Wodurch unterscheidet sich ein eShop eigentlich von einem Versandkatalog? Wenn er „up-to-date“ ist vielleicht dadurch, dass er für jeden einzelnen Kunden ein ganz individuelles Erscheinungsbild aufweist.
Kein Zweifel: Das Web als Sammelbecken unzähliger statisch aufbereiteter Inhalte, die unselektiert, unkommentiert und für alle Betrachter gleich präsentiert werden, hat zunehmend ausgedient. Wo immer es um die Rezepte erfolgreicher Online-Anbieter geht, fallen heute beinahe zwangsläufig Begriffe wie Profiling, One-to-One-Marketing, Collaborative Filtering oder Suggestive Selling. Was verbirgt sich hinter diesen Begriffen, ohne die eine dauerhafte und erfolgreiche Kundenbindung kaum noch denkbar erscheint?
Target-Marketing via TV
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich zur besten TV-Sendezeit in dem beschaulichen Denver-Vorort Aurora in Colorado und verfolgen dort das aktuelle Football-Match der heimischen Denver-Broncos. In einer Werbepause präsentiert Ihnen der Sender einen Werbespot der Biermarke Budweiser, während Ihr Nachbar auf dem Hügel in seiner ranchartigen Nobelbehausung in der gleichen Sekunde einen Lexus-Autotrailer zu sehen bekommt. Was für uns momentan noch nach Zukunftsmusik klingt, wird für rund 30.000 Einwohner des amerikanischen Städtchens wohl noch im Laufe diesen Jahres zur Realität. Der Kabelanbieter AT&T wird dort gemeinsam mit dem Unternehmen ACTV eine Technologie namens „SpotOn“ testen, die mittels einer digitalen Set-top-Box sowie der Grundlage demographischer Daten haushaltspezifische Werbekampagnen fahren soll. Unterschieden wird hierbei etwa zwischen Haushalten mit oder ohne Kindern, zwischen einkommensschwächeren Haushalten unterhalb von 50.000 US$ oder denjenigen mit einem verfügbaren Einkommen jenseits der 75.000 US$. Alle gewonnenen Daten werden selektiert und ausgewertet und stehen dann für zielgerichtete Kampagnen bereit. Alleinstehende Frauen mit gutem Einkommen etwa werden demzufolge künftig eher mit Sonderangeboten für ausgewählte Sportartikel als mit den neusten Pampers-Spots versorgt.
Personalisierung als Erfolgsfaktor
So fremdartig uns diese „Überwachungspraktiken“ im Bereich des vertrauten Mediums Fernsehen auch vorkommen, so selbstverständlich erscheinen sie inzwischen im Umfeld des WorldWideWeb. Denn in dem Maße, in dem der geschäftliche Erfolg einer Unternehmung von der exakten Kenntnis der Zielgruppe, vom Wissen über das individuelle Nutzerverhalten bzw. den unterschiedlichen individuellen Vorlieben und Präferenzen abhängt, erfährt der Aufbau von spezifischen Kundenprofil-Datenbanken wachsende Bedeutung. Und das keineswegs nur zum Schaden des Kunden. Denn: Wenngleich auch Verstöße gegen Datenschutz-Bestimmungen – wie etwa in den USA in spektakulärer Weise im Fall des Werbevermarkters Double Click – immer wieder öffentliche Diskussionen zum Thema Datenmissbrauch anheizen, möchten viele Kunden den Service personalisierter Webangebote inzwischen nicht mehr missen. Eine im Mai von Cyber Dialogue im Auftrag des Personalization Consortium veröffentlichte Studie unterstreicht: Wo immer es einem Anbieter gelingt, das Vertrauen seiner Nutzer zu gewinnen, sind diese auch gerne dazu bereit, sich entsprechend auf der Website zu registrieren. So haben 63% der Befragten grundsätzlich kein Problem damit, persönliche Daten von sich preiszugeben, wenn ihnen im Gegenzug hierfür personalisierte Services angeboten werden. Und mehr noch: 56% der Befragten geben sogar an, dass sie den Einkauf auf personalisierten Websites bevorzugen. Allein der Umstand, dass Online-Anbieter häufiger als einmal die gleichen Informationen bei ihren Nutzern abfragen, stellt für 87% der Befragten ein echtes Ärgernis dar. So verwundert es kaum, dass die Registrierung bei einem Online-Anbieter zwar nicht zwangsläufig – aber durchaus nicht selten – auch zu einer erhöhten Kaufbereitschaft führt. Cyber Dialogue jedenfalls hat ermittelt, dass unter den Nutzern personalisierter Services im letzten Jahr immerhin 28% für mehr als 2000 US$ Einkäufe tätigten, während es bei den nicht registrierten Nutzern nur 17% waren.
