In Deutschland könnte das E-Commerce mit Waren und Dienstleistungen die 100-Milliarden-Euro-Marke überschreiten. Unternehmen müssen sich dabei dringend mit den steuerrechtlichen Regeln auseinandersetzen. Besonders relevant ist dabei die neue Versandhandelsregelung, die in der Europäischen EU seit 1. Juli gilt.
Das E-Commerce, also der digitale Handel mit Waren und Dienstleistungen, ist weiterhin auf Wachstumskurs. Die Erfahrungen der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Geschäftsschließungen durch behördliche Vorschriften haben diesen Trend nochmals verstärkt. So haben die 13 größten Handels-Plattformen der Welt im vergangenen Jahr laut einer UN-Studie Waren im Wert von 2,4 Billionen Euro verkauft. Einzelhändler haben der Studie zufolge im vergangenen Jahr fast jeden fünften Euro ihres Umsatzes über das Online-Geschäft erwirtschaftet. Für Deutschland finden sich folgende Zahlen: Der Umsatz mit Waren im E-Commerce stieg auf insgesamt 83,3 Milliarden Euro und somit um 14,6 Prozent im Jahresvergleich. Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) erwartet für 2021, dass das E-Commerce mit Waren und Dienstleistungen sogar die 100-Milliarden-Euro-Marke überschreiten wird.
Insbesondere unter Jüngeren ist diese Art des Einkaufens weit verbreitet. Während der Anteil der Personen, die mindestens einmal im Monat im Internet bestellen, in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen bei rund 22 Prozent liegt, beläuft sich dieser Anteil in der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen auf lediglich rund acht Prozent. Nach einer Prognose soll sich die Gesamtzahl der E-Commerce-Nutzer in Deutschland im Jahr 2022 auf 54,25 Millionen belaufen. Das stellt die Statistikplattform Statista.com heraus.
Damit wird der Aufbau von Strukturen für die Online-Vermarktung von Waren und Dienstleistungen immer relevanter. Für Unternehmen so gut wie aller Branchen und Größen kann es sich lohnen, für eine Maximierung der Reichweite auf das E-Commerce zu setzen. Das geht über eigene Systeme wie selbst aufgebaute und vermarktete Internet-Shops. Aber auch Fremdsysteme wie Ebay, Amazon oder Google lassen sich dafür nutzen. Es kommt eben darauf an, was das Unternehmen und dessen Zielgruppen wollen.
Sehr wichtig sind die steuerrechtlichen Implikationen. Der elektronische Handel mit Waren und Dienstleistungen unterliegt natürlich den allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen, weist aber auch einige Besonderheiten auf, beispielsweise bei der Umsatzsteuer. Steuerrechtlich wird der elektronische Geschäftsverkehr mit den herkömmlichen Besteuerungsprinzipien für Lieferungen und Leistungen erfasst (§§ 3 und 3a UStG (Umsatzsteuergesetz)). Seit dem 1. Januar 2010 folgen ihre Besteuerungsprinzipien der Grundregeln im unternehmerischen Bereich (Ansässigkeitsort des Auftraggebers). Das gilt gerade im europäischen Kontext – denn E-Commerce ist grundsätzlich international ausgerichtet. Das gilt es zu beachten, um keine Fehler zu begehen, die ärgerlich und teuer werden können.
Besonders relevant ist dabei die neue Versandhandelsregelung, die in der Europäischen EU seit 1. Juli gilt. Die Versandhandelsregelung sieht bei Überschreiten einer bestimmten Netto-Umsatzschwelle, der sogenannten Lieferschwelle, keine deutsche Umsatzsteuerpflicht vor, sondern eine Mehrwertsteuerpflicht im Land des Verbrauchers (sogenanntes Bestimmungsland). Die Lieferschwelle fällt je EU-Land unterschiedlich hoch aus. Während in Luxemburg und in den Niederlanden die Grenzwerte bei 100.000 Euro liegt, gilt in anderen Staaten die Lieferschwelle von 35.000 Euro.
Das bedeutet: Vertreibt ein deutscher Händler seine Waren an Kunden in Österreich und überschreitet dabei die Schwelle von 35.000 Euro muss sich bei der österreichischen Finanzbehörde, die für deutsche Versandhändler zuständig ist, mehrwertsteuerlich registrieren lassen. Damit wird jede Lieferung nach Überschreiten des Grenzwerts nach dem österreichischen Mehrwertsteuersatz belegt. Im Anschluss an die mehrwertsteuerliche Registrierung sind dann regelmäßig Umsatzsteuererklärungen abzugeben und die fällige Mehrwertsteuer an die österreichische Finanzbehörde abzuführen. Die Regelungen gelten dabei auch für den Verkauf an Unternehmer, die nur steuerfreie Umsätze erbringen, welche den Vorsteuerabzug ausschließen, Kleinunternehmer und juristische Personen, die keine Unternehmer sind, beziehungsweise die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben.
Erleichterungen existieren nur in wenigen Fällen, sodass E-Commerce-orientierte Unternehmen sich dringend steuer- und vor allem umsatzsteuerrechtlich beraten lassen sollten. Die Errichtung betriebswirtschaftlich und steuerlich tragfähiger Strukturen, gerade auch im internationalen Kontext, ist unabdingbar für einen langfristig wirtschaftlichen Erfolg und Rechtssicherheit.