Local Commerce: Stationärer Handel im Um- und Aufbruch

Es kann so einfach sein: Bei einer Tasse Kaffee entspannt auf dem heimischen Sofa eine schicke, neue Jeans shoppen, bestellen und innerhalb weniger Tage nach Hause geliefert bekommen – eine Alltagssituation bei vielen Kunden. Online-Shopping erfuhr in den vergangenen Jahren ein Wachstum wie nur wenige Branchen. Ein Blick auf Zahlen des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels (bevh) zeigt: Der Online-Handel in Deutschland konnte mit rund 39,8 Milliarden Euro im Jahr 2013 ein Umsatzplus von 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen – der Online-Handel bommt.
Des einen Freud ist des anderen Leid: Vielen stationären Einzelhändlern geht es schlecht, im Zuge des rapiden Online-Wachstums mussten sie viel schlucken.

Mehr und mehr Geschäfte in deutschen Innenstädten schließen, unfähig sich nach eigener Auffassung gegen die Übermacht der Online-Konkurrenz zu behaupten. Die Reaktion auf diese Situation scheint bei vielen plausibel: Wenn Konsumenten nur noch online einkaufen, warum eröffne ich keinen eigenen Online-Shop?

Sicherlich ein Weg, sich diesem Verhalten anzupassen, doch viele Einzelhändler unterschätzen den Aufwand, einen Online-Shop aufzubauen, zu pflegen und zu vermarkten. Vielen Stationärhändlern fehlt schlicht auch das nötige Kapital und Know-how, um einen Online-Shop effizient aufzubauen. Eine andere Lösung tut sich auf, betrachtet man die derzeitige Marktsituation.

Der Markt verändert sich; online-affine Kunden besinnen sich beim Kauf ihrer Wunschprodukte zurück auf traditionelle Werte wie den guten persönlichen Service und eine kompetente Beratung vor Ort. Zeitgleich möchten sie aber nicht auf die Möglichkeiten der digitalen Welt verzichten, also einfache Wege, ihr Produkt online zu finden. So benutzen laut einer Google-Studie bereits vier von fünf Verbrauchern Suchmaschinen, um sich lokale Informationen, entweder zu Produkten oder Einzelhändlern, einzuholen. Die Reaktion auf Basis dieser und anderer Studien liegt in der Ausarbeitung konsistenter Multi-Channel-Strategien – Strategien, die verschiedene Online- und Offline Kanäle nutzen, um die eigenen Angebote besser zugänglich zu machen und so neue Kunden in den Laden zu führen.

Local Commerce – eine neue Chance?
Im Rahmen der vielschichtigen Möglichkeiten des Internets, ist es so heute auch möglich, den Kunden nicht nur am heimischen Computer, sondern auch unterwegs und sogar direkt vor dem Geschäft über sein Smartphone oder Tablet anzusprechen.

Strategien, die darauf abzielen, das klassische Ladenkonzept in die digitale Welt zu heben und so die eigenen Produkte weiträumig zugänglich zu machen, werden unter dem Begriff Local Commerce zusammengefasst. Kunden können demnach vermehrt mobil angesprochen werden und so auch vor oder im Geschäft Kaufentscheidungen treffen. Das Resultat sind neue Kundengruppen, die in die Geschäfte geführt werden. Eine Möglichkeit, eine solch innovative Strategie umzusetzen, ist bereits bei vielen Anbietern wie Obi, Karstadt, Zara oder C&A in der Testphase und hört auf den Namen Click&Collect. Kunden sind durch diese neue Art des Vetriebs in der Lage, das Produkt online zu kaufen und es anschließend in einer Filiale ihrer Wahl abzuholen. Das ist jedoch nur der Anfang.

