Auswärtsspiel für die IT

Jedes Unternehmen benötigt sie und investiert sowohl Zeit als auch Geld in ihre Anschaffung und Wartung: die Informationstechnologie. Damit Kosten reduziert werden, aber die Produktqualität erhalten bleibt, lagern viele Unternehmen technische Dienstleistungen aus. Das Schlagwort lautet: IT-Outsourcing. Viele Entscheider fragen sich aber was nach der marktentscheidenden Auslagerung passiert.

Die Anzahl der Outsourcing-Deals im IT-Markt nimmt nach wie vor zu. Einer der Hauptgründe für ein IT-Outsourcing ist die Reduzierung der Kosten bei gleichbleibender Qualität. Allerdings zeigen Studien, dass die möglichen Kosteneinsparungen oft nicht realisiert werden und sich die in Business Cases getroffenen Annahmen im Laufe der Zeit verändern. Des Weiteren ist die vom Outsourcing-Partner gelieferte Service-Qualität häufig ex-post nicht zufriedenstellend. Daher stellt sich die Frage, wie es dem Sourcing Management in der Retained Organization gelingt, auf Basis des im Outsourcing-Vertrag vereinbarten Preismodells weitere Kosten zu senken (Kostensicht) und gleichzeitig den Kunden bzw. die Fachseite nachhaltig zufrieden zu stellen (Qualitätssicht)?

Was kommt also nach dem IT-Outsourcing? Die richtigen Stellschrauben und deren optimierte Tarierung müssen gefunden werden, um die in das Outsourcing gesetzten Erwartungen erfüllen zu können. Schlüsselmaßnahmen sind hierbei u.a. die Etablierung einer Partner-Scorecard, die Verbesserung des Service Life Cycle Managements und die Preisbestimmung durch regelmäßige Benchmarks.

Potenziale nach Vertragsschluss nutzen

Viele Unternehmen betreiben einen erheblichen Aufwand bei der Suche nach dem geeigneten Partner, der anschließenden Vertragsverhandlung und bei der Umsetzung des Outsourcing-Vertrages. Oftmals reduziert sich die Arbeit nach Vertragsschluss jedoch auf eine zu reaktive Steuerung des Providers. Dadurch werden die geplanten Effektivitäts- und Effizienzpotenziale nicht ausreichend ausgenutzt. Insgesamt hat sich herausgestellt, dass sich bei den meisten Outsourcing-Verhältnissen die Maßnahmen zum Heben der Potenziale ähneln und systematisieren lassen.

Der Aufwand für die schnelle Umsetzung dieser Maßnahmen ist erfahrungsgemäß relativ gering („low hanging fruits“). Entsprechend der Detecon-Erfahrungen aus zahlreichen IT-Outsourcing-Projekten sind von den zehn wichtigsten Stellschrauben die Einführung einer Partner-Scorecard, die Verbesserung des Service Life Cycle Managements sowie die Preisbestimmung durch regelmäßige Benchmarks als die Parameter mit dem höchsten Relevanzgrad zu nennen.

Einführung einer Partner-Scorecard

Mit Hilfe einer Partner-Scorecard (PSC) werden das Vertragsverhältnis und die Service-Erbringung des Providers aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Die PSC dient als Werkzeug, um schnell und ganzheitlich zentrale Fragestellungen zu beantworten und die Partnerschaft insgesamt zu bewerten. Methodisch sollte die PSC insbesondere direkte Ziele wie die Qualität der Leistungserbringung (bspw. gemessen an vereinbarten SLAs) sowie externe Perspektiven auf die Geschäfts- und die Image-Entwicklung des Partners nach einem individuellen Scoring-Modell bewerten. Hierdurch werden die Schwachstellen im laufenden Vertragsverhältnis dezidiert aufgezeigt. Erst durch die Einführung einer PSC wird eine optimale Steuerung des Providers sichergestellt, um schließlich gezielt und kontinuierlich die Service-Qualität zu verbessern.

Verbesserung des Service Life Cycle Managements

Erfahrungsgemäß wird beim Service Life Cycle Management der Fokus eher auf die Fragen rund um die Service-Definition, die Service-Entwicklung und die Service-Erbringung gelegt. Vernachlässigt werden oft Prozesse, die Services nach einem definierten Vorgehen aus dem Leistungskatalog entfernen. Als Folge stehen Services im Portfolio, die tatsächlich nicht mehr benötigt werden. Hierdurch entstehen unnötige operative Kosten.

Die Herausforderungen für die Retained Organization liegen dabei insbesondere in der demand-seitigen Standardisierung von Services, der durchgängigen Kopplung zwischen Geschäftsprozessen, Services und Applikationen und der zentralen Pflege des Service-Katalogs. Erst dadurch können Veränderungen sichtbar gemacht und der Service Life Cycle proaktiv gemanaged werden. Durch das Entfernen von Leistungen aus dem Leistungskatalog können z.B. die operativen Kosten für Services um bis zu 15% gesenkt werden.

Preisbestimmung durch regelmäßige Benchmarks

In laufenden Outsourcing-Verhältnissen besteht durch die Abhängigkeit zum Provider und die oftmals lange Laufzeit des Vertrages die Gefahr, über die Zeit keine marktgerechten Preise mehr zu erhalten. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, ist eine Preisbestimmung für die einzelnen Services im jährlichen Rhythmus dringend zu empfehlen. Eine derartige Klausel ist marktgängig und sollte im Fall eines Fehlens nachträglich vereinbart werden. Demgegenüber steht das Interesse des Providers, seine Kunden langfristig zu binden. Verhandlungsmasse sind insbesondere die Aufteilung der Benchmark-Kosten, die Auswahl des Benchmark-Unternehmens sowie die Aufgliederung der Peer-Group (Bezugsgruppe für das Benchmarking).

Die Preisbestimmung ist insgesamt ein Hebel für mittelfristige Kosteneinsparungen:
– Voraussetzung für die Preisbestimmung ist die Etablierung von benchmarkfähigen Services. Die Prämissen für das Benchmarking sind pro Service mit dem Provider abzustimmen, um in der Diskussion über die Vergleichbarkeit des Services mit dem Benchmark eine gemeinsame Basis zu schaffen. Gerade bei Entwicklungsleistungen kann die Herstellung der Vergleichbarkeit schwierig sein. Je nach Vertragskonstrukt sind Messgrößen wie Tagessätze oder „Function Points“ zu wählen.

– Die Anpassung der Preise sollte automatisch ohne weitere Verhandlungsschritte erfolgen. Erfahrungsgemäß haben viele Verträge eine Klausel, die eine Anpassung der Preise für beide Seiten zulässt. Hier sollte auch gegen den Widerstand des Providers versucht werden, eine einseitige Anpassung zu Gunsten der Retained Organization zu erreichen. Ist eine Verhandlung einer automatischen Anpassung nicht möglich, sollte zumindest ein Sonderkündigungsrecht bei nicht marktgängigen Preisen vereinbart werden.

– Der Bemessungsalgorithmus bezieht sich üblicherweise auf den Marktdurchschnitt einer Peer-Group für diesen Service. Hier gibt es für die Retained Organization günstigere Varianten: Neben der gängigen Praxis, vom Marktdurchschnittspreis um einen prozentualen Anteil nach unten abzuweichen, ist hier die „Midpoint of Best Quarter and Best Quartile“-Methodik zu nennen.

Bei der Gestaltung der Preisanpassung ist im hohen Maße Verhandlungsgeschick und Erfahrung gefordert. Insbesondere bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Bemessungsalgorithmus und der Herstellung der Vergleichbarkeit sind viele „Fallstricke“ zu beachten, die den Erfolg einer Outsourcing-Partnerschaft für beide Seiten maßgeblich bestimmen.

Das Outsourcing-Prozessmodell als Katalysator

Zur optimierten Steuerung des Providers und der Implementierung der aufgezeigten Verbesserungsmaßnahmen sollte ein auf die Sourcing-Strategie optimiertes Prozessmodell in der Retained Organization etabliert werden. Bei der Optimierung hilft das Detecon Outsourcing-Prozessmodell in der Ausprägung für die Retained Organization.

Das Sourcing Management stellt die direkten Schnittstellen zum Service Management beim Provider dar. Die Kernprozesse des Sourcing Managements bilden aus diesem Grund die Grundlage für eine optimale Steuerung der Partnerschaft. Die über das Demand Management aufgenommenen Anforderungen der Business-Partner werden so nicht ungesteuert an den Provider weitergeleitet. Außerdem wird der Sourcing-Strategie und dem im Vertrag vereinbarten Preismodell optimal Rechnung getragen. Es ist dabei insbesondere notwendig, die Kompetenzen nicht nur prozessual zu bündeln, sondern eine aus den Prozessen abgeleitete Aufbauorganisation für das Sourcing Management zu etablieren.

Damit eine Retained Organization optimal funktionieren kann, sollte bereits frühzeitig dem Wissensmanagement eine hohe Aufmerksamkeit geschenkt werden. Immer wieder zeigt eine Analyse der Outsourcing-Partnerschaften, dass Potenziale ungenutzt bleiben, weil hohe Informations-Asymmetrien zu Lasten der Retained Organization bestehen. Ein wichtiger Grund hierfür ist der Verlust des Wissens in der abgegebenen Organisation wegen erhöhter Fluktuation von Wissensträgern und High-Potentials. Diesem Trend ist durch eine frühzeitige Etablierung eines Wissensmanagements in der Retained Organization entgegen zu wirken. Beginnend mit einer Wissensstrategie ist zu definieren, welches Wissen und welche Kompetenzen/Skills zu welcher Phase der laufenden Outsourcing-Partnerschaft aufgebaut bzw. erhalten werden müssen, um die Verhandlungsfähigkeit (bspw. hinsichtlich der Preisbestimmung oder Einführung neuer Technologien) zu wahren und mindestens auf Augenhöhe mit dem Provider zu bleiben. Dabei sollte unterstützend ein „Knowledge Sharing“ innerhalb der Retained Organization durch geeignete Maßnahmen aufgesetzt und langfristig etabliert werden.

Gestalten Sie Ihren individuellen Maßnahmenplan

Die Rolle der IT im Unternehmen wandelt sich von einer leistungserbringenden hin zu einer steuernden Einheit. Nutzen Sie Ihre neu gewonnene Kompetenz und steuern Sie im Jetzt und mit Blick auf die Zukunft:
– Diskutieren und überprüfen Sie die hier aufgeführten zehn Best Practices im Hinblick auf Ihr individuelles Outsourcing-Verhältnis

– Systematisieren und priorisieren Sie die gefundenen Ergebnisse und bewerten Sie diese nach Umsetzungsdringlichkeit, Quick-Win-Potenzial, Umsetzungsaufwand sowie qualitative und quantitative Nutzeneffekte

– Identifizieren Sie die notwendigen Maßnahmen und setzen Sie die Änderungen mit Hilfe eines Maßnahmenplans über die Zeit um (Trajectory Management)

– Etablieren Sie für die zukünftige optimale Steuerung eine auf die Aufgaben des Sourcings ausgerichtete und spezialisierte IT-Organisation (Aufbau- und Ablauforganisation)

– Implementieren Sie ein Wissensmanagement anhand einer effektiven Wissensstrategie zum Aufbau und zur Erhaltung des spezifischen Outsourcing-Wissens

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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