundenprogramm erwarten sowohl Kunde als auch Dienstleister wirtschaftliche Vorteile: Der Kunde zählt auf mehr Einheitlichkeit und Kohärenz sowie weniger Aufwand für Verwaltung und Beziehungsmanagement. Der Lieferant darf auf eine langfristige Geschäftsbeziehung mit einem globalen Unternehmen hoffen sowie auf eine höhere Rentabilität, niedrigere Vertriebskosten und ein gutes Wachstumspotenzial. Außerdem erhöht ein großer internationaler Kunde das Prestige und die Attraktivität der Firma für die Talente auf dem Arbeitsmarkt.
Kein Zufall sondern eine strategische Entscheidung
Der Aufbau eines globalen Kundenprogramms sollte auf gar keinen Fall eine opportunistische Entscheidung sein, sondern das Ergebnis einer strategischen Analyse. Es bedeutet nicht, dass ein solches Programm unbedingt mit einer massiven Investition verbunden sein muss. Es bedeutet aber, eine klare Unterstützung der Geschäftsführung und eine entsprechende Kommunikation, denn beides ist für das Gelingen absolute Voraussetzung.
Für viele Dienstleister ist der Fokus auf globale Kunden Teil des Geschäftsmodells und der Strategie. Zum Beispiel in Branchen wie Marketing, Werbung und Kommunikation betrachten relativ viele Dienstleister ihre Fähigkeit, internationalen Kunden weltweit kohärent zu betreuen, als wichtigsten Unterscheidungsfaktor. Diesen Anspruch können Firmen nur mit Hilfe einer spezifischen Methodologie und den passenden Werkzeugen erfüllen. Im Verlauf dieses Artikels werden wir diese Werkzeuge kurz beschreiben. Es soll aber klar sein, dass die Absicht ein globales Kundenprogramm zu konzipieren und zu implementieren, auch wenn der Focus begrenzt ist, weitgehende Konsequenzen für die Planung des Vertriebsbudgets sowie für die Personalentwicklung bedeutet. Es wird auch empfohlen, einen Program Manager formell zu nominieren, am besten auf Ebene der Geschäftsführung. Falls der Programm Manager nicht der Geschäftsführung gehört, sollte ein Mitglied der Geschäftsführung offiziell der „Executive Sponsor“ des Programms sein.
Schritt eins: Kunden-Segmentierung
Die Segmentierung der Kunden kann eine sehr interessante Übung für eine Vertriebsmannschaft sein. Sie dient nicht nur der Vorbereitung eines globalen Kundenprogramms, sondern bietet auch eine hervorragende Gelegenheit, sich über einige grundlegende Fragen zu den Kunden klar zu werden.
Die Wahlkriterien für die Segmentierung sollten so einfach wie möglich sein. Benötigt werden hierfür vor allem Zahlen, besonders zu Umsatz und Rentabilität. Auch sehr nützlich ist eine Evaluierung des Wachstumspotenzials. Diese Analysen entstehen am besten in gemeinsamer Arbeit, außerdem sollte der Prozess nicht zu kompliziert sein. Alle Teilnehmer sollten von Anfang an wissen und akzeptieren, dass diese Segmentierung nicht zu 100% exakt sein kann.
Die Ergebnisse der Segmentierung sollten in eine Matrize (ein Schema) münden. Für eine produktorientierte Firma ist eine Matrize mit dem Umsatz als X-Achse und die Rentabilität als Y-Achse gut geeignet. Jeder Kunde lässt sich dann durch einen Kreis darstellen, dessen Größe vom Wachstumspotenzial abhängig ist. Alternativ kann man die Rentabilität auf der X-Achse und das Wachstum auf der Y-Achse abbilden und die Kreisgröße vom Umsatz abhängig gestalten – diese Methode ist theoretisch die bessere, fordert aber eine präzise Evaluation des Wachstumspotenziell, was immer ziemlich schwierig ist. Für einen Dienstleister kann man auch weniger konkrete, oder nicht exakt messbar, Parameter im Modell aufnehmen. Die X-Achse könnte nicht nur den Umsatz sondern auch den Prestigefaktor berücksichtigen. Die Y-Achse könnte auch eine mögliche qualitative Ausweitung der Beziehung berücksichtigen, zum Beispiel die Möglichkeit, neue Imageträger und teurere Dienstleistung zu verkaufen.
