Lerntypologien – Wie lassen sich KMU für eLearning gewinnen?

Erkenntnisse über das Lernverhalten und über die eLearning-Präferenzen in der beruflichen Weiterbildung sind sowohl für Produzenten und Multiplikatoren von eLearning-Anwendungen unerlässlich. Bisher liegen dazu aber kein aussagekräftigen Daten vor, da in den Studien in erster Linie Personalverantwortliche in den Unternehmen befragt wurden. Eine neue Untersuchung liefert die fehlenden Erkenntnisse über die Lerner in den Unternehmen auf Individualebene.

Wie lernen Mitarbeiter in den Unternehmen und welche Lernformen bevorzugen sie? Die hier bestehende Forschungslücke schließt die Untersuchung „eLearning-Anwendungspotenziale bei Beschäftigten“, die vom MMB Institut für Medien- und Kompetenzforschung im Auftrag des Kompetenzzentrums eLearning Niedersachsen bei nordmedia – Die Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH durchgeführt wurde.

Sie verfolgt dabei vier Ziele:

– Ermittlung individueller Lerngewohnheiten sowie daraus abgeleitet Entwicklung einer Lerner-Typologie

– Ermittlung von Ursachen für diese Lerngewohnheiten (z.B. Alter, Position im Unternehmen, Unternehmensgröße, aber auch Computerkompetenz)

– Ermittlung der eLearning-Affinität (bisherige Nutzung oder Interesse an eLearning)

– Ermittlung von eLearning-Lernformen, die zu den bisherigen Lerngewohnheiten passen.

Auf diese Weise lassen sich Aussagen treffen, welche Personen mit welchem Lernverhalten sich generell für eLearning begeistern können – und welche speziellen Formen des eLearnings sie nutzen würden. Aus diesen Aussagen lassen sich später (Marketing-)Strategien entwickeln, wie man auf bestimmte Mitarbeitergruppen, Unternehmenstypen und Branchen zugehen kann, um ihnen bzw. den Personalverantwortlichen konkrete Vorschläge für die Einführung von eLearning zu machen. Befragt wurden von der Psephos GmbH mittels einer repräsentativen CATI-Telefonbefragung für diese Untersuchung 403 unselbstständig Beschäftigte in Niedersachsen. Die Befragten wurden hierzu nicht an ihren Arbeitsplätzen befragt, sondern nach Feierabend in ihren Privathaushalten. Durchgeführt wurde die Befragung im Januar 2004.

Die Ergebnisse im Überblick:
Weiterbildung ist allen wichtig, doch nicht für alle alltäglich

Nicht zuletzt durch die Diskussionen über die berufliche Weiterbildung in den letzten Jahren gibt es kaum noch einen Arbeitnehmer, dem die Weiterbildung nicht wichtig wäre. Im Schnitt liegt der Wert für die Weiterbildungsrelevanz bei 5,1 auf einer sechsstufigen Skala. Gründe für die Weiterbildung sind vor allem das persönliche Interesse der Befragten (72%), neue Erkenntnisse im vorhandenen Aufgabengebiet (55%) und Fragen, die sich bei der Arbeit gestellt haben (50%). Es handelt sich also eher um Motive, die vom Nutzer selbst ausgehen und weniger durch Anweisungen der Vorgesetzten (35%) bestimmt werden.

Fast alle Befragten nutzen auch Formen der Weiterbildung, aber mit unterschiedlicher Intensität. Besonders viele Befragte nutzen Formen, die einen vergleichsweise geringen Aufwand bedeuten, z.B. Gespräche mit Kollegen und Vorgesetzten (75%), Weiterbildung im Unternehmen (62%) sowie Lesen von Fachzeitschriften (62%). Betrachtet man die Häufigkeit der Nutzung, so stehen Formen mit geringem Aufwand, die zudem eher zu den „informellen Lernformen“ gehören, im Vordergrund, z.B. Gespräche mit Kollegen und Vorgesetzten (5,1 auf einer sechsstufigen Skala), Recherche am Computer (4,8), das Lesen von Fachzeitschriften (4,4) sowie die Schulung per Video, TV (4,3). Diese Lernformen sprechen ähnlich wie die eben erwähnten Gründe dafür, dass das Lernen „Learning on demand“ als Standardform der beruflichen Weiterbildung angesehen werden kann.

Dies spricht allerdings nicht gegen kurs-orientierte Angebote. Sie werden zwar nicht ganz so häufig genutzt, sind den Befragten aber trotzdem wichtig. Fragt man, welche Bildungsmaßnahmen sie sich wünschen, so rangieren hier die formellen Lernangebote ganz vorn, u.a. kurzfristige Weiterbildungsmaßnahmen (55%) und die Weiterbildung im Unternehmen (34%).

