Telekommunikation: Die Schattenseiten der Erfolgsgeschichte

Der Telekommunikationsmarkt kann auf eine Reihe großartiger Erfolge zurückblicken. Doch neben den Vorzeigebeispielen à la Internet und SMS gibt es auch Flops in der Branche, über die nicht mehr so häufig geredet wird. Das Wissen um diese Fehlentwicklungen in der jüngeren Telekommunikationsgeschichte lässt sich jedoch für zukünftige Technologien nutzen.

Die Einführung des digitalen Mobilfunks (GSM) beispielsweise ist eine Erfolgsgeschichte par excellance. Selbst eigentlich ungeplante technische „Abfallprodukte“ wie z.B. SMS haben sich mit großem Erfolg durchgesetzt. Eine andere Erfolgsgeschichte ist das Internet, das eigentlich zunächst der sicheren und nicht so leicht unterbrechbaren Kommunikation für das US-Militär dienen sollte.

Aber nicht alle Entwicklungen waren durchschlagende Markterfolge, einige sind im Laufe der Zeit überholt worden oder ganz wieder vom Markt verschwunden. Bei anderen gibt es aber andere Gründe als fehlende Kundenakzeptanz. Interessant ist dabei der internationale Vergleich, denn einige der Dienste waren bzw. sind in anderen Märkten durchaus erfolgreich. Im Folgenden werden einige Beispiele vorgestellt, die zumindest aus der Sicht des Autors Flops oder Fehlentwicklungen waren.

Bildschirmtext (BTX)
ist als ein Vorläufer für das Internet in den 80er Jahren zu sehen, bot allerdings nur begrenzte Funktionalität. Teure Endgeräte und fehlende Inhalte haben den Markterfolg in Deutschland verhindert. In Frankreich war das Pendant „Minitel“ ein durchschlagender Erfolg, da die Endgeräte als Ersatz für Telefonbücher kostenlos an die Haushalte abgegeben wurden. Andere Anwendungen wie Fahrpläne und Informationseinträge kamen hinzu.

Paging (Funkruf, Cityruf)
Paging ist ein mobiler Informationsdienst, mit dem kurze Textnachrichten übermittelt werden können. In Deutschland war dies in den 90er Jahren für DeTeMobil bis zum Verkauf der Aktivitäten ein Nischenprodukt und wurde bei den großen Mobilfunknetzbetreibern vollständig vom Mobiltelefon substituiert. In den USA hatten dagegen viele Nutzer schon lange neben dem Mobiltelefon einen Pager und dies wurde durch subventionierte Paketangebote gefördert. Aufgrund der niedrigeren Kosten von Pager und Nachrichtenübertragung konnte sich Paging sowohl bei Geschäfts- als auch bei Privatnutzern durchsetzen. In Deutschland hat man dagegen bei DeTeMobil zu lange versucht, Paging als eigenständiges Geschäftskundenprodukt zu positionieren. Privatkundenangebote mit einem Swatch-Pager kamen viel zu spät.

Andere Anbieter, die sich as Spezialisten auf das Paging-Geschäft konzentrieren, können mit Paging nach wie vor mit dem richtigen und auf die Zielgruppen ausgerichteten Geschäftsmodell erfolgreich agieren. In Verbindung mit Informationsangeboten als Mehrwertdienste ist Paging unverändert und wohl auch zukünftig attraktiv. Ein Beispiel für ein solches Geschäftsmodell bietet die e*Message Wireless Information Services GmbH. Für geschlossene Nutzergruppen (z.B. Krankenhäuser, Polizei und Feuerwehr) ist Paging seit Jahren ein unverzichtbares und ausfallsicheres Kommunikationsinstrument, z.B. e*BOS-Alarmierung

Mobile Datenkommunikation (Modacom)
war ein eigenständiger mobiler Datendienst, der schon in den 90er Jahren Datenkommunikation für Geschäftskunden bot, wie sie erst jetzt wieder in Verbindung mit GPRS und UMTS möglich wird. Damals hat man ähnlich wie später wieder bei der Einführung von UMTS verkannt, dass niemand Datenkommunikation, wie man z.B. Sprachkommunikation, braucht. Datenkommunikation „lebt“ von Anwendungen (File-Transfer, Mails, Internetzugriff). Die zusätzlichen notwendigen und teueren Endgeräte zur Nutzung haben die Verbreitung auch nicht unbedingt gefördert.

Mobile Satelitenkommunikation (Iridium)
sollte Ende der 90er Jahre ein weltumspannendes Mobilfunknetz werden, das Endgeräte an allen Orten der Welt über 66 niedrig fliegende Satelliten verbinden sollte. Dabei stand Iridium schon bei der Konzeption im Wettbewerb zum digitalen Mobilfunk nach dem GSM-Standard. Als wettbewerbsfähige Regionen blieben damals nur die dünn besiedelten Gegenden der Welt und die Kernzielgruppen für ein solches System wären Schiffsoffiziere, Prospektoren, Arbeiter auf abgelegenen Großbaustellen, Freizeitsegler und die Jäger im Bayerischen Wald. Bei solchen Mikrosegmenten lässt sich nur schwer ein valides Geschäft mit hohen Vorlaufinvestitionen aufbauen. Die Treiber von Iridium waren Satellitenhersteller, die hiermit ein hervorragendes Geschäft gemacht hätten.

