Meinungsportale: Expertenparadies für jedermann

Dass sich mit der bloßen Meinung anderer Leute im Internet viel Geld verdienen lässt, klingt auf den ersten Blick recht unwahrscheinlich. Warum also stehen renommierte Venture-Capital-Geber selbst in schwierigen E-Commerce-Zeiten bei Meinungsportalen wie dooyoo oder Ciao.com förmlich Schlange?

Von der letzten Reise zum Mardi Gras nach New Orleans über das DJ Master Mischpult von Pioneer bis hin zur Leistung einzelner Spieler bei der EM: Bei Meinungsmachern wie Ciao.com und dooyoo.de ist praktisch alles einen Kommentar wert. Ziel dieser Portale ist es, Ratsuchende und Experten zu den unterschiedlichsten Fragen und Themen zusammenzuführen. Jeder, der Informationen zu Produkten oder Dienstleistungen sucht, wird laut Werbung auf Meinungsportalen fündig. Und so ganz unrecht haben die Werbetreibenden mit dieser Einschätzung tatsächlich nicht, denn sowohl die Zahl der Nutzer als auch die der bereits veröffentlichten Meinungen, sind beträchtlich: Dooyoo besitzt nach eigenen Angaben 180.000 Mitglieder und 260.000 Meinungen zu 130.000 verschiedenen Produkten. Konkurrent Ciao.com verfügt sogar über 200.000 registrierte Mitglieder und über 500.000 Meinungen zu 180.000 Produkten. Kleine Einschränkung: Die höheren Nutzerzahlen bei Ciao.com resultieren zum Teil aus Doppelnennungen aufgrund der vor einigen Monaten erfolgten Fusion mit dem ehemaligen Wettbewerber Amiro als Folge erster Konzentrationserscheinungen am deutschen Markt. Auch der Ursprung der Meinungsportale liegt – wie so viele andere Business-Ideen im E-Commerce – in den USA: Dort gilt das amerikanische Unternehmen Epinions als First Mover und konnte im April sein einjähriges Jubiläum feiern. Die deutschen Pendants starteten fast zeitgleich im Spätsommer/Herbst 1999.

Die beeindruckende Menge an Produkteinschätzungen und Beurteilungen von Dienstleistungen mit denen sich die Meinungsportale rühmen, kommt nicht von ungefähr: So wird jede publizierte Meinung von den Betreibern belohnt, entweder mit Bargeld (Ciao) oder per Webmiles (Dooyoo). Reich wird man damit zwar nur schwerlich, doch ein ansehnliches Taschengeld lässt sich allemal verdienen. Vor allem in der Entstehungsphase bezahlten die Portale ihre Nutzer für deren publizierte Meinungen geradezu fürstlich. Daher nutzten auch viele fleißige Produkttester naheliegende „Synergieeffekte“ und veröffentlichten ihre Meinung gleich dreifach: Bei dooyoo, amiro und bei ciao. Mittlerweile ist den Meinungsportalen jedoch nicht mehr in erster Linie an Quantität sondern vielmehr an Qualität gelegen. Dies findet seine Entsprechung vor allem in einer Modifikation des Prämiensystems. Die pauschalen „Belohnungen“ wurden heruntergesetzt. So erhält der User bei Ciao.com mit der Anmeldung ein „Begrüßungsgeld“ in Höhe von 5 DM auf sein Ciao.com-Konto überwiesen. Für jede akzeptierte Meinung werden dann 0,50 DM fällig und weitere 0,10 DM für jeden Abruf der Meinung durch ein Ciao-Mitglied. Beim Konkurrenten dooyoo bekommt der fleißige Schreiber für seine Bemühungen Aufwandsentschädigungen in Form von Webmiles. Für jede selbst verfasste Meinung gibt es 2 Webmiles, wenn ein Mitglied den Standpunkt liest eine Webmile. Eine Webmile besitzt dabei einen Gegenwert von 0,06 DM. Diese Bonuspunkte können dann wiederum bei den Partnersites in Waren oder Dienstleistungen umgetauscht werden. Angesichts der immensen Kosten, die aufwendige Marketingaktivitäten und die Beschaffung von attraktivem Content generell im Bereich E-Commerce verursachen, ist der finanzielle Aufwand den das Prämiensystem der Meinungsportale erfordert vergleichsweise gering: So erwartet Ciao.com für dieses Jahr Provisionszahlungen an seine Mitglieder in Höhe von 1,5 Millionen DM.

Und? Wer hat’s erfunden?
Newsgroups und Mailinglisten gehören zu den ersten Anwendungen im Internet, die ein großes Publikum angesprochen haben. Für wirtschaftliche Zwecke, wurden User-Bewertungen zuerst vom Branchen-Primus Amazon eingesetzt. Die Buchbesprechungen bei Amazon kann man quasi als Vorläufer der heutigen Meinungsportale betrachten. Wie gut derartige Rezensionen bei den Nutzern ankommen, wird ebenfalls bei Amazon deutlich: So umfasst die Datenbank des weltweit wohl bekanntesten Online-Shops mittlerweile über 2,5 Millionen Meinungen zu Büchern, CDs und Spielzeug.