Am Ende des Prozesses erhält man eine Matrize mit vier Zonen: Oben befinden sich die Kunden mit viel Potenzial, wobei rechts die etablierten Kunden (Top Clients) angesiedelt sind und links die Entwicklungskunden (High Potentials). Der Hauptanteil der Investition sollte sich auf diese Kunden fokussieren. Unten rechts sind die großen Kunden mit wenig Wachstumspotenziell (Value Client). Hier muss die Vertriebsmannschaft den Umsatz sichern, aber die Investition begrenzen oder über mögliche Taktiken nachdenken, um das Potenzial zu erhöhen. Unten links sind kleinere und oft auch problematische Kunden (Other Clients) die keine Investition wert sind.
Schritt zwei: pragmatische Methodologie mit passendem Werkzeug
Die Methode eines globalen Kundenmanagements dient einerseits dazu, einheitliche Standards herzustellen; anderseits unterstützt sie das Unternehmen in drei Bereichen:
– Die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern der globalen Kundenmannschaft
– Die Lieferung von Produkten oder die Serviceleistung am Kunden
– Beziehungs- und Geschäftsentwicklung (Networking) mit dem Kunden
Der Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern einer globalen Kundenmannschaft wird durch die Zielsetzung und die Implementierung bestimmter Prozesse definiert. Ein Kundenentwicklungsplan mit klaren Zielen, eine Kontaktliste und feste Kommunikationsprozesse sind die minimale Infrastruktur. So weit es wirtschaftlich möglich ist, empfiehlt es sich, dass sich die gesamte Mannschaft oder wenigstens ein Teil mindestens einmal im Jahr trifft. Der Global-Account-Lead (GAL) und die anderen Manager in der Mannschaft müssen auch gewährleisten, dass kontinuierliche Kommunikation zwischen den verschiedenen globalen Schaltstellen stattfindet. Diese eher informelle Kommunikation und das jährliche Treffen schaffen und stärken die persönlichen Verbindungen zwischen den Mannschaftsmitgliedern.
Ob Produkt oder Service – Verkauf und Leistungserbringung hängen ab von Kunden, Lieferant, Organisation und Mitarbeitern. Ein globaler Lieferant benötigt eine Methode und Werkzeuge, die Einigkeit und Homogenität gewährleisten.
Eine große Hilfe ist hier die Festlegung eines Service-Standards. Außerdem ist es wichtig, für Klarheit bezüglich Erwartungen, Zielsetzung, Messkriterien, Berichten und Problembehandlung zu sorgen und klare Richtlinien zu erarbeiten. Für viele globale Organisationen, Kunden und Lieferanten ist es eine Herausforderung, diese Kohärenz und den passenden Zusammenhang zu etablieren und zu pflegen.
Das globale Kundenmanagement muss nicht nur die Zufriedenheit des Kunden mit den Produkten und dem Service gewährleisten, es dient auch dafür, die Beziehungen mit der Kundenorganisation zu pflegen und weiterzuentwickeln. Ziel ist es, das Kontaktnetzwerk weltweit weiter auszubauen und damit neue Geschäftmöglichkeiten zu generieren. Um diesen Prozess zu unterstützen, ist ein Global-Account-Development-Plan, auch manchmal Networking-Plan genannt, sehr hilfreich. Dieser Plan ist einer Art Karte, die die etablierten und gewünschten Kontakte darstellt sowie um die möglichen Aktionen um diese Kontakte zu entwickeln. In diesem Prozess spielt auch der Kunde eine große Rolle. Denn je nach dessen Geschmack und Verhalten kann ein Hauptansprechpartner die Entwicklung des Kontaktnetzwerks fördern oder im Gegenteil behindern.
