Schnelle Internetzugänge sind eine Selbstverständlichkeit, Wohnungen ohne Breitband sind schwer zu vermieten, Hauspreise sinken ohne Breitband-Zugang und wenn der Internet-Anschluss zu langsam ist, beschweren sich die Bürger bei Kommunalpolitikern und Verwaltung. 81% der Männer und 72% der Frauen in Deutschland nutzen laut (N)Onlineratlas 2013 das Internet und aufgrund der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten ist es gerechtfertigt, die Breitband-Versorgung als eine Aufgabe der Daseins-Vorsorge zu behandeln!
Die Zerschlagung des Kabelnetzes beim Verkauf im Jahr 2000 auf eine Reihe von regionalen Gesellschaften ist ursächlich für die im Vergleich zu anderen Ländern lange Verzögerung bis zur Schaffung der Rückkanalfähigkeit. Der Marktanteil der Kabelnetzbetreiber für den Breitbandzugang wächst zwar von allen Technologien am stärksten, ist aber absolut betrachtet im internationalen Vergleich noch schwach. Der Ausbau mit Glasfaser-Anschlussnetzen kommt in Deutschland ebenfalls eher schleppend in Gang, da das Angebot an DSL-Zugängen den vorhandenen Bedarf zu vergleichsweise günstigen Preisen abschöpft.
Die verschiedenen Aktivitäten der Deutschen Telekom und alternativer Betreiber, die in Summe höhere Investitionsaufwände stemmen als die Deutsche Telekom, haben im wesentlichen auf der Basis der Kabel-TV Netze und mittels DSL zu einer Verfügbarkeit von Breitbandzugängen, die mindestens 50 Mbit/s an Übertragungsgeschwindigkeit ermöglichen, die nach Schätzungen von STZ-Consulting 2013 im Durchschnitt bei 60% der Haushalte liegen dürfte (Ende 2012 waren es knapp 55%. Korrekte Zahlen zu ermitteln ist nicht ganz einfach, da es kein bundesweites unabhängiges Breitband-Kataster gibt. Insgesamt werden laut VATM Mitte 2013 27,7 Millionen Breitbandanschlüsse (ab 2 Mbit/s) genutzt.
Diese Verfügbarkeit ist grundsätzlich nicht schlecht, wenn es auch fraglich erscheint, ob die von der Bundesregierung als Ziel festgelegten 75% der Anschlüsse mit > 50 Mbit/s in 2014 erreicht werden. Aber dies ist ein grundsätzliches und nicht Breitband-spezifisches Problem, wenn von der Politik nur das Ziel definiert, aber keine Strategie zur Erreichung der Ziele erarbeitet und umgesetzt wird.
Die tatsächliche Nutzung schneller Anschlüsse liegt mit ca. 25% weit unter der Verfügbarkeit
Bei 77% Internetnutzern und einer Breitbandversorgung von ca. 60% könnte man vermuten, dass im Durchschnitt 46% der Haushalte schnelle Internetzugänge nutzen. In der Realität liegen die Nutzungszahlen aber erschreckend niedrig. Nach Schätzungen von STZ-Consulting nutzen im Durchschnitt nicht mehr als 25% der Haushalte in den mit mehr als 25 Mbit/s versorgten Regionen die Möglichkeit des schnellen Anschlusses.
Selbst bei den nachhaltig zukunftssicheren Glasfaser-Hausanschlüssen herrscht bei den potenziellen Nutzern Zurückhaltung. Ende 2012 waren nach Schätzung des Branchenverbandes VATM gut 800.000 Glasfaser-Hausanschlüsse verfügbar, aktiv genutzt wurden auch hier nur 43% oder 343.500. Für VDSL stand laut Golem.de um die sogenannte „Takeup-Rate“ für die Nutzung vorhandener Anschlüsse mit 10% (von 10 Millionen Anfang 2011 verfügbaren VDSL-Anschlüssen) noch schlechter. Laut VATM wurden Ende 2012 immer noch nur 11,4% der DSL-Anschlüsse mit mehr als 16 Mbit/s (VDSL) genutzt!
Es ist nur schwer auszumachen, woran die fehlende Akzeptanz bei den Nutzern liegt. Eine insbesondere in Deutschland zu beobachtende „Geiz-ist-geil“-Mentalität und der Preiskrieg der Anbieter haben dazu geführt, dass ein Internetzugang eigentlich nicht mehr als 19,90 Euro pro Monat kosten darf. Dafür ist ein schneller NGA-Anschluss allerdings nicht zu realisieren. Zum anderen fehlt ein breites Angebot von Diensten, die einen schnellen Zugang erfordelrich machen. Durch die bislang vertikal geschlossenen Geschäftsmodelle ohne offene Schnittstellen für einen mittelständischen Dienstebetreiber ist dieses Marktsegment in Deutschland – anders als in den Niederlanden noch unterentwickelt. Mit einer Zunahme von spezifischen Angeboten aus den Bereichen Bildung, Kultur, Sport, Telemedizin und eGovernment kann sich das Nutzungsverhalten mittelfristig ändern. Dabei ist dann die Verfügbarkeit einzelner Diensteangebote für die Kaufentscheidung vermutlich vorrangig im Vergleich zu immer schnelleren Geschwindigkeiten. Tatsächlich gibt es derzeit keinen praktischen Grund, einen Internetzugang mit mit mehr als 50 Mbit/s zu erwerben, da es hirfür keine Massenmarkt-Dienste gibt. So wird erklärbar, warum Deutschland derzeit nicht mehr als ca. 6 Millionen NGA-Anschlüsse (> 25 Mbit/s) hat.
