Jeder Erblasser kann in seinem Testament grundsätzlich eigene, von der gesetzlichen Erbfolge abweichende, Regelungen treffen. Dabei kann er auch seine nächsten Angehörigen enterben, diese also vom Erbe ausschließen. Besonders bei Unternehmensnachfolgen kommt dies regelmäßig vor. Entscheidend dabei ist, den gesetzlichen Pflichtteilsanspruch nicht aus den Augen zu verlieren. Dieser kann bei Unternehmensnachfolgen in die Millionen gehen.
Dass auf Deutschland eine Nachfolgewelle zurollt, ist mittlerweile Common Sense. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise mögen diese Entwicklung zwar temporär unterbrochen haben – die generelle Wucht bleibt indes bestehen. Es kommt eine Zeit nach Corona, und dann stehen langfristige unternehmerische Entscheidungen mehr denn je im Fokus, um die Zukunft zu gestalten. Und dazu zählt eben die Unternehmensnachfolge. Experten und Forschungsinstitute wie das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn) sprechen von mehreren 10.000 Unternehmen jährlich, in denen sich aus Altersgründen an der Spitze ein Wechsel anbahnt. Das sind zu fast 100 Prozent familiengeführte Unternehmen aus dem Mittelstand, von Kleinst- und Kleinunternehmen mit unter 50 Mitarbeiter bis hin zu internationalen Gesellschaften, deren Arbeitnehmerzahl leicht im vierstelligen Bereich liegen kann, die aber dennoch von einer Eigentümerfamilie kontrolliert und in der Regel auch operativ geführt werden.
Dass bei der familieninternen Nachfolge größer Wert auf ein harmonisches, konsensuales Vorgehen gelegt wird, versteht sich von selbst. Eine Störung des Familienfriedens kann weitreichende Auswirkungen auf der Unternehmens- und Vermögensführung haben, und üblicherweise wünscht der Patriarch einen „genehmen“ Nachfolger an der Spitze. Oder es besteht der Wunsch, dass nur ein Kind die Nachfolge übernimmt, sei es aus Gründen der Führungsstruktur oder aufgrund einer besonderen Neigung und Kompetenz für das Unternehmertum. Wie dem auch sei: Es existieren zig Konstellationen, in denen Kinder von der Unternehmensnachfolge ausgeschlossen werden sollen und dementsprechend nicht von den Anteilen profitieren.
Das wiederum kann zu weitreichenden schädlichen Konsequenzen führen, denn der Ausschluss vom Erbe führt zwangsläufig zu Pflichtteilsansprüchen. Zwar ist das deutsche Zivilrecht vom Prinzip der Privatautonomie geprägt, die sich auch in der Testierfreiheit widerspiegelt. Jeder Erblasser kann also in seinem Testament grundsätzlich eigene, von der gesetzlichen Erbfolge abweichende, Regelungen treffen. Dabei kann er auch seine nächsten Angehörigen enterben, diese also vom Erbe ausschließen. Kinder und Ehegatten (und falls keine Abkömmlinge vorhanden sind, auch die Eltern) können in diesem Fall nach §§ 2303ff. BGB Pflichtteilsansprüche geltend machen, und zwar grundsätzlich in Höhe der Hälfte des Werts ihres gesetzlichen Erbteils.
Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall und gewährt dem Berechtigten lediglich einen Geldanspruch gegenüber dem beziehungsweise den Erben. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird dabei im Wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt: einerseits von der Erb- beziehungsweise Pflichtteilsquote des Anspruchsinhabers und andererseits vom Wert des Nachlasses. Der Pflichtteil ist grundsätzlich ein Baranspruch und unmittelbar zu entrichten.
Das kann bei einer Unternehmensnachfolge zu horrenden Ansprüchen führen. Man nehme einen fiktiven Unternehmenswert von fünf Millionen Euro, was schon im kleineren Mittelstand völlig normal ist. Wird eines von zwei Kindern vom Erbe dieses Vermögensteils ausgeschlossen, steht ihm die Hälfte seiner gesetzlichen Erbquote zu. Diese beträgt 50 Prozent (wenn der Erblasser verwitwet ist) beziehungsweise 25 Prozent, sollte ein Ehegatte (bei zu Lebzeiten bestehender Zugewinngemeinschaft) den Erblasser überleben. Daraus resultiert eine Pflichtteilsquote von 25 beziehungsweise 12,5 Prozent. In der Musterberechnung führt der Pflichtteilsanspruch dann zu einer Forderung in Höhe von 1,25 Millionen beziehungsweise 625.000 Euro, eben abhängig von der gesetzlichen Erbquote.
Dazu muss es natürlich nicht kommen. Es können in der strategischen Gestaltungsberatung frühzeitig professionelle Strategien entwickelt werden, um mit etwaigen Pflichtteilsansprüchen umzugehen und das Vermögen zu schützen. Beispielsweise kann (bei ausreichendem Umfang) der private Vermögensteil so aufgeteilt werden, dass der von der Unternehmensnachfolge ausgeschlossene Erbe vollständig kompensiert wird. Eine gängige Lösung ist auch die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts gegen Abfindung. Gerade über die lebzeitigen Abfindungen gegen Verzicht kann viel gesteuert werden, um eine Ertragsquelle an den gewünschten Nachfolger ohne Streitigkeiten zu übertragen. Entscheidend ist, dass die Familie gemeinsam mit dem rechtlichen und steuerlichen Berater einen Plan entwickelt, der wirklich alle Seiten zufriedenstellt.