Einnahmequellen und transaktionsabhängige Kosten

Wer ein Geschäftsmodell erfolgreich umsetzen möchte, muss sich nicht nur Gedanken über mögliche Einnahmequellen sondern gleichermaßen auch über anfallende Transaktionskosten machen. Was gilt es hierbei zu berücksichtigen? Welche Aspekte verdienen besondere Aufmerksamkeit? Ein Analyse-Ansatz.

Bei der Betrachtung der Einnahmequellen müssen Sie auch die nachgelagerten Prozesse bedenken und deren Kosten ermitteln. Erfahrungswerte aus der »realen Welt« sind hier Anhaltspunkte, können aber nicht 1:1 auf den Internethandel übertragen werden. So sind die Retourenquoten beim Endkundengeschäft im Internet um ein Vielfaches höher als bei Geschäften an der Ladentheke. Gerade in der Modebranche werden die Gründe augenfällig: Ohne Anprobe und ohne dass ich das Blau eines Anzugs bei Licht gesehen habe werde ich ihn im Internet immer nur auf Verdacht bestellen und gegebenenfalls wieder zurückschicken.

• Welche Einnahmequellen erschließt Ihr Geschäftsmodell? Listen Sie alle unterschiedlichen Einnahmequellen auf (Verkauf von Waren – gestaffelt in Warengruppen oder Preissegmenten –, Verkauf von Serviceleistungen, Einkünfte aus Vermittlungstätigkeiten, Einkünfte aus Werbung und so weiter) und bewerten Sie deren Anteil am Gesamtumsatz.

• Welche Kosten fallen pro Transaktion an? Dazu zählen Gebühren für Bezahlverfahren, eventuell zu zahlende Provisionen, Gebühren für die Adressüberprüfung, für die Verpackung und den Versand.

• Wie erreicht der Kunde Sie bei Fragen zu Produkten und Abwicklung? Welche Services stellen Sie Ihren Kunden zur Verfügung? Callcenter, Kontakt per E-Mail, Fax und Brief? Welches Aufkommen an Kommunikation auf diesen Kanälen ist zu erwarten? Wie soll dieses bewältigt werden und was kostet es?

• Brauchen Sie ein eigenes Team zur Betreuung Ihrer Präsenz? Einen eigenen Stab an Redakteuren, Technikern, Grafikern? Wer ist für die eigenen Inhalte verantwortlich, wer regelt die Inhalte, die Kunden auf Foren und Chats einzustellen? Welche Personalkosten sind hier zu erwarten beziehungsweise welche Kosten entstehen bei Dienstleistern, zum Beispiel Agenturen, an laufender Betreuung?

Handelt es sich bei Ihrem Geschäftsmodell um ein transaktionsgetriebenes, wie beispielsweise einen Onlineshop, dann ermitteln Sie durch eigene Recherchen oder Erfahrungen, wie hoch der durchschnittliche Warenkorbwert in ihrem Geschäftsmodell sein wird, denn dies ist dann die entscheidende Größe, wenn Sie selbst etwas verkaufen oder Sie mit einer prozentualen Marge an den generierten Umsätzen beteiligt sind. Nachdem feststeht, welche Produkte in welchem Anteilsverhältnis der Warenkorb enthält, lässt sich dessen Wert relativ einfach kalkulieren.

Aber bitte berücksichtigen Sie auch hier, dass das Internet seine eigenen Gesetze hat. B2B- und B2C-Umsätze unterscheiden sich erheblich. Durch die große Skepsis der Konsumenten gegenüber dem Versandhandel sind im B2C-Bereich Warenkörbe über 100 Euro schon seltener. So gehen teure Artikel meist nur dann im Internet, wenn diese im Vergleich zum Ladenpreis deutlich günstiger sind oder der Kunde sie im Laden kaum beziehen kann. Es besteht ein zu berücksichtigendes, umgekehrt proportionales Verhältnis zwischen dem Wert des Warenkorbs und der Anzahl der Bestellungen. Zu all diesen Themen können Sie als Anhaltspunkt eCommerce-Studien heranziehen.

