Kundendialog in Echtzeit – Wie im richtigen Leben…

„Was kann ich für Sie tun?“ Diese Frage zählt seit langem zum Standard-Repertoire eines jeden Verkäufers. Beim Online-Shopping schauen sich indes noch immer viele Nutzer vergeblich nach hilfreicher Unterstützung um. Dabei gilt doch gerade auch hier die Kundenansprache als wichtiger Erfolgsfaktor.

Millionen von Euro werden aufgeworfen, damit potenzielle Kunden die Websites ansteuern. Suchmaschinenmarketing und Landing Pages stehen ganz oben auf den Aufgabenlisten der Verantwortlichen im Online-Marketing. CRM wird gepredigt doch nur verwässertes Customising wird dem Besucher angeboten. „Alle sprechen von Kundenkommunikation – aber wenn der Kunde kommunizieren will, herrscht Funkstille. “ so formuliert es Uwe-Michael Sinn von mission one.

Die klassische aktive Dialogeröffnung
„Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einem Kaufhaus und sind gerade dabei, sich einen teuren Anzug zu kaufen. Sie haben nur noch eine klitzekleine Frage – doch der Verkäufer, den Sie ansprechen, macht keinerlei Anstalten Sie zu beraten. …In solch einem Kaufhaus würden Sie sicher so schnell nicht mehr einkaufen. Und ein solch unhöfliches Verhalten ist im „wahren Leben“ auch eher ungewöhnlich.“

Herr Sinn hat recht. Im wahren Leben beurteilen wir dieses Verhalten als arrogant, ja sogar geschäftsschädigend. „Die haben es wohl nicht nötig?“ Leider ist ein solches Verhalten im Internet sogar die Regel: Webseitenbesucher werden ignoriert so lange es geht. Sie werden bestenfalls durch die ex-post Betrachtung der Visits und Pageviews als statistische Datenmengen „nachbearbeitet“. Kontaktaufnahme und Kommunikation während der Surfer Gast auf den Webseiten ist, scheint weder erwünscht noch vorgesehen. Das hat unterschiedliche Gründe:

1. Pro-aktive Kontaktmöglichkeiten unbekannt.
Es ist weitestgehend unbekannt, dass Logfiles auch in Echtzeit betrachtet, ausgewertet und für die Generierung von Leads genutzt werden können. Werkzeuge, die diesen Echtzeit-Dienst leisten heißen Site Monitoring Systeme. Sie sind zwar seit mehreren Jahren auf dem (US-)Markt, haben aber bisher nicht die notwendige Bekanntheit erreichen können. Das liegt zum einen daran, dass neue Technologien auch im Internet längere Zeit brauchen, bis sie adaptiert werden. Zum anderen haben viele kleine und mittelständische Unternehmen gerade erst ihren Web-Auftritt realisiert. „Zwischen dem, was heute schon technisch möglich wäre und dem was ein KMU tatsächlich (…) umsetzen kann und will, klaffen Welten.“ So beschreibt es Leopold Bergmann Medien.

2. Die unantastbare Anonymität des Users?
Langwierige Diskussionen über die Anonymität des Users auf dem Web und zuletzt falsch verstandenes Permission Marketing vermitteln seit Jahren ein Bild vom unmündigen und schutzsuchenden User. Meine These: ein Besucher, der meine Webseite betritt, hat bereits den ersten Schritt getan. Solange er sich auf meiner homepage bewegt, darf ich ihn nicht nur beobachten, ich darf ihn auch ansprechen. Dass jedem email-Adressen Besitzer hingegen unaufgeforderte Werbung zusendet werden darf, bezweifeln die Experten zurecht. Der Surfer wird auch im Site Monitor nicht zum gläsernen Kunden. Der Besucher ist eine unbekannte Nummer ohne Gesicht, Namen und Adresse solange, bis dieser sich selbst authentifiziert. Es ist dasselbe, wie im „wahren Leben“: wer einmal im Supermarkt einkauft, gibt noch wenig Informationen preis. Wer aber jeden Morgen beim selben Bäcker seine Brezel kauft, ist nicht erstaunt, wiedererkannt zu werden, im Lauf der Zeit mit Namen angesprochen zu werden. „Guten Morgen Herr Pauli, eine Brezel, wie immer? Sie sind spät dran heute, gell?“

