Herausforderungen bei der Integration von Online-Shop und ERP-System

Die Herausforderungen bei der Integration von ERP-und Shopsystemen: Insbesondere mittelständische Online-Händler besitzen zwar ein ERP-System, haben es allerdings oft nicht mit ihrer Shoplösung integriert. Der Abgleich von Daten erfolgt vielfach manuell. Mit steigender Anzahl von Bestellungen stoßen Shopbetreiber damit jedoch schnell an Grenzen. Manuelle Prozesse kosten viel Zeit und Geld und sind zudem sehr fehleranfällig. Eine direkte Schnittstelle zwischen ERP- und Shopsystem kann hier Abhilfe schaffen. Allerdings lässt sich die nahtlose Integration beider Systeme nicht nebenbei erledigen, sondern stellt Online-Händler vor zahlreiche Herausforderungen.

Eine generelle Herausforderung bei der Anbindung eines Online-Shops an ein ERP-System liegt in der Definition der Prozesse. Es muss im Vorfeld ganz klar festgelegt werden, welche Informationen wann, wo und wie zwischen den Systemen ausgetauscht werden sollen. Die Schwierigkeit liegt dabei in der Abstimmung der Details. Ein einfaches Beispiel ist der Preis. Im schlimmsten Fall benötigt eines der Systeme den Nettopreis und dazu den Steuersatz, das andere dagegen den Bruttopreis mit Steuersatz. Ein weiterer Knackpunkt liegt etwa im Rundungsverhalten. Runden beide Systeme gleich? Wie viele Nachkommastellen werden übergeben? Und muss man eventuell bei Preisen einen Punkt durch ein Komma ersetzen, weil sich die Austauschformate unterscheiden? Die Beispiele verdeutlichen, dass man bei der Konzeption der Schnittstelle im Detail analysieren muss, ob sich die Systeme bei einzelnen Datensätzen matchen. Nur so wird die nötige Konsistenz gewahrt.

Abhängigkeiten berücksichtigen Da viele Systeme in der Regel ihre eigenen Standards haben, wie beispielsweise eine Bestellung auszusehen hat, unterscheidet sich häufig die logische Struktur. Deswegen muss in der Schnittstellenkonzeption ganz klar festgelegt werden, in welcher Struktur ein System welche Daten benötigt, beispielsweise ob das ERP-System eine Aufgliederung nach Artikelposition, Zahlart und Versandart oder nach Artikelposition und Versandart erfordert und die Zahlart nur als Information, nicht als Kostenträger übertragen wird. Je leistungsstärker die ERP-Systeme, desto komplexer wird auch die Prozessdefinition. Bei ERP-Systemen wie MS Dynamics oder SAP löst beispielsweise der Import von Bestellungen weitere Ereignisse innerhalb des Systems aus, etwa im Bereich Risk Management. Deswegen müssen in der Konzeptionsphase die Auswirkungen, die der Import bestimmter Datensätze auf das ERP-System hat, im Detail berücksichtigt werden. Nur wenn man die Abhängigkeiten vorher kennt, kann man zusätzliche benötigte Daten übergeben oder die Daten entsprechend aufbereiten. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Shop-Entwicklern und ERP-Integratoren ist dabei unabdingbar.

Kompromiss zwischen Nutzen und Performance Ein weiterer Knackpunkt insbesondere beim Austausch zeitkritischer Informationen ist es, einen vernünftigen Kompromiss zwischen dem Nutzen für den Kunden und der Performance zu finden. Gerade bei Bestandsinformationen wäre es theoretisch optimal, wenn jede Veränderung im Lagerbestand direkt an den Shop gemeldet würde oder der Shop in dem Moment, in dem der Benutzer eine Artikelseite aufruft, beim ERP-System nachfragen würde, ob der Artikel vorrätig ist. Besucher wären dann nahezu in Echtzeit über die Verfügbarkeit informiert. Aus Performancesicht ist dies meist schwer realisierbar, insbesondere bei hohen Besucherzahlen. Das ERP-System müsste zu viele Requests handeln, was für die Besucher lange Wartezeiten zur Folge hätte. Und dies verursacht eine ähnliche Unzufriedenheit, als wäre ein bestelltes Produkt nicht lieferbar. Deswegen muss man einen adäquaten Mittelweg finden. Als Kompromiss könnten beispielsweise nur inkrementelle Informationen zum Stockstatus vom ERP-System an den Shop übertragen werden. Das bedeutet, dass nicht immer der aktuelle Stand zu allen Produkten übermittelt wird, sondern nur Veränderungen im Datenstamm.

Steigende Komplexität bei weiteren Abgangskanälen aus dem Lager Sorgt nur der Online-Shop dafür, dass Produkte aus dem Lager verkauft werden, ist der Datenaustausch gar nicht so kritisch. Oft reicht es aus, wenn ein Mal pro Tag Informationen zwischen ERP-System und Shop übertragen werden. Das ERP¬-System meldet dann zu einer bestimmten Uhrzeit, dass von einem Artikel noch eine gewisse Anzahl vorrätig ist. Und das Shopsystem arbeitet in den nächsten 24 Stunden autark und zählt das Inventar bei Verkäufen selbst herunter. Das Szenario wird jedoch komplizierter, wenn es weitere Abgangskanäle aus dem Lager gibt, beispielsweise durch Telefonbestellungen, die nicht über den Shop kommen, oder durch die Belieferung von Ladengeschäften. Informationen zum Stockstatus müssen dann zwischen den verschiedenen eingesetzten Systemen synchronisiert werden. Optimal wäre es in diesem Fall, wenn ein Verkauf im Online-Shop in Echtzeit an das meist federführende ERP-System gemeldet würde. In der Realität sind aus Performancegründen zeitliche Verzögerungen unabdingbar.

