Das Netz der europäischen Richtlinien im Bereich Medien verdichtet sich mit dem Richtlinienvorschlag zur Vereinheitlichung des elektronischen Geschäftsverkehrs immer stärker. Mit welchen Neuerungen müssen Unternehmen rechnen und wie kann man bei Streitigkeiten sein Recht durchsetzen?
Mit dem Richtlinienvorschlag über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt vom 18.11.1998 sollen die rechtlichen Hindernisse beim grenzüberschreitenden Handel und der Erbringung von Dienstleistungen innerhalb der EU abgebaut werden. Durch die zusammenhängende rechtliche Regelung von insgesamt fünf Bereichen soll ein einheitlicher Rechtsrahmen geschaffen werden, der das Vertrauen der Verbraucher ins Netz festigt und für Unternehmen Investitionshindernisse beseitigt. Der Beitrag verschafft einen Überblick über die wichtigsten Regelungen des Vorschlags aus deutscher Sicht.
Folgende fünf Bereiche sollen von den Mitgliedsstaaten zukünftig einheitlich geregelt werden:
• Niederlassungsregelung, Art. 4 – 5
• Kommerzielle Kommunikation (Werbung, Direktmarketing), Art. 7
• Elektronische Verträge, Art. 9 – 11
• Verantwortlichkeit der Vermittler, Art. 12 – 15
• Rechtsdurchsetzung, Art. 16 – 21
• Fazit
Welche Änderungen werden diese Regelungen für den E-Commerce mit sich bringen? Die Veränderungen sind aus deutscher Sicht vergleichsweise gering, da in den Richtlinienvorschlag viele Regelungen aufgenommen wurden, die in Deutschland bereits gleich oder zumindest ähnlich in den Multimediagesetzen von 1997 enthalten sind. Die geplante Regelung hinsichtlich Email-Werbung hingegen kann aus deutscher Sicht Änderungen der Rechtsprechung bewirken. Aber der Reihe nach:
Niederlassungsfreiheit und Information
Das Anbieten von Diensten im Netz soll auch in Zukunft frei von Zulassungsbestimmungen und behördlicher Genehmigung sein, im Gegensatz zu der Regulierung des Telekommunikationsmarktes. Wie bereits schon nach dem deutschen Teledienstgesetz, das für die meisten Online-Anbieter verbindlich ist, unterliegen Anbieter auch nach dem Richtlinienvorschlag grundlegenden Informationspflichten, wie Name, Adressangabe und Umsatzsteuernummer.
Kommerzielle Kommunikation
Aus deutscher Sicht kündigt sich in diesem Bereich Interessantes für die Zukunft an: Die beabsichtigte Regelung zur Email-Werbung auf europäischer Ebene unterscheidet sich von der gängigen Rechtsprechung verschiedener deutscher Gerichte. Während Email-Werbung nach deutschem Recht grundsätzlich unzulässig ist, sieht Artikel 7 des Richtlinienvorschlages offenbar eine andere Lösung vor: Hier ist ausdrücklich die Kennzeichnung von kommerziellen Emails als solche vorgeschrieben – eine Regelung, die nur dann Sinn macht, wenn die Versendung werbender Mails grundsätzlich zulässig ist. Diese Regelung steht im Einklang mit den Vorschriften der EU-Fernabsatzrichtlinie, die nächstes Jahr in nationales Recht umgesetzt werden muss: Dort regelt Artikel 10 Abs.2 dass „Fernkommunikationsmittel, die eine individuelle Kommunikation ermöglichen“ (darunter fällt Email) zulässig sind, wenn der Verbraucher der Verwendung nicht offenkundig widersprochen hat. Ob sich diese abzeichnende zukünftige EU-Regelung bereits vor Inkrafttreten der Richtlinien auf die deutsche Rechtsprechung auswirkt, bleibt abzuwarten. Immerhin hat sich der BGH bei seiner Rechtsprechung zur vergleichenden Werbung auch auf eine Richtlinie gestützt, die noch nicht umgesetzt war.
Elektronische Verträge
Dieser Abschnitt ist als Ergänzung zum Richtlinienvorschlag für elektronische Signaturen zu sehen. Ziel der Regelung in Artikel 9 ist es, elektronische Verträge den „Papierverträgen“ bis auf wenige Ausnahmen rechtlich gleichzustellen. Insbesondere die Rechtsunsicherheit bei der Anwendung von Formvorschriften auf elektronische Verträge soll beseitigt werden.