Erster Schritt einer erfolgreicheren Kundenbindung
Um es gleich vorwegzunehmen: Kunden lassen sich nicht einfach an das eigene Angebot binden. Und insbesondere nicht im Internet, dass auf denkbar einfache Weise den Gang zum Wettbewerb und dem vermeintlich attraktiveren Angebot ermöglicht. Aber Kunden sind begeisterungsfähig und offen für neue interessante Services. Wer also darauf setzt, anstelle von immer mehr neuen Kunden lieber größere Umsätze mit den bestehenden Kunden zu erzielen, für den bedeuten personalisierte Webseiten möglicherweise einen ersten wichtigen Schritt in Richtung einer größeren Kundennähe.
Die einfachste Form der Personalisierung ist die der Registrierung sowie der eigenständigen Selektion des Webangebots durch den Nutzer. D.h., der Nutzer entscheidet durch eigene Auswahl, welche Teile des Gesamtangebots für ihn interessant bzw. relevant sind und auf welche er gerne verzichtet. Das Ergebnis wird seitens des Anbieters protokolliert und unter der entsprechenden IP-Adresse des Nutzer-Rechners abgelegt. Ferner wird parallel hierzu auf dem Rechner des Nutzers ein so genannter Cookie gesetzt, also eine kleine Datei abgelegt, die neben der IP-Adresse auch noch die wichtigsten Daten aus der Registrierung enthält. Besucht der Nutzer das Angebot nun abermals, wird er durch diesen Cookie identifiziert und bekommt auf dem Bildschirm nur noch die durch ihn selbst festgelegten und im Protokoll gespeicherten Inhalte präsentiert. Ebenso bieten die durch die Registrierung gespeicherten persönlichen Daten die Möglichkeit einer individuellen Begrüßung (z.B. Hallo, Herr Mustermann! Schön dass Sie unseren Online-Shop wieder besuchen). Alternativ zu dem gelegentlich ins Gerede gekommenen Cookie, kann man seine Nutzer auch bei jedem neuen Betreten des Webangebots zu einem persönlichen Login auffordern, um ihnen personalisierte Services bereitstellen zu können. Diese Methode ist indes zweifellos weitaus weniger elegant.
Nicht übersehen werden sollte, dass die Registrierung seitens des Nutzers nur wahrscheinlich ist, wenn er der Website ausreichend vertraut und einen eindeutigen Nutzen in der Preisgabe seiner persönlichen Daten erkennt. Dieser kann – eher indirekt – in der Auslobung von Preisen im Rahmen eines Gewinnspiels bestehen oder – besser noch – in den direkten Vorteilen, die sich aus einer Personalisierung ergeben, liegen. So bieten einige Online-Weinhändler etwa die Möglichkeit, bevorzugte Produkte in einem virtuellen Warenkorb (oder auch „Weinkeller“) abzulegen, um sie anschließend bei Bedarf direkt von dort aus nachordern zu können.
Personalisieren nach dem Tante-Emma-Prinzip
Wer heute von „One-to-One Marketing“ spricht, suggeriert damit ein Geschäftsprinzip, dessen Erfolg aus der genauen Kenntnis individueller Kundenbedürfnisse und Interessen und damit verbunden einem Höchstmaß an Loyalität erwächst. Um dieses erreichen zu können, bedarf es allerdings mehr, als lediglich Kundendaten zu sammeln und auf Abruf bereitzustellen. Man spricht hier gerne von „lernenden Kundenbeziehungen“ oder „intelligenter“ Personalisierung. Hierbei ordnet man die vorhandenen Kundendaten im Rahmen eines sogenannten „Matching“ dynamisch fest definierten Regeln zu. Hat ein Kunde also bei seiner Registrierung u.a. sein Geburtsdatum angegeben, so könnte die Festlegung einer entsprechenden Regel bewirken, dass er an diesem entsprechenden Tag vom Website-Betreiber automatisch eine Glückwunsch-eMail erhält. Oder: Stellt das System beim Protokollieren der getätigten Einkäufe fest, dass ein Nutzer wiederholt amerikanische Kriminalromane bestellt hat, wird er aufgrund eines entsprechenden Matching vielleicht auf aktuelle Sonderangebote oder ergänzende Produkte seines bevorzugten Genres aufmerksam gemacht.
