Fragen zur Internationalisierung von Online-Shops.
…Eine Expansion ins Ausland ist auch für einen Online-Shop immer ein Schritt, der sehr gut überlegt sein will und der vorbereitet sein muss…
1. Wann ist ein Online-Shop generell reif für die Expansion ins Ausland?
Eine Expansion ins Ausland ist auch für einen Online-Shop immer ein Schritt, der sehr gut überlegt sein will und der vorbereitet sein muss. Reif ist ein Shop generell dann, wenn die Produkte auch im Ausland gefragt sind und man ein erhöhtes Besucheraufkommen aus bestimmten Ländern feststellt. Eine Traffic-Analyse und ein Überblick über die Ursprungsländer der Käufer sowie über die Conversion Rate von ausländischen IP-Adressen sind Indikatoren dafür, ob der Shop oder ob das Produkt im Ausland eine Chance haben.
2. Gibt es spezielle Sortimente, die für die Internationalisierung besonders erfolgsversprechend sind?
Ganz klar: ja. Gerade der Vertrieb von Produkten internationaler Marken ist in fast jedem Land erfolgversprechend. In jedem Land gibt es aber auch spezifische Vorlieben, die beachtet werden müssen. Ein extremes Beispiel: für einen Weinversand würde es sich wenig lohnen, auf einen Markt zu schauen, in dem Alkohol aus staatlichen oder religiösen Gründen verboten ist. Es gibt also Markenprodukte, die grundsätzlich funktionieren, doch man kommt um die Marktanalyse nicht herum. Besonders erfolgversprechend sind generell Produkte mit einem auch im Zielland hohen Akzeptanz- und Konsumfaktor.
3. Jeder Berater gibt Kunden, die ins Ausland gehen wollen, wohl als erstes den Tipp, den Markt zu sondieren. Welche Faktoren sind hier wichtig und welche Quellen kann man (kostengünstig) nutzen? Welche Faktoren indizieren ein absolutes No-Go für eine Expansion?
Man kann tatsächlich sehr kostengünstig bis kostenlos beim Statistischen Bundesamt zum Beispiel das Exportvolumen bestimmter Warengruppen in bestimmte Länder erfragen. Es lässt sich also herausfinden, wie groß der Markt bereits ist. Und über internationale Suchmaschinen kann man selbst einmal den ausländischen Kunden bei der Produktsuche spielen – würde ich zum Beispiel über die schwedische Google-Seite meine Produkte finden? Oder ähnliche Produkte in anderen schwedischen Shops? Wie sehen in diesen Shops die Preise aus? Preissuchmaschinen in den jeweiligen Ländern geben auch einen Hinweis darauf, wie heiß der Markt zum entsprechenden Produkt dort ist. Ein absolutes No-Go ist, wie gesagt, so etwas wie der Weinversand in ein islamisches Land – oder der viel zitierte Kühlschrank in der Arktis. Grundsätzlich steht man immer vor dem No-Go, wenn es im Zielland rechtliche, kulturelle oder naturgegebene Umstände gibt, die gegen das Produktsortiment des Online-Shops sprechen. Markterreichbarkeit ist ein Faktor – ist das Produkt im Zielland ausreichend bekannt? Ein weiterer ist Marktsättigung – wie viel Konkurrenz gibt es im Zielland und wie kann man sich von der Konkurrenz abheben? Über den Preis, über Service? Die Kaufkraft eines Landes, mindestens jedoch die der Zielgruppe, sollte mit dem Produkten kompatibel sein. Auch die Sprachbarriere muss überprüft werden. So gibt es Hersteller, die ein Auto i-MiEV nennen, obwohl im deutschsprachigen Raum der Ausdruck „Mief“ einfach unangenehme Assoziationen weckt. So etwas sollte man vermeiden.
4. Ist der Entschluss zur Internationalisierung gefasst, geht es an die Länderauswahl. Sollen Unternehmen hier Land für Land erobern oder lieber gleich einen größeren internationalen Rollout planen? Welche Länder eignen sich vor allem zu Start, welche sollten eher am Ende des Internationalisierungs-Rollouts stehen?