Bei den bevorzugten Lernthemen steht das eigene berufliche Fachgebiet deutlich im Vordergrund (85%). Erst mit großem Abstand folgen „IUK-Techniken, EDV“ (39%) und „Soziale Fähigkeiten“ (26%). Angesichts des stark Arbeitsplatz orientierten Lernens verwundert es nicht, dass fast zwei Drittel der Befragten (63%) überwiegend am eigenen Arbeitsplatz lernen. 45 Prozent tun dies in einem Seminarraum und immerhin 34 Prozent überwiegend zu Hause.
Für viele Befragte spielt der soziale Aspekt beim Lernen eine große Rolle. Am liebsten lernen die Befragten in kleinen Gruppen – 73 Prozent der Befragten vergaben hierfür die beiden höchsten Noten auf einer sechsstufigen Skala. 55 Prozent lernen gerne in einem Kurs oder Seminar und 46 Prozent lernen gerne alleine. Die letztgenannte Lernform wird allerdings vor allem von Befragten mit geringerem Bildungsgrad abgelehnt.

Es ist nicht selbstverständlich, für die berufliche Bildung Geld aus eigener Tasche zu zahlen. Nur rund die Hälfte der Befragten gibt überhaupt Geld für die berufliche Weiterbildung aus. Die Höhe des Weiterbildungsbudgets hängt stark vom Bildungsgrad und der beruflichen Position ab.

eLearning – selten genutzt, aber Nutzerpotenzial vorhanden

Die Zahl der eLearning-Nutzer liegt in der Befragungsstichprobe bei fünf Prozent. Immerhin weitere 40 Prozent können mit den Begriffen „eLearning“ und „TeleLearning“ etwas anfangen. Doch mehr als die Hälfte der Befragten (54%) können sich unter „eLearning“ nichts vorstellen, hierunter vor allem Personen mit niedrigerem Bildungsgrad und einer Position mit geringerer Verantwortung. Es sind demnach noch viele Anstrengungen notwendig, um eLearning zunächst einmal bekannter zu machen. Voraussetzung hierfür ist u.a. die Vermittlung von Medien- und Computerkompetenz. Das Potenzial derer, die eLearning nicht nutzen, es aber kennen und sich eine Nutzung vorstellen können, liegt bei ca. 53 Prozent, vor allem Personen in der Industriellen Fertigung.

Welche Lernformen bevorzugen Befragte, die sich vorstellen können, eLearning einzusetzen? Grundsätzlich decken die gewünschten Formen das ganze Spektrum bestehender eLearning-Formen ab. Die meistgenannten Formen sind das „Blended Learning“ – also eine Kombination von eLearning und Präsenzunterricht (77%) – und das Lernen von CD oder Diskette (CBT, 75%). Hierbei hängt die Präferenz für bestimmte Formen sehr stark von der Branchenzugehörigkeit der Befragten ab. Gerade in der industriellen Fertigung legen die Befragten großen Wert auf Lernformen mit Betreuungsanteil.

Mitarbeiter mit ausgeprägten Lerngewohnheiten stehen dem eLearning näher

Die bis hierhin präferierten Lernformen, Lernorte, Lerninhalte lassen sich mit Hilfe einer „Clusteranalyse“ zu Gruppen zusammenfassen, deren Mitglieder ähnliche Lernstile aufweisen. Folgende vier „Cluster“ bilden die empirisch ermittelte „Lernertypologie“:

Cluster 1: Die Viellerner (19%)
Sie nutzen sowohl formelle als auch informelle Lernformen häufig und legen Wert auf persönliche Betreuung. Es handelt sich hier überwiegend um Mitarbeiter in Leitungsfunktionen und Angestellten in Großunternehmen. Sie haben einen höheren Bildungsabschluss (Realschule, Abitur und Studium) und eine mittlere bis hohe Computerkompetenz. Einige von ihnen sind bereits eLearning-Nutzer, andere haben zumindest eine konkrete Vorstellung von eLearning. Sie wären für neue Lernformen im eLearning besonders leicht zu gewinnen.