Als „Quell der Inspiration“ zur Entwicklung derartiger Verfahren wird gern das Prinzip der legendären Tante-Emma-Läden bemüht. Deren Erfolgsgeheimnis beruhte bekanntermaßen insbesondere auf einer genauen Kenntnis von Kunden und persönlichen Vorlieben. Das Ergebnis war eine zuvorkommende, individuelle Bedienung auf der einen sowie regelmäßige Umsätze und eine überdurchschnittliche Kundentreue auf der anderen Seite.
Von der Masse zum Maßanzug
Die einfache Personalisierung sowie die Integration regelbasierter Systeme bilden die unerlässliche Grundlage für ein individuelles Webangebot. Für sich allein genommen, stellen sie aber nur in den seltensten Fällen einen dauerhaft lukrativen Mehrwert für den Kunden dar. Dieses liegt daran, dass sie den Nutzer nur mit Dingen konfrontieren, die dieser ohnehin weiß oder stets auf Ereignisse (Einkaufshistorie) der Vergangenheit zurückgreifen. Wer aber einmal ein Fahrrad online gekauft hat, möchte vielleicht in der Zukunft nicht immer wieder mit aktuellen Angeboten für neue Fahrräder überhäuft werden.
Da die Rede von „intelligenten“, lernfähigen Systemen ist, lässt sich der Analyse der vorhandenen Daten sicher noch einiges mehr entlocken und im Sinne eines „lebendigen“ Angebots für den Kunden nutzen. So zum Beispiel, indem man die Informationen aller seiner Kunden kontinuierlich miteinander vergleicht und hieraus neue Schlüsse für das individuelle Angebot des einzelnen Nutzers entwickelt. Das Zauberwort hierfür lautet „Collaborative Filtering“ und ist allen Amazon-Kunden seit langem bekannt. D.h., kauft ein Kunde ein Produkt, so recherchiert das System automatisch, welche anderen Kunden dieses Produkt ebenfalls erworben haben und überprüft deren Einkaufshistorie hinsichtlich weiterer möglicher Übereinstimmungen. Das Ergebnis dieser Analyse bekommt der Kunde entweder bei seinem nächsten Besuch in Form entsprechender neuer Angebote oder direkt im Zusammenhang mit den Angeboten im gesamten Katalog mitgeteilt („Kunden, die dieses Produkt gekauft haben, interessieren sich auch für…). Mag sich das Bild dieser Analysen bei wenigen Einzelkäufen auch zunächst etwas verzerrt widerspiegeln, wird es mit der Zunahme an Informationen doch immer komplexer und differenzierter. Und damit steigt aus Sicht des Anbieters wiederum die Chance, mit neuen Produkten beim Kunden Treffer zu landen.
In eine ganz ähnliche Richtung geht es beim „Suggestive Selling“. Nur, dass hierbei weniger auf das Prinzip der „verwandten Seelen“ gesetzt wird, als vielmehr auf logische, fallbasierte Schlussfolgerungen. Ordert etwa, wie im obigen Beispiel, besagter Kunde besagtes Fahrrad, so werden ihm natürlich keine weiteren Fahrräder angeboten, wohl aber ein passender Sturzhelm, ein Wettercape und eine Fahrradtasche. Die Beziehungen werden hierbei also nicht zwischen den unterschiedlichen Kunden, sondern vielmehr zwischen den bestehenden Produkten definiert.