Für den Warenkorb ist der folgende Fragenkatalog zu beantworten:

• Wie hoch ist der durchschnittliche Warenkorbwert?

• Bestellt der Kunde regelmäßig gleiche Produkte (zum Beispiel Verbrauchsgüter wie Papier) oder meist unterschiedliche Artikel (wie zum Beispiel Bücher)?

• Erhalten A-, B- und C-Kunden unterschiedliche Konditionen, Rabatte oder Boni?

• Wie hoch muss die Verfügbarkeit der Waren sein?

• Können Sie die Bonität Ihrer Kunden und Ihr Zahlungsausfallrisiko abschätzen?

Mit einer Bestellung sind viele nachgelagerte Prozesse verbunden. So kann eine Prüfung durchgeführt werden, ob die Adresse des Kunden stimmt, das Konto des Kunden existiert, die Kreditkarte gesperrt ist oder die Adresse auf einer »schwarzen Liste« bekannter Internetbetrüger steht. Diese Checks kosten Geld, egal ob Sie die entsprechenden Datenbanksätze einkaufen oder diesen Dienst über einen Partner abwickeln lassen. Doch auch der Zahlvorgang an sich, zum Beispiel mit Kreditkarte, kosten den Onlineshop-Betreiber Geld. Die Kreditkartenunternehmen berechnen zum Beispiel bei Onlinezahlungen ein Disagio von über drei Prozent der Gesamtsumme.

Soll Ware physisch an den Kunden verschickt werden, fallen für den Onlineshop-Betreiber weitere so genannte transaktionsabhängige Kosten an. Denn schließlich muss dazu noch vor dem Kauf die Ware in ein Lager eingelagert werden, um sie dann bei Bestellung schnell zu finden. Dann muss ein Mitarbeiter (oder ein Automat) die Ware laut einem zu druckenden Packzettel aus dem Lager entnehmen. Es wird die Ware gepackt, mit bereits gedrucktem Lieferschein und Rechnung (zudem oft auch mit Formularen zur Rücksendung) versehen, das Paket adressiert und an einen Carrier, also ein Logistikunternehmen, übergeben. Gleichzeitig mit der Bestellung wurde in der Buchhaltung ein Debitorenkonto für den Kunden eingerichtet. Für all diese Leistungen, ob sie nun der Onlineshop-Betreiber selbst erbringt oder über externe Dienstleister abwickeln lässt, muss der pro Versandpaket anteilige Betrag ermittelt werden. Daher ergeben sich für Sie die Fragen:

• Welche anfallenden transaktionsabhängigen Kosten sind mit den Bestell-, Bezahl- und Versandprozessen verbunden?

• Mit welchen Zahlungsausfällen ist zu rechnen?

Um für den Geschäftsplan aussagekräftige Zahlen zu erhalten, benötigen Sie Prozesskostenzahlen aus dem eigenen Unternehmen oder einen Kostenvoranschlag eines Dienstleisters. Dazu müssen viele Fragen geklärt werden. Aufgrund Ihrer Recherchen und unseres Excel-Modells lassen sich schon zu einem frühen Zeitpunkt die meisten dieser Fragen beantworten.

Fulfillment-Abwicklung

• Welche Artikel sind zu lagern und wie ist ihr Verhältnis innerhalb der Sortimentszusammensetzung (zum Beispiel Kleinteile, Großteile, Hängende Konfektion, Wertsachen, verderbliche Waren)?

• Haben Sie die notwendigen Angaben zu Anzahl, Gewicht, Volumen und VK-Preis der Sortimente?

• Haben Sie die Angaben zu Artikeln, Aufträgen, Artikel pro Auftrag, Pakete pro Sendung und Artikel pro Paket bezogen auf das Jahr, auf den Tagesdurchschnitt und eventuell auf Spitzentage wie vor Weihnachten?

• Wie häufig ändert sich das Sortiment pro Jahr?

