Ausgleichsansprüche professionell berechnen und verhandeln

Der Handelsvertreterausgleich ist das rechtliche Instrument, um die Ansprüche des Handelsvertreters gegen eine Gesellschaft glattzustellen und die bestehenden Geschäfte im Falle der Beendigung der Zusammenarbeit sauber zu übertragen.

In Deutschland ist ein Berufszweig weit verbreitet, der aber vielen nicht immer vor Augen steht. Und das sind die Handelsvertreter, seien sie Versicherungsmakler oder -vertreter, Finanzdienstleister oder Vertriebler für die Industrie, Medien, Agenturen etc. Sie gelten nach den Vorgaben des Handelsgesetzbuches (§ 84) als Unternehmer, da sie zwar oftmals unter dem Label des Auftraggebers auftreten, aber wirtschaftlich selbstständig sind. Sie bauen Kunden auf, schließen Verträge, vermarkten Produkte und sorgen durch einen ständigen Kontakt für eine langfristige geschäftliche Zusammenarbeit, von der, um beim Beispiel der Versicherungs- und Finanzindustrie zu bleiben, die Gesellschaften über die Jahre hinweg profitieren – auch dann, wenn der Handelsvertreter im Zweifel nicht mehr für die Gesellschaft tätig ist. Denn Verträge und Bestandsausschüttungen laufen weiter, und das Unternehmen kann natürlich auf den Kundenstamm weiter zugreifen.

Das führt dazu, dass dem Selbstständigen bisweilen hohe Erträge fehlen, die er benötigt, um sein eigenes Unternehmen weiterzuführen. Angenommen, der Handelsvertreter verwaltet ein Gesamtvolumen von fünf Millionen Euro und erhält darauf jährlich Bestandsprovisionen in Höhe von einem Prozent, macht dies bereits 50.000 Euro aus – Büro und Assistenz sind damit gezahlt.

Diese Situation ist oft ein Streitpunkt zwischen Handelsvertreter und Gesellschaft, wenn diese die Vertragsbeziehung beendet hat. Denn der Selbstständige hat verständlicherweise ein Interesse daran, für seine bisherige Arbeit so kompensiert zu werden, dass er durch den Abtritt der Kundenverträge und -kontakte an die Gesellschaft keinen wirtschaftlichen Nachteil erleidet.

Das Stichwort ist der Handelsvertreterausgleich. Dies ist das rechtliche Instrument, um die Ansprüche des Handelsvertreters gegen die Gesellschaft glattzustellen und die bestehenden Geschäfte sauber zu übertragen. Jetzt ist es in der Praxis regelmäßig so, dass beide Seiten in einem ersten Schritt kaum gewillt sind, die Ansprüche des jeweils anderen anzuerkennen. Der Handelsvertreter wird sein Geschäft und die daraus in Zukunft potenziell abzuleitenden Opportunitäten als gewaltig einschätzen, um die Ausgleichszahlung in die Höhe zu treiben. Der Versicherungs- oder Finanzkonzern wiederum hat wenig Interesse daran, ein hohes Volumen zu erkennen, um die Kosten für die Abtretung niedrig zu halten.

Dass dem Handelsvertreter eine Ausgleichszahlung zusteht, ist gesetzlich in § 89b Handelsgesetzbuch geregelt, sodass erst einmal grundsätzlich ein Anspruch des Handelsvertreters gegeben ist. Nur die Berechnung ist nicht immer leicht. Das Gesetz regelt zwar die Höhe der Zahlung und begrenzt diese nach oben, aber nicht nach unten (HGB § 89b): „Der Ausgleich beträgt höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgebend.“ Dadurch steht dem Handelsvertreter im besten Falle ein Jahresumsatz aus Bestandsprovisionen zu.

Es kommt also darauf an, genaue Berechnungen anzustellen und die Interessen zwischen Handelsvertreter und Gesellschaft auszugleichen. Gelingt dies nicht, endet die Auseinandersetzung über den Ausgleichsanspruch beinahe zwangsläufig vor Gericht – und dann wiederum ist eine gute Quote in Gefahr. Denn die Erfahrung zeigt, dass Gerichte die oben genannte Abwanderungsquote häufig pauschal zwischen 20 und 30 Prozent festlegen. Das kostet Geld. Insofern ist es entscheidend, frühzeitig professionell die Ansprüche genau zu ermitteln und auszuverhandeln. Sich selbst durch den Prozess zu manövrieren, geht für Handelsvertreter selten gut aus.

Tim Banerjee ist Rechtsanwalt und namensgebender Partner bei Banerjee & Kollegen, einer Sozietät von Rechtsanwälten in Mönchengladbach, die sich auf die umfassende zivil- und wirtschaftsrechtliche Beratung und Begleitung von Mandanten spezialisiert hat. Tim Banerjee berät unter anderem im allgemeinen Gesellschafts- und Unternehmensrecht sowie im Vertriebs- und Handelsrecht. Einer seiner Schwerpunkte ist die rechtliche, strategische und prozessuale Begleitung bei allen Fragen des Handelsvertreterausgleichs. Weitere Informationen unter www.banerjee-kollegen.de.

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