Eine wichtige Rolle für das Funktionieren eines globalen Kundenprogramms spielt heute auch die Nutzung von Software. Portale, Kollaborationsanwendungen und Web-2.0-Werkzeuge können für den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit in einer globalen Kundenmannschaft sehr nützlich sein. Allerdings: Wichtiger für das Gelingen der Zusammenarbeit ist die kooperative Einstellung der einzelnen Teammitglieder als jede Art von Technologie.
Schritt drei: Aufbau der richtigen Mannschaft
Für jeden globalen Kunden wird das globale Kundenteam (auch Global-Account-Team genannt) von einem „Global-Account-Lead (GAL) geführt. Der GAL hat die Aufgabe die Beziehung mit dem Kunden zu steuern und die Zusammenarbeit in der virtuellen Mannschaft zu koordinieren. Der Begriff „virtuelle Mannschaft“ bedeutet, dass die meisten Mitglieder auch andere (lokale) Aufträge haben und an einen anderen Manager berichten.
In jedem Land, in dem genügend Aktivitäten mit dem globalen Kunden stattfinden, gibt es ein Local-Lead. Die Local-Leads arbeiten mit dem GAL zusammen, um die gesamte Aktivität mit dem Kunden zu steuern. Diese anspruchsvolle Rolle fordert sehr gute Führungs- und Kommunikationsfähigkeiten. Daher ist es notwendig, dass die Global-Account-Leads und die Local-Leads schon über echte internationale und multikulturelle Erfahrung verfügen.
Aber auch die Auswahl der anderen Mitglieder eines globalen Account-Teams bedarf großer Sorgfalt: Jeder Mitspieler sollte mindestens sehr gut Englisch sprechen. Wegen der Komplexität der internationalen Organisationen erfordert die Arbeit mit globalen Kunden zudem viel Diplomatie und eine gute Anpassungsfähigkeit.
Darüber hinaus benötigt ein globales Account-Team Ausbildung und Coaching in den Bereichen Organisation und Arbeitsweisen internationaler Firmen, multikulturelle und virtuelle Zusammenarbeit und Beziehungsentwicklung mit globalen Kunden. Auch die Personalabteilung sollte daher auf das globale Kundenmanagement-Programm Rücksicht nehmen und die passenden Ausbildungsmaßnahmen anbieten – dies am besten in Zusammenarbeit mit dem Programm-Manager.
Der Betrieb des Programms
Nach der Auswahl der globalen Kunden durch die Segmentierung und dem Aufbau der verschiedenen Mannschaften sollte sich der Programm-Manager auf die Messbarkeit des Programms konzentrieren. Dazu sollte er sich die Möglichkeit schaffen, die Fortschritte, Probleme und Ergebnisse für das gesamte Programm und für jeden Kunden individuell analysieren zu können. Diese Score-Card sollte Folgendes berücksichtigen:
– Entwicklung des Umsatzes und die geographische Expansion (neue Ländern oder Regionen)
– die Gesamtrentabilität
– Qualität der Beziehung (und die damit einhergehende Erweiterung des Auftrags)
– Kundenzufriedenheit
– die Dynamik in der Mannschaft und die Zufriedenheit der Mitarbeiter
Ein wirklich erfolgreiches globales Kundenprogramm bringt sichtbare Ergebnisse in allen diesen Kategorien. Nicht nur der Programm-Manager und die Account-Leads sollten sich an konkreten Zielen eines globalen Kundenmanagements messen lassen, sondern auch Führungskräfte in den Hauptsitzen und in den verschiedenen Regionen und Ländern.
Voraussetzung für den Erfolg: Kooperation
Globale Kunden bieten die Möglichkeit das Geschäft weiter zu entwickeln, auch in schwierigen Zeiten. In der Theorie klingt ein globales Kundenprogramm zwar relativ einfach. Die Implementierung aber erfordert viel Mut, Entschlossenheit und Durchsetzungskraft. Klarheit über die Strategie, eine gute Kommunikation, die Unterstützung der Geschäftsführung und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit sind die Grundvoraussetzungen für den Erfolg. Nicht alle Firmen und Programm-Managern wird dies gelingen; aber wer es schafft, wird sich eine klar bessere Marktposition erobern.