Wie viele Unternehmen in Deutschland über alle Branchen hinweg EDI anwenden, lässt sich derzeit nicht exakt feststellen. In allen Branchen wird das Thema EDI diskutiert und von Unternehmen behandelt.
Selbst Bereiche, in denen man EDI nicht vermuten würde, beschäftigten sich mit dieser Technologie, so zum Beispiel die Medizin. Hier werden sowohl Labordaten als auch kommerzielle Abrechnungsdaten mit den Krankenkassen ausgetauscht. Als zweites Beispiel seien hier die öffentlichen Versorger (VKUs) genannt: Großabnehmer können Verbrauchsabrechnungen per EDI empfangen, die Informationen automatisch weiterverarbeiten und direkt verbuchen.
Insgesamt bleibt jedoch festzustellen, dass trotz optimistischer Prognosen Anfang der 90er Jahre die Anzahl der tatsächlichen EDI-Anwender als eher gering eingeschätzt werden muss. Wie sich der aktuelle Stand in der Konsumgüterbranche darstellt, zeigt beispielhaft nachfolgend
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Zwar wickeln Konzerne wie Karstadt mittlerweile rund 50% ihres Umsatz über EDI-Bestellungen ab, in aller Regel aber mit höchstens 20 % der Lieferanten. Innovative Integrationsstrategien sind gefragt, um die kritische Masse der EDI-Anwender, insbesondere bei den kleinen und mittleren Unternehmen, zu erreichen.
Immer wieder wird in der aktuellen EDI-Diskussion behauptet, das Internet könne EDI ablösen und der Interneteinsatz stelle ad hoc die EDI-Fähigkeit der Unternehmen her. Diese Einschätzung wird jedoch von führenden EDI- und EC-Experten nicht geteilt. Das klassische EDI wird auf lange Sicht seine Position beibehalten und eine unverzichtbare Schnittmenge des Electronic Commerce sein. Das Internet fördert jedoch auf der anderen Seite bei den Entscheidern die Einsicht, sich neuen Technologien nicht länger verschließen zu können.
Auch im Internet sind kommerzielle Anwendungen heute im Bereich business-to-consumer angesiedelt. Eine Notwendigkeit, die Daten vollautomatisch weiterzuverarbeiten und eine Applikationsintegration im Rahmen von EDI zu realisieren, besteht häufig nicht. Um jedoch die beschriebenen Rationalisierungspotentiale zu erreichen, ist eine Integration der Datenflüsse in die Applikationen die zwingende Voraussetzung.
Auf mögliche neue Einsatzmöglichkeiten gerade im Zusammenspiel EDI und Internet wird innerhalb dieser Rubrik noch detaillierter eingegangen werden.
EDI-Szenarien- Einsatz von EDI in ausgewählten Wirtschaftsbereichen
Die EDI-Szenarien in den Bereichen Auftrags-, Zahlungs- und Logistikabwicklung werden auf breiter Front akzeptiert. In den einzelnen Branchen unterscheiden sich die Prozesse lediglich durch die eingesetzten Formate (VDA, EDIFACT, EANCOM) und gegebenenfalls durch die eingesetzten Kommunikationsprotokolle (X.400, OFTP etc.).
EDI in der Beziehung Industrie und Handel
Abbildung 1 visualisiert den möglichen Einsatz der Nachrichtentypen im Rahmen einer Auftragsabwicklung. Einige große Handelshäuser sind bereits in der Lage, den hier skizzierten EDI-Ablauf vollständig zu realisieren und drängen ihre Lieferanten dazu, die in diesem Rahmen geforderten Nachrichtentypen nach und nach zu realisieren.
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Als erste Informationen zwischen den EDI-Partnern stehen die Artikelstammdaten. Diese müssen von der Industrie eindeutig gepflegt werden und über bekannte Hierarchien
• Endconsumereinheit (einzelner Artikel)
• Bestelleinheit (z.B. Karton)
• Liefereinheit (z.B. Palette)
vergeben werden.
Wie die Erfahrung gezeigt hat, müssen die Unternehmen zur Erreichung der Normkonformität der Artikelstammdaten große organisatorische Anstrengungen bewältigen. Denn erst eine den EDI-Anforderungen entsprechende Abbildung der Artikelstammdaten ermöglicht die geschäftsübergreifende elektronische Kommunikation. Treten bereits in diesem ersten Schritt des EDI-Prozesses Fehler auf, potenzieren sich die Aufwände in jeder weiteren Stufe und stehen möglichen Rationalisierungspotentialen entgegen.
