Radiofrequenz-Identifikation (RFID) wird mittlerweile in den verschiedensten Bereichen eingesetzt. Von Bekleidung, bis hin zu Lebensmitteln – vor allem bei Waren, die leicht verderben können, hat sich die Verwendung von RFID-Technologien bewährt. Die Anwendungen sind zahlreich, wie auch ein Pilotprojekt zeigt, das den Gütertransport auf der Schiene optimieren soll.
Pünktlichkeit sollte für die Bahn eigentlich oberste Priorität haben. Denn verschnupfte Kunden, die wegen Unzuverlässigkeiten dem Unternehmen den Rücken kehren, kann sich eigentlich niemand leisten. Und was für den Personenverkehr gilt, das gilt auch für den Gütertransport. Denn in der Regel sind Logistikketten zeitlich eng kalkuliert und jede noch so kleine Verzögerung bedeutet im Zweifelsfalle einen großen Geldverlust. Allerdings ist die pünktliche Lieferung auch noch aus einem anderen Grund wichtig. Nämlich dann, wenn die transportierten Stoffe nicht gelagert werden können, wie es beispielsweise bei flüssigem Eisen der Fall ist.
So wie beispielsweise im Saarland, wo das Schweizer Bahnlogistikunternehmen SBB Cargo für das Eisenwerk Rogesa, einem Joint Venture der Dillinger Hütte und Saarstahl, täglich flüssiges Eisen mit einer Temperatur von bis zu 1400 Grad Celsius von Dillingen in den 20 Kilometer entfernten Verarbeitungsbetrieb Völklingen überführt. Ein sehr zeitkritischer Ablauf, bei dem es in der Vergangenheit immer mal wieder hakte.
Der Hauptgrund für die Probleme: Bisher wurden die Details zu jedem abgehenden Zug telefonisch übermittelt und dann von einem Mitarbeiter in das Produktionsplanungssystem des Eisenwerkes eingegeben. Eine Methode mit hoher Fehleranfälligkeit, denn bei der telefonischen Übermittlung und anschließenden manuellen Erfassung der Daten kam es immer mal wieder zu Zahlendrehern oder anderen Missverständnissen. Die Folge: Verspätete Züge, falsche Wagenreihenfolgen und im Zweifelsfalle ein Stocken der Produktionsabläufe.
Pilotprojekt
Grund genug also, nach einer anderen Methode für die Datenübermittlung Ausschau zu halten. Fündig wurde man schließlich bei der Radiofrequenzidentifikation (RFID). Zwar spielt die Funktechnologie in den Logistikketten großer Unternehmen heute eine zunehmend wichtige Rolle, doch ihr Einsatz beim Gütertransport über die Schiene ist relativ neu. Die Vorteile sind jedoch enorm, lassen sich mit Hilfe der RFID-Chips doch die zeitkritischen Abläufe weiter optimieren. Und das ist besonders wichtig, wenn es – wie beim Transport von Flüssigeisen – auf eine exakte Planung ankommt, weil die Lieferungen mit dem sensiblen Rohstoff rund um die Uhr innerhalb definierter Zeitfenster am Ziel eintreffen müssen. „Unser Ziel in dem Projekt war es, die Wagennummern eines Zuges sequenziell zu erfassen und sie mindestens 20 Minuten vor dessen Abfahrt elektronisch direkt an Saarstahl zu übertragen“, erläutert Stefan Baiker, Projektchef RFID bei SBB Cargo, das Vorhaben.
Dazu wurden kreditkartengroße selbstklebende Funkchips an beiden Seiten der Spezial-Waggons installiert – passive, batterielose Transponder, die auf einer Frequenz von 13,56 MHz Daten senden und empfangen. Mit Hilfe dieser Funkchips, läuft die Vormeldung heute entsprechend fehlerresistenter ab. Denn anstatt zum Telefonhörer zu greifen, liest der entsprechende Mitarbeiter heute mit einem Mobilterminal aus den RFID-Tags die Wagennummerndaten im stehenden Zug aus und sendet sie via GSM-Mobilfunk an einen FTP-Server (File Transfer Protocol) von SBB Cargo, auf den Saarstahl zur Erteilung des Transportauftrags zugreift. „Die praktische Erprobung hat gezeigt, dass in der Tat weniger Fehler entstehen“, sagt Baiker.
Der Vorteil für Saarstahl: Das Unternehmen bekommt frühzeitig die exakten Informationen, wie viele Wagen in welcher Reihenfolge eintreffen werden und kann seine Produktionssteuerung entsprechend einstellen. „Aber auch für uns hat dieses automatisierte Verfahren erheblichen Nutzen“, betont der Projektleiter RFID. So könne der Transportdienstleister schon vor der Abfahrt beim Empfänger ankündigen, was er genau wann befördere und dies im Zweifelsfall auch belegen. Baiker: „Wir haben dadurch eine sicherere Datenbasis, um unsere Leistung und Qualität jederzeit beurteilen zu können“.
Technische Weiterentwicklungen
Dementsprechend positiv war die Reaktion des Kunden und deshalb ist das RFID-System inzwischen in den normalen Produktionsbetrieb überführt worden. „Es läuft rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, Tag und Nacht“, berichtet Stefan Baiker. In der nächsten Projektphase steht nun die automatisierte Abgangskontrolle im Mittelpunkt. Hierzu muss aber zunächst das bisher eingesetzte mobile Outdoor-Gerät durch einen Reader ersetzt werden, der die RFID-Tags per Laser auslesen kann. Dann könnte beispielsweise vor Abfahrt des Zuges sehr schnell geprüft werden, ob alle Türen und Ventile geschlossen oder die Bremsen einsatzbereit sind.
