Im zweiten Teil des Detecon Expertenpanels zur Fußball-WM-2006 wird unter anderem die Frage auf dem Plan, ob sich die hohen Inverstitionen in die mobile Infrastruktur denn überhaupt lohnen und welche Technologien bald den Durchbruch auf dem Massenmarkt schaffen. Und bei der Frage nach den Erfolgsaussichten von UMTS und der Anwendung des „Mini-Internets“ kann es ruhig schon mal konkret werden, denn immer noch wird das mobile Internet im Daumenkinoformat im Vergleich zur Sprachtelefonie nur geringfügig genutzt.
WM light als Event auf Großbildschirmen
Wenn man sich an die Europameisterschaft 2004 erinnert, dann kannte wahrscheinlich jeder einen Platz, an dem die Spiele auf Großbildschirm oder Projektionsleinwand zu sehen waren. Dieser Trend wird sich nach Ansicht der Experten im Detecon Trendscouting Panel weiter fortsetzen. Die Begründungen sind vielschichtig und reichen von Volksweisheiten wie „Ein Massenereignis wie ein Fußballspiel wirkt nun mal am besten in der Masse“ bis zu tiefenpsychologischen Erklärungsansätzen, „Die schleichende Vereinsamung durch Wegfall eingeführter Strukturen (Vereine etc.) ruft Substitution durch anonymere Gemeinschaftsveranstaltungen hervor.“ Die häufigste Begründung für diese Entwicklung ist eher pragmatisch: In der Gruppe machen Events wie die Fußball-WM einfach mehr Spaß, ob man nun zusammen feiert oder trauert. Dabei wird die Notwendigkeit der so genannten Ersatzevents auf die geringe Verfügbarkeit der Karten und die Preise für WM-Karten zurückgeführt.
– Schon die letzte WM in Korea/Japan hat gezeigt, dass einerseits Stadien halb leer waren, weil Sponsorentickets nicht in Anspruch genommen wurden, und andererseits interessierte Fans keine Tickets bekommen konnten.
– Die Preisrange der WM 2006 (Vorrunde: 35 € – 100 €, Endspiel 120 € – 600 €) verbunden mit möglichen Reisekosten wird für die Kernzielgruppe der Fußball-Fans als zu hoch angesehen.
Alles in allem wird in den Großübertragungen als B-Event eine Art Katalysator gesehen, mit dem das Gefühl des „Dabeiseins“ für die vielen zu erwartenden Unglücklichen im WM-Karten-Roulette gerettet werden kann. Dies führte wohl auch zu dem anfangs beabsichtigten B-Event Rollout der Fifa, die solche Großevents allerdings absurderweise auf die Veranstaltungsstädte begrenzen wollte, sich aber inzwischen eines Besseren besonnen hat.
Es sprechen einige Faktoren für einen Rollout von B-Events auf Großleinwänden, z.B.
– Kommerzielle Nutzung durch weitgehend akzeptierte geringe Eintrittspreise, wie es sich in den USA im Boxsport bereits bewährt hat.
– Erzeugung eines Event-Charakters durch „echte“ lokale Fußballprominenz zur Kommentierung der Partien in der Pause oder Community Events wie z.B. Gewinnspiele mit echten WM-Trikots als Gewinne.
– Angebot von Zusatzservices, wie Stadion-Audio, interaktive Dienste, Live-Kommentar, musikalische Untermalung von Toren, etc.
Grundsätzlich zu berücksichtigen ist die bei jeder Art von Großveranstaltungen entstehende Sicherheitsproblematik, wenn viele Menschen mit positiver oder negativer emotionaler Stimmung aufeinander treffen. Dies führt viele Experten zu der Auffassung, dass die Großevents ein höheres Gefahrenpotenzial darstellen als die ohnehin etablierten C-Events in Restaurants, Kneipen, Sportbars und Biergärten.
Zusätzlich findet neben den Großevents noch eine Entwicklung statt, die durch Home Entertainment Equipment eine C-Eventbildung im engen Familien- und Freundeskreis fördert.
WM und Consumer Electronics (CE)
„Ein sportliches Großereignis ist immer ein Katalysator für Technologien“
Für den Bereich der Consumer Electronics hat die Fußball-WM 2006 das Potenzial zur Initialzündung für die Durchdringung des Marktes. Allerdings sehen die Experten des Detecon Trendscouting Panel für Deutschland starke Unterschiede in der Initialwirkung auf die unterschiedlichen Bereiche der Consumer Electronics.