Prinzipiell existieren zwei Möglichkeiten für den EDI-Austausch der Artikelstammdaten: Ein bilateraler Austausch über den EDIFACT-Nachrichtentyp PRICAT oder über den nationalen Sinfos-Stammdatenpool der CCG. Während man den Nachrichtentyp PRICAT mit jeweils nur einem Partner austauscht, ermöglicht das Konzept des Sinfos-Datenpools die Bereitstellung der Stammdaten für alle am Pool angeschlossenen Unternehmen. In der Praxis bedeutet dies, dass Industrieunternehmen ihre Artikelstammdaten zur Verfügung stellen und alle Pool-Teilnehmer, insbesondere die Handelskonzerne, können die für sie relevanten Daten im Pool selektieren und downloaden.
Erst seit einiger Zeit bietet die CCG die Möglichkeit, unter Beachtung strenger Anforderungen Artikelstammdaten für den Sinfos-Datenpool auch mit dem Nachrichtentyp PRICAT zu übermitteln. Unternehmen, die bereits EDI praktizieren, benötigen somit kein speziell auf den Pool beschränktes EDI-System, sondern können ihre bestehende Infrastruktur nutzen. Einige wenige EDI-Dienstleister sind daher bereits in der Lage, den bilateralen Stammdatenaustausch parallel zur Bereitstellung der Daten im Sinfos-Pool über den Nachrichtentyp PRICAT zu realisieren.
Den offensichtlichen Vorteilen dieses Pool-Konzeptes stehen allerdings einige Nachteile gegenüber. Zunächst einmal kostet die Bereitstellung der Daten im Sinfos-Pool eine Gebühr, die sich aus Unternehmensgröße gemessen am Umsatz, Anzahl der im Pool eingestellten Artikel und Häufigkeit der Datenänderungen zusammensetzt. Zum anderen können, beziehungsweise sollten, im Pool nur allgemeine Informationen zu den Artikeln dargestellt werden, da jeder Teilnehmer Zugriff auf die Daten hat. Die Möglichkeit, bilateral vereinbarte Konditionen elektronisch zu übermitteln, existiert also nicht.
Auf der Basis der Stammdaten generiert der EDI-Partner Bestellungen (ORDERS). Das Industrieunternehmen prüft nach Eingang der Daten die verfügbaren Mengen und möglichen Lieferzeitpunkte und sendet eine qualifizierte Bestellbestätigung (ORDRSP) oder aber ein Lieferavis (DESADV). Der Besteller erhält somit qualifizierte Informationen vor dem Eingang der Ware. Diese Informationen kann er zur internen Prozessoptimierung nutzen.
Die Warenvereinnahmung erfolgt mit Hilfe der EAN 128 und Scannertechnologie beim Warenempfänger automatisch (vgl. EAN-Standardvereinbarungen). Als Quittung für die tatsächlich vereinnahmte Ware erhält der Partner eine elektronische Wareneingangsmeldung (RECADV). Erst jetzt, nachdem der Lieferant exakt informiert ist, welche Ware beim Kunden angekommen ist, generiert und versendet er die elektronische Rechnung (INVOIC). Damit entfallen in der Rechnungsprüfung alle Mengendifferenzen. Zur Zeit wird jedoch bereits das Gutschriftsverfahren diskutiert: Beim Gutschriftsverfahren sendet der Kunde aufgrund der gelieferten Ware und den vereinbarten Preisen dem Lieferanten eine Gutschrift. Dies hat zur Folge, dass der Lieferant die Rechnungsprüfung durchführen muss.
EDI in der Logistik
Neben der Auftrags- und Zahlungsverkehrsabwicklung kann ebenso die komplette Logistikabwicklung EDIFACT-gestützt betrieben werden. Werden zusätzlich die Logistikdienstleister mit in den EDI-Ablauf einbezogen, kann der gesamte Wirtschaftskreislauf (vgl. Abbildung 1) in der Beziehung Industrie – Handel – Banken – Speditionen elektronisch geschlossen werden.
Nachdem beim Lieferant kommissioniert wurde, kann dem Spediteur der Speditionsauftrag (IFTMIN) per EDI übergeben werden. Der entscheidene Vorteil liegt auch hier wieder darin, dass der Spediteur die Information vor seiner zu erbringenden Dienstleistung erhält und somit sehr viel genauer und effizienter planen kann. Mit Hilfe der Nachricht IFTSTA bekommt der Auftraggeber Informationen, an welcher Stelle sich die Ware zur Zeit befindet. Ist der Warenempfänger nicht in der Lage, eine Wareneingangsmeldung per EDI zu generieren, so kann dies der Logistikdienstleister über den Nachrichtentyp IFTMAN tun.
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Um die Effizienz des EDI-Einsatzes in der Logistik vollends ausschöpfen zu können, bedient man sich der EDI-Technologie als Grundlage bzw. Voraussetzung für die Implementierung neuartiger Management-Konzepte. Auf EDI im Rahmen von ECR (Efficient Consumer Response) und CR (Continuous Replenishment) wird im Rahmen dieser Rubrik noch detaillierter eingegangen werden.
