Bald beginnt sie wieder, die Zeit der klammen Finger, wenn beim Warten auf den Bus schnell noch eine Nachricht auf dem Smartphone verschickt werden soll. Wer das einmal mit herkömmlichen Handschuhen versucht hat, wird wohl schnell aufgegeben haben – Bedienung unmöglich. Vor wenigen Jahren hat deshalb eine ganz neue Errungenschaft für Wirbel in der spätjährlichen Modewelt gesorgt: Handschuhe mit integrierten Metallfasern ermöglichen Surfen und Mailen bei wohlig warmen Händen. Nach Smartphone-Apps, die unseren Schlafrhythmus überwachen und Armbändern (sogenannten „Wearables“), die protokollieren, wie viele Schritte wir am Tag gegangen sind, wird nun auch unsere Kleidung immer klüger. Der Beginn von etwas ganz Neuem?
Was ist eigentlich smarte Kleidung?
Als smarte Kleidung werden Kleidungsstücke bezeichnet, die aus intelligenten Textilien bestehen und mit Sensoren, Metallfasern, kleinsten Computern oder sogar Leuchtdioden ausgestattet sind. Die Hemden, Jacken und Co. haben somit elektronische Funktionen und können beispielsweise Puls, Blutdruck und die Atemfrequenz des Trägers überwachen oder seine sportlichen Aktivitäten aufzeichnen. RFID-Tags oder eine integrierte „Blackbox“ bilden die Schnittstelle zur Smartphone-App, die mittels der gesammelten Daten Statistiken erstellt oder Empfehlungen generiert. Neben der lokalen Speicherung auf dem mobilen Endgerät ist auch die Archivierung in einer Cloud denkbar. Die Haltbarkeit der empfindlichen Elektronik ist ein Thema, das die Entwickler der smarten Kleidung derzeit beschäftigt. Forscher des Fraunhofer Institutes befassen sich intensiv mit der Frage, wie man die unterschiedlichen Behandlungsnotwendigkeiten von Stoff und Technik auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann. Schließlich wollen Pulsmesser und Schrittzähler zuverlässig vor Druck und Nässe geschützt werden, weiterhin müssen sie gut an den Kleidungsmaterialien haften. Erste Erfolge wurden mit thermoplastischen Klebstoffen erzielt, die sehr flexibel und dehnbar sind, der Maschinenwaschgang wird dank Verkapselung nach Industriestandards möglich.
Smarte Kleidung in der Zukunft – was ist geplant?
Anwendungsmöglichkeiten für smarte Kleidung scheinen sich überall zu bieten: Ob in Form von Kinderkleidung, die die Eltern dabei unterstützt, ein Auge auf die Sprösslinge zu haben oder in den Jacken von Skifahrern, die bei Unfällen einen Notruf absetzen. Neben der von Smartphones und Wearables durchgeführten „Selbstvermessung“ werden also auch die Bereiche Gesundheit, Prävention und Sicherheit immer wichtiger. Der Spitzensport erhofft sich ebenfalls Vorteile vom Einsatz der neuen Technik, so trainiert die Fußballmannschaft des TSG 1899 Hoffenheim mit sensorisch vernetzter Funktionskleidung, die die Geschwindigkeit der Spieler und die Ballkontakte protokolliert. Leuchttextilien mit integrierten LEDs sind ebenfalls ein großes Thema für die Entwickler von smarter Kleidung. Leitfähige Garne, die im Webprozess direkt in die Textilien integriert werden, versorgen die kleinen Leuchtdioden mit Strom. Der Einsatz von smarter Kleidung soll unser Leben vereinfachen und für mehr Komfort im Alltag sorgen. Um einen Anruf auf dem Handy entgegen zu nehmen, muss das Gerät vielleicht schon bald nicht mehr aus der Hosentasche gefummelt werden, denn Levis arbeitet derzeit an einer Jeans mit Touchscreen-Funktion. Computerbegeisterte dürften sich außerdem über eine Hose mit integrierter Tastatur freuen, E-Mails auf dem Smartphone werden dann ganz bequem und ohne lästiges Tippen auf dem kleinen Handybildschirm verfasst.
Smarte Kleidung im Marketing
Nicht nur erfassen, sondern auch reagieren: Die Werbebranche könnte vom Einsatz der smarten Kleidungsstücke ebenfalls profitieren, etwa, wenn der Träger auf ihn ganz persönlich zugeschnittene Kaufempfehlungen erhält: Wird der Kunde dank in das Oberteil eingearbeitetem RFID-Tag beim Betreten des Geschäftes erkannt, kann er entsprechend seiner Kaufhistorie sofort über interessante Produkte informiert werden. Die passenden Kopfhörer zur kürzlich erworbenen Musikanlage sind dann schnell gefunden. In einigen englischen Tankstellen sind bereits Monitore im Einsatz, die das Geschlecht und das Alter des Betrachters erkennen und dann eine entsprechende Werbeanzeige generieren. Wenn sich diese Monitore mit den in der smarten Kleidung enthaltenen Sensoren verbinden würden, könnten dem Kunden noch individuellere und personalisiertere Inhalte gezeigt werden. Doch auch außerhalb des Einzelhandelsgeschäftes sind Anwendungsbereiche denkbar, wer beispielsweise bei schönstem Sommerwetter schwitzend durch die Innenstadt läuft, könnte Informationen über die neuesten T-Shirts in den Online Shops erhalten.
Zwei Seiten der Medaille: Vor- und Nachteile für Verbraucher und Unternehmen
Mehr Komfort, Motivation und ein besserer Überblick über die eigenen Lebensgewohnheiten, so zahlreich wie die Einsatzmöglichkeiten erscheinen auch die Vorteile der smarten Kleidung. Besteht bei älteren Trägern die Gefahr eines Herzinfarktes, kann der Notarzt sofort alarmiert werden und wer sein Leben gesundheitsbewusst gestalten möchte, ist stets darüber informiert, ob das tägliche Bewegungsprogramm bereits absolviert wurde. Unternehmen wissen immer ganz genau, was die Verbraucher gerade interessiert und ersparen sich aufwendige Umfragen. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten, denn der Einsatz von smarter Kleidung ruft Datenschützer auf den Plan, die eine permanente Überwachung durch große Konzerne oder Krankenkassen befürchten. Befürworter der neuen Technik versichern zwar, dass alle erhobenen Daten anonymisiert behandelt werden und keine Rückschlüsse auf die einzelne Person zulassen, die Entscheidung, sein Leben im großen Stil protokollieren zu lassen, sollte aber stets bei einem selbst liegen.