Das mobile Internet bringt den klassischen Handel in Bewegung: Das viel zitierte „Internet der Dinge“ besagt, dass Nutzer sich mit digitalen Inhalten so selbstverständlich umgeben, dass der Unterschied zwischen „off- und online“ verwischt. Im Verkauf bleibt das reine Theorie. Hier zählen am Ende immer noch Anfassen und eigenhändiges Prüfen. Gelingt es Herstellern und Handel, digitale Warenwelten „greifbar zu machen“ und die Stärken des World Wide Web für neue Servicemodelle zu nutzen, wird das Internet eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie die Einführung der Selbstbedienung in den Supermärkten und Warenhäusern des vergangenen Jahrhunderts.
Für Markenhersteller waren Flächenmarkt, Warenhaus und weit verzweigte Filialnetze lange Zeit ein leistungsstarker Vertriebskanal. Mittlerweile stellt ein stagnierender stationärer Handel diesen Kundenzugang in Frage. Wachstum verzeichnete in den letzten Jahren ausschließlich das Online-Geschäft, das seit der Markteinführung des Smartphones immer stärker an Boden gewinnt. Zwar wird der klassische Handel mit Beratungskompetenz, Waren zum Anfassen und hochwertigen Services nicht untergehen; dennoch bedeutet der Erfolg des Online-Handels mehr als nur eine Störung der traditionellen Verhältnisse. Amazon und Co. haben Marktbedingungen und Konsumverhalten nachhaltig verändert. Vor allem die Kundenerwartung an Produktauswahl, -verfügbarkeit und Lieferflexibilität steigt.
Mit dem iPhone bestellen, mit eigenen Händen ausprobieren
Allerdings kann der Online-Handel alleine nicht alle Servicewünsche erfüllen. So attraktiv das Internet mit seinem rund um die Uhr verfügbaren Warenuniversum ist – auf das Aus- und Anprobieren vor Ort wollen Kunden nur ungern verzichten. Vor diesem Hintergrund ist die Harmonisierung von Webstore und Niederlassung das große Branchenthema: Gesucht wird das oder „der“ Missing Link zwischen digitalen und traditionellen Absatzformen. Flexi-ble Multi-Kanal-Strategien sind eine erfolgversprechende Lösung – wenn Hersteller und Handel sich gleichzeitig enger verzahnen und in ihren Kompetenzen ergänzen.
Partnerschaft im Umbruch: Hersteller und Handel mit neuer Rollenverteilung
Die sinkende Attraktivität des klassischen Handels zwingt Hersteller dazu, eine deutlich aktivere Rolle im Vertriebsprozess zu übernehmen. Bislang begnügen sich Marken häufig damit, ihr Portfolio mit hohem Designaufwand zu präsentieren. Um die Vertriebspartner nicht zu verärgern, verzichten Hersteller zumeist auf einen direkten Verkauf. Stattdessen wird der Kunde mit dem Verweis auf das Händlernetz weggeschickt – „Anschauen erlaubt, Kaufen verboten“. Eine Beeinflussung und Kontrolle des Verkaufserfolges ist so unmöglich.
Wollen Markenhersteller Reputation und Kundenvertrauen effektiver nutzen, werden sie die Umsatzentwicklung in Eigenregie vorantreiben und einen eigenen Online-Vertrieb aufbauen. Aufgrund der niedrigen Einstiegshürden und der hohen Besucherfrequenz erscheinen Plattformen wie z.B. Amazon hierfür als naheliegende Option. Für manche Hersteller kann die Rechnung aufgehen, für andere sind Fragen der Margen, Geschäftskonditionen und Datensicherheit nicht befriedigend geklärt. Markenpflege und Profilierung der Alleinstellung sind in einer allumfassenden Waren- und Anbietervielfalt ohnehin schwierig – bei Amazon ist der Wettbewerb mit seinen Vergleichsprodukten immer nur einen Mausklick entfernt.
Die Alternative für Hersteller besteht in der Einrichtung eigener Vertriebsstrukturen, die die stationären Handelspartner direkt einbeziehen. Der Erweiterung der Website zu einem Store stand allerdings lange ein finanzieller und technologischer Aufwand entgegen, den nicht jeder Hersteller stemmen konnte. Cloud-basierte Lösungen reduzieren den Zeit- und Finanzeinsatz inzwischen erheblich, indem sie auch ohne teure Systemintegration den gesamten Vertriebsprozess von der Präsentation bis hin zur Auslieferung der Waren abbilden.
Hersteller und Handel profitieren gemeinsam von Offline-Online-Synergien
Entscheidend ist es, dass Hersteller und Handel das gemeinsame Ziel einer Harmonisierung von Off- und Online-Geschäft nicht aus dem Blick verlieren. Moderne Systeme sollten daher innovative Servicemodelle wie Click & Collect unterstützen. Der Kunde bestellt im Web, nimmt die Ware aber im Fachhandel seiner Wahl in Augenschein und bezahlt sie dann in einer ihm vertrauten Form (z.B. in bar). Der Handelspartner ist fair beteiligt, kann seine Stärke der persönlichen Beratung ausspielen und ergänzende Produkte verkaufen. Weitere Offline-Online-Synergien ergeben sich aus der Nutzung der Lagerbestände in eigenen oder Partnerfilialen. Sie erfüllen Online-Bestellungen aus ihrem Bestand, versenden die Ware an den Kunden und reduzieren so Lieferzeiten, -wege und -kosten.