Der Online-Handel mit Lebensmitteln gehört ohne Zweifel zu den schwierigsten Geschäftsfeldern des E-Commerce. Dennoch scheint sich der Aufwand zu lohnen: So prognostiziert Forrester Research in Europa bis 2005 einen Anstieg der Umsätze auf rund 55 Milliarden Euro.
Der Online-Handel mit Lebensmitteln gehört ohne Zweifel zu den schwierigsten Geschäftsfeldern des E-Commerce. Für die Lagerung und den Transport der Produkte ist nicht nur eine ausgefeilte Logistik erforderlich, sondern auch eine regionale, physische Präsenz im unmittelbaren Umfeld des Kunden unumgänglich.
Die Produkte unterliegen oft Verfallsdaten und sind mit besonderen Kriterien für die Lagerung sowie den Transport behaftet. Wer mit seinen Waren schnell beim Kunden sein will, kommt um den Aufbau flächendeckender Strukturen nicht herum. Dementsprechend ist der Ausbau und die Ausdehnung des eigenen Angebots in der Regel auch nur mit einem beträchtlichen Kapitaleinsatz zu erreichen. Dieses wiederum ist umso riskanter, als Lebensmittel in aller Regel nur sehr geringe Margen abwerfen. Dennoch ist die Branche in Bewegung und bastelt eifrig an Konzepten für ein erfolgreiches Online-Engagement.
Der Blick gilt dabei nicht nur dem Consumer-Geschäft, sondern auch dem Aufbau von B2B-Handelsplätzen. Während sich rund um das Verbrauchergeschäft heute noch vornehmlich die reinen Internet-Händler bemühen, konzentrieren sich die konventionellen Anbieter zunächst im Kern auf den Ausbau und die Verbesserung ihrer Handelsbeziehungen.
Der Markt
Keine Frage: Es gibt wohl nur wenige Produktgruppen über deren absolute Notwendigkeit sich weniger streiten lässt, als über Lebensmittel. So geben allein die amerikanischen Haushalte pro Jahr etwa 440 Milliarden US$ für die Dinge und den Bedarf des täglichen Lebens aus. Der überwiegende Teil dieser Summe landet jedoch nach wie vor in den traditionellen Supermärkten und nur etwa 200 Millionen US$ fanden nach einer Untersuchung von IDC 1999 den Weg in die virtuellen Kassen der Online-Lebensmittelhändler. Zu groß scheint gegenwärtig noch der Vertrauensvorsprung der regional ansässigen Brick&Mortars, als dass sich diese Diskrepanz in absehbarer Zeit spürbar verändern könnte. Andererseits hat der Einkauf von Obst, Wurstwaren und Cornflakes über das Internet durchaus seinen Reiz: So bekommen insbesondere junge Haushalte mit überdurchschnittlichen Einkommen zunehmend Appetit auf den bequemen Einkauf per Computer. Das oftmals geringe Zeitbudget sowie der verlockende Komfort einer bequemen Warenanlieferung, überzeugt die Bürger in den Metropolen mit entsprechenden Anbietern zunehmend sich den Weg durch die engen, überfüllten Gänge in den Supermärkten sowie das anschließende Anstehen an der Kasse zu ersparen. Gerne ist man hierfür auch bereit, das Privileg der selbsttätigen Warenauslese abzutreten. So erwarten die Auguren von IDC für 2004 in den USA beim Online-Vertrieb von Lebensmitteln bereits einen deutlichen Anstieg auf mehr als 8,8 Milliarden US$. Noch erfreulicher stellt sich die Perspektive für Europa dar: Wenngleich der alte Kontinent bei der Ausbreitung und Anzahl der Anbieter gegenwärtig noch ein wenig der Neuen Welt hinterherläuft, könnte er dieselbe in Bezug auf die Bedeutung der „Online-Groceries“ schon bald deutlich überflügeln. Forrester Research prognostiziert in einer aktuellen Studie einen Anstieg des Online-Umsatzes mit Lebensmitteln bis 2005 auf rund 55 Milliarden Euro. Allein in den nächsten beiden Jahren soll sich der Anteil am Gesamtvolumen dabei gegenüber den gegenwärtig eher bescheidenen 0,1 Prozent verzwanzigfachen. Bis 2005 erwartet Forrester einen Anteil von etwa 5 Prozent. Etwas über dem Schnitt wird dabei Großbritannien mit 7 Prozent liegen, gefolgt von den nordischen Ländern mit rund 6 Prozent sowie Deutschland und Frankreich, die mit jeweils 3 Prozent knapp unter dem kontinentalen Maßstab bleiben. Doch auch im Online-Handel werden die Supermarktketten, die auch in der realen Welt vorne liegen, die Fäden spinnen: Von 40 untersuchten Anbietern zählte Forrester gerade einmal fünf reine Internet-Unternehmen.