• Wie (Verpackungsart) und wie oft (Lagereingang) wird die Ware angeliefert?

• Muss die Ware erneut etikettiert werden (neue Artikelnummern, Etiketten auf Einzelteile bei Palettenanlieferung)?

• Sollen bei Bestellungen auch Teilmengen ausgeliefert werden?

• Sollen Lieferschein und Rechnung immer der Ware beiliegen oder gibt es Sonderfälle (Geschenksendungen)?

• Sind gezielte oder ungezielte Beilagen zur Ware (Werbematerial) angedacht?

• Gibt es Waren mit besonderen Lagerungsanforderungen (Lebensmittel, Wertsachen, Gefahrenstoffe)?

• Soll eine Wareneingangskontrolle erfolgen, Stichproben oder Vollkontrolle?

• Sind Einzelartikel ausgezeichnet und wie ist die Artikelnummernsystematik?

• Wie wird die Ausgangsware verpackt (Tüten, Kartons und so weiter), wer stellt die Verpackung und eventuelles Füllmaterial?

• Welche Abmessungen und welches Gewicht hat die Ausgangsware im Durchschnitt?

• Gibt es Geschenkverpackungen? Wie sollen diese aussehen, welche Varianten?

• Wie hoch ist die Retourenquote, Retouren pro Sendung und Artikel (Jahr, Spitzenzeit, Durchschnitt)?

• Soll eine Prüfung der Retoure durchgeführt werden, was soll mit den Retouren geschehen?

Distribution

• Ist beim Versand auf bestimmte Anforderungen zu achten (Sicherung von Werten, Kühlung, Bruchgefahr, Sperrigkeit und so weiter)?

• Wie bemessen sich die Anteile an Privathaushalten zu Geschäftsadressen?

• In welche Länder soll (mit welchem durchschnittlichen Anteil) geliefert werden?

• Welche Zeiten sind für die Lieferung geplant und gibt es Eilservices (24, 48, 72 Stunden)?

• Können die Sendungen schon im Lager nach Bestimmungsregion vorsortiert werden?

• Gibt es auch Lieferungen per Nachnahme oder Zahlung bei Lieferung? Wie hoch ist deren Anteil?

• Gibt es Retouren, also Rücknahme von Artikeln? Wie hoch liegt der Anteil der Retouren zu den Bestellungen? Wie viele Retouren pro Jahr erwarten Sie?

• Gibt es eine Track-&-Trace-Sendungsverfolgung, die den Aufenthaltsort des Pakets überprüfbar macht?

Debitorenmanagement

• Wollen Sie das Debitorenmanagement, also die Buchhaltung Ihrer Kundenaufträge, outsourcen oder selbst übernehmen?

• Wie viele Bestellungen pro Geschäftsjahr erwarten Sie?

• Welche Zahlungsmöglichkeiten bieten Sie an und wie ist ihre prozentuale Verteilung?
· Pre Paid: Prepaid Cards, MicroMoney?
· Pay Now: Nachnahme, Lastschrift, Paybox?
· Pay Later: Kreditkarte, Rechnung, Net900, Firstgate?

• Soll eine Datenprüfung stattfinden?

• Wie steht es um die Adressvalidierung, Kontovalidierung, Bonitätsprüfung, soziodemografisches/-geografisches Scoring?

• Ab welcher Rechnungshöhe soll gemahnt werden, wie viele Mahnungen erwarten Sie pro Jahr und wie hoch soll die Mahngebühr sein?

• Soll ein Inkassounternehmen zum Eintreiben der Rechnungssumme eingeschaltet werden und wenn ja, ab welcher Rechnungshöhe?

• In wie vielen Sprachen und Währungen müssen Rechnungen ausgestellt werden, wenn Sie ins Ausland liefern?

• Sollen zusätzliche Zahlungsmodi angeboten werden (Bonussysteme, Gutscheine und so weiter)?

Callcenter

• Welche Callcenter-Aktivitäten wünschen Sie (Inbound, Outbound, E-Mails, Fax und Briefe)?