In Entwicklung befindet sich auch eine im Gleisbett liegende RFID-Antenne samt Reader, mit deren Hilfe die Daten von an Drehgestellen befestigten Tags während der Zugfahrt übernommen werden können. Eine „große technologische Herausforderung“, wie Baiker findet. Denn die Readerantenne soll mit lediglich einem Transponder die Richtung der Zugfahrt erkennen. Und das bei hoher Geschwindigkeit. Zudem muss bei den passiven Transpondern die Lese-Antenne den Chip mit Energie versorgen, sobald er in ihrem Magnetfeld erscheint.
Im Einsatz – so die Idee der Tüftler bei SBB Cargo – steckt der Funkchip an der Unterseite des Waggons, während die Antenne im Gleisbett befestigt ist – umgeben von Schmutz, Wasser, Eis oder dem abgeschliffenen Metallstaub der Schienen. Auch dies eine große technische Herausforderung. Um ein möglichst optimales System entwickeln zu können, hat ein von der Schweizer Güterbahn initiiertes Forschungsprojekt deshalb die zu erwartenden Störeinflüsse untersucht. Ebenso wie die Auswirkungen der Elektromotoren der Loks in verschiedenen Fahrsituationen. Erste Ergebnisse sind durchaus positiv.
„Technisch ist ein solches System durchaus auch bei Geschwindigkeiten bis zu 140 Stundenkilometern realisierbar“, bilanziert Stefan Baiker die Studien. Allerdings gebe es noch Hindernisse auf anderen Ebenen. So existiert unter anderem noch kein europaweit einheitlicher Standard, welche Daten überhaupt auf dem Tag gespeichert sein sollen. „Soll es der Wagentyp sein, die letzte Wartung, der Eigner, der Betreiber oder der Inhalt der Ladung“, fragt der RFID-Projektleiter, der für eine schlichte Nummer plädiert. Über die lässt sich dann im IT-System der aktuelle Status des Waggons abfragen.
Wenn solche Fragen, vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr, geklärt sind, ist in Zukunft auch eine Einbindung der RFID-Daten in das Tracking & Tracing-System von SBB Cargo vorstellbar. Darüber können die Kunden der Schweizer Güterbahn schon heute jederzeit über das Internet den Standort ihrer Züge oder Waggons feststellen.
Einsatzmöglichkeit Gefahrguttransport
Doch auch heute sind bereits weitere Einsatzmöglichkeiten im Gespräch, beispielsweise bei Gefahrguttransporten. Gerade in Deutschland werden solche Transporte immer wieder von Protesten begleitet, auch wenn die entsprechenden Logistikunternehmen alles tun, um die Sicherheit zu gewährleisten. Unfälle lassen sich eben nie ganz ausschließen, zumal wenn der Gefahrguttransport weiter ansteigt. Nach der jüngsten Erhebung des statistischen Bundesamtes bewegt die Bahn allein in Deutschland jährlich inzwischen knapp 58 Millionen Tonnen Gefahrgut, das sind rund 17 Prozent ihrer Gesamttransporte – Tendenz weiter steigend. Befördert werden auf der Schiene überwiegend entzündbare flüssige Stoffe wie Rohöl, Benzin, Dieselkraftstoff und Heizöl (Gefahrklasse 3), hier liegt der Anteil am gesamten Gefahrgutaufkommen bei rund 64%. Weitere bedeutende Gefahrklassen sind die Gase (Gefahrklasse 2) und die ätzenden Stoffe (Gefahrklasse 8), auf die rund 10 beziehungsweise knapp 9 Prozent entfallen.
Die Radiofrequenzidentifikation könnte auch hier zu einem Mehr an Sicherheit führen. Kesselwagen oder im Stückgutverkehr auch einzelne Gefahrgutverpackungen (z. B. Fässer, Packstücke, Kanister) bzw. Ladungsträger (z. B. IBC’s, Big-Bags) werden dazu mit RFID-Transpondern ausgestattet. Die Identifikationsnummer des Gefahrstoffes (in Form der vierstelligen UN-Nummer, die jeden Stoff weltweit eindeutig identifiziert) sowie die Stoffmengen, die Absender etc. werden auf den beschreibbaren Mikrochips hinterlegt. Diese Informationen können z. B. bereits bei der Kommissionierung der Güter bzw. ihrer Auslagerung erfasst werden. Die Transponderdaten werden dann wieder bei der Zusammenstellung von Ladeeinheiten für die Beladung im Warenausgang mit einem RFID-Schreib-/Lesegerät erfasst und gespeichert.
Ist eine Ladung komplett zusammen gestellt, so werden die Daten vor der Beladung elektronisch von einer Software, die alle geltenden Zusammenladungsverbote gespeichert hat, ausgewertet. Sollten Gefahrstoffe zusammen geladen worden sein, die nicht zusammen transportiert werden dürfen, so erfolgt eine Warnmeldung. In gleicher Weise können die Informationen an allen Punkten der Lieferkette überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. Um Gefahrguttransporte effektiv zu überwachen, ist allerdings die Integration von Ortungssystemen direkt am Transportmittel erforderlich. Denn nur dadurch lassen sich die aktuellen Standorte ermitteln und mit einer Tracking & Tracing-Monitoring-Funktion jederzeit nachverfolgen.