Shopbetreiber sollten zugunsten der Performance genau überlegen, wie oft eine Aktualisierung wirklich notwendig ist. Reicht es vielleicht, die Bestellungen nur alle fünf Stunden zu übergeben, dafür aber dem Shop nicht den kompletten Lagerbestand eines Artikels zu übermitteln, sondern einen Puffer einzubauen? Oft lohnt sich auch ein Blick auf den Packaging-Prozess. Arbeiten die Verpackungsmitarbeiter nur von 5 bis 15 Uhr, kann man die Bestellungen gegebenenfalls nachts exportieren und so eine Last aus dem System nehmen. Dabei müssen aber immer die Abhängigkeiten berücksichtigt werden. Denn der Support kann auf die nach 15 Uhr getätigten Bestellungen bei Rückfragen bis zum nächsten Morgen nicht zugreifen, sofern er mit dem ERP-System und nicht mit der Shoplösung arbeitet. Generell gilt: Shop-Betreiber sollten sorgfältig überlegen, welche Zeitabstände zwischen Aktualisierungen sinnvoll sind, ohne unnötige Einbußen bei der Performance zu riskieren.

Keine ständige Verfügbarkeit Beim Datenaustausch muss außerdem berücksichtigt werden, dass ein ERP-System – anders als das Shopsystem – im Normalfall wegen bestimmter Wartungszeiten nicht rund um die Uhr verfügbar ist. Würde man die Systeme über Web Services anbinden, dann bestünde für genau diese Zeit keine Verbindung zwischen den Systemen. Deswegen ist es sinnvoll, die Systeme voneinander zu lösen und Prozesse zu schaffen, die nicht auf die ständige System-Verfügbarkeit angewiesen sind. So könnte das ERP-System beispielsweise Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt an den ständig verfügbaren Shopserver in Dateiform übergeben, und der Shop prüft dann in festgelegten Intervallen, ob neue Informationen vorliegen. Wenn ja, werden sie eingelesen, wenn nein, dann ist er nicht darauf angewiesen. Im umgekehrten Fall, etwa bei Auftragsdaten, müssen diese vom Shop an das ERP-System übermittelt werden. Der Shop generiert dann beispielsweise XML-Dateien aus den Bestellungen, legt sie auf den eigenen Server, und das ERP-System holt diese in bestimmten Zeitabständen ab, wenn es verfügbar ist.

Systemüberwachung mittels Rückmeldungen Eine weitere Herausforderung bei der Integration liegt in der zuverlässigen Überwachung der Systeme. Es muss gewährleistet sein, dass die Systeme und der Austausch zwischen den Systemen fehlerfrei funktionieren bzw. bei Fehlern unmittelbar auf diese reagiert werden kann. Dafür ist es sinnvoll, Rückmeldungen zu generieren. Im Falle der Übermittlung von Auftragsdaten bedeutet dies, dass der Shop nach der Speicherung einer Bestellung als XML-Datei und der Ablage im Server innerhalb eines definierten Zeitraums eine Rückmeldung vom ERP-System erwartet. Dabei werden gelungene Importe genauso gemeldet wie Fehler, beispielsweise wenn ein Datensatz fehlerhaft ist. Shopbetreiber sollten unbedingt Prozesse implementieren, die solche Rückmeldungen vorsehen. Denn im E-Commerce gilt: jede Minute, in der man keine Bestellung annehmen kann, kostet Geld.

Eine nahtlose Integration von ERP- und Shopsystem erleichtert Online-Händlern die Arbeit erheblich. Insbesondere für professionelle E-Commerce-Betreiber ist ein ERP-System mit Schnittstelle zumindest für die automatisierte Bestelldatenübernahme unabdingbar. Welche Herausforderungen es bei der Anbindung des Shopsystems zu bewältigen gibt, hängt von der Größe des Unternehmens und von den jeweils eingesetzten Systemen ab. Für den Erfolg der Integration ist allerdings immer die Konzeptionsphase entscheidend, in der die Prozesse und Abhängigkeiten genauestens definiert werden müssen. Ein direkter Austausch zwischen Shop-Entwicklern und ERP-Integratoren ist dabei essenziell. Wichtig ist auch eine genaue Dokumentation, etwa von Austauschdateien. Die einzelnen Prozesse müssen später noch nachvollziehbar und änderbar sein. Für die Programmierung der Schnittstellen und insbesondere auch für die Evaluierung von Testmöglichkeiten sollte man unbedingt genug Zeit einplanen. Ideal ist es, standardisiert jeden Fall, der in der Prozesskette vorkommen kann, durchzutesten. Fakt ist: Durchläuft man die Konzeptionsphase gewissenhaft und berücksichtigt die genannten Erfolgsfaktoren, dann steht einem deutlich effizienteren Arbeiten nichts mehr im Wege.

ECIN-Fachautor: Tim Hahn, Geschäftsführer der netz98 new media GmbH

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