• Welche Aufgaben soll das Callcenter übernehmen (Bestellannahme, Beschwerdemanagement, Helpdesk, Beratung und Produkt-/Unternehmensinformation)?

• Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Bestellungen über das Callcenter?

• Welche Sprachen sollten im Call Center gesprochen werden?

• Wie hoch sind die erwarteten Calls pro Jahr? Wie hoch die Anzahl erwarteter E-Mails, Faxe und Briefe?

• Wenn Callcenter-Agenten geschult werden müssen, wie hoch ist der Aufwand (in Tagen)?

• Erwarten Sie Anrufspitzen (Tag, Woche, Jahr), wie zum Beispiel vor Weihnachten? Wie viele Anrufe werden pro Tag erwartet?

• Wie lange, schätzen Sie, dauert durchschnittlich ein Call? Wie lang darf die Antwortzeit für E-Mails, Faxe und Briefe sein?

• Wann soll das Callcenter besetzt sein (Uhrzeiten, Tage) und was passiert in der restlichen Zeit?

Anhand dieser Fragen können Sie schon die Komplexität der Fulfillmentleistung überblicken. Da die wenigsten Unternehmen für solche Aufgaben ausreichend gerüstet sind, die Erwartungen der Kunden aber sehr hoch sind, empfiehlt es sich in den meisten Fällen, diese Leistungen zunächst durch einen qualifizierten Dienstleister abdecken zu lassen. Sind die durchschnittlichen Volumen durch Erfahrungswerte erst einmal in der Praxis belegt, kann die Leistung sukzessive von eigenen Abteilungen übernommen werden. Dem fachmännischen Fulfillment fällt im Onlinehandel eine enorme Bedeutung zu. Unzufriedene Kunden, welche die falsche, keine oder verspätete Lieferungen erhalten, werden nur schwerlich noch einmal bei Ihnen einkaufen. Hier sind die hohen Kundengewinnungskosten schnell als Verlust zu verbuchen.

Für die spätere Betrachtung der Umsätze aus dem Versandhandel benötigen Sie nun auch noch die Aussagen über Anzahl der Warenrücksendungen (Retouren) und deren Kosten (anteilig pro Retoure). Dies gilt jedoch nur für Geschäftsmodelle, die eine Ware verkaufen und physisch versenden. Der Kostenfaktor Retoure wird leider in vielen Entwürfen anfangs übersehen, spielt aber im Geschäft eine wichtige Rolle. Denn die Retoure erfordert einen ebenso aufwändigen Prozess wie der Versand. Zuerst muss die Retoure aufgenommen werden, eine Retourennummer wird vergeben. Dann sendet der Kunde die Ware an eine Retourenadresse. Dort muss die Ware geprüft, eventuell neu verpackt oder gereinigt werden. Dann kann sie in das Lager wieder einsortiert werden oder muss – da nicht mehr im Originalzustand – einer Zweitverwertung oder Vernichtung zugeführt werden. Ebenso wird buchhalterisch eine Rücklastschrift angeordnet oder die Rechnung storniert. Bitte ermitteln sie die Kosten dieser Prozesse:

• Wie viele Orderpakete werden retourniert?

• Welche retourenabhängigen Kosten fallen an?

• Was geschieht mit der Retoure, wird sie geprüft?

• Kann eine Retoure wieder verkauft werden? Ist die Verpackung im Orginalzustand? Ist Betrug ausgeschlossen (zum Beispiel dass Komponenten eines PCs entfernt oder durch billige ersetzt wurden)?

• Wie hoch beziffern Sie die Überhangverluste (nicht verkäufliche Ware, Verluste durch Retouren und Bruch)?

• Was geschieht mit Retouren, die nicht mehr als Neuware zu verkaufen sind?

Der vorliegende Beitrag stammt aus der Publikation „Internet-Geschäftsmodelle mit Rendite“ von Christoph Hammer und Gerald Wieder. Erschienen bei Galileo Business.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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