Cluster 2: Die Weniglerner (21%)
Die Weniglerner lernen für berufliche Zwecke eher selten – vermutlich, weil sie auch nur selten Gelegenheit dazu erhalten. Häufiger als im Durchschnitt gehören zu dieser Gruppe 50 bis 59-Jährige und 30 bis 39-Jährige. Sie sind eher Arbeiter (oft in Großunternehmen), haben eine geringere Schulbildung und eine geringere Computerkompetenz. Viele von ihnen haben noch nie von eLearning gehört und können sich auch nicht vorstellen, eLearning zu nutzen. Um diese Gruppe für eLearning zu begeistern, müsste zunächst die Computer- und Medienkompetenz gefördert werden.

Cluster 3: Die informellen Lerner (24%)
Die informellen Lerner lernen bevorzugt in Eigeninitiative, lesen Bücher und Zeitschriften, sprechen oft mit ihren Vorgesetzten und Kollegen und recherchieren am Computer. Viele von ihnen haben einen hohen Bildungsabschluss (Abitur und teilweise Studium), arbeiten überproportional häufig in Kleinstunternehmen und verfügen über eine gute Computerkompetenz. Viele informelle Lerner haben bereits eine konkrete Vorstellung von eLearning und können sich auch vorstellen, eLearning zu nutzen. Hier können eLearning-„Macher“ die Mitglieder dieser Gruppe gut für eLearning-Formen des Selbstlernens begeistern.

Cluster 4: Die Betreuungsorientierten (36%)
Die Betreuungsorientierten bilden mit mehr als einem Drittel die größte Gruppe. Sie nutzen hin und wieder Lernangebote, aber seltener informelle Lernformen. Wichtig ist ihnen der soziale Aspekt beim Lernen – sie lernen gerne im Kurs und legen Wert auf eine Betreuung durch Dozenten. In dieser Gruppe befinden sich überdurchschnittlich viele Personen mit Volks- und Hauptschulabschluss sowie Befragte, die in ihrer Tätigkeit Verantwortung übernehmen (Facharbeiter, Sachbearbeiter). Viele arbeiten in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Ihre Computerkompetenz ist eher gering, dementsprechend ist auch vielen von ihnen das computerunterstützte Lernen unbekannt. Auch hier müsste vor einer Einführung von eLearning zunächst einmal die Computerkompetenz gefördert werden.

Handwerker kennen eLearning nicht, sind aber an computergestützter Weiterbildung interessiert – größeres eLearning-Potenzial in der Verwaltung

Genauer betrachtet werden in der weiteren Analyse zwei Gruppen von Beschäftigten – die Befragten mit einer handwerklichen Ausbildung und die Beschäftigten in der Verwaltung. Die Beschäftigten mit einem handwerklichen Beruf verfügen über geringere Computerkompetenzen als die übrigen Befragten. Wenn sie sich weiterbilden, dann eher zu unmittelbar arbeitsbezogenen Themen. Sie lernen gerne in kleinen Gruppen und legen Wert auf eine Betreuung durch Ausbilder oder Dozenten. Überdurchschnittlich viele Befragte mit handwerklichem Beruf kennen „eLearning“ als Lernform nicht (80%). Immerhin können sich rund ein Drittel vorstellen, eLearning zu nutzen.

In der Verwaltung besitzen die Mitarbeiter eine vergleichsweise hohe Computerkompetenz. Da ihnen die berufliche Weiterbildung sehr wichtig ist, finanzieren sie ihre Bildung auch aus privaten Mitteln und bevorzugen eher informelle Formen des Lernens (Bücher, Zeitschriften, Computerrecherchen). Überdurchschnittlich hoch ist im Öffentlichen Dienst die Bereitschaft, eLearning zu nutzen.

Personen mit unterschiedlichen Lerngewohnheiten brauchen unterschiedliche Ansprache

Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Mitarbeiter in Unternehmen eine ausgesprochen heterogene Zielgruppe sind, die von eLearning-Produzenten und Multiplikatoren auf sehr unterschiedliche Wege – je nach ihren Lerngewohnheiten – angesprochen werden muss. Grundsätzlich ist vor der Entw icklung eines eLearning-Programms eine genaue Zielgruppenanalyse notwendig, damit das Produkt auch von den späteren Nutzern akzeptiert wird. Zentral sind hierbei die Aspekte „soziales Lernen“ und „Selbstlernen“.
Für die meisten Nutzer, vor allem aber für Personen mit einem niedrigeren Bildungsgrad und in Positionen als Facharbeiter oder Sachbearbeiter ist eine Betreuung der Lerner und oft auch eine vorherige Förderung der Computerkompetenz notwendig. Bei Führungskräften mit höherem Bildungsgrad besteht die Möglichkeit, an den bereits vorhandenen informellen Lernstilen anzuknüpfen.

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