Glasfaserausbau durch Vectoring ausgebremst
Diese Situation könnte man als gegeben hinnehmen, wenn nicht gleichzeitig das über IP-Netze übertragene Datenvolumen pro Jahr um ca. 18% wachsen würde. Mit diesem starken Wachstum, für das sich in den nächsten Jahren kaum eine Abschwächung andeutet, werden die vorhandenen Netze irgendwann in den nächsten fünf bis zehn Jahren an eine Kapazitätsgrenze stossen. Daher müsste ein vorausschauender Infrastrukturaufbau mit Glasfasernetzen bis zum Hausanschluss (Fiber-to-the-Home oder Fiber-to-the-Building) erfolgen, denn nur die Glasfaser besitzt die physikalischen Voraussetzungen für schnelle Datenübertragung (nur die Lichtgeschwindigkeit stellt eine Grenze dar) mit sehr hohen Kapazitäten. Da die Kosten für den Glasfaserausbau entscheidend von den Tiefbaukosten für die Verlegung der Anschlussnetze bestimmt werden, kann ein Investitions-schonender Ausbau.
Die Deutsche Telekom hat 2010 als Ziel für 2012 kommuniziert, 10% der Haushalte mit Glasfaseranschlüssen auszubauen. Anstatt der geplanten 4 Millionen Anschlüssen wurden es nicht mehr als 200.000, die zu gerade 25% tatsächlich aktiv genutzt werden. Bei diesen schlechten Werten ist es verständlich, dass sich die Deutsche Telekom aus dem Ausbau mit FttH (Fiber-to-the-Home) offensichtlich weitgehend zurückzieht. Während die Deutsche Telekom sich mit dem FttH-Ausbau auf dicht besiedelte Kernstadtbereiche konzentriert hat, die überwiegend bereits von Kabelnetzbetreibern versorgt werden, hat die Deutsche Glasfaser, ein Tochterunternehmen der niederländischen Reggeborgh, ihren Ausbau gerade in dünn besiedelten ländlichen mit schlechter Breitbandversorgung begonnen. Obwohl bisher häufiger argumentiert wurde, dass sich unter diesen Bedingungen ein Breitbandausbau wirtschaftlich nicht lohnt, beweisen die Aktivitäten in den Kreisen Borken, Coesfeld, Viersen und Heinsberg, dass gerade hier doch Bedarf besteht. In einer Reihe von Ortsteilen konnten Vorvertragsquoten von 55 bis deutlich über 80% realisiert werden. Vermutlich benötigt nicht jeder der neuen Kunden einen Internetzugang mit symmetrischen 100 Mbit/s, aber ohne eine qualifizierte Alternative mit schnellen Zugängen wird das Angebot der Deutschen Glasfaser gerne wahrgenommen. Sobald aber Bereiche mit einer besseren Versorgung von über 10 Mbit/s bearbeitet werden, sinkt die Akzeptanz signifikant bis auf unter 10% und entspricht damit wieder den Werten, die auch die Deutsche Telekom in ihren „Giganetz“ FttH-Vorhaben erreicht.
Betriebswirtschaftlich macht der jetzt beschlossene VDSL-Ausbau auf der Basis der „Vectoring“-Technologie mit bis zu 100 Mbit/s im Downstream durchaus Sinn. Zum einen ist der Ausbau im Vergleich zum FttH-Ausbau mit deutlich geringeren Investitionen möglich. Zum anderen ermöglicht der Vectoring-Ausbau die Abschaltung des alten und bisher parallel betriebenen analogen Netzes. So kann der Vectoring-Ausbau in hohem Maße durch Einsparungen bei den Betriebskosten finanziert werden und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Kabelnetzbetreibern. Da in einem Ortsnetz bei Vectoring das gesamte Netz ausgebaut und fast alle Kabelverzweiger mit Glasfaser angeschlossen werden müssen, ergibt sich für die Kommunen der Vorteil, dass die Versorgung innerhalb des Ortsnetzes wesentlich homogener wird als bei dem bisherigen VDSL2-Ausbau.