Der amerikanische Markt
In den USA stehen die Zeichen bereits ganz auf Konsolidierung. Vorreiter für den Online-Vertrieb von Lebensmitteln sind dabei im Wesentlichen die reinen Internet Companies, die offensichtlich den Boden für die gesamte Branche bereiten, aber nur zu sehr geringen Teilen auch selbst die Ernte einfahren werden. So gingen beispielsweise dem Branchen Primus Peapod nach rund zehnjähriger Marktpräsenz Anfang diesen Jahres die Barmittel aus und das weitere Schicksal wird künftig untrennbar mit dem Engagement des niederländischen Großkonzern Royal Ahold verbunden sein, der von Peapod Anteile in Höhe von 73 Millionen US$ erworben hat. Die solventeren Wettbewerber setzen indes auf einen Ausbau von Lieferfähigkeit und Service. Vor allem in dem Online-Grocery Schmelztiegel Boston scheint dabei Geld und Fantasie gefragt: So gibt es bei Homeruns eine „Double-your-money“-Kundenzufriedenheits-Garantie und Streamline zahlt für die Installation von Kühlschränken in Kundengaragen, damit die Anlieferung von Waren auch in Abwesenheit der Nutzer gewährleistet werden kann. Ein flächendeckendes Angebot von Küste-zu-Küste hat kürzlich der Name-your-price Anbieter Priceline vorgestellt: In Zusammenarbeit mit der Supermarktkette TheKroger Co. und anderen will das Unternehmen über den Priceline WebHouse Club bis zum Jahresende die Möglichkeit bieten, in insgesamt 31 Staaten und tausenden von Supermärkten nach dem persönlichen Preisgebot-Prinzip einkaufen zu können. Über das Internet teilen die Nutzer dem Supermarkt den beabsichtigten Kaufpreis für die jeweiligen Produkte mit und erhalten innerhalb von einer Minute Auskunft darüber, ob die Lebensmittel zu dem gewünschten Betrag verkauft werden. Ein Nachteil des Angebots: Der anschließende Gang in den Supermarkt zum Abholen und Bezahlen der Ware bleibt dem Kunden beim WebHouse Club nicht erspart. Aussichtsreichster Kandidat der Online-Unternehmen in der Auseinandersetzung mit dem konventionellen Handel, den viele Experten erst in der nächsten Phase entscheidend in den virtuellen Consumermarkt eingreifen sehen, dürfte Webvan sein: Der spektakulärste Coup gelang dem Unternehmen wahrscheinlich mit der erst kürzlich erfolgten Übernahme des Ostküsten-Wettbewerbers HomeGrocer für stolze 1,2 Milliarden Dollar.
Beeindruckend aber auch entsprechend kostenintensiv bei Webvan ist das ausgefeilte Logistik- und Lagersystem, bei der alle Bestellvorgänge mit einem Minimum an Mitarbeitern vollautomatisiert abgewickelt werden. Durch die Übernahme erhofft sich das Unternehmen neben einem schnelleren Ausbau des Vertriebsnetzes vor allem auch zahlreiche Synergien und Einsparungen beim Marketing. Weiterhin setzt Webvan künftig auf eine kontinuierliche Erweiterung des Sortiments: Durch den zusätzlichen Vertrieb von liefertechnisch weniger kritischen Produkten wie etwa CDs, Videos und Unterhaltungselektronik verspricht man sich bessere Margen und damit indirekt eine Gegenfinanzierung des hohen Lieferaufwands für die Lebensmittel.
Deutschland und Europa
Mit Ausnahme von Großbritannien steckt der E-Commerce im Bereich Lebensmittel in Europa noch in den Kinderschuhen.