Die Artikel 10 und 11 ergänzen den Verbraucherschutz, der bereits in der EU-Fernabsatzrichtlinie u.a. für den Bereich des Online-Shopping geregelt wurde. Er gilt daher nicht für Verträge unter Gewerbetreibenden. Auch hier werden dem Anbieter Informationspflichten auferlegt, die dem Nutzer eine höhere Transparenz der Art und Weise sowie der Folgen des Vertragsschlusses ermöglichen sollen.
Als Zeitpunkt des Vertragsabschlusses soll erst der Moment gelten, in dem der Kunde den Eingang der Empfangsbestätigung seiner eigenen Erklärung nochmals gegenüber dem Anbieter bestätigt hat. Folgendes Procedere ist danach notwendig:
Angebot – Anklicken durch Nutzer – Bestätigung des Anbieters – Bestätigung des Nutzers = Vertragsabschluß.
Darüber hinaus müssen die Anbieter Mechanismen sicherstellen, die dem Nutzer die Korrektur möglicher Eingabefehler angemessen ermöglichen.
Verantwortlichkeit der Vermittler
Im wesentlichen wird hier die Haftung der Vermittler analog zum § 5 TDG, bzw. § 5 MDStV geregelt, so dass sich aus deutscher Sicht keine einschneidenden Veränderungen für Haftungsfragen ergeben werden.
Der rein technische Zugangsvermittler (Access-Provider) ist nach Artikel 12 des Entwurfs dann nicht für fremde Inhalte verantwortlich, wenn er die Übermittlung nicht veranlaßt und den Adressaten nicht ausgewählt hat, sowie die jeweiligen Informationen ebenfalls nicht ausgewählt oder verändert hat.
In Artikel 13 werden Diensteanbieter unter bestimmten Voraussetzungen für die Verantwortlichkeit von Inhalten ausgenommen, die im Wege des Caching zwischen- gespeichert werden.
Artikel 14 regelt schließlich die Verantwortlichkeit beim Hosting, also der Vermietung von Speicherplatz auf einem Server. Dies ist daher die einschlägige Regelung für alle Internet-Service-Provider. Die Verantwortlichkeit wird hier nur dann ausgeschlossen, wenn der Anbieter von illegalen Inhalten keine Kenntnis hat, bzw. nach Kenntnis unverzüglich die jeweiligen Angebote sperrt. Ergänzend für die Kenntnis ist Artikel 15 zu beachten: Danach darf den Anbietern keine allgemeine Verpflichtung auferlegt werden, nach denen übermittelte oder gecachte Informationen aktiv überwacht werden müssen. Auch diese Regelung korrespondiert mit der deutschen Regelung, nach der keine allgemeine Verpflichtung besteht, sich aktiv Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten zu verschaffen.
Rechtsdurchsetzung
Nach Artikel 17 des Entwurfs soll zukünftig die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten auch auf elektronischem Wege ermöglicht werden. Dies kann zum Beispiel durch die Einrichtung von online-zugänglichen Schiedsstellen geschehen.
Nach Artikel 24 haben die Mitgliedstaaten die Richtlinie bereits ein Jahr nach Inkrafttreten in nationales Recht umzusetzen.
Fazit
Das Netz der europäischen Richtlinien im Bereich neuer Medien verdichtet sich immer mehr. Neben Richtlinien, bzw. Richtlinienvorschlägen zum Datenschutz, Urheberrecht, Fernabsatz und digitaler Signatur kommt mit der hier vorgestellten Richtlinie ein weiterer Katalog hinzu. Für Online-Business-Unternehmen jeder Art hat das zur Folge, dass eine rechtzeitige Auseinandersetzung mit dem zukünftigen europäischen Rechtsrahmen für die mittelfristige Planung unternehmerischer Aktivitäten unerläßlich ist. Die Regelungen berühren insbesondere im business-to-consumer Bereich nahezu jede geschäftliche Aktivität, über deren Bedeutung Unternehmen informiert sein sollten.
Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich bitte an:
Anwaltskanzlei Süme, Hamburg