Zwar keine Marktflops im eigentlichen Sinne, aber bislang eben aus dem einen oder anderen Grund auch keine Markterfolge in Deutschland (wohl aber in anderen Märkten, so dass es nicht am fehlenden Produktnutzen liegen kann), sind die folgenden Systeme:

Digitale Bündelfunksysteme (Tetra und Tetrapol)
sind moderne digitale Funksysteme für Polizei, Feuerwehr und industrielle Anwender, die in den 90er Jahren als Nachfolger für analoge Bündelfunksysteme entwickelt wurden. Einige Unternehmen haben die kommerzielle Umsetzung auch in Deutschland versucht, bislang sind aber hier alle daran gescheitert. Im europäischen Ausland dagegen hat sich Tetra weitgehend durchgesetzt, selbst in Polen setzt die Polizei Tetra für Sprechfunk und mobile Datendienste ein. Die Diskussionen zwischen den Bundesländern und der Streit über den „richtigen“ der beiden Standards hat in Deutschland die kommerzielle Nutzung behindert. Auch die Bundesländer haben zu lange bei der Beschaffung gezögert. Irgendwann kommt Tetra sicher auch in Deutschland, Tetrapol hat dagegen wohl kaum eine Chance – die alte Diskussion um Video2000 als hochwertigeren Videostandard im Vergleich zu VHS lässt grüssen!

Mobile Breitband-Zugänge (WiMAX und UMTS-TDD)
sind Funklösungen, die einen portablen Breitbandanschluss bis 3 MBit/s. als Alternative zu DSL über die Teilnehmeranschlussleitung bieten. In einer Reihe von Ländern werden Funknetze nach diesen Standards aufgebaut oder sogar bereits erfolgreich betrieben (z. B. in Österreich, Tschechien, Frankreich und selbst in Russland). In Deutschland dagegen verhindert eine verunglückte Lizenzierung den Aufbau von WiMAX-Netzen, obwohl fast 100 Unternehmen Interesse hieran bekundet haben. Ausländische Hersteller ziehen sich bereits teilweise wieder zurück. Vielleicht kommt WiMAX jetzt nach einer neuen Ausschreibung irgendwann in 2007! Für den Ausbau von Funknetzen nach dem UMTS-TDD Standard stehen bereits seit über einem Jahr Investitionen abrufbar bereit, die aber nicht getätigt werden können, da bislang keine Entscheidung über eine anstehende Lizenzverlängerung getroffen werden konnte. Ohne Planungssicherheit keine Investitionen!

Das folgende Beispiel steht zwar nicht für einen Marktflop an sich, aber ein Beispiel für eine Fehlplanung und eine schlechte Umsetzung bei der Lizenzvergabe mit Negativauswirkungen für den gesamten TK-Markt in Deutschland:

UMTS
ist das moderne international standardisierte Mobilfunksystem der dritten Generation. Ohne Frage bietet UMTS eine Reihe von interessanten Dienstemöglichkeiten, es ist nur bislang noch keinem der Anbieter gelungen, die oder zumindest eine „Killer-Applikation“ neben Sprache und SMS zu finden. Egal ob MMS oder Videotelephonie, neben Sprache und SMS gibt es bislang keine relevante Applikation und ob mobiles Fernsehen dies sein wird, muss zumindest stark bezweifelt werden. Eine erfolgreiche Umsetzung setzt entweder eine Beschäftigung mit Mikrosegmenten voraus oder eine weitgehende Öffnung der Netze für Diensteentwickler, z.B. MVNOs.

Die weit überzogenen und unrealistischen Lizenzen von über € 50 Mrd. hat der Branche erheblichen und nachhaltigen Schaden zugeführt und auch der Volkswirtschaft nur kurzfristig geholfen, da Sonderabschreibungen und massive Personalkürzungen die Folge waren. Den Netzbetreibern fehlte dieses Geld zur Entwicklung sinnvoller neuer Angebote. Anstatt den Wettbewerb zu fördern (gegenüber des heutigen Oligopols im Mobilfunk), haben sich zwei neue Anbieter schon vor dem Netzaufbau wieder zurückgezogen. Wettbewerbsförderung auf deutsche Art! UMTS an sich ist hierdurch natürlich nicht in Frage gestellt und ist und bleibt das Mobilfunksystem der nächsten Zukunft!

Welche Schlüsse lassen sich aus diesen Beispielen ziehen:

– Nicht jeder TK-Dienst ist automatisch ein Erfolg
– Technik-getriebene Dienste können ein Erfolg werden (Beispiel SMS), müssen es aber keineswegs
– Herstellerinteressen sind keine hinreichende Voraussetzung für einen Erfolg
– Ohne Regulierung kann kein Wettbewerb entstehen, aber eine bürokratische Regulierung hilft niemendem
– Neue Dienste sollten Anwenderinteressen im Fokus haben – ohne Nutzen für den Anwender kein Erfolg

Eigentlich sind dies keine revolutionären Erkenntnisse und gelten auch in anderen Märkten. Aber eine Zeitlang konnte man den Eindruck gewinnen, dass in der Telekommunikation, und insbesondere im Mobilfunk, alles möglich ist und jedes neue Angebot automatisch zum Erfolg wird. Hier sind die Kapitalmärkte natürlich auch nicht ganz unschuldig, aber für die Umsetzung sind immer noch die TK-Anbieter selbst verantwortlich.

Solange die Marktmacht der Anbieter so ungleich ist wie bislang, kann Wettbewerb ohne Regulierung nicht entstehen und überleben. Leider sind die Regulierungsentscheidungen nicht in allen Fällen besonders glücklich und nicht nachvollziehbar. Die neuesten Beispiele sind die WiMAX-Lizenzausschreibung und die nicht nachvollziehbaren Überlegungen zu VDSL. Es müsste eigentlich auch anders gehen…

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