Der Online-Handel verzeichnete 2011 ein Rekordwachstum. Laut „Interaktiver Handel in Deutschland 2011“ (TNS Infratest im Auftrag des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels e.V.) lag der Umsatz 2011 erstmals über 20 Milliarden Euro. Ein Stück von diesem Kuchen holen sich inzwischen mehr und mehr Einzel- und Filialhändler. Sie formieren sich zu MultiChannel Retailern (MCR) und eröffnen neben ihren bestehenden Vertriebskanälen absatzstarke Online-Channels. Und der Plan geht auf: Laut Studie erreichten Versender mit Stationärwurzeln 2011 ein Wachstum von 41 Prozent. Ihr reiner Online-Umsatz wuchs um 45 Prozent.
Bevor die Filial- und Einzelhandelskassen jedoch klingeln, sind beim MCR-Einstieg einige Herausforderungen zu meistern. Passende Vertriebskanäle müssen definiert, entsprechende Sortimentsoptimierungen vorgenommen und Marketingmaßnahmen gestaltet werden. Die Kombination bestehender und neuer Channels muss intelligent sein und den Konsumenten auf seinen flexiblen Shopping- und Informationswegen begleiten und abholen, bevor es ggf. ein Wettbewerber tut.
Der Einstieg ins MultiChannel Retailing ist anfangs aufwändig. Doch mit einer durchdachten individuellen Strategie sollte dieser Einsatz mit Kundenbindung, Neukundengewinnung und Absatzsteigerung belohnt werden. Ist der Start einmal gelungen, muss der Aufwand jedoch nachlassen. Die Einflussnahme der neuen eVertriebskanäle auf das reguläre Business des Händlers sollte sich weitgehend auf wachsende Kunden- und Umsatzzahlen beziehen. Nicht aber auf den Verwaltungsaufwand. Soll sie gewinnbringend sein, darf die MCR-Ausrichtung keineswegs zeit- und kostenintensiv sein. Um das zu gewährleisten, ist zu empfehlen, von Anfang an auf ein Warenwirtschaftssystem mit hoher Automatisierungsquote zu setzen. Ist dies gegeben, bleibt dem Händler die Zeit, sich ums Wesentliche zu kümmern.
Im Rahmen einer MCR-Planung sollten verschiedene eBusiness-Technologien hinsichtlich ihrer Automatisierungsquote und weiterhin auf Flexibilität, Funktionsumfang und Anbindungsmöglichkeiten geprüft werden. Gefunden werden muss eine Software, die die neuen eBusiness-Prozesse maßgeblich vereinfacht und den Aufwand damit entsprechend gering hält.
Folgende sechs Fragen empfehlen sich als Checkliste bei der Auswahl einer eBusiness-Software:
1. Werden sämtliche Kanäle, ihre Daten und Prozesse in einem System abgebildet?
Soll MCR wirklich effizient sein, so muss es auf einer Technologie aufbauen, die in der Lage ist, sämtliche Vertriebskanäle intelligent in einer Basis zu verzahnen. Fachhandel und Filialen sowie Online-Shop und Drittkanäle sind hierbei innerhalb einer Plattform vernetzt. Diese Verknüpfung gewährleistet, dass sämtliche Daten im System für alle Vertriebskanäle genutzt und an die Ziel-Systeme übertragen werden können. Im besten Falle hochautomatisiert. Allein die zentrale Pflege und Zielübertragung von z.B. Artikelstamm-, Artikelkatalog- und Preisdaten erspart Zeit und steht für Wirtschaftlichkeit.
2. Besteht Technologieunabhängigkeit vom Channel?
Technologieunabhängigkeit verschafft Freiheit und macht eBusiness effizient. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, auf Systeme mit umfangreicher Integrationsschicht zu setzen, die die Heterogenität der eBusiness Technologien überwindet. So können beliebige Drittsysteme optimal integriert und vernetzt sowie sämtliche Daten problemlos eingelesen und exportiert werden. Im optimalen Falle verfügt die Technologie über eine automatische Prozesskontrolle zur Vermeidung von Daten- und Übertragungsfehler innerhalb dieser zentralen Informationssteuerung.
