Im Jahr 2002 erhielt der Psychologe Daniel Kahneman einen Nobelpreis. Das Irrwitzige: Den Nobelpreis erhielt Kahnemann zu einem Themengebiet, das mit Psychologie eine ganz lange Zeit so gar nichts am Hut hatte…Mit einem simplen Experiment führte er während seiner Nobelpreisrede dem Auditorium „das Unmögliche“ vor. Ein Experiment, das es heute noch in so manche Mathe-Stunde schafft: Ein Baseballschläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 EUR. Der Schläger kostet 1 Euro mehr als der Ball. Wie viel kostet der Ball? Die Meisten antworten wie aus der Pistole geschossen: „10 Cent“. Aber weit gefehlt, die korrekte Antwort lautet 5 Cent. Intuitiv geben wir eine falsche Antwort auf eine vermeintlich recht einfache Frage. Wirklich gerechnet hat an dieser Stelle wohl kaum jemand. Eine ökonomische Aufgabe wurde intuitiv, also emotional gelöst. Daniel Kahneman legte damit die Basis für die psychologische Wirkung von Marken, einer an und für sich ökonomischen Größe. Die allgemeinen Abläufe im Gehirn werden auch bei der Rezeption von Marken in Gang gesetzt. Die Wahrnehmung von Marken hingegen wird eher von subtilen Faktoren beeinflusst.
Eingefleischte Markenmacher sprechen heutzutage sogar von Markenliebe – sie parallelisieren den Vorgang des Verliebens mit der Entstehung von Zuneigung zu einer bestimmten Marke. Nicht umsonst werden scheinbar so unökonomische Begriffe wie Unternehmenspersönlichkeit, Customer Journey oder Brand Relationships zu immer wichtigeren zentralen Themen des Markenmanagements. Darum findet man im Markenkosmos auch Worte wie Sympathie oder Attraktivität. Deren Bedeutung kennt man aber eher aus dem zwischenmenschlichen Zusammenhang, und hier insbesondere eben als Voraussetzung für die Liebe.
Mehrere Grundprinzipien der Markenwirkung
Im Gegensatz zur Liebe aber muss die Marke vor allem eins sein: einfach. Das menschliche Gehirn ist unter anderem dafür gedacht, uns das Leben zu erleichtern. Man stelle sich vor, man müsste jeden Morgen erneut darüber nachdenken, wie man sich die Schuhe zubindet. Oder jeden Tag laufen lernen. Zähneputzen. Das Gehirn speichert diese einmal gelernten Prozesse ab und ruft sie immer wieder ab, so werden die Tätigkeiten des Alltags quasi automatisiert. Niemand verfolgt die einzelnen Schritte dieser Tätigkeiten mehr, niemand beobachtet sie noch bewusst. Man hat es so gelernt und verlässt sich darauf, dass es immer so funktionieren wird. Wie sehr sich diese Automatismen manifestieren, merkt man spätestens dann, wenn man seine Gewohnheiten zu verändern versucht.
Einfachheit
Das Prinzip der Vereinfachung greift auch, wenn es um das Erkennen und Zuordnen von Eigenschaften geht. Das menschliche Gehirn hat das Talent, Reize zu filtern und Dinge zu unterscheiden. Menschen beispielsweise erkennen wir an ihrem Aussehen und verbinden damit bestimmte Verhaltensweisen, die uns wiederum auf spezielle Eigenschaften des Menschen schließen lassen. Jemand, der die Arme vor der Brust verschränkt, ernst schaut und vielleicht sogar die Nase ein wenig hebt, erscheint uns recht arrogant. Jemanden der uns anlächelt, uns die Hand reicht, stufen wir als freundlich ein. Schon nach einer einzigen Begegnung haben wir uns ein Bild von einem Menschen gemacht – der berühmte erste Eindruck. All das passiert automatisch und durch Vereinfachungsprozesse im Gehirn. Und so weisen wir einem visuellen Bild bestimmte Eigenschaften zu. Ebenso wie bei der Marke.
Geschichten
Die Marke lebt ebenfalls von einer Geschichte. Sie eignen sich immer zur Vereinfachung, bestes Beispiel ist die berühmte Eselsbrücke, die komplizierte Sachverhalte über die Beigabe erzählerischer Elemente einfacher zu merken macht.
Authentisch
Die schließlich letzte und in Hinblick auf die Markenwirkung sehr wichtige Strategie der Psyche ist die Wahrheit. Grundsätzlich denkt jeder Mensch, dass das, was er sieht, auch wahr ist. Gibt sich das Gegenüber selbstbewusst, denken wir, dass es auch eine selbstbewusste Persönlichkeit ist. Auch wenn der Mensch zuerst seiner Intuition folgt: Macht er einmal schlechte Erfahrungen und deckt vielleicht sogar eine Lüge auf, ist er unerbittlich.
Hinter all diesen psychischen Gegebenheiten stecken tief verankerte Prozesse, die in uns automatisiert ablaufen. Sie sind intuitiv und damit rational zunächst nicht greifbar: Sie laufen als Programme im Unterbewusstsein ab und sind rein faktisch kaum zu erklären. Diese Programme bilden die Grundlage für die Wahrnehmung von Marken, denn auch sie sind visuelle Bilder, die bestimmte Eigenschaften repräsentieren (Corporate Identity); mit Storytelling werden Markenbiografien lern- und merkfähig; Marken müssen zudem authentisch sein und halten, was sie versprechen.
Was müssen Unternehmen für eine erfolgreiche Marke tun?
Die Arbeit an einer guten Marke setzt voraus, dass man die unbewussten Prozesse jedoch bewusst durchschaut hat und dementsprechend einfließen lässt. Viele Unternehmen fokussieren zu stark und in erster Priorität den gewünschten Nutzen ihrer Marke, vernachlässigen jedoch die menschliche Psyche. Obwohl Geschäftsführer und Mitarbeiter selbst immer den unmerklichen Wahrnehmungsprozessen folgen, leugnen sie oftmals den erheblichen Wirkanteil dieser unfassbaren Vorgänge – das zeigt sich immer wieder in unserer Beratungspraxis. Hier entscheiden oft persönliche Präferenzen wie etwa die Lieblingsfarbe oder subjektiv empfundene ästhetische Vorzüge. Unternehmer aber sind selten die eigene Zielgruppe, und wenn doch, sind sie nicht die einzige. Was der Chef persönlich mag, muss nicht zwangsläufig auch auf die Stakeholder zutreffen. Folgt man an dieser Stelle also subjektiven Prämissen und lässt die Psyche anderer Menschen außer Acht, bedeutet das im schlechten Fall eine Marke, die genau an den gewünschten Empfängern „vorbeiwirkt“.