Die Expansion ins Ausland ist vor allem eine logistische Herausforderung. Es gilt, Liefermöglichkeiten und Liefergewohnheiten der Länder zu klären, ebenso Bezahlmöglichkeiten zu prüfen und die bevorzugte Bezahlmöglichkeit der Kunden im jeweiligen Land zu ermitteln. So wird in den USA fast alles in Online-Shops mit Kreditkarte bezahlt, während in Deutschland bei den Kunden noch der Rechnungskauf am beliebtesten ist. Es bieten sich also für den ersten Schritt Länder an, die man sprachlich schnell bedienen kann und in denen man Kunden ein gewohntes Zahlungssystem und Liefersystem anbietet. Oft ist für einen deutschen Shop ein guter erster Schritt darum der Weg nach Österreich oder in die Schweiz. Nachbarländer sind auch zu bevorzugen, will man auf eine Lagerlogistik im Zielland verzichten und doch sicherstellen, dass Pakete von Deutschland aus auch schnell genug beim Kunden ankommen.
Nach den logistischen Fragen ist stets die rechtliche Sicherheit ein wichtiges Thema. Wie sehen die Rechte und Pflichten eines Händlers im Zielland aus? Bei extrem teuren Produkten könnte auch die Frage, ob es im Zielland überhaupt rechtsstaatliche Strukturen gibt, Priorität haben. Ganz vorne auf der Liste der attraktiven Länder stehen also die, in denen die eigenen Produkte bekannt und vielleicht sogar schon beliebt sind, in denen die Menschen durch eine Internet-Infrastruktur Zugriff auf den Shop haben und in denen die notwendige logistische Infrastruktur besteht oder leicht aufgebaut werden kann. Wer dagegen gleich von Deutschland nach Indien will, muss mit entsprechend hohen Kosten für den Aufbau von Strukturen rechnen und auch bei der Marktanalyse entsprechend sorgfältig vorgehen.
5. Sind die Länder gewählt, geht es von der Theorie in die Praxis: Wie wichtig sind Marktplätze wie eBay oder Amazon, um internationale Märkte zu testen und wie zuverlässig ist das Bild, das sie Händlern in Bezug auf Absatzchancen liefern – oder anders gefragt: Hat jemand, der auf eBay im Ausland wenig verkauft, überhaupt eine Chance, mit einem eigenen Shop den Markt zu erobern? Kommt ein Händler auch ohne Marktplatz-Präsenz im Ausland zurecht?
Wenn die Produktpalette es mitmacht, hat man mit einem eigenen Online-Shop in den meisten Fällen bessere Chancen als über einen Marketplace wie Amazon oder eBay. Im Zielland beliebte und bekannte Produkte, im Idealfall sogar eigene Brands, können dann zielgerechter beworben werden – und eine Produktpräsentation geht nicht im Massenmarkt zwischen tausenden völlig andersartiger Produkte unter. Häufig starten Unternehmen im neuen Zielland einen Versuchsballon, also einen Online-Shop mit ausgewählten Produkten. Kosten und Aufwand sind nicht viel höher als der Weg über Marketplaces, man hat aber – sollte sich Erfolg abzeichnen – bereits einen Online-Shop für spätere Ausweitungen des Portfolios. Bei Brands ist es oft auch für die Konsumenten wichtig, im Brand-Store gekauft zu haben. Eine Prada-Tasche kauft man lieber im Prada-Store als im Amazon-Marketplace.
6. Können Sie anhand von konkreten Cases skizzieren, welche Hauptfehler Webshopbetreiber bei der Internationalisierung begehen?
Beliebt sind Fehler im Umgang mit der Sprache des Ziellands, wenn zum Beispiel die Texte der Website schlecht übersetzt sind oder Namen von Produkten oder Brands im Zielland negative Assoziationen auslösen. Ebenso häufig ist der Fehler, mit den falschen Zahlungssystemen auf den Kunden zuzugehen. So brauchen Sie in den USA einen Shop ohne PayPal und ohne Kreditkartenzahlung gar nicht erst zu starten. Die Logistik und auch die Logistik-Möglichkeiten des Ziellandes werden auch gerne missachtet. Und richtig teuer kann es werden, wenn das Unternehmen bei der Expansion ins Ausland Fehler in der steuerlichen Behandlung seiner Produkte macht. So haben auch in Deutschland einige Online-Shops Probleme bei der Ausweisung der Mehrwertsteuer für Lieferungen ins europäische Ausland oder in die Schweiz. Hier sollte der Shopbetreiber auf jeden Fall mit seinem Steuerberater oder Anwalt sprechen.