Während vor allem die beiden britischen Click-and-Mortar Konzerne Tesco und Iceland bereits einige Erfolge im Online-Handel verzeichnen konnten und nach Meinung vieler Analysten auch künftig ganz wesentlich das Tempo der Branche auf unserem Kontinent bestimmen werden, beschränken sich die Aktivitäten der großen deutschen Handelsketten und Lebensmittelkonzerne im Wesentlichen auf den Aufbau bzw. den Anschluss an B2B-Handelsplattformen sowie die Planung eigener Verkaufsangebote. Bereits bestehende Angebote können hierbei bestenfalls als Test- und Pilotprojekte bezeichnet werden. Die Komplexität sowie das große Investitionsvolumen werden von den großen Playern auch hierzulande erkannt und niemand will sich die Blöße eines mangelhaften Online-Angebots geben. Das warnende Beispiel: Der deutsche Online-Lebensmittel-Service Direktkauf AG musste seinen Service im vergangenen Monat mangels Kapital einstellen. Faktisch beschränkt sich die Einkaufsmöglichkeit für den deutschen Verbraucher gegenwärtig noch auf die Metropolen Hamburg, Berlin, München und mit kleinen Abstrichen Düsseldorf. Hierfür stehen ihm z.B. Angebote der SparGruppe [Einkauf24], des Otto-Versands [Otto-Supermarkt] oder der Tengelmann-Gruppe [Kaisers] zur Verfügung. Bis Jahresende wollen alle Anbieter ihr Netz sukzessive ausbauen. Einen etwas anderen Weg beschreitet derzeit die Edeka-Gruppe: So hat der Handelsriese sein Online-Angebot zum einen erst vor Tagen um den Spezialitäten-Shop eWorld24 erweitert, mit dem vor allem Feinschmecker und Luxusliebhaber angesprochen werden sollen. Der Vorteil: Das Sortiment umfasst ausschließlich Artikel, die hinsichtlich ihrer Lagerung sowie des Transports unkritisch sind und somit problemlos bundesweit versandt werden können. Ganz ähnlich übrigens wie die bereits etablierten Angebote von Hawesko [Winegate] sowie dem Wiesbadener Weingroßhändler Heinz Hein [Viva-Vinum]. Doch Edeka verfolgt noch einen weiteren interessanten Ansatz: Mit der Entwicklung und dem Aufstellen von Online-Terminals plant der Konzern seiner E-Commerce Angebote nicht nur direkt in Großunternehmen und Verwaltungen hineinzutragen, sondern will sie gleichzeitig in eher strukturschwachen, ländlichen Regionen etablieren. Pilotprojekte hierzu laufen bereits in einem Dorfladen in Bierde sowie im niedersächsischen Sottrum. Mit kaum mehr als eine Vision kommender Aktivitäten kann derzeit der deutsche Lebensmittel-Marktführer Rewe aufwarten: Im Rahmen der Weltausstellung Expo stellt man mit dem Minimalexpomarkt seine internet-gestützte Vorstellung des künftigen Lebensmitteleinkaufs einer internationalen Öffentlichkeit vor. Der Gang in den Supermarkt bleibt indes auch bei Rewe obligatorisch. Auf einen zusätzlichen Wettbewerber müssen sich die deutschen Anbieter in diesem Jahr wohl in jedem Fall noch einstellen: So hat der Schweizer Online-Pionier LeShop den Ausbau seiner Aktivitäten über die Landesgrenzen hinaus nach Deutschland angekündigt. Bereits heute verzeichnet das Unternehmen rund 5000 Kunden bei 100 bis 250 Bestellungen täglich. Der durchschnittliche Einkaufswert beläuft sich hierbei auf etwa 140 Franken. Bei einem monatlichen Umsatzwachstum von gut 20 Prozent erwartet der Konzern in diesem Jahr die 12 Millionen Franken Grenze zu überschreiten.
Die B2B-Handelsplätze
Die maßgeblichen Entwicklungen der Lebensmittelbranche kreisen in diesem Jahr um den Aufbau von virtuellen B2B-Handelsplätzen. Insbesondere die europäischen Konzerne investieren hierbei dreistellige Millionenbeträge und erhoffen sich deutliche Verbesserungen beim Supply-Chain-Management verbunden mit entsprechenden Kosteneinsparungen. Während Rewe den Aufbau einer eigenen Plattform zum Austausch mit insgesamt rund 100 ausgewählten Lieferanten favorisiert und noch bis September umgesetzt haben will, setzt Edeka auf eine Anbindung an den internationalen Marktplatz World Wide Retail Exchange. In der Bedeutung durchaus vergleichbar ist Global Net Xchange, bei dem sich u.a. Carrefour und die Metro besonders eingebracht haben. Ebenfalls mit großen Ambitionen gestartet ist in diesem Jahr der europäische Lebensmittel-Marktplatz eFoodmanager, der neben dem Angebot einer B2B-Plattform auch mit verschiedenen Mehrwert-Services, wie der Durchführung von Auktionen sowie der Vermittlung von Speditionsdienstleistungen, am Markt bestehen will.