Herausforderungen für den Stationärhandel
Solche neuen Vertriebskonzepte umzusetzen, ist natürlich erstmal leichter gesagt als getan. Mit den Möglichkeiten des Internets bekommen es Einzelhändler neben den organisatorischen und operativen Herausforderungen mit einer völlig neuen Art von Kunden zu tun. Diese sogenannte „RoPo-Kundschaft“ macht laut einer aktuellen GfK-Studie (Gesellschaft für Konsumforschung) bereits 41 Prozent der Verbraucher aus. Das englische Akronym RoPo (Research online, Purchase offline) bezeichnet einen Kundentypus, der sein Wunschprodukt zunächst online recherchiert und es anschließend im Geschäft kauft. RoPo-Kunden sind besser informiert als jemals zuvor. Sie nutzen das Internet, um vorab zu recherchieren, Produktbeschreibungen und Kundenbewertungen zu lesen und Angebote zu vergleichen. So finden sie letztendlich ihr Wunschprodukt. Die Quintessenz daraus sind nicht mehr nur interessierte Kunden; jeder von ihnen wird zu einer kleinen Koryphäe auf seinem Gebiet. Dieses Phänomen findet sich in vielen Branchen wieder. Händler müssen sich an dieses Verhalten anpassen. Darüber hinaus sind sie nicht mehr „nur“ Verkäufer, sondern auch Animateur, Stylist (Modebranche) oder Trainer, um den Kunden das Einkaufserlebnis zu bieten, was sie im E-Commerce vermissen.Ein anderes Problem stellt die Digitalisierung der Ware dar. Viele Einzelhändler, sowohl kleine als auch die Big-Player, hängen der technischen Entwicklung international gesehen hinterher. Häufig wird sogar noch auf einfachste Listen zurückgegriffen. Die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger, gut sortierter Produktdaten ist jedoch für ein durchdachtes Multi- bzw. Cross-Channel-Konzept unerlässlich. Kunden sehen den bequemen Zugriff auf Produktbeschreibungen und Bilder mittlerweile als eine Mindestanforderung an einen guten Online-Shop an. Ein gutes Warenwirtschaftssystem schafft Abhilfe. Es hilft Einzelhändlern, ihr Sortiment im Überblick zu behalten, und standardmäßig eingebaute Exportfunktionen ermöglichen die Extraktion und Einbettung von Daten in Marktplätze wie eBay, Amazon und Co. Jedoch ist die Anschaffung teuer und die Umsetzung meist mit sehr viel zeitlichem Aufwand verbunden.
Nicht nur lokale Einzelhändler machen sich deswegen Gedanken, wie dieses Problem zu lösen ist. Neue Unternehmen und Start-ups werden gegründet, um eine Lösung dafür zu finden. Ein Beispiel dafür ist das Berliner Start-up Inventorum. Inventorum entwickelt „die Kasse von morgen für den Laden von heute“: ein über iPads verfügbares Kassensystem, das den Händler bei den täglichen Aufgaben wie Kassenabwicklung und Warenverwaltung unterstützt.

Lokale Marktplätze: Stationärer Handel 2.0
Was können Händler nun tun, wenn sie diese Daten haben? Einen Online-Shop aufzubauen, fällt aus den bereits erwähnten Gründen wie mangelnder Finanzkraft, Kompetenz, Vermarktung und zeitlichem Aufwand bei den meisten weg. Die Antwort auf diese Frage bilden lokale Marktplätze. Diese haben sich zur Aufgabe gesetzt, dem „sterbenden Einzelhandel“ unter die Arme zu greifen, indem sie die Daten aus Warenwirtschaftssystemen in die eigene Plattform integrieren. Händlern wird so ein großer Teil der Arbeit abgenommen, weil die Pflege und Maßnahmen zur Vermarktung der Produkte in den Händen dieser Unternehmen liegen. So sollen wieder mehr Kunden in die Geschäfte geführt werden. Ein Beispiel für ein solches Unterfangen liefert das Berliner Start-up Locafox. Das fünfköpfige Gründerteam um Geschäftsführer Karl Josef Seilern hat es sich mit seinen Mitarbeitern zur Aufgabe gemacht, dem Ladensterben ein Ende zu setzen. Locafox.de bietet produkt- und händlerspezifische Informationen wie Preise, Verfügbarkeiten und Standortinformationen an und ermöglicht Kunden, ihr Produkt schnell und unkompliziert zu reservieren. Das eigentliche Einkaufserlebnis, also eine persönliche Beratung, die Möglichkeit das Produkt zu testen oder aber nur ein entspannter Plausch mit dem Verkäufer erfolgt dann im Geschäft. Karl Josef Seilern formuliert die ehrgeizige Vision wie folgt: „Alle Händler. Alle Produkte. In jeder Stadt. Auf einer Plattform.”
Und sie sind nicht die Einzigen. Weitere Unternehmen wie Hierbeidir, Shoppingcompass, Productmate oder Atalanda erkannten das Potential in diesem aufstrebenden Markt ebenfalls und versuchen nun, sich und anderen Marktbegleitern den Rang abzulaufen.

Die Zukunft gehört dem E-Commerce – und Local Commerce
Local Commerce wird für ein Comeback stationärer Händler ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Eine Vielzahl von Unternehmen, wie zum Beispiel u. a. Locafox oder Shoppingcompass (Telekom), erkennen das gewaltige Marktpotential und haben sich bereits zum Ziel gesetzt, den Einzelhandel in der Umsetzung zu unterstützen. Letzten Endes steht vor allem das Einkaufserlebnis der Kunden im Vordergrund. Natürlich ist das nicht die einzige Sichtweise und E-Commerce-Größen wie Oliver Samwer, CEO von Rocket Internet, stoßen den lokalen Händler mit Sätzen wie „80% der Offline-Händler werden nicht überleben“ vor den Kopf.
Wie sich die Zukunft weiterhin gestaltet, ist schwer abzuschätzen. Sicher ist jedoch, dass durchdachte Local-Commerce-Strategien immer mehr an Bedeutung für Händler und Konsumenten gewinnen werden.

Der Fachartikel wurde bereitgestellt von Locafox, der lokalen Produktsuchmaschine.

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