Der Verkauf von Großbildschirmen auf Basis von Plasma- oder LCD-Technologie und Projektionsgeräten wird sicherlich von der WM profitieren, da diese am ehesten für den Erlebnischarakter des Fußballs in den eigenen vier Wänden stehen. Im Zusammenhang mit dem zur Zeit schon bestehenden Preiswettbewerb kann davon ausgegangen werden, dass die Fußball-WM den Absatz deutlich steigern wird.
Darüber hinaus profitiert das Segment Großbildschirme und Projektionsgeräte davon, dass sich der visuelle Nutzen schnell für den Konsumenten erschließt.
Beim Thema Home Entertainment, bestehend aus Komponenten wie Dolby Surround- Anlage, Festplattenrekorder und Medien-PC, schätzen hingegen nur noch knapp über 50% der Experten, dass der Absatz durch die WM in Deutschland entscheidend stimuliert werden kann.
Die Absatzsteigerung für mobile Endgeräte wird eher durchwachsen beurteilt. Das liegt vornehmlich daran, dass die zentralen Spiele in Deutschland in einem freizeitkompatiblen Zeitfenster stattfinden. In Ländern mit einem Offset, beispielsweise in Nordamerika, können die Chancen für mobiles Entertainment Equipment eventuell besser beurteilt werden, da die zentralen Spiele in der Regel während der Arbeitszeit stattfinden. Generell wird aber die Umsetzung von TV auf dem Handy als ein wichtiger Schritt im Rahmen der fortschreitenden Individualisierung gesehen, in der über den TV-Empfang auf mobilen Endgeräten neue Freiheitsgrade möglich sind. Was aber als negativer Punkt bestehen bleibt, ist die schlechte Darstellung eines Fußballspiels auf den kleinen Displays.
Das Thema „Kabellos vernetzte Unterhaltungsmedien“ wird von den Experten im Detecon Trendscouting Panel als schwach beurteilt. Es ist insgesamt im Markt noch nicht stark genug, um signifikant von dem sportlichen Großereignis zu profitieren.
Hinzu kommt, dass eine fehlende Standardisierung die potenziellen Käufer verunsichert und der direkte Nutzen im Hinblick auf die Fußball-WM nicht sofort eingängig ist.
Über die standardisierte Abfrage der technischen Rubriken der Consumer Electronics hinaus wurde vor allem HDTV (High Definition TV) von den Experten als Boom-Thema identifiziert, da es im Fahrwasser der Plasma- und LCD-Technologie mit einer besseren Auflösung als Qualitätsverbesserung des Fernsehens wahrgenommen wird.
WM 2006 das Mega-Event für Zuschauer & Entertainment-Industrie?
Der Ball rollt nur im Fernsehen …
Beide TV-Anbieter-Gruppen haben ihre Zielgruppen, die sie umsorgen
Wahrscheinlich werden alle übertragenden Fernsehsender von der WM 2006 profitieren.
Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten aber vermutlich stärker, da sie die attraktiven Begegnungen vor allem mit deutscher Beteiligung zeigen werden.
Nach Meinung der Detecon Trendscouting Experten werden unabhängig von der Übertragung im Free-TV vermutlich viele Zuschauer das Pay-TV-Paket mit mehr Informationen und Services ausprobieren wollen. Hier liegt aber auch die Hauptproblematik, denn wenn gleichzeitig ein mehrjähriges Abo gekauft werden muss, werden die Folgekosten viele potenzielle Kunden abschrecken.
„Natürlich werden Free- und Pay-TV profitieren, da sie sich ergänzende Angebote haben. Allerdings ist die WM als Verkaufsförderung für Premiere zu sehen, aber auch eine Hypothek wenn die WM vorbei ist.“
Die Chance, dass die WM oder gar deutsche Spiele nur im Pay-TV laufen, erscheint dem Detecon Panel politisch nicht durchsetzbar, auch wenn dadurch für das Pay-TV ein wesentlich stärkerer Verkaufspush möglich wäre. Allerdings würde hier das Ausweichen an öffentliche Orte sicherlich auch eine größere Bedeutung haben.
Zentrale Argumentation pro Pay-TV ist aus Expertensicht in den vielen zusätzlichen Services, der vollständigen Bildinformation zum Event und in den Interaktionsmöglichkeiten zu sehen. Hier besteht Einigkeit, dass dies die Hauptargumentationspunkte sind, um Pay-TV zur WM 2006 anzuschaffen.