Ein erfolgreicher Online-Shop arbeitet heute mit einer Kombination der oben dargestellten Lösungen und benutzt hierfür die Datawarehouse-Technologie. Dabei handelt es sich wie bereits erwähnt um das Zusammenwirken von Database-Beständen mit Knowledge-Engines, die entsprechend vorgegebener Regeln und Prozesse in Sekundenbruchteilen Raster erstellen, deren Ergebnis sich anschließend in Form einer individuellen Seitendarstellung bzw. in einem selektierten Produktportfolio darstellt. Doch die Vision einer tatsächlichen One-to-One Beziehung, bei der dem Kunden „buchstäblich jeder Wunsch von der Mouse abgelesen“ wird, weist auch an dieser Stelle noch Lücken auf.
Auf der Suche nach mehr Profil
Eine entscheidende Einschränkung in den bis hierher geschilderten Verfahren besteht unzweifelhaft darin, dass sie allesamt auf der Grundlage einer IP-Adresse – also jeweils eines festen Computers – beruhen. Nun lehrt uns die Praxis aber, dass die Regel: „1 Computer = 1 Nutzer“ keineswegs als sicher gegeben angenommen werden kann. Nicht selten nutzen Kunden für ihre Online-Aktivitäten sowohl den Rechner am Arbeitsplatz als auch den privaten. Und ebenso oft kommt es sicher vor, dass ein privater Computer von allen Familienmitgliedern gleichzeitig genutzt wird. Damit kann das Profil, dass sich ein Website-Betreiber von „seinem Kunden“ gebildet hat, unter Umständen beträchtlich durcheinander geraten. Neue Verfahren versuchen von daher, das eigentliche Surfverhalten der Nutzers zu protokollieren und analysieren, um so tatsächlichen Aufschluss über ein individuelles Profil zu erhalten. Ein Profil-Server sammelt Daten von aufgerufenen Seiten, von Clicks und Mausbewegungen – dem sogenannten Klickstrom – und verarbeitet sie zu einem anonymen Nutzerprofil. Mit der steigenden Zahl von protokollierten Sessions nimmt die Tiefenschärfe des erzeugten Profils zu und kann in Kombination mit der Datawarehouse-Anwendung für ein umfassend individualisiertes und zielgerichtetes Marketing genutzt werden. Anbieter solcher „Clickstream-Lösungen“ sind beispielsweise Engage und Predictive Networks. Letztgenannte gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie sich ein biometrisches Verfahren haben patentieren lassen, dass selbst die Bedienung der Computertastatur (also etwa die Anzahl der Anschläge pro Minute etc.) zu messen und analysieren in der Lage ist.
Der Trend
Bedingt durch die Tatsache, dass der Aufbau eines Neukundenbestandes sehr kostenintensiv ist und die Kaufbereitschaft der Kunden bei personalisierten Angeboten überproportional steigt, werden Profiling-Lösungen zunehmend zum Standard-Repertoire professioneller Online-Shops gehören. Dieses unterstreicht auch die KPMG-Studie „One-to-One-Marketing im Electronic Commerce – Status Quo und Perspektiven 2000“, nach der die befragten Unternehmen in vielen Branchen bereits deutlich positive Signale durch das Angebot personalisierter Services wahrnehmen. 79% gaben hierbei in Bezug auf das eigene Unternehmen an, dass es zu den positiven Auswirkungen des One-to-One-Marketing zähle, lernende Kundenbeziehungen etablieren zu können, während 68% von einer Verbesserung des Images und wiederum 54% von einer Verbesserung ihrer Geschäftsbeziehungen ausgingen. Lediglich 10% der Befragten erkannten keinen unmittelbaren Nutzen für ihr Geschäft.
Innovationsbedarf herrscht sicher noch hinsichtlich des Lösungsangebots. Da die meisten Knowledge-Engines zwangsläufig auf der Auswertung der Kunden-Historien fußen, entsteht leicht der Eindruck eines ausschließlich rückwärts gewandten Angebots. Andererseits gilt es beim One-to-One-Marketing ja gerade, den Kunden mit den geeigneten Themen seines gegenwärtigen oder künftigen Interesses zu „überraschen“. Hierbei werden in Zukunft sicher intelligente Klickstrom-Analyse-Tools eine entscheidende Rolle spielen. Die Beschränkung auf die Verarbeitung anonymer Datensätze sowie ein vertrauensvoller Umgang mit sensiblen Daten bleibt dabei allerdings unumgänglich. Denn der Einkauf im Web wird vor allem immer eines bleiben: Vertrauenssache.