3. Die Scheu vor Personal-Investitionen.
Unternehmen die direkte Kommunikation auf dem Web ablehnen, argumentieren häufig mit unabsehbaren Investitionen in Personal. Dem ist wenig entgegenzusetzen. Ja, wer die Besucher in seinem eShop oder in beratungsintensiven Branchen direkt ansprechen möchte, muss Zeit und Personal investieren. Wichtig ist jedoch zu betrachten und zu kalkulieren, was das Personal in dieser Zeit tut. Denn letztlich ist das Internet ein zusätzlicher Vertriebskanal, der Investitionen in Vertriebspersonal erfordert. Beim EU-Projekt „Shop Aware“ in Nürnberg wurde folgende Erfahrungen mit Site Monitoring und Direkt-Marketing vorgestellt: Wenn täglich ca. 30% der Webseitenbesucher zur Arbeitszeit (ca. 6 Stunden täglich) der Web-Assistenten sichtbar sind, so können 5-10% der gesamten Surfer in Leads umgewandelt werden. Wieviele dieser Leads tatsächlich Umsatz generieren, ist Business as usual. Das reine Umsatz Potential wurde jedoch durch die direkte Kontaktaufnahme auf der Webseite erheblich vergrößert, quasi aus dem Nichts geschöpft.

Ist der klassische Verkaufsraum auf das Internet übertragbar?
Betrachten wir die beiden Verkaufssituationen im direkten Vergleich:

Große Ansicht

Diese Szene mag nicht auf jede Webseite übertragbar sein. Beispielsweise hat amazon vermutlich wenig Optimierungspotential durch die live Kommunikation. Hingegen profitieren beratungsintensive Dienstleistungen wie der Finanz- und Versicherungssektor, wie medizinische Dienste und Reiseanbieter von der Möglichkeit den potentiellen Kunden aktiv anzusprechen und persönlich zu betreuen.

Tools
Website-Marketing Instrumente, die Surfer sichtbar und ansprechbar machen, werden unter verschiedenen Namen gehandelt. User Tracking, Real Time Monitoring und Site Monitor sind die bekanntesten. Die amerikanischen Firmen (liveperson, human click), die bereits erfolgreich Kommunikationssysteme betreiben, haben schnell mit der aktiven Generierung von Kontakten begonnen. Durch einfaches Beobachten der Webseite in Echtzeit sehen die „Assistants“ die Surfer, die sich hier bewegen. Ein längerer Aufenthalt gibt ihnen den Anlass Ihre Hilfe anzubieten.

Deutsche Firmen haben diese Technologie jetzt entdeckt. Sushi-on-ice arbeitet seit 2001 mit Site Monitoring und bietet umfangreiche User-Daten, Session-history, Notizfunktion und Visitenkarte, die der Surfer ausfüllen kann (nicht muss). Zur CeBIT erschien ein Artikel in der C’t über das User Tracking von in2site, deren Lösung ähnliche Features bietet. Die Preise bewegen sich im Professional-Bereich, Mehrplatzfähig, 5 User um die 3500 €.

Targeting statt Streuverluste
Erfolgreiche Unternehmen handeln im „wahren Leben“ über das reine Selbstbedienungs- und Automatenprinzip hinaus. Sie sind gut beraten diese erprobten Verhaltensweisen und Kundenkontakte auf das Internet fortzusetzen. Nicht alle Personen sind gleichermaßen affin für die angebotenen Produkte und Dienstleistungen, nicht alle Kunden sind gleichermaßen wertvoll, das heißt umsatzstark und treu. Ein Besucher allerdings, der die Webseite betreten hat, ist bereits bestens „gefiltert“.

Deshalb lauten die Regeln für Direktmarketing und Customer Relation auf der Webseite:
1.Target, 2. Guide, 3. Assist, 4. Sell, 5. Support!
1. Direkt auf der Webseite erreichen Sie einen ausgewählten Empfängerkreis, der bereits den Weg zu Ihnen gefunden hat.
2. Genau da holen Sie den Surfer ab und
3. leiten ihn durch ihr Angebot. Dies tun Sie lehrbuchmäßig live, persönlich, mit entsprechender Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft und zielgerichtet:
4. Sie verkaufen, das was der Surfer sucht und vielleicht ein wenig mehr.
5. Sie sichern sich durch weitere persönliche Betreuung seine Kundentreue. Sie sammeln beim Dialog Kundendaten und generieren dadurch Gelegenheiten, um wiederholt auf den Kunden zuzugehen. Das ist auch das Erfolgsgeheimnis der legendären Tante-Emma-Läden.

Fazit
Gerade dann, wenn der Surfer optimierte Landing Pages erreicht hat, ist er offen für den interaktiven Kontakt und bereit User-Informationen gegen konkreten Nutzen zu tauschen. Genau in diesem Moment versagen nahezu alle Websites. Sie lassen Leads und Kundeninformationen ungenutzt verschimmeln. Die Unternehmen verzichten letztlich generös auf Umsatz. Können sich die europäischen Firmen diese Großzügigkeit wirklich leisten?

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
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