Dolby Surround und zusätzliche Informationen sind laut Expertenmeinung die Top- Services, die für Pay-TV sprechen. Kamerasteuerung und alternative Kommentare folgen dicht darauf. Interaktive Dienste und vor allem kontextbezogenes Shopping fallen dagegen deutlich ab. Vor allem interaktive Dienste werden eher auf der Ebene der Internet Services gesehen und das Thema TV-Shopping & Merchandising lässt sich eher bei den richtig großen TV-Events unterbringen. Und da gilt wieder: Die Spiele der deutschen Mannschaft werden im Free-TV laufen, denn der Aufwand von ARD und ZDF mit bekannten Moderatoren und Kommentatoren auf Basis der GEZ-Gebühren wird vom Pay-TV kaum qualitativ zu schlagen bzw. zu refinanzieren sein.
Sowohl für Free- als auch Pay-TV werden die Zuschauerzahlen steigen.
Auf Ballhöhe im „Mini-Internet“
Eine Branche hofft schon seit langem auf die WM 2006 als Katalysator für die Nutzung seiner unter sehr hohen Investitionen errichteten Infrastruktur – der Mobilfunk.
Immer noch wird das mobile Internet im Daumenkinoformat nur geringfügig genutzt im Vergleich zur Sprachtelefonie. Wir haben das Detecon Expertenpanel daher mit Fragen konfrontiert, die klären sollen, inwiefern sich diese Erwartungen erfüllen werden.
Ob die WM 2006 der Technologie UMTS und der Anwendung Mini-Internet zum Durchbruch auf dem Massenmarkt verhelfen wird – daran zweifeln die Experten.
Lediglich 30% beantworten diese Frage mit einem klaren „Ja“. Bei genauerer Untersuchung ergibt sich jedoch ein positiveres Bild. Viele Experten glauben zwar nicht an den großen Durchbruch – die damit einhergehenden Erwartungen im Hinblick auf wirtschaftlichen Erfolg scheinen zu hoch –, sehen aber sehr wohl einen starken Treiber in der WM 2006. Die meisten der „Jein“-Sager sehen eine Massenmarkt- vorbereitende Funktion in der WM, führen aber die kurze Dauer von ein paar Wochen als Kontra-Argument für eine nachhaltige Nutzung ins Feld. Als weitere Gründe gegen die schnelle Verbreitung werden die wahrscheinlich nach wie vor zu hohen Kosten und mangelnde Kostentransparenz genannt. Grundsätzlich gelten die meisten Argumente für beides – UMTS und Mini-Internet. Interessanterweise scheint es nach Meinung der Experten einen engen Zusammenhang zwischen der Technologie und der Anwendung zu geben. Die UMTS-Penetration wird sich demnach im Windschatten attraktiver Inhalte und Anwendungen entwickeln.
Als Voraussetzung dafür ist jedoch die Usability der Anwendungen noch zu verbessern – niemand möchte sich durch bis zu 10 Menüebenen kämpfen und dabei zig Mal lesen, wie sehr sich sein Provider freut, dass er in seinem Portal ist, bevor er endlich das Spielergebnis sieht.
Nur geringes Potenzial für konvergentes Pay-TV/Mobilfunkangebot
Im Zusammenhang mit dem Thema Konvergenz und Pay-TV sehen die Experten ein eher geringes bis mittleres Potenzial für Mobilfunkanwendungen. Lediglich 14% sind der Meinung, dass z.B. exklusive Live Streams für Pay-TV-Kunden auf ihr Mobiltelefon Erfolg versprechend sind. 38% sehen ein mittleres und 48% sogar nur ein geringes Potenzial. Die meisten Experten sehen exklusive Inhalte wegen der höheren Gewinnmargen zwar als besonders attraktiv an, bezeichnen aber die Zielgruppe der Pay-TV-Kunden als einen zu kleinen und begrenzten Markt, um das Risiko der erforderlichen Investitionen und Aufwände wirtschaftlich zu vertreten.
Den live TV-Genuss mit Ball in Pixelgröße scheint wohl eher ein künftiges DVB-HAngebot leisten zu müssen.
Info- und Kommunikationsdienste spitze
Betrachtet man die einzelnen Dienstekategorien, ergibt sich ein wenig überraschender Trend. Auch während der WM 2006, glauben die Experten, wird im wesentlichen das Bedürfnis der Menschen nach Kommunikation und Information im Vordergrund stehen. Es wird sowohl von den Kommunikations- als auch von den Informationsdiensten eine gesteigerte regelmäßige Nutzung erwartet. Dieser Trend würde die bisherige Entwicklung bei der Nutzung mobiler Dienste im Allgemeinen fortsetzen. Noch verdienen die Mobilfunker ihr (bisher kleines) Geld im Mini-Internet damit, dass Kunden sich informieren oder chatten.