Negative Auswirkungen in der Zukunft ohne Vorkehrungen absehbar
Die Kehrseite beim Vectoring-Ausbau ist, dass DSL-Netze auf diesem Wege wieder in erheblichem Maße re-monopolisiert werden. Wettbewerber haben nur unter engen Auflagen die Möglichkeit, selber mit tätig zu werden. Bei einer Ausschreibung durch Kommune und Kreise geraten Wettbewerber der Deutschen Telekom in eine schwierige Position, da sie keine Synergie-Effekte durch die Abschaltung des analogen Netzes entgegensetzen können und somit in der Kalkulation kaum wettbewerbsfähig anbieten können. Aktivitäten von Kommunen und Kreisen, die sich selber zum Aufbau von passiven NGA-Netzen entschlossen haben, werden unter Umständen erheblich beeinträchtigt, da die erwarteten Kundenpotenziale in schwach versorgten Regionen in bedeutendem Maße wegbrechen. Der weitere Glasfaser-Ausbaus zur Erzielung einer mittelfristig leistungsstarken Breitband-Infrastruktur wird voraussichtlich massiv eingebremst und die nachhaltige Zukunftssicherheit zugunsten einer kurzfristigen Verbesserung der Versorgungslage gefährdet.
Erweist sich die Prognose als richtig, dass mittelfristig kein Weg an Glasfaser vorbei führt, dann kommen erhebliche Investitionen auf die Kommunen zu, die heute keine Vorsorge schaffen. Die Investitionen für die Erstellung eines Hausanschlusses liegen je nach Randbedingungen, wie der Länge zwischen den Häusern. Der Bodenklasse und der Verlegetiefe zwischen 1.500 und 4.000 Euro. Es lässt sich leicht hochrechnen, welche Belastungen auf eine Mittelstadt zukommen. Bei 25.000 Haushalten und einem Durchschnittsinvest von 2.500 Euro wären aus dem Haushalt über 62 Millionen Euro zu finanzieren!
Bei einem vorausschauenden Handeln und einer koordinierten Mitverlegung in Verbindung mit anderen Tiefbaumaßnahmen lassen sich die Kosten bis auf ein Zehntel senken. Dann muss man allerdings auch eine Zeitspanne von 10 bis 15 Jahren einplanen, bis das Stadt- oder Gemeindegebiet weitgehend flächendeckend ausgebaut ist. In dieser Zeit ergeben sich allerdings auch keine Einnahmen aus dem entstehenden Netz. Dafür liegen die jährlichen Investitionen bei unter 0,6 Millionen Euro.
Handlungsoptionen für Kommunen und Kreise
Der Paradigmen-Wechsel beim Breitbandausbau durch die Deutsche Telekom eröffnet vielen Kommunen neue Chancen. Unter Umständen ergibt sich eine kostengünstige Möglichkeit, einen flächendeckenden Ausbau zu erreichen, der in dieser Form noch im letzten Jahr nicht möglich erschien. Bei Verfahren während der „Umbruch“-Phase konnte man dies zum Teil durch deutliche Veränderungen in den ermittelten Deckungslücken feststellen. Daher sollten interessierte Kommunen die Möglichkeiten prüfen und über Bedarfsermittlung und Markterkundung die Lage für das eigene Gebiet ermitteln. Es ist auch bei den neuen Zielen der Telekom nicht ausgeschlossen, dass es in den nächsten Jahren (wie bei den Zielen für die Glasfaseranschlüsse) zu grundlegenden Änderungen kommt. Daher kann Eigeninitiative der Kommune den Vorgang durchaus beschleunigen.
Neben dem kurz- bis mittelsfristigen Versorgungsziel sollten Kommunen und Kreise langfristige Ziele für die Schaffung von Glasfaser-Anschlussnetzen festlegen und durch Zuordnung von personellen und finanziellen Ressourcen absichern. Dann ergeben sich für die Infrastruktur-Versorgung nicht bereits heute absehbare Probleme. Folgende Aufgaben sollten sich Kommune und Kreise daher zu Eigen machen:
- Analyse der konkreten Versorgungssituation, vorhandener Infrastrukturen und Ermittlung des Bedarfs
- Prüfung der Ausbau-Optionen durch Workshops mit Netzbetreibern und durch öffentliche Markterkundungs- und Auswahlverfahren
- Schaffung der Position eines dauerhaften Breitbandkoordinators, je nach Größe der Kommune auch in Teilzeit)
- Erstellung eines Masterplans für die Verlegung eines Glasfaser-Anschlussnetzes
- Bereitstellung von jährlichen Haushaltsmitteln für den Netzaufbau im Beilauf
Aufgabe des Staates und der Länder ist dabei, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Hierfür muss noch eine beihilferechtliche Grundlage für den Aufbau eines NGA-Anschlussnetzes in solchen Regionen, in denen heute entweder VDSL oder ein Kabelnetz verfügbar ist, Erleichterungen bei der Übertragung des Wegerechts entlang von Bundes- und Landesstraßen. Die bisherigen Regelungen für die Sicherstellung der Grundversorgung mit 2 Mbit/s auf der einen Seite und dem Aufbau von Leerrohnetzen nach der entsprechenden Bundesrahmenregelung reichen hierfür nicht aus. Für die Verbesserung der kurzfristigen Versorgungslage sind ergänzende rechtliche Rahmenbedingungen für Gebiete zu schaffen, die mehrheitlich mehr als die Grundversorgung haben, aber unter der NGA-Grenze von 25 Mbit/s liegen.
Autor Dr.Jürgen Kaack von STZ Consulting