7. Welche Besonderheiten gilt es in Sachen Marketing zu beachten? Und wie findet man im Ausland seriöse Agenturen, die beispielsweise das SEM und SEO übernehmen?
Am leichtesten tut man sich wahrscheinlich mit einer deutschen Agentur, die auch über eine Dependance im gewünschten Zielland verfügt – oder die mit einer Partneragentur im Ausland zusammenarbeitet, die sie empfehlen kann. Sinnvoll kann es auch sein, eine deutsche Handelskammer wegen Empfehlungen für das Ausland anzufragen.
8. Braucht ein Shop eigene Repräsentanten in den Ländern, in denen er verkauft, oder genügt eine Hotline-Nummer?
Das Mindeste, was Kunden erwarten, ist ein Ansprechpartner, der ihre Muttersprache spricht und entsprechend flüssig antworten kann. Ob das via E-Mail oder Telefon passiert, ist da erst einmal zweitrangig. In vielen Ländern ist aus rechtlichen Gründen eine Ansprechperson und eine lokale Firmenadresse nötig. Es kann auch vorkommen, dass dies rechtlich nicht erforderlich ist, aber doch den Erwartungen der Kunden im Zielland entspricht. Hotline-Nummern müssen in der Regel kostenlos sein, um akzeptiert zu werden. Auch muss eine entsprechende inhaltliche Qualität der Gespräche gesichert sein. Was im Einzelnen nun wirklich erforderlich ist, hängt also sehr von Zielland und Zielgruppe ab.
9. Wie organisiert man seine Logistik im internationalen Vertrieb? Wie werden Standorte für Warehouses gefunden? Braucht jedes Land ein eigenes Lager? Wie findet man kompetente Logistik-Partner? Welche Besonderheiten gibt es beim Retourenmanagement?
Um nicht gleich eine vollständige Lagerlogistik aufbauen zu müssen, ist der erste Expansionsschritt oft ein direktes Nachbarland. Doch auch schon dabei – und erst recht bei einer Expansion in weiter entfernte Länder – muss man stets die Qualität der Logistik bezüglich Lieferdauer und Zuverlässigkeit prüfen. Muss man im Zielland eine Logistik aufbauen, ist im ersten Schritt zu prüfen, ob dafür Fulfillment-Anbieter in Frage kommen. Es gibt Unternehmen, die sich im Bereich Lagerlogistik und Speditionslogistik spezialisiert haben und die dieses Know-how, aber auch den Lagerplatz, anbieten. Bevor man also ein eigenes Lager aufbaut, kann man über die deutschen Handelskammern und deren Auslandskontakte solche Dienstleister finden und so eine Expansion vorantreiben.
10. Genügt es, in Sachen E-Payment einen Partner aus Deutschland zu haben oder nicht?
In vielen Ländern haben Kunden extrem unterschiedliche Payment-Verhaltensmuster. Hat man für seinen deutschen Online-Shop bereits einen E-Payment-Partner, sollte man seine Expansionswünsche mit ihm besprechen und sich von ihm ein Konzept bereitstellen lassen, welche Zahlungssysteme im Zielland besonders beliebt sind und wie der bisherige Anbieter diese Zahlungssysteme anbieten will. In manchen Fällen ist es für den Shopbetreiber hilfreich, bei einem weiteren E-Payment-Anbieter dieselbe Leistung zum Vergleich anzufragen. Manche Länder haben vollständig eigene Karten- und Bezahlsysteme und nicht jeder Payment-Anbieter hat Verträge mit allen Systemen. In arabischen Ländern beispielsweise gibt es Kreditkartensysteme, die in Europa fast völlig unbekannt sind – und deswegen findet man in Europa auch nur schwer einen Diensteanbieter. Hier empfiehlt sich ein Gespräch mit einem Anbieter vor Ort.