ROI – Wovon lebt ein Meinungsportal?
Wenn schon bei kostenlosen Angeboten im Web die Finanzierungsfrage oftmals Auslöser für einiges Kopfzerbrechen ist, wie steht es dann erst bei Angeboten, die ihren Nutzern für die Verwendung ihrer Services auch noch Geld bezahlen? Neben den ohnehin hohen Ausgaben für Werbe- und Marketingmaßnahmen kostet ein Meinungsportal jedes aktive Mitglied bares Geld. Dennoch konnte dooyoo erst vor kurzem die zweite Finanzierungsrunde einläuten: Die Risikokapitalgeber 3i Technologieholding aus Berlin und Earlybird aus München stellten insgesamt 40 Millionen DM zur Verfügung. Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld – die Pleite von Boo.com lässt grüßen – ist eine Förderung in dieser Größenordnung eher selten. Was versprechen sich Venture-Capital-Geber also von derart hohen Investitionen, wo doch die Cash-Burn-Rate offensichtlich weit über den benötigten Volumina anderer E-Commerce Bereiche liegt?

Meinungsportale erwarten durch drei wesentliche Einnahmequellen zu profitablen Unternehmen zu werden und dementsprechend schwarze Zahlen zu schreiben:

• Werbeeinnahmen
• Provisionen von Online-Shops
• Marktforschung

Laut Ingo Krocke, von der Venture-Capital Firma Wellington können die virtuellen Meinungsmacher, im Gegensatz zu vielen anderen Internt-Start-ups, bereits innerhalb eines Jahres die Gewinnzone erreichen. Haupteinnahmenquelle ist dabei gegenwärtig die Werbung, wobei auch die anderen beiden genannten Aspekte über ein beträchtliches Potential verfügen. So kann sich ein Interessent auf einem Meinungsportal nicht nur über ein bestimmtes Produkt informieren, sondern dieses oftmals unmittelbar beim passenden Online-Shop ordern. Diese Käufervermittlung wird von den angeschlossenen Partnershops mit Verkaufsprovisionen zwischen 5-15% belohnt. Das wohl größte Pfund, mit dem die Communities wuchern können, ist die Vielzahl der erhobenen Daten zu einzelnen Produkten und Dienstleistungen. Welche Personengruppe kauft welches Produkt und ist womit zufrieden bzw. nicht? Diese Daten sind für Unternehmen Gold wert und können im Bedarfsfalle zu kompletten Produkt- und Marktanalysen ausgebaut werden. Ein eindrucksvolles Beispiel: Ford ließ sich Informationen über die Auto-Präferenzen der weiblichen Nutzer des Frauen-Portals iVillage nahezu 20 Millionen DM kosten. In diesem Lichte scheinen die 40 Millionen DM Venture-Capital, die dooyoo erhalten hat, durchaus gut angelegtes Geld zu sein.

Wie wichtig sind Meinungen für den Weberfolg?
Schenkt man einer Studie von Roper Starch Glauben, dann führt an Meinungsführern kein Weg mehr vorbei. Der Nutzer hört eher auf Empfehlungen per Mundpropaganda („Word of Mouth“) als auf die Versprechen der Werbung. Die Meinungsmacher, deren Zahl in den USA inzwischen auf 9 Millionen Online-Anwender geschätzt wird, beeinflussen im Internet mehr Menschen zu mehr Themen als dies in der Offline-Welt der Fall ist. Übte früher ein Meinungsführer Einfluss auf lediglich zwei weitere Konsumenten aus, so sind es in der New Economy heute gleich deren acht! Deshalb gibt Chris Komisajevsky, Geschäftsführer bei Roper Starch, für Unternehmen die Empfehlung, sich im Netz konkret auf Meinungsmacher einzustellen, diese direkt anzusprechen und von ihnen zu lernen.

Der Blick nach Amerika
Im Gegensatz zu den deutschen Meinungsportalen muss der US-amerikanische Branchen-Primus epinions.com seine Autoren nicht mit Geld oder Prämien locken. Die Nutzer in den USA scheinen grundsätzlich wesentlich auskunftsfreudiger zu sein und teilen ihre Ansichten auch ohne „Belohnung“ bereitwillig mit anderen. Während jenseits des großen Teichs so gut wie alle Teile der Bevölkerung ihre Erfahrungen kundtun, beschränkt sich dies in Deutschland eher auf die erfahrenen Surfer. Dementsprechend sind Meinungen über Haushaltsgeräte auch nur schwer zu finden, während Produkteinschätzungen der Hi-Tech-Branche im Überfluss vorhanden sind. Auch bei den Abrufmöglichkeiten der Verbrauchermeinungen ist Amerika einen Schritt weiter und bietet auch in der realen Welt Online-Produkteinschätzungen an. Das US-Meinungs-Portal ConsumerREVIEW.com setzt die sogenannte „Touch and Mortar“ eMerchandising Lösung von Where2Net ein. So werden Kunden über Touch-Screen-Terminals Produkteinschätzungen des Meinungsportals auch in angeschlossenen Kaufhäusern zur Verfügung gestellt. Vor allem die User, die sich bevor sie Offline kaufen erst Online informieren wollen (laut einer Jupiter-Communications-Studie über ein Drittel), will man die Kaufentscheidung am Point-of-Sale erleichtern. Nach Meinung von Max Mancini, CEO von ConsumerREVIEW.com, werden sowohl Käufer (Zeiteinsparung, bessere Produkteinschätzung) als auch Verkäufer (höhere Verkaufszahlen) von „Touch and Mortar“ profitieren.

Waren im letzten Jahr Auktionen – Ricardo und eBay – die Killer-Applikationen, so sind inzwischen die Meinungsportale in aller Munde. Das Potential dieser Websites ist enorm und vor allem Shopping-Partnerschaften sowie der Verkauf von Marktforschungsdaten scheinen eine lukrative Quelle sowohl für die Anbieter als auch für die Wirtschaft zu sein.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
Nach oben scrollen