Daher kommt auch die eher nüchterne Einschätzung der Panels in Bezug auf die „fortschrittlicheren“ Dienste wie Location-based-Services, Entertainment- und Transaktionsdienste. In der Beurteilung kommen diese Dienste kaum über eine gelegentliche Nutzung hinaus. Nur den Standort-bezogenen Diensten traut man ein bisschen mehr zu. Hier ist der mögliche Nutzen (z.B. Wegweiser-Funktionen) offensichtlich groß genug.
Zahlungsbereitschaft für Tore am größten
So ist auch nicht verwunderlich, dass es wahrscheinlich die Infodienste sind, für die die Kunden bereit sein werden, im Kontext der WM 2006 zusätzlich zu den monatlichen Ausgaben für Mobilfunk zu bezahlen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um WM-Komplettpakete eines Dienstes handelt oder ob ereignisbasiert Informationen wie Spielstände abgerufen werden. Die Form der Informationen geht nach Meinung der Experten dabei von einfachen Text-SMS über Multimedianachrichten mit Bildern bis hin zu kleinen Videosequenzen. Aber wie viel werden die Kunden bereit sein, tatsächlich über die Dauer der gesamten WM zusätzlich zu bezahlen? Hier scheiden sich die Geister der Experten.
Die Spanne reicht von 9 bis 100 €. Schwerpunktmäßig werden Zusatzeinnahmen erwartet in Höhe von 10, 20, 50 und 100 €. Experten, die recht hohe Einnahmen von 50 bis 100 € je Kunde für möglich halten, sehen allerdings auch die Notwendigkeit, den Dienst mit zusätzlichen Leistungen Dritter, wie z.B. einem Nahverkehrsticket, zu bündeln. Errechnet man den Schnitt aus allen Einnahmeerwartungen, ergibt sich ein Betrag von knapp 40 € je Kunde. Wer auf dieser Basis mit einer konservativen Planung seine Zusatzeinnahmen für die WM kalkuliert, wird sicher einen Teil davon realisieren können. Damit könnte die WM 2006 zumindest kurzfristig zu einem „Mobile-Data-ARPU-Booster“ werden.
Etablierte Medienmarken auch bei der WM vorn
Nach Meinung der Experten werden es nicht die Mini-Internet-Spezialanbieter, wie z.B. die Klingeltonkönige von Jamba, sein, die den Erfolg mit ihren Diensten bei der WM für sich verbuchen können, sondern eher die etablierten Medienmarken wie beispielsweise ARD/ZDF oder Yahoo. Während 19% an einen Erfolg der Spezialisten glauben, sehen 66% den Erfolg bei den Etablierten. Die Gründe: eine größere Markenbekanntheit, eine größere von den Kunden zugesprochene Medienkompetenz und letztlich die Möglichkeit, über die eigenen Massenkanäle mobile Angebote auch günstiger und mit größerer Reichweite selbst vermarkten zu können.
Abschließend wird die WM 2006 aber nach Meinung fast aller Experten eines leisten: Sie wird wegen höherer Nutzungsanreize zu einem Lern- und Gewöhnungseffekt bei den Kunden führen.
Schlusspfiff (Fazit)
Ein Ereignis wie die Fußball-WM 2006 ist ein hochgradig emotionales Event, das nur in den Bereichen auf eine breite Akzeptanz von ICT-Systemen stoßen wird, wo diese dazu dienen, die Emotion zu verstärken. Fans wollen näher bei ihren Stars sein, Interessierte wollen die WM erleben, als wenn sie im Stadion wären. Stadionzuschauer möchten reibungslos den Event genießen.
Die WM 2006 wird wie erwartet die ICT- Systeme weiter in den Gesamtkontext einfließen lassen. Das Spektrum der potenziellen Einsatzmöglichkeiten ist immens und scheitert in vielen Bereichen hauptsächlich an der Komplexität der Systeme und den damit verbundenen Kosten. In diesem Sinne sind die hauptsächlichen Begrenzer für ICT-Systeme zumeist weiche Faktoren. Datenschutzrechtliche Aspekte zeigen hier ihre Wirkung genauso wie ein Koordinations-Overkill durch weltweites Partnering.