Der Einsatz von EDI stellt die Grundlage der neuen Technologien dar, die im Rahmen von Electronic Commerce Lösungen diskutiert werden. So besteht mit dem Einsatz von EDI die Möglichkeit, den Bestell- und Logistikprozess zwischen Industrie und Kunden grundlegend zu ändern. Die neue Strategie, die diskutiert und in Pilotprojekten umgesetzt wird, lautet, wie im Bereich „EDI und Logistik“ bereits angedeutet, Continuous Replenishment.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass der gesamte Informationsfluß entlang der Wertschöpfungskette per EDI abgewickelt werden kann (vgl Abbildung 2). Somit kommt es im Idealfall nicht mehr zu Medienbrüchen. Die dem Prozess zugrundeliegenden Daten werden lediglich einmal beim Lieferanten in Form von Artikelstammdaten erfaßt und der ganze Prozess läuft papierlos. Lediglich der Fahrer des Speditions-LKWs erhält noch einen Lieferschein als warenbegleitende Information ausgehändigt.
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EDI im Zahlungsverkehr
Um die elementaren Geschäftsprozesse, wozu sicherlich auch der Zahlungsverkehr zu zählen ist, zwischen Industrie und Handel elektronisch abwickeln zu können, ist es unabdingbar, die Banken in den oben dargestellten EDI-Ablauf mit einzubeziehen (vgl. Abbildung 3). Im Rahmen des EDI-Zahlungsverkehrs kann die gesamte Abwicklung bereits heute weltweit EDIFACT-gestützt abgewickelt werden.
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Der Zahlungsleistende übergibt seiner Bank den Zahlungsauftrag per PAYMUL. Die Bank verbucht die Zahlung und hat die Möglichkeit die Zahlung im EDIFACT-Format an die Bank des Zahlungsempfängers weiterzugeben. Parallel bekommt der Zahlungsleistende eine Belastungsanzeige (DEBMUL), damit er informiert ist, wann die entsprechenden Konten belastet werden.
Gleichzeitig erhält der Zahlungsempfänger ein Avis, dass die Zahlung zu einem definierten Zeitpunkt seinem Konto gutgeschrieben wird. Somit erhält das Unternehmen die Information vor Eingang der Zahlung und kann somit im Rahmen der kurzfristigen Finanzdisposition (Cash spooling) detailliert planen und reagieren.
Zwischen den Banken werden die Zahlungen mit Hilfe des Nachrichtentypes FINPAY ausgetauscht. Bis zum Ende des Jahres 1998 müssen alle deutschen Banken ihrer passiven EDIFACT-Pflicht nachkommen. Dies bedeutet, dass jede Bank EDIFACT-Zahlungen entgegennehmen und weiterverarbeiten können muss. Keine Pflicht stellt jedoch die Weitergabe von EDIFACT-Nachrichten dar.
Ist die Zahlung auf dem Konto gutgeschrieben, sendet die Bank des Zahlungsempfängers dem Unternehmen einen elektronischen Kontoauszug (FINSTA). Aufgrund des strukturierten Verwendungszwecks besteht die Möglichkeit eines automatischen Debitorenmatchings. Dies bedeutet, dass die offenen Posten in der Finanzbuchhaltung automatisch abgeglichen werden und die Mitarbeiter lediglich bei Fehlern eingreifen müssen.
Die Vorteile des EDIFACT-Einsatzes im Zahlungsverkehr liegen auf der Hand:
• International einheitliches Format
• Gleichermaßen für Inlands- und Auslandszahlungen sowie Verrechnungen geeignet
• SWIFT-fähig (Bisheriges Interbankenformat).
• Hohe Flexibilität (Sub-Standards)
• Automatische Übernahme der Zahlungsdaten aus der EDIFACT-Rechnung
• Strukturierter Verwendungszweck
Beim EDIFACT-Einsatz gewinnen Sicherheitsaspekte wie die Verschlüsselung von Daten und die elektronische Unterschrift besondere Bedeutung. Viele EDI-Systemhersteller bieten für diese Anforderungen spezielle Module bzw. Schnittstellen für jene Komponenten an, die diese Funktionalitäten ermöglichen und somit einen sicheren Datenaustausch gewährleisten.
Einige Großbanken, die ebenfalls ein nachhaltiges Interesse an einem Zahlungsverkehr über EDIFACT besitzen, gehen heute aktiv auf Ihre Geschäftskunden zu, um die Möglichkeiten und Vorteile eines EDI-Einsatzes darzustellen. Hierzu werden für interessierte Kunden Workshops, Schulungen und Seminare seitens der Banken durchgeführt. Im Rahmen dieser Veranstaltungen bedient man sich zumeist kompetenter EDI-Dienstleister, die alle technischen und organisatorischen Fragen beantworten können, die im Zusammenhang mit einer EDI-Implementierung bestehen.