3. Werden sämtliche eBusiness Prozesse abgebildet?
Als wirklich effektiv erweisen sich jene eBusiness-Lösungen, die der Komplexität des eBusiness gerecht werden und damit eine Vielzahl an Prozessen und Modulen im Kontext eBusiness, Logistik, CRM, Debitorik und Artikelmanagement abdecken. Das bedeutet, dass sämtliche eBusiness-Bereiche wie Beschaffung, Auftragsmanagement, Logistiksteuerung, Lagerverwaltung, CRM, Prozessüberwachung, Zahlungs- und Debitorenmanagement sowie Vertriebskanalsteuerung unterstützt werden. Sinnvoll sind spezielle Features wie Reservierungsmechanismen zur Vermeidung von Warenüberverkauf. Bei Modulen für das Logistikmanagement für die Steuerung des Warenstroms nach Bestelleingang sollten die Ansteuerungsmöglichkeiten Beachtung finden. Eine flexible Software ermöglicht die Anbindung des eigenen Lagers, von Fremdlagern sowie die Integration von Fulfilment-Dienstleistern oder von Filialbeständen.
4. Wie hoch ist die Automatisierungsquote?
eBusiness-Lösungen mit hoher Automatisierungsquote vereinfachen das Management vielzähliger Kanäle und größter Sortimente maßgeblich. Werden Bestellungen weitestgehend oder im Idealfall vollständig automatisiert verarbeitet und der Logistik zugeführt, entfällt zusätzlicher administrativer und personeller Aufwand. Lösungsanbieter sollten gezielt nach der Automatisierungsquote befragt werden. Gegeben ist das automatische Management diverser Vertriebskanäle bei technologieunabhängigen Systemen, da hier sämtliche Channels integriert sind.
5. Ist der Lösungsaufbau modular?
Die Einsatzmöglichkeiten der Softwarelösung sollten so unterschiedlich sein wie die Unternehmens- und Anforderungsprofile der Handelsbranche. Heutzutage ist IT innovativ genug, um Händler nicht zu Entweder-Oder-Entscheidungen zu zwingen. Optimale Lösungen sind bedarfsorientiert. Flexibilität ist also das Stichwort bei der Auswahl von Warenwirtschaftssystemen oder eBusiness-ERPs. Das heißt, dass Modulvielfalt zwar erwünscht ist, aber nicht Norm sein sollte. Optimale Lösungen sind modular aufgebaut und an den individuellen Bedarf anpassbar. Sie sind in der Lage, zu wachsen. Sie können als vollständiges ERP-System, eBusiness-Erweiterung zu einem bestehenden ERP oder einfach als MultiChannel-Anbindung, ggf. auch im direkten Zusammenspiel mit der Kassensoftware eingesetzt werden.
6. Ist die Lösung datenschutzkonform?
Da Händler zur Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen verpflichtet sind, sollte die eBusiness-Lösung dafür eine „wasserdichte“ Basis bilden. Die Technologie muss die ausnahmslos sichere Behandlung der sensiblen Kundendaten über alle eBusiness- und Logistikprozesse hinweg gewährleisten können. Die Daten- und Systemsicherheit der eBusiness-Software wird bestenfalls durch z.B. ein TÜV-Zertifikat belegt. Hat sich ein Technologieanbieter keiner freiwilligen Datenschutzprüfung unterzogen und kann Datenschutzkonformität somit nicht offiziell ausweisen, sollte sein Datensicherungskonzept hinsichtlich der Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes sowie der Empfehlungen des Bundesdatenschutzbeauftragten geprüft werden.
Entscheidet sich ein Händler für eine Software-as-a-Service-Lösung, um finanziellen und personellen Aufwand gering zu halten, muss ebenso sichergestellt werden, dass das Rechenzentrum des Anbieters allen Anforderungen des Datenschutzes gerecht wird.
ECIN.de Fachautor ist Thomas Franke, Geschäftsführer der